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Veilchengelb

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03.05.2017
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Veilchengelb

„Es wird Winter“, stellte ich fest und wickelte meine Jacke enger um mich herum.
Steffen sah mich an. „Wie meinst du das?“
Es war ein lauer Frühlingsabend, fast schon Sommer. Überall in der Stadt blühte es und die meisten Menschen – er auch – waren im T-Shirt unterwegs. Ich schwieg. Versuchte, in meinem Gehirn mein Empfinden in für ihn verständliche Worte zu verpacken. Bevor ich damit Erfolg hatte, hakte Steffen bereits ungeduldig nach.
„Vielleicht ist dir einfach nicht gut. Du frierst ja sogar."
„Das ist es nicht“, entgegnete ich trotzig. Er sah mich erwartungsvoll an, dabei hätte er sich einfach nur noch einen Moment länger gedulden müssen. „Ich glaube, es hängt mit den Sternen zusammen.“
Skeptisch richtete er seinen Blick in den Himmel. „Was soll mit den Sternen sein?“
„Nichts, das ist es ja: Wann hast du zum letzten Mal die Sterne gesehen? Die Sonne hat sich auch schon lang nicht mehr blicken lassen.“
Steffen zuckte mit den Schultern. „Es ist ja aber auch nicht direkt dunkel.“
„Findest du denn, dass ein Himmel so aussehen sollte? Rein von der Logik her, meine ich.“
„Naja, er ist halt bewölkt. Schon recht lange, das stimmt, aber deswegen gleich zu vermuten, dass es um diese Zeit im Jahr Winter wird, ist doch Blödsinn! Hier, sieh mal: Die Blumen blühen doch und sehen gesund und prächtig aus.“
„Plastik“, erklärte ich.
„Hä?“, machte er.
„Ja, sie riechen gar nicht.“
„Plastikblumen. Hier überall – wie soll das gehen?“
„Ich weiß nicht“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Es geht halt.“
Er atmete mehrmals tief durch die Nase ein und aus, um die Luft zu riechen. Dann gab er auf und hob erneut die Schultern. „Ich weiß nicht.“
Ich lief zu einem Blumenbeet und riss ein Veilchen heraus.
„Was zum Teufel machst du denn da?“
„Da, Plastik!“ Triumphierend – weil ich Recht hatte, nicht weil ich mich darüber freute – zog und zerrte ich vor seiner Nase an den Blüten. Sie waren zäh.
„Ach!“ Er nahm mir die Blume aus der Hand und warf sie weg.
„Und du findest es auch nicht stickig?“
„Ich bin Allergiker, für mich ist es im Frühling immer stickig.“
„Aber es ist anders“, murmelte ich. Wieso merkte er das alles nicht? Die Luft war bleischwer in meinen Lungen und jeder Atemzug war eine Welle dumpfen Schwindels, die über mich hinwegrollte.
„Anders stickig?“
Ich ignorierte ihn. „Wir sollten aufs Land fahren.“
„So spät noch?“
Wie spät? War es überhaupt schon Abend? Ich sah mich um, aber nirgendwo konnte ich eine Uhr entdecken. Der Himmel half mir auch nicht weiter, er war gelb. Nicht dunkel, nicht hell, nein: einfach gelb.
Auf der anderen Straßenseite liefen Menschen vorbei, die sich daran nicht zu stören schienen. Sie lachten. Die Männer trugen Shorts und T-Shirts, die Frauen sogar Sommerkleider. Dabei war es wirklich nicht warm.
„Was meinst du, wohin sie gerade unterwegs sind?“, fragte ich und nickte in Richtung der fröhlichen Gruppe.
„Woher soll ich das wissen?“
„Na du meinst ja, dass es schon spät ist. Also: Sind sie zum Abendessen unterwegs oder zu einer Party? Kommen sie vielleicht gerade vom Kaffee trinken? Wenn du mich fragst, könnten sie genauso gut zum Brunchen gehen.“
„Worauf willst du hinaus?“, seufzte Steffen.
„Was glaubst du, welche Tageszeit wir haben?“, fragte ich, diesmal so, dass er nicht ausweichen konnte. Er änderte seine Taktik und übte sich in Schweigen, während ich mich fragte, ob er endlich einsah. Ob er verstand, was ich ihm mitzuteilen versuchte.

Am Ende der Straße segelte die erste Schneeflocke an meinem Gesicht vorbei und ich zertrat sie mit meinem Schuh.
Dann kam noch eine. Und noch eine. Und noch viele mehr. So viele, dass sie bald nicht mehr auf Steffens dünnem T-Shirt-Stoff schmolzen und einsickerten, sondern als flauschige Kristalle seine Schultern bedeckten. Ich kuschelte mich in meine Strickjacke und sah vorsichtig zu Steffen auf, dessen fassungsloser Blick in den Himmel gerichtet war. Er blinzelte die Flocken weg, die sich in seinen Wimpern verfingen. Starrte weiter ins Gelb des Himmels, als ob er dort des Rätsels Lösung vermutete.
Ich machte einen Schritt nach vorn und zog an seinem Handgelenk, um ihn aus seiner Paralyse zu holen. Nur mit Mühe schaffte er es, seinen Blick auf den Gehweg zu lenken, der inzwischen wie mit Puderzucker überzogen war. Zunächst noch ungelenk und vorsichtig, vergaßen wir bald das geringe Profil unter unseren Sommerschuhen und rannten die verschneiten Straßen entlang bis zu seiner Wohnung.
Der dünne Balken im Thermometer sank so schnell, dass man ihm dabei zuschauen konnte. Ich dachte an die Plastikblumen, die nun unter der immer dicker werdenden Schneedecke zu Boden gedrückt wurden. Dachte daran, dass diese Decke nicht weiß war, wie sie eigentlich zu sein hatte, sondern gelb. Gelb wie der Himmel über ihr und die Veilchen darunter. Gelb wie das Sommerkleid, das eine der Frauen aus der fröhlichen Gruppe getragen hatte. Ich hoffte für sie, dass sie ihr Ziel erreicht hatten, wo auch immer sie um diese Uhrzeit hinwollten.
Neben mir sah Steffen wieder starren Blicks in den Himmel, seine Winterjacke eng um den Körper gezogen.
„Es wird Winter“, gab er endlich zu.

 

Hallo Jana Retlow!

Das ist eine schöne Idee, eine Geschichte zu erzählen. Nur ist sie ein wenig zu kurz und zu abgehackt.

Hast du schon mal darüber nachgedacht, sie im Präsens zu schreiben, statt im Präteritum? Das würde für mich die ganze Story greifbarer und realistischer machen.


LG

betze

 

Hallo betzebub,

Ich habe mal versuchsweise den Anfang ins Präsens gesetzt und finde, dass es sich gut anhört. Bevor ich allerdings alles umschreibe, möchte ich gerne ein paar andere Meinungen dazu hören. Falls das hier jemand liest: gerne auch mal die Meinung dazu abgeben - also als eine Art Umfrage. :)

Vielen Dank und liebe Grüße,

Jana

 

„Vielleicht ist dir einfach nicht gut. Du fierst ja auch“, versuchte er es weiter.

Was versucht er weiter? Er sagt etwas. Da ist für mich nicht erkennbar, was genau er versucht. Will er sie aufmuntern? Will er etwas aus ihr herauskitzeln? »Es versuchen« ist keine Art des Gesprächs. Wie oft hast du denn schon zu jemanden gesagt »Kannst du mir das mal versuchen? Ich komme damit nicht zurecht!«? Etwas mehr Klarheit wäre schön.

„Nein“, protestierte ich

Gegen was protestiert sie? Gegen seine Versuche?

„Ich weiß nicht“, antwortete ich wahrheitsgemäß,

Das »wahrheitsgemäß« kann weg. Das ist an der Stelle des Dialogs einfach nur ein Füll- und Schmuckwort. Der Text funktioniert auch, wenn es nicht da steht.

„Und du findest es auch nicht stickig?“

Das solltest du anders formulieren, da sonst Unstimmigkeiten entstehen, weil es nach jemanden klingt, der nach Zustimmung sucht.
»Findest du es denn gar nicht stickig?«, wäre meine Idee.

bald rannten wir schlitternd die verschneiten Straßen entlang

Mh, ich würde mich an dieser Stelle entweder für das Rennen oder das Schlittern entscheiden. Beides zusammen funktioniert irgendwie nicht richtig. Zumindest ist das, was ich mir dabei vorstellen, urkomisch - und das passt nicht zum Ton der Geschichte.

***

Ja, davon hätte ich gerne noch ein wenig mehr gelesen. Die Idee find ich gut und bis auf ein paar kleine Ausrutscher, über die man diskutieren könnte, habe ich nicht viel zu meckern. Leider ist der Text sehr kurz, aber er erreicht in dieser kurzen Zeit eine ganze Menge. Über die Welt, in der er statt findet, könnte man ganze Romane schreiben, aber das würde ihr das Mysterium nehmen, glaube ich. Es macht gerade dann Spaß, wenn ich mir selbst Gedanken drüber machen kann, was da eigentlich los ist, wo sie leben, warum Blumen aus Plastik sind, ob sie überhaupt aus Plastik sind, und so weiter und so fort. Das muss mir nicht alles vorgekaut werden und das hast du gut hingekriegt, indem du dich als Autor zurückgenommen und der Szene die Bühne überlassen hast.

Wenn da jetzt noch Ordnung in die Dialoge kommt oder du mir erklären könntest, warum das so sein muss, hätten wir nen runden Text, der mir gut gefallen hat.

 
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Hallo Jana

Finde ich einen interessanten Text. Zunächst möchte ich etwas Handwerkliches ansprechen:

„Es wird Winter“, stellte ich fest und wickelte meine Jacke enger um mich herum. Es war ein lauer Frühlingsabend, eigentlich fast schon im Sommer.
„Was?“ Steffen sah mich an, als hätte ich ihm gerade mitgeteilt, dass ich schwer krank wäre. „Wie meinst du das?“ Er war immer noch sichtlich verwirrt. Überall in der Stadt blühte es und die meisten Menschen – er auch – waren im T-Shirt unterwegs.
„Vielleicht ist dir einfach nicht gut. Du fierst ja auch“, versuchte er es weiter.
„Nein“, protestierte ich, „Es ist anders. Ich glaube, es hängt mit den Sternen zusammen.“
Skeptisch richtete er seinen Blick auf den Himmel. Kein Stern weit und breit.
„Was soll mit den Sternen sein?“, fragte er schließlich, inzwischen ziemlich ratlos.

Du schreibst einen seltsamen Text, hast eine seltsame Protagonistin. Da gibt es die Tendenz, dem Antagonisten einen starken Realitätssinn zuzuschreiben, damit dieser dem Leser mitteilt, dass er, der Antagonist, es auch ziemlich seltsam findet, was da geschieht – und den Leser damit beruhigt. Ich denke, das ist so ein unbewusster Mechanismus, weil man selbst im Versuch seltsame Geschichten zu erzählen, die üblichen Gesprächskonventionen nicht verletzen will.
Lass doch einige der fettmarkierten Wendungen weg. Die Dialoge reichen völlig aus, um Steffen überrascht wirken zu lassen. (Der Konjunktiv II: "dass ich schwer krank wäre" klingt in meinen Ohren falsch, btw. Die Irrealität hast du schon beim "als hätte", danach folgt aber ein Nebensatz mit indirekter Rede.)

Der zweite Punkt betrifft die grundsätzliche Ausrichtung des Textes. Auf mich wirkt er insgesamt etwas unentschlossen und zwar in doppelter Hinsicht:

1. Du spielst einerseits mit der Dichotomie: Winter/Sommer, bzw. warm/kalt, andererseits mit der Dichotomie natürlich/künstlich (Blumen aus Plasitik).

2. Grosse Teile des Textes fokussieren auf die Beziehung der Erzählerin zu Steffen, vor allem in der Passage, wo sie sich nach dessen Beistand sehnt. Auf der anderen Seite spricht der Text aber immer wieder auch über das Unverständnis der anderen Menschen, die draussen sind. Sehr prominent vor allem im letzten Satz.

Ich war da etwas hin- und hergerissen. Ist das ein Text über diese eine Beziehung? Da passt die Warm/Kalt-Metaphorik gut. Du spazierst mit deinem Liebsten und plötzlich wird es Winter und er wird eingeschneit. Weshalb dann aber die Plastik-Blumen?
Oder ist es ein Text über die Gesellschaft? Weshalb dieser letzte Satz, der die Aufmerksamkeit von der Beziehung wegzieht und auf die Menschen im Allgemeinen legt?

Versteh mich nicht falsch, ich bin nicht auf der Suche nach einer Eins-zu-Eins-Interpretation und danach, dass alles schön aufgeht. Aber in der Kürze des Textes waren mir das zu viele Fenster, die der Text öffnet, ich hab da ein wenig den Fokus vermisst.

Dennoch hab ich den Text gern gelesen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

P.S. Ich würde im Präteritum bleiben. Ist die übliche Erzählform, ausser du willst was Unmittelbares, Schnelles, ein Hier und Jetzt im Text, was aber m.E. nicht zur Intention der Geschichte passt.
[Edit: Ich hab den Text noch mal gelesen und mir das im Präsens gedacht. Ich kann mich nun doch ganz gut mit der Idee anfreunden, finde es aber weiterhin nicht zwingend]

 

Hallo Jana Retlow,

deinen Text würde ich auch gerne im Präsens lesen. Vielleicht würde das noch mehr Nähe zur Protagonistin erzeugen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das wirklich viel ausmacht. Mir gefällt die Kurzgeschichte sehr gut, das Rennen und Schlittern mal ausgenommen. Schon in den ersten Sätzen dachte ich darüber nach, in welcher Welt die Protagonistin lebt. Ist Steffen die Veränderung egal, oder erlebt die Protagonistin eine Psychose und es gibt gar keine Plastikblumen, oder kündigt sich etwa ein Weltuntergang an?
Deshalb empfand ich den Text durchgehend als spannend. Die sparsame Wortwahl trug ebenfalls ihren Teil dazu bei.
Zum Schluss eine kurze Frage, denn das offene Ende macht mich ganz hibbelig: Mit welchem Hintergedanken hast du die Kurzgeschichte geschrieben?


Viele Grüße
A.Merg

 

Hej Jana Retlow,

ich mag diesen Text total gerne. Er schwebt wie die Flocken am Schluss und obwohl ich keine Ahnung habe, was diese Protagonistin bewegt, umtreibt und ängstigt, könnte ich noch lange weiterlesen, wegen der Atmosphäre, die du schaffst.
Obwohl, eine Ahnung habe ich schon.
Mittendrin fielen mir auch Bilder ein vom smogverseuchten Großstädten in China, in denen es Stationen gibt, an denen Menschen für Geld frische Luft gegen Bezahlung atmen dürfen. Ist doch abgefahren, oder. Und nicht phantastisch, sondern real. Gruselig.
Ich denke aber, es ist wesentlich persönlicher. Und wenn ich mich nicht mit der Autorin austauschen, und eines besseren belehrt werden könnte, würde ich das auch genauso lesen. ;)
Die Protagonistin ist in ihrer Beziehung einsam, hilflos und verängstigt. Sie Sehnt sich nach Halt und Stabilität. (Sie wohnen nicht zusammen). Und da sie intensiver fühlen als artikulieren kann, kommt diese Geschichte bei rum. :D :lol:

Das hat mir gefallen.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo NWZed und vielen Dank für deine Kritik,

„Vielleicht ist dir einfach nicht gut. Du fierst ja auch“, versuchte er es weiter.
Was versucht er weiter? Er sagt etwas. Da ist für mich nicht erkennbar, was genau er versucht. Will er sie aufmuntern? Will er etwas aus ihr herauskitzeln?
Da hast du mich gerade auf etwas aufmerksam gemacht - für mich war irgendwie immer klar, dass er versucht, ihr Verhalten für sich aufzuklären und ihr gleichzeitig klarzumachen, dass er ebendieses Verhalten seltsam findet.
Wird geändert.

„Nein“, protestierte ich
´
Hier will sie sich gegen sein Unverständnis und seine Versuche, ihre Bedenken zu zerreden, wehren.
Ich kann aber nachvollziehen, dass protestieren vielleicht nicht ganz der treffende Ausdruck ist.
Ich werde stattdessen entgegnete ich trotzig schreiben.

Auf das wahrheitsgemäß möchte ich ungern verzichten. Steffen fordert ja eine Erklärung für ihre kuriosen Behauptungen. Sie muss dann zugeben, dass sie es sich eigentlich auch nicht erklären kann und in dem Moment ist das wahrheitsgemäß wie ein Eingeständnis vor ihr selbst.

Bei den Fragesätzen

„Und du findest es auch nicht stickig?“
und
»Findest du es denn gar nicht stickig?«
sehe ich ehrlich gesagt nicht so richtig den Unterschied in der Fragestellung.
»Findest du es denn gar nicht stickig?« ist meiner Meinung nach genauso suggestiv wie „Und du findest es auch nicht stickig?“
Außerdem finde ich eine suggestive Formulierung hier genau richtig, denn die Hauptperson versucht ja, Steffens Wahrnehmung für die gegensätzlichen und seltsamen Verhältnisse um sie herum zu öffnen.
Sie will ihn davon überzeugen, dass sie Recht hat und er nicht. Und sie will, dass er die Beweise dafür selbst erkennt.

bald rannten wir schlitternd die verschneiten Straßen entlang
Mh, ich würde mich an dieser Stelle entweder für das Rennen oder das Schlittern entscheiden. Beides zusammen funktioniert irgendwie nicht richtig. Zumindest ist das, was ich mir dabei vorstellen, urkomisch - und das passt nicht zum Ton der Geschichte.
Ich muss dir da zustimmen; allerdings ist es eine natürliche Situation, wenn man mit Sommerschuhen durch glitschige, verschneite Straßen rennt.
Ich werde trotzdem weiter darüber nachdenken und vielleicht kommt mir eine Lösung, die realistisch und keine Slapstick-Comedy ist.

Ich hoffe, ich konnte deine Fragen beantworten und bedanke mich ganz herzlich für das Lob!
Es freut mich, dass du der Meinung bist, dass ich genau die richtige Balance zwischen Mysterium und Klarheit gefunden habe, denn genau das wollte ich ja erreichen.

Ein schönes Wochenende wünsch ich dir!

LG
Jana

 
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Hallo Peeperkorn,

Ich habe mir deine Kritik zu Herzen genommen und ein bisschen am ersten Part herumgewerkelt.
Zwei der Stellen, die du mir markiert hast, habe ich herausgenommen und außerdem aus dem wäre ein sei gemacht, weil das, glaube ich, richtiger ist.

den Leser damit beruhigt
Das soll gar nicht geschehen; eigentlich soll nur ihre Verärgerung über seine Ignoranz ausgedrückt werden und ich wollte durch ihre Augen beschreiben, was sie sieht - und zwar einen verwirrten Steffen :)

Für die Erklärung deiner Frage zur gesamten Ausrichtung meines Textes würde ich gerne noch die Frage von A.Merg miteinbeziehen, weil meine Antwort hier ungefähr gleich ausfallen wird.

Die Geschichte erhebt nicht den Anspruch logisch zu sein und will ein bisschen mit der Kuriosität des Beschriebenen spielen, weil es zunächst ohne Hysterie relativ nüchtern geschildert wird. Dennoch fließt vielleicht ein bisschen Gesellschaftskritik mit ein, denn ich habe den Text im Winter geschrieben und wenn Schnee lag, hat er das Licht immer reflektiert, sodass die Wolken gelb-orange gestrahlt haben und es auch nachts halbhell in meinem Zimmer war, während es tags wegen der Wolken halbdunkel blieb.

Es wird eine Welt beschrieben, in der sich das Wetter überhaupt nicht mehr an die Jahreszeit hält, weil Smog und Wolken die Sonne aussperren. Die Blumen sind aus Plastik, um den Schein zu wahren und durch künstliche Jahreszeiten die echten zu ersetzen.
Dann ist da noch die Bevölkerung, repräsentiert von Steffen und allen anderen, die Sommerkleidung tragen; sie alle schauen nicht genau hin, sondern glauben einfach das, was am offensichtlichsten und logischsten ist. Kalender sagt Sommer, also ziehen wir Sommerkleidung an. Wetterbericht sagt wolkig, also fragen wir nicht nach Sonnenschein oder sternenklarem Himmel.
Nur die Hauptperson hinterfragt die seltsamen Umstände.

Die Interpretation mit einer dysfunktionalen Beziehung war nicht unbedingt das, was ich ausdrücken wollte, aber ich finde sie auch nicht schlecht.
Ich denke, in diese Geschichte kann man viel hineininterpretieren und sie vielfältig interpretieren, oder man kann sie eben Wort für Wort lesen und seine ganze Unlogik in sich aufsaugen - da bin ich völlig offen und freue mich über neue Gedankengänge.

Vielleicht habe ich ja gerade sogar schon zu viel verraten, aber das Risiko musste ich eingehen ;)

Vielen Dank, dass ihr Gedanken mit mir geteilt habt und für euer Interesse an meiner Geschichte, ich habe mich sehr darüber gefreut!

Liebe Grüße,
Jana


Hallo Kanji,

vielen Dank für das Lob! Freut mich, dass dir die Geschichte so gut gefallen hat :)

Mit dem Gedankengang bezüglich der versmogten Luft in China bist du sehr nah an dem dran, was auch ich beabsichtigt habe.

Ich möchte dir aber deine Interpretation nicht zerreden und freue mich über diesen neuen Ansatz. Generell schreibe ich gerne so, dass möglichst viele Leser sich damit identifizieren können, denn ich finde kaum etwas schrecklicher als ein Text der mich als Person überhaupt nicht anspricht.

Behalte dir die Geschichte unbedingt so in Erinnerung, wie du sie zum ersten Mal gelesen und interpretiert hast! :)

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,

Jana

 

Hi Jana Retlow,

mir gefällt deine Geschichte auch sehr gut. Schöne Stimmung, schöner Bogen, wie es dann wirklich zu schneien beginnt.

Es gibt nur ein paar einzelne Stellen, bei denen bestimmte Zusätze gewissermaßen die Hülle durchstechen, die die entworfene umgibt, und zack, platzt das Ding und ich bin für einen Moment draußen und muss mich erst wieder einfinden.


„Es wird Winter“, stellte ich fest und wickelte meine Jacke enger um mich herum. Es war ein lauer Frühlingsabend, eigentlich fast schon im Sommer.
Das haut mich nicht direkt raus, aber schöner fände ich es ohne unmittelbare Korrektur. Es wird Winter - kann man auch erst mal so stehen lassen, der Widerspruch kommt ja gleich von Steffen.

„Was?“ Steffen sah mich an, als hätte ich ihm gerade mitgeteilt, dass ich schwer krank sei. „Wie meinst du das?“
"Was?" und "wie meinst du das" kommt mir gedoppelt vor. Eins von beidem reicht. Vielleicht reicht sogar nur der Blick.

„Vielleicht ist dir einfach nicht gut. Du fierst ja auch."
"Auch" würde ich streiche, damit du kein Risiko eingehst,d er Leser könnte das auf ihn beziehen, also: auch, genau wie ich. Gerade hast du gesagt, er sei auch im T-Shirt unterwegs, da liegt die falsche Fährte nahe (vom doppelten "auch" ganz abgesehen).

„Was soll mit den Sternen sein?“, fragte er schließlich, inzwischen ziemlich ratlos.
"inzwischen ziemlich ratlos" kann sicher weg, merkt man eh, und "inzwischen" klingt nach viel vergangener Zeit, dabei beobachte ich das Gespräch erst seit wenigen Augenblicken.

Kein Stern weit und breit.
Zack, draußen ;) Das klingt irgendwie nicht. Viel besser wäre es doch, den Satz von weiter unten hier hochzumogeln: "Der Himmel war gelb." Das dürfte schon reichen. (Ich denke nicht, dass man das im Sinne von "gelb vor Sternen" missverstehen wird.)

„Wie Sie sehen, sehen Sie nichts.
Und zack. Schon oft gehört, nicht besonders prickelnd und mir auch in der Bedeutung nicht klar: Warum reißt sie da einen Witz? Inwiefern ist das eine Antwort auf seine Frage?

„Ich weiß nicht“, antwortete ich wahrheitsgemäß, „Es geht halt.“
Das finde ich in dieser schlichten Selbstverständlichkeit sehr hübsch - mit oder ohne "wahrheitsgemäß".

„Ich weiß nicht.“
Würd ich streichen, wird eh auch so schon deutlich, dass er nicht weiß, was er von ihrer Rede halten soll. Außerdem hat sie gerade dasselbe gesagt. Vielleicht willst du die Wiederholung so haben, aber wenn das so sein sollte: warum?

Sein Unverständnis regte mich langsam auf.
Könnte aus meiner Sicht auch gerne weg, genau wie die folgende Erläuterung:
Ich ignorierte ihn.

War er etwa genervt? Dazu hatte er doch gar kein Recht, fand ich.
Kann auch gerne weg. All diese Erklärungen engen den Raum ein, den du doch gerne lassen möchtest. Ich sehe nicht ein, warum es wichtig sein sollte, dass sie findet, er habe kein Recht genervt zu sein. Wenn du ihr einen tyrannischen Charakterzug verleihen wolltest, könnte das eine sinnvolle Andeutung sein, aber das passt doch gar nicht zu ihr. Und dieses Frage, ob er genervt war. Das höre ich ja schon raus, ohne nachfragen zu müssen, wie viel eher dann sie.

Damit war die Diskussion beendet.
Darüber stolpere ich nicht unbedingt, aber besser ist es wahrscheinlich ohne den Satz.

Ob die Menschen in Sommerkleidung, an denen wir vorbeigekommen waren, wohl immer noch so ausgelassen lachten?
Schöner Schlusssatz. Eine offene Frage, wirkt auf mich nicht wertend, das finde ich gut.

Da sind viele Kleinigkeiten zusammengekommen und die Geschichte ist kurz. Jetzt fragst du dich vielleicht, wie sie mir dann gefallen haben kann. Hat sie aber. Das sieht nur so viel aus, in Wirklichkeit sind es Kleinigkeiten.

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hey erdbeerschorsch (cooler Name übrigens:) ),

Du wirst merken, dass ich einige Korrekturvorschläge direkt umgesetzt habe; andere habe ich mir als Inspiration genommen und hatte eine eigene Idee, wie man die Stelle verändern kann.

„Es wird Winter“, stellte ich fest und wickelte meine Jacke enger um mich herum.
Steffen sah mich an. „Wie meinst du das?“
Es war ein lauer Frühlingsabend, eigentlich fast schon im Sommer. Überall in der Stadt blühte es und die meisten Menschen – er auch – waren im T-Shirt unterwegs.
„Vielleicht ist dir einfach nicht gut. Du fierst ja sogar."
In diesem Abschnitt ist eigentlich das meiste passiert, ich finde es jetzt auch besser.

Skeptisch richtete er seinen Blick auf den Himmel.
„Was soll mit den Sternen sein?“, fragte er schließlich ratlos.
Hier hat sich auch einiges geändert. Ich habe ich dazu entschieden das Kein Stern weit und breit komplett zu streichen und auch nicht zu ersetzen. Dass keine Sterne zu sehen sind wird im nächsten Satz klar und dass der Himmel gelb ist, will ich da noch nicht verraten. Das kommt zur rechten Zeit ein paar Sätze später.

Einige deiner Punkte wollte ich so lassen:
Das "Ich weiß nicht." gefällt mir deswegen ganz gut, weil sie in ihrem nicht-wissen endlich mal einen gemeinsamen Nenner gefunden haben und das fand ich an der Stelle fast schon ironisch.
Sie weiß nicht, wie das mit den Plastikblumen gehen kann und er weiß nicht (bzw. kann es sich nicht erklären und drückt hier seine Skepsis aus), ob das mit den Plastikblumen überhaupt gehen kann. Einmal drückt es also das Unwissen aus und gleich darauf wird es als Wertung ihrer Theorie verwendet. Das fand ich schön.

Das ich ignorierte ihn ist auch immer noch drin. Ich hab es mir kurz weggedacht und fand, dass es gefehlt hat. Das unterstreicht, dass die Unterhaltung eigentlich auf keinen grünen Zweig kommen kann, weil sie beide vom jeweils anderen genervt sind und nicht richtig aufeinander eingehen.

Damit war die Diskussion beendet.
Habe ich ebenfalls dringelassen. Dadurch, dass die Diskussion eben beendet war, hat mir der Ausdruck der beidseitigen Resignation gefehlt. Deswegen dieser Satz.

Dass dir die Geschichte trotz der kleinen Mankos gefallen hat, freut mich und ich bedanke mich für die Kritik!

Liebe Grüße,

Jana

 
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Hola Jana Retlow,

Deine Geschichte gefällt mir, obwohl mir Veilchen und Gelb nicht begegnet sind. Trotzdem ein spektakulärer Titel.
Eine allseits bekannte Problematik wird dem Leser gut geschrieben näher gebracht.
Ohne Deine sympathische und geschickte Art, die beiden in den Winter zu schicken, wäre der Inhalt wohl etwas banal, denn das Thema Klimaveränderung liegt ja ständig wie eine unangenehme Wolkendecke über unseren Köpfen. Sehr gut auch, dass junge Autoren darüber schreiben.

Meine Vorkommentatoren haben verschiedene Dinge zu Recht angemerkt
(ich verstehe allerdings nicht, dass immer noch steht:

„... Du fierst ja auch“, ...

Die Blumen sind aus Plastik, um den Schein zu wahren und durch künstliche Jahreszeiten die echten zu ersetzen.
Heißt das, die Blumen sind aus Plastik, um die echten Jahreszeiten durch künstliche zu ersetzen? Da komm ich nicht ganz mit.

Dann ist da noch die Bevölkerung, repräsentiert von Steffen und allen anderen, die Sommerkleidung tragen; sie alle schauen nicht genau hin, sondern glauben einfach das, was am offensichtlichsten und logischsten ist. Kalender sagt Sommer, also ziehen wir Sommerkleidung an. Wetterbericht sagt wolkig, also fragen wir nicht nach Sonnenschein oder sternenklarem Himmel.
Dieser Abschnitt hätte – meine sehr private Ansicht - etwas mehr Message vertragen. Meine Interpretation: Steffen verhält sich wie ein Großteil der Menschheit, läuft mit Scheuklappen immer schneller zur schützenden Wohnung, kann aber vor diesem Problem nicht davonlaufen.
Die Wohnung hat Panzertüren und statt Fenster Bullaugen – fertig ist der Bunker. Aber Du gibst mir die Freiheit zum Spinnen:
Ich denke, in diese Geschichte kann man viel hineininterpretieren und sie vielfältig interpretieren ...
So sei es denn.

Viele Grüße!
José

 

Hallo José josefelipe,

Zunächst natürlich vielen Dank für die Komplimente betreffend Titel und Geschichte.

Nun, Veilchengelb soll eine Anspielung auf den Himmel sein, der in der Geschichte ja gelb ist. Als Kontrast zum bedrohlichen Setting wollte ich eine unschuldige Komponente mit hineinbringen, sodass das Überraschungsmoment größer ist; deswegen ist es nicht nur Gelb, sondern Veilchengelb. Passt ja dann auch zu den Plastikblumen ;)

Du fierst ja auch
Diese Stelle steht bei mir nicht mehr so im Text, ich habe es gegen
Du fierst ja sogar
ersetzt. Komisch, wenn es nicht im www angekommen sein sollte...

Zu deiner Frage bzgl. der Jahreszeiten und Plastikblumen: Durch die Abwesenheit der Sonne kommen keine Jahreszeiten mehr zustande und ohne Licht wachsen auch keine Blumen. Deswegen, um den fehlenden meteorologischen Frühling zu ersetzen und das Feeling aufrecht zu erhalten, die Plastikblumen.

Zu deiner Interpretation meiner Interpretation kann ich leider nicht viel sagen, außer: ja, dem Scheuklappen-Bild kann ich zustimmen.
Ich habe im Deutschunterricht früher nie verstanden, warum die Lehrer so lange die Schüler ausgefragt haben, bis sie eine (ihre bzw. die dem Lehrbuch entsprechende) Interpretation zusammengetragen hatten. Ich lerne im Austausch hier mit den Lesern viel mehr über meine Geschichten und die möglichen Wege, sie zu verstehen, als das, was ich ursprünglich beim Schreiben im Kopf hatte. Und anstatt zu sagen: "Nein, du siehst das falsch! Du musst das folgendermaßen sehen", freue ich mich riesig über diese Bereicherung und staune teilweise, weil ganz unerwartete Sachen als Feedback kommen.

Dass die Menschen in der Welt von "Veilchengelb" in Bunkern leben, fände ich gar nicht mal so abwegig. Würde irgendwie zum Gesamtbild passen. Es steht ja auch nichts Gegensätzliches im Text, also warum nicht? :D

In der Hoffnung, deine Fragen beantwortet und keine Verwirrung gestiftet zu haben,
liebe Grüße,

Jana

 

Du fierst ja auch
Diese Stelle steht bei mir nicht mehr so im Text, ich habe es gegen
Du fierst ja sogar
ersetzt.

Hola Jana Retlow,

bin ich etwas durcheinander oder haben Du und die Vorkommentatoren das Wort ‚fieren’ im Wortschatz?
Ich habe gegoogelt und tatsächlich: Das gibt es! Bei der Seefahrt:shy: Aber nur dort.
Könnte es unter Umständen sein, dass es sich um das vertippte Wort ‚frieren’ handelt?

José

 

Hallo Jana Retlow,

finde die Geschichte sehr interessant. Du schaffst eine sehr angenehme Atmosphäre, welche dem Anschein nach einen interessanten Schein in sich trägt. Wie oben schon erwähnt, klingt es stellenweise etwas abgehakt, jedoch empfinde ich diese Schreibweise in Bezug auf den Inhalt sogar eher als passend.

Flo

 

Hallo Jana,


Es war ein lauer Frühlingsabend, eigentlich fast schon im Sommer.
Runder fände ich: „Es war ein lauer Frühlingsabend, eigentlich fast schon im Sommer.
Hört sich auf jeden Fall in meinen Ohren schöner an.


„Nein“, entgegnete ich trotzig, „Es ist anders.
„Nein“, entgegnete ich trotzig, „es ist anders. …
oder:
„Nein“, entgegnete ich trotzig. „Es ist anders. …

Skeptisch richtete er seinen Blick auf den Himmel.
Vielleicht besser „gen Himmel“, sonst klingt es fast so, als würde er auf etwas runter schauen.

Nichts, das ist es ja: wann (Wann) hast du zum letzten Mal die Sterne gesehen?
Kompletter, vollständiger Satz, deswegen nach Doppelpunkt groß weiter.

„Ich weiß nicht“, antwortete ich wahrheitsgemäß, (PUNKT)„Es geht halt.“
Hm, wahrheitsgemäß könnte weg. Das suggeriert, dass sie sonst nie die Wahrheit sagt.
Im Gegensatz dazu kann man bei anderen Fällen aber gut „lügte ich“ benutzen. :)

Auf der anderen Straßenseite liefen Menschen vorbei, die sich daran nicht zu stören schienen. Sie lachten.
Hier ging bei mir der Fokus flöten:
Woran störten sich die Leute nicht? Dass der Himmel gelb war?
Ich habe noch keinen gelben Himmel gesehen. Ich würde mich daran stören.

Die Männer trugen Shorts und T-Shirts, einige Frauen sogar Sommerkleider.
„Einige Frauen … Sommerkleider“: Wenn du „einige Frauen" sagst, solltest du auch beschreiben, was die „anderen“ Frauen tragen.

Ich kuschelte mich in meine Strickjacke und sah vorsichtig zu Steffen auf, wollte sein Gesicht sehen, wollte, dass er mich ansah. Nicht, weil ich ihm schadenfroh mitteilen wollte, dass ich recht gehabt hatte. Ich hatte Angst und das dringende Bedürfnis nach seinem Beistand. Seiner beruhigenden Art mir zu sagen, dass es für jedes Rätsel eine Lösung gab und dass sich jedes Problem irgendwie beheben lassen könnte.
4 x „dass“. Das könnte man ändern.
Vorschlag:
  • … Nicht, weil ich ihm schadenfroh mitteilen wollte, Recht gehabt zu haben (bin da nicht ganz sicher?)
  • dass es für jedes Rätsel eine Lösung gab und dass sich jedes Problem irgendwie beheben lassen könnte.

Schön geschrieben. Ich bin mir aber nicht sicher, was ich hier gelesen habe. Eine Frau mit einer merkwürdigen Wahrnehmungskraft? Eine Verrückte?
Dass mir das nicht klar ist, gefällt mir. Ist ja auch Fantasy :D

Liebe Grüße und einen schönen Abend noch,
GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

josefelipe,

Ach du meine Güte, tut mir leid! Ich bin wohl komplett betriebsblind geworden - selbst nach dem gefühlt 100sten Mal lesen hab ich das fehlende R nicht bemerkt!

Wurde sofort geändert. Vielen Dank, dass du mich mit Nachdruck darauf hingewiesen hast!
Dass ich es in meiner Antwort auch noch falsch hatte, lag an meiner Faulheit, die Stelle einfach zu kopieren. :lol:


Hi Flo flo97,

Herzlich willkommen und vielen Dank für das Lob!
Ja, der abgehackte Schreibstil ist beabsichtigt. Ich habe mich bemüht, diesen Stil die komplette Geschichte über durchzuziehen, ohne dass es nervig wird.

Es freut mich, dass die Atmosphäre dich erreichen konnte - das war mir hier besonders wichtig.

Liebe Grüße an euch beide,

Jana

 

Hi GoMusic,

schön, dass du vorbeigeschaut hast!

Da hast du mich aber auf einige Flüchtigkeitsfehler aufmerksam gemacht, die ich natürlich gleich korrigiert habe. Bezüglich den nicht-grammatikalischen Anmerkungen:

Es war ein lauer Frühlingsabend, eigentlich fast schon im Sommer.
Nachdem ich den Satz jetzt in allen Formen und Farben wie ein Mantra vor mich hin gemurmelt habe, fiel die Entscheidung auf deinen Vorschlag "fast schon Sommer". Grund ist die Konstruktion "Es war Frühling, fast schon Sommer", mit der man den Satz vergleichen könnte. Klingt jetzt wirklich besser, auch wenn ich den Satz erst zu kurz fand.

Steffens Blick richtet sich jetzt nicht mehr auf den Himmel, sondern in den Himmel. Gen fand ich zu poetisch. Hätte nicht in das konfuse Setting gepasst.

Auf der anderen Straßenseite liefen Menschen vorbei, die sich daran nicht zu stören schienen. Sie lachten.
Hier ging bei mir der Fokus flöten:
Woran störten sich die Leute nicht? Dass der Himmel gelb war?
Ich habe noch keinen gelben Himmel gesehen. Ich würde mich daran stören.
Eben das wollte ich: der Leser soll kurz innehalten und sich fragen, warum zum Teufel sich keiner an dem gelben Himmel stört.
Aber der Clue ist ja: diese Menschen sind vollkommen ignorant - sie stören sich weder am gelben Himmel noch an der Kälte und erst recht nicht an den Plastikblumen.
Ist gewollt. :)

Die Frauen habe ich der Einfachheit halber alle in einen Topf geworfen und sie tragen erstmal alle Sommerkleider. Bin mir aber noch nicht sicher, ob ich das so lasse, denn hier bin ich in einem Dilemma.
Ich sehe deinen Kritikpunkt ein und will etwas ändern, aber irgendwie passt nichts so richtig.
Im Moment habe ich die Dopplung "Die Männer, die Frauen". Ich möchte aber auch nicht "Die Männer, ihre Frauen" sagen.
Wenn ich zweimal beschreiben müsste, was die Frauen anhaben (einmal Tops und kurze Hosen, einmal Sommerkleider), wäre der Satz viel zu lang und es würde gar nichts mehr aufgehen. Ich könnte den Satz vielleicht teilen, aber dafür ist mir noch gar keine mögliche Lösung eingefallen.
Ich werde darüber nochmal ne Nacht schlafen müssen.

Die 4x dass wurden auf zwei gekürzt und die Satzstruktur hat sich teilweise grundlegend verändert.
Recht gehabt zu haben war mir wieder zu hoch für die Story, das hätte rausgestanden.

Vielen Dank für deine Vorschläge und Korrekturhinweise! Du hast mir da noch ein bisschen was zum Nachdenken gelassen, aber das finde ich eigentlich auch ganz gut - das fördert die Kreativität ;)

Woran ich festhalten möchte, ist das "wahrheitsgemäß". Es ist einfach ein inneres Eingeständnis, dass meine Heldin sich die Kuriositäten um sich herum auch nicht erklären kann. Sie macht auf die seltsamsten Sachen aufmerksam und nach Steffens Rückfrage nach Beweisen stellt sie fest, dass sie keine hat.
Diese Stelle drückt für mich so viel aus: Es nimmt ihren Theorien für einen kurzen Moment den Wind aus den Segeln, sie muss kurz resigniert innehalten. Vor allem aber stellt sie plötzlich fest, dass das alles für Steffen vollkommen verrückt klingen muss. Dennoch hält es sie nicht davon ab, ihn überzeugen zu wollen. (Okay, das steht nicht in dem Satz, aber es kommt kurze Zeit später).

Naja, jedenfalls, wie gesagt: dieses kleine Wörtchen möchte ich behalten :)

Ich wünsche dir ebenfalls einen schönen Abend.
Liebe Grüße,

Jana

 

"O, supréme Clairon plein des strideurs étranges,
Silences traversés des Mondes et des Anges:
- O l'Oméga, rayon violet de Ses Yeux!"
Rimbaud, Voyelles *​

Nun, wegen Smog muss man nicht bis China ausweichen,

liebe Jana,

er regierte auch das Ruhrgebiet und andere industrielle Ballungsgebiete auf unserer schönen und einzigen Erde.

1973 lief in der ARD ein Film von Wolfgang Menge (Autor) und Wolfgang Petersen (Regie, eben der Regisseur, der durch die Verfilmung des Bootes in aller Welt bekannt wurde) mit dem Titel "Smog", der so authentisch für den Pott war und somit von einem gar nicht einmal kleinen Teil des damaligen Publikums für bare Münze genommen wurde und zu besorgten Anrufen in den Rundfunkanstalten und öffentlichen Stellen führte (am Verhalten der Leute hat sich dadurch aber nix geändert, war ja nur'n Film!). Es war auch die Zeit des "sauren" Regens, wo ungefiltert auch schwefelhaltiges (gelbes) Gewölk von der Industrie in die Luft gepustet wurde, das sich als Säure niederschlug - je nach Wetterlage gleich nebenan oder in Skandinavien. Je nach Reaktionsfreude als schwefelige oder Schwefelsäure.

„Wir sollten aufs Land fahren."
war schon damals keine Lösung.

Jahrzehntelang fiel regelmäßig Mitte Januar bei Inversionswetterlage der Smog aus, dass nicht nur der Schnee sich verdunkelte und die Lungen ... Heute, mit den Filteranlagen und der sterbenden großen Industrie, sieht man deren Dreck nicht mehr, aber dafür ist der Verkehr aus fahrenden und fliegenden Dreckschleudern dichter geworden. Und seit Wibke und verstärkt durch Kyrill und Ela gesellen sich zunehmend andere Ereignisse zu den reinen Dreckschleudern, die den unsichtbaren Dreck auch überall hin transportieren. Und Plastik wird zu einer gänzlich anderen Seuche führen ... Da freu ich mich schon, wenn mein täglich Brot aus dem DreiD Drucker kommt ... Augen werden dann

Veilchengelb
und man lebt doch in einer apokalyptischen Idylle, von der Du hier einen kleinen Ausschnitt an zwo Personen zeigst.

Trivialeres,

wie hier das gedoppelte "um"

„Es wird Winter“, stellte ich fest und wickelte meine Jacke enger um mich herum.
"Herum" ist aus her und um gebildet - mhd. noch auseinander "her umb(e)" - und meint, dass ein Ding (wie etwa die Jacke) eine/n Mitte/Ort ("mich" in unserem Fall) "um"schließt - wie der Kreis.

"... wickelte meine Jacke enger um mich" genügt an sich. Ich meine sogar, dass beide Adverbien sich vermeiden ließen, wenn die Jacke enger "(an)gezogen" wird, wie es ja auch mit einem Gürtel ginge ...

Da bisher sich keiner an das bedeutungsreiche gedoppelte "an" störte, will ich Dir auch nicht verraten, dass man wenigstens eines vermeiden kann (es bleibt also unter uns!)

Steffen schaute mich nicht an, er starrte stur geradeaus und [erhöhte] das Tempo [...].

Hier ist das Komma entbehrlich
Ich holte auf und er wurde noch schneller und bald rannten wir schlitternd die verschneiten Straßen entlang[...] bis zu seiner Wohnung.
(kannstu gefahrlos an eine andere Stelle setzen, etwa "... rannten wir schlitternd bis zu seiner Wohnung die verschneiten Straßen entlang".

Hier fällt das (durchaus vorhandene) Kleben an der Schulgrammatik hinsichtlich der Zeiten kaum auf. Das ist dem Dialog zu verdanken.

Gruß und schönes Wochenende vom

Friedel

So, jetzt noch drei Übersetzungen der letzten Verse aus den "Vokalen" Rimbauds (aus "Une Saison en Enfer" - "Eine Zeit in der Hölle"), die bekannteste zuerst und die unbekannteste, weil gerade versucht, zuletzt

* "O: seltsames gezisch erhabener posaunen
Einöden durch die erd- und himmelsgeister raunen.
Omega - ihrer augen veilchenblauer strahl."
Stefan George, der die Reime wohl hinkriegt, nicht aber den Rhythmus des Sonetts (das vom

"O: Orgelton bis zu den Wolkenrändern,
befreit von allen Erdenschweren.
Omega: blaues Kinderauge, du!"
Paul Zech, ders nur so hinkriegt

und der eigene Versuch

"O, schrille Posaunen vorm fremden Jericho
kreuzen verschweigend der Welten und der Engel,
o, das Ende, veilchenblauäugig strahlend!"

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Jana Retlow,


ich finde den Text zu offen, in Relation zu den Fragen, die aufgeworfen werden. Der Text suggeriert, durchdacht und wohl komponiert worden zu sein, bewusst Freiräume gelassen zu haben, aber letztendlich beschreibst du nur eine Szene, schreibst keine Geschichte im eigentlichen Sinne, und ich unterstelle, deine Hintergedanken waren vermutlich zu unausgegoren; zumindest deine Erklärung an Peeperkorn lässt einige Fragen offen - hast du dir diese gestellt? Und ja, das finde ich ein wenig enttäuschend.
Es ist nicht so, dass ich Freiräume und Projektionsflächen nicht mögen würde - wenn sie bewusst, gezielt gesetzt werden -, im Gegenteil, aber hier finde ich das nicht angebracht und du machst es dir als Autorin mMn zu leicht, wenn du dem Leser abverlangst, dazu ermunterst, aus dem Text, eine Geschichte zu machen, dir die Arbeit abzunehmen. Denn irgendwie bleibt, egal, was man jetzt im Kopf durchspielen mag, immer ein Seltsam zurück, da das alles nicht wirklich rund erscheint. Passt ja aber dann auch wieder zum tag: Seltsam :). Vielleicht war das ja auch beabsichtigt.
Dass ich gerne herausfinden wollte, was du mir "durch die Blume" zu sagen versucht hast, spricht aber absolut für den Text. Ich fand das sehr spannend und interessant, was du da aufgebaut hast. Also, du hast zweifelsohne Talent und ich bin gespannt, was du hier noch so einstellen wirst.


Was mir so aufgefallen ist:


Es wird Winter“, stellte ich fest und wickelte meine Jacke enger um mich herum. Steffen sah mich an. „Wie meinst du das?“
Es war ein lauer Frühlingsabend, fast schon Sommer. Überall in der Stadt blühte es und die meisten Menschen – er auch – waren im T-Shirt unterwegs.
Gleich zu Beginn habe ich Probleme damit, reinzufinden. Mit der Widersprüchlichkeit komme ich wegen der Perspektive nicht so gut klar. Hättest du einen auktorialen Erzähler, okay. Hast du aber nicht.

Ich ziehe eine Jacke an (ziehe den Reißverschluss hoch, whatever ...), aber wickele sie doch nicht um mich herum - das Bild ist irgendwie schief; streiche mal das Adjektiv, dann fällt dir das auch auf, oder?

Es wird ... Es war ist nicht schön, ließe sich vermeiden.

Auch dieses 'Feststellen' ... Besser fände ich, wenn du das innerhalb des Textes zeigen würdest, anstatt es nur zu benennen - tust du ja dann auch. Beschränke dich lieber auf Formeln: sagte, fragte.

"lauer Frühlingsabend, fast schon Sommer ... in der Stadt blühte es ... waren im T-Shirt unterwegs"
So viel Informationen, um eines davon auszudrücken. Auch sind da nur keine oder schwache Bilder vorhanden, die das rechtfertigen könnten. Würde ich mich entscheiden, den ganzen Abschnitt eindampfen.

Vorschlag:
„Es wird Winter“, sagte ich und zog den Reißverschluss meiner Jacke bis ganz nach oben (oder, anstatt unten: und kuschelte mich in meine Strickjacke).
Steffen sah mich an. „Wie meinst du das?“
Überall in der Stadt blühte es, die meisten Menschen ringsum waren wie er im T-Shirt unterwegs.

„Es wird Winter.“
„Wie meinst du das? Vielleicht ist dir einfach nicht gut. Du frierst ja sogar.“
Finde ich wirklich einen seltsamen Dialog: Es wird Winter - Viellicht ist dir nicht gut. Hm.
Das Frieren könntest du auch zeigen, bisschen mehr Show im Text hätte mir gefallen: Du zitterst ja oder so was.

„Nein“, entgegnete ich trotzig.
Ich empfehle dir, insgesamt ein wenig mehr Show, don't tell. Das Trotzige könntest du zeigen, indem sie die Lippen aufeinanderpresst oder die Fäuste ballt z. B.

Skeptisch richtete er seinen Blick in den Himmel.
„Was soll mit den Sternen sein?“, fragte er schließlich ratlos.
Das ist schon sehr Deutschunterricht-Style. Adjektive und Adverbien würde ich nur sehr zielgerichtet einsetzen und vor allem: sparsam! Das Skeptische zeigen oder weglassen - ebenso das Ratlose.
Du solltest auch auf Personalpronomen verzichten, wenn du sie nicht brauchst. Da er ja natürlich nur seinen Blick in den Himmel richten kann, erübrigt sich dieses seinen.
Überhaupt: Warum blickt/sieht/schaut er nicht einfach in den Himmel. Weniger ist oft mehr - treffender.

„Plastik“, erklärte ich.
„Hä?“, machte er.
Noch so ein Beispiel: Sie erklärt es ja nicht, sie sagt es doch nur. Ich finde das einfach unpräzise.
Machte er ist nicht so schön.

Am Ende der Straße segelte die erste Schneeflocke an meinem Gesicht vorbei und ich zertrat sie mit meinem Schuh.
Das klingt etwas slapstickartig für mich. Irgendwie akrobatisch. Würde ich drauf verzichten und der Doppler wäre auch entfernt. Die Ortsangabe ist auch unpräzise. Segelt sie jetzt am Ende der Straße herab, an ihrem Gesicht, ist das Gesicht am Ende der Straße? Also, klar, ich weiß, was du meinst, aber irgendwie ist das halt nicht so rund alles.
Wie wäre es einfach damit: Am Ende der Straße angekommen, segelte die erste Schneeflocke herab. Ich zertrat sie mit meinem Schuh.

Seiner beruhigenden Art mir zu sagen, dass es für jedes Rätsel eine Lösung gab und jedes Problem sich irgendwie beheben lassen könnte.
Würde ich streichen. Diese Art kenne ich von ihm auch gar nicht.

Ich holte auf und er wurde noch schneller und bald rannten wir schlitternd die verschneiten Straßen entlang, bis zu seiner Wohnung.
Der dünne Balken im Thermometer sank so schnell, dass man ihm dabei zuschauen konnte.
Der Doppler ließe sich vermeiden.

Ob die Menschen in Sommerkleidung, an denen wir vorbeigekommen waren, wohl immer noch so ausgelassen lachten?
Und zu guter Letzt: Das Füllwort würde ich killen.


So, jetzt bin ich durch.
Ich habe eine Menge kritisiert, ja. Natürlich ist das alles subjektiv - nimm' einfach, was du davon brauchen kannst.
Die Idee finde ich spannend, die Umsetzung überzeugt mich noch nicht so ganz. Trotzdem habe ich deinen Text mit Interesse gelesen. Ich glaube, dass du grundsätzlich Talent zum Schreiben hast und ich bin gespannt auf Weiteres von dir.


Danke fürs Hochladen


hell

 

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