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Unterwegs

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13.01.2012
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Unterwegs

New York, Bronx. Ken verließ das Lokal, nachdem er erfolglos versucht hatte, Kontakte zu knüpfen oder wenigstens ein Gespräch zu beginnen. Selbst die Einsamsten im Lokal hatten kein Gespräch mit ihm beginnen wollen. Es waren außer ihm nur und ein paar vereinzelte Personen und zwei Frauen da, Blondinen, die ihn nicht interessierten. Einsam hatte er gezahlt, war danach einem Fremden auf die Toilette gefolgt, hatte gedacht, er sollte ihn vielleicht ansprechen, weil er sich vielleicht ebenso einsam fühlte, war ihm stattdessen weiter gefolgt und hatte schließlich zusammen mit dem Fremden die letzte U-Bahn erwischt. Der Versuch diesen fremden, etwas älteren Mann, anzusprechen, scheiterte, als fühlten sich alle von ihm belästigt.
In der fahrenden U-Bahn versuchten die zwei betrunkenen Punks, Joe und Artie, zunächst, einem schlafenden Obdachlosen den Zeh anzufackeln. Dabei hätte es bleiben können, denkt Ken, ein blöder, belangloser Streich, hätte sich nur nie jemand eingemischt. Der Fremde, dem Ken nachgelaufen war, mischte sich jedoch ein.
„Du musst mir helfen,“ hatte Joe im Anschluss überraschenderweise zu Ken gesagt, „ich möchte Artie loswerden, aber der hat ein Messer, der ist gefährlich. Hilfst du mir?“ und Ken war so gerne bereit gewesen, zu helfen. Joe wirkte ja gar nicht gefährlich, nicht wie Artie. Vertrauensvoll hatte Joe seine rechte Hand ausgestreckt, die in einem Verband steckte und Ken hatte den Verband korrigiert. Joe war dabei so dicht an Kens Gesicht gerückt, seine Augen hatten ihn fixiert, sogar seinen Atem hatte er spüren können. Doch ebenso schlagartig wie das Vertrauen da gewesen war, wendete sich das Blatt, schlugen Joe und Artie verhöhnend auf Ken ein, raubten sie ihn aus, wurde sich Ken des Spiels bewusst, dem er zum Opfer gefallen war. Nach und nach hatten Joe und Artie jeden einzelnen der unglücklicherweise Anwesenden bloßgestellt, die Frauen angegrapscht, den Schwarzen gedemütigt, die Soldaten zum Kampf herausgefordert.
Beschämt war am Ende auch Kens Blick zu Boden gesunken, hinein ins martervolle, schuldbewusste Schweigen des zum Stehen gekommenen U-Bahnabteils. Fremdes Blut. Zähe Sekunden. Ein Soldat verwundet am Boden. Gibt es nichts zu sagen? Ist es jetzt vorbei? Die Polizisten, die hereinstürzten, wirkten viel zu ratlos, um tatsächlich ausführende Glieder eines unumstößlichen und gerechten Apparates zu sein.

Nur weil Ken den Weg schon so oft gegangen ist, findet er auch dieses Mal nach Hause, biegt ab, steht vor seiner Tür. Mit vor Wut, Angst und Ratlosigkeit zitternder Hand gelingt es ihm kaum, den Schlüssel ins Schlüsselloch zu stecken. Er erinnert sich fortwährend daran: Joe band ihm ein Taschentuch als Kopftuch um den Kopf und tanzte mit ihm durchs Abteil der U-Bahn. Zuvor hatte Joe ihm jedoch dieses so lange ersehnte Gefühl von Vertrauen vermittelt, ihn glauben lassen, er würde ihn mögen, und Ken war darauf hereingefallen, hatte sich bereitwillig verarschen lassen.
Im Treppenhaus riecht es muffig, es riecht nach Junggeselle, nach Einsamkeit, Tränen und Taten, die wie immer niemand sehen wird, für die niemand Verständnis haben wird.
Endlich betritt Ken seine Wohnung, macht das dämmrige Licht an, geht ins Bad, schüttet kaltes Wasser ins Gesicht. „Mädchen,“ hallt es nach, „Mädchen,“ während er einen unvermeidbaren Blick in den Spiegel überm Waschbecken wirft. Er findet nichts Weibliches an sich. Warum wird er nicht akzeptiert? Seine Hand zittert. Ken geht in die Küche, öffnet die Schranktür, nimmt ein Glas heraus, lässt Leitungswasser hineinfließen, geht zurück ins Bad, betrachtet sich wieder im Spiegel, nimmt einen Schluck, seine Hände zittern noch immer, sein Atem geht schnell. Soll er jemanden anrufen? Wen? Alles erzählen? Wem?
„Mädchen.“ Ken stellt das Glas aufs Waschbecken, schaut seinem Spiegelbild durchdringend in die Augen, greift still mit seiner rechten Hand nach dem Reißverschluss seiner Hose, zieht ihn langsam runter.
„Mädchen.“
Während er kommt, denkt er daran, dass er Joe so nah gewesen war, seinen alkoholbehafteten Schweiß hatte riechen können, seinen starken Körper hatte spüren können, einen Moment lang sogar der Annahme verfallen war, Joe würde ihn wirklich gern haben, wäre endlich einer, der ihn erkennt und akzeptiert. Eigentlich möchte er weinen. Da ist noch immer dieses leise Pochen einer unerklärlichen Angst in seiner wie zusammengeschraubt wirkenden Brust. Er sinkt auf den farblosen Boden. Die Kälte des Fliesenbodens dringt scharf und schneidend in sein Bewusstsein. Ich lebe, denkt Ken. Nicht einmal das kann jeder von sich behaupten.

 

Mein Alter Ego (Anm.: ich war Asphaerisch) fand die Geschichte nicht so dolle, ich habe sie jetzt nochmal gelesen und finde sie immer noch nicht gut. Deine Stärke, yleae, zeigst Du hier nicht. Auch diese Geschichte ist surreal, aber sie klebt an tradierten Erzählweisen. Die Bilder hier funken nicht bei mir. Hier ist eine Schwere drin, die ich sonst nicht bei Dir sehe, das Thema ist hier belastet und belastend?

Oder Du hattest gerade nicht die notwendigen Drogen bei der Hand (welche? Ich will die auch!)

Bisher die schwächste Erzählung von Dir aus meiner Sicht. Warum, weiss ich nicht- vielleicht ist der Club tatsächlich eine gute Empfehlung. Gerne komme ich dann mit, egal ob als Leser oder in real.

 

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