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Unter Laborbedingungen

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09.06.2017
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Unter Laborbedingungen

Die Julisonne strahlte auf die blinden Fenster und ließ das Quecksilber im chemischen Institut auf sechsundzwanzig Grad steigen. Trotz gekippter Oberlichter hing ein Geruch in der Luft, der Andrea Bilder von verschimmelten Nüssen und Kirschen aufdrängte. Der Stopfen sprang mit einem Plopp von der Essigsäureflasche. Sie streckte sich nach dem Regal und setzte ihn wieder auf. Mit der Knopfleiste ihres weißen Kittels verhedderte sie sich am Griff der Schublade, musste zurück auf die Zehenspitzen, um sich zu befreien. Das lädierte Radio auf dem Fensterbrett spielte Roxette. Daneben lagen tote Käfer. Heute Nachmittag war sie mit den Jungs allein.

Eine Reihe weiter dröhnte ein Schlag, Glas zersplitterte auf der Laborbank.
"Scheiße", brüllte Ralf, "das war die letzte Stufe!"
Stefan schlug sich auf die Schenkel. "Alter, kratz das Zeugs vom Boden!" Die Scheibe des Abzugs schien vom Gelächter zu vibrieren. "Geile Ausbeute!"
Andrea senkte den Blick und zählte im Geiste ihre Atemzüge, bis die für effizientes Arbeiten erforderliche Ruhe wieder einkehrte. Sie hätte nicht zu sagen vermocht, was Ralf gerade runtergefallen war. Nicht dass es von Bedeutung wäre. Man befand sich durch Zufall im gleichen Labor und hatte einander nichts zu sagen. Solange man sie unbehelligt ließ, war alles gut.

Aus dem Augenwinkel sah sie Lorenz um die Ecke kommen. Der war ein stiller Typ, arbeitete konzentriert und mit ruhiger Hand. Sein ledernes Notizbuch lugte aus der Kitteltasche. Die hochgeschobenen Ärmel ließen Tattoos erkennen: verschlungene Schriftzeichen und mit etwas Phantasie einen Wolf. Lorenz' Haare waren zum Zopf zusammengebunden.
Er erinnert mich an einen Indianer.
Sie lächelte bei der Vorstellung in sich hinein, ein Mann der Wildnis könne sich ausgerechnet hierher verirren. Lorenz schob sich mit dem Handrücken eine Strähne aus der Stirn und klammerte den Glaskolben mit der hellroten Lösung an den Rotationsverdampfer. Andrea zwang sich, nicht auf seinen Hintern zu starren.

Sie beschriftete die gläsernen Spitzkolben mit Edding und hängte einen nach dem anderen von der Destillationsspinne ab. Zufrieden betrachtete sie das ölige, goldglänzende Produkt. In ihrer Kitteltasche fand Andrea die Emaillespange, damit steckte sie ihr Haar hoch, während sie dem monotonen Summen der Geräte lauschte und Gedanken nachhing: In den Semesterferien mit Linda durch Andalusien trampen und unterm Sternenhimmel zelten - so lautete der Plan.
Erneut knallte der Stopfen von der Flasche, diesmal in hohem Bogen. Lorenz fing ihn in der Luft auf. Wie so oft kniff er dabei ein Auge zusammen; seit sie sich angewöhnt hatte, im Hörsaal schräg hinter ihm zu sitzen, war ihr das an ihm aufgefallen.

Er legte den Stopfen vor ihr auf der Laborbank ab. "Dachte schon, du lässt die Sektkorken knallen. Letztes Präparat und so."
"Mach ich übermorgen, wenn das NMR gut aussieht."
"Klar sieht das gut aus. Die Farbe stimmt. Und die Menge ist auch ordentlich." Er deutete mit dem Kopf auf ihre Laborbank. "Wie viel Grad?"
"Na, ich schätze, sechsundzwanzig sind es heute bestimmt. Morgen soll es noch heißer werden."
"Ich mein dein Produkt."
"Ach so. Einundneunzig."
"Na also. Das ist im grünen Bereich."
"Bin froh, wenn der Herrmann das hier akzeptiert hat. Und wie läufts bei dir?"
"So wie es aussieht, werd ich auch am Mittwoch fertig." Lorenz' Mundwinkel sanken. "Hab mir schon mal alte PC-Klausuren angeschaut: Voll krass, Differentialgleichungen ohne Ende."
Mathe war seine Achillesferse. Aber er sprach ganze Sätze mit ihr und war schwer in Ordnung. Bei der letzten Klausur hatte sie ihn abschreiben lassen.

Andrea deutete mit der Hand hinter ihn. "Oh oh, Achtung, beim Rota, da blinkt was. Der Kolben."
Er sprintete zurück, stierte abwechselnd auf die grüne Betriebsleuchte des Gerätes und auf den Kolben, der sich leise surrend weiterdrehte, und fuhr wieder zu ihr herum. Auf seiner Stirn hatte sich eine Querfalte gebildet.
Sie prustete los.
"Für das da ...", er pausierte und richtete den Zeigefinger auf sie, "gehen wir heute Abend ins 'Chez Matilda'."
Andrea setzte den Stopfen zurück auf die Flasche. "Definiere 'wir'."
"Na, wir zwei. Du und ich."
"Bis halb acht hab ich Volleyball."
"Perfekt. Dann sehen wir uns um halb neun. Weißt du, wo das ist? In der Rosalind-Franklin-Straße, ganz hinten auf der rechten Seite."
"Okay. Ich werd sehen, was sich machen lässt", sagte sie und drehte sich weg, um das Thermometer in die Schublade zu legen und ihr Lächeln zu verbergen.

Als Andrea die Tür ihres Schrankes öffnete, um einen Korkuntersetzer zu holen, spürte sie hinter sich Bewegung. Sie drehte sich langsam, bis Lorenz' Blick sie traf. Seine Iris schaute wie Bernstein aus; er blinzelte mit langen Wimpern. Aus dem Radio tönte 'Listen to your heart'. Ohne nachzudenken, schloss sie die Augen und vertraute darauf, das sei Signal genug. Seine Handflächen legten sich auf ihre Taille, dann presste er seine trockenen Lippen auf ihre Stirn.

Mit einem Mal nahm sie einen Lufthauch wahr. Sie setzte voraus, er müsse von der halb angelehnten Balkontür kommen, und fuhr zusammen, als Ralf neben ihr sagte: "Ich fass es nicht."
Lorenz wandte sich wieder dem Rotationsverdampfer zu. Ralf langte nach der Acetonflasche auf ihrer Laborbank.
"Hey", sagte sie. "Das ist meins. Da brauch ich gleich was von."
"Zick nicht rum. Ist ein Notfall."
"Fünfzig Milliliter." Sie bekam ihn am Ärmel zu fassen. "Nimm mehr und du stirbst."
"Komm, lass es. Aus Aceton kriegst du das nie wieder auskristallisiert", sagte Lorenz. "Hier, ich hab was Besseres." Er hielt seine Ethanolflasche in die Höhe.
Ralf stellte das Aceton zurück und zog ab. Unmerklich neigte Andrea ihren Kopf in Lorenz' Richtung. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.


Heute Mittag war Andrea mit Linda und Tabea in der Mensa zum Essen verabredet. Der Stundenplan der Pharmazeuten ließ das montags zu. Sie hatten beim Gemüsecouscous angestanden, als Andrea gelbe Flecken am Saum ihres T-Shirts auffielen. Linda trug eine makellose Seidenbluse mit rotem Paisleymuster und Tabea ein silberweißes Häkeltop. Während Andrea nach Besteck und Papierserviette griff, sah sie die Jungs, die am Eingang die Menüs und die Warteschlangen in Augenschein nahmen. Lorenz stellte sich beim Couscous an, Stefan und Ralf zogen weiter zu Currywurst mit Pommes.
Linda winkte Andrea und Tabea zu einem Tisch, der gerade frei wurde. Der Couscous zerfiel trocken wie Stroh in Andreas Mund. Als ihre Volvic-Flasche leer war, schob sie den Teller von sich. Sie lehnte sich zurück, neigte die Schulter nach der Brise, die durch die geöffneten Flügeltüren von der Terrasse hereinwehte, und sah rüber zu den Jungs, die auf einen Tisch ein paar Reihen weiter zusteuerten. Neben Andrea war noch ein Platz frei.
Lorenz, komm. Setz dich zu mir.
Absurde Wunschfantasie, die Wahrscheinlichkeit konvergierte gegen Null. Im Grunde war es egal - sie freute sich auf den Abend.

Er lächelte ihr flüchtig zu, bis Stefan ihm so heftig auf den Rücken schlug, dass er die Balance verlor und der Pappbecher von seinem Tablett kippte.
Mit ihrem French-Fingernagel zeigte Tabea wie mit einem Dolch auf Andrea. "Warum tust du dir ein Studienfach mit diesen Typen an? Wechsle doch zu uns. In der Pharmazie ist es viel netter."
"Mich interessiert aber die Wissenschaft und nicht die Apotheke."
Tabea öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, und schloss ihn wieder.
"Sehen wir uns am Freitag auf der Pharmafete?", fragte Andrea.
"Das ist falsch verstandene Emanzipation", sagte Linda zu ihr. "Am Ende kräht kein Hahn mehr danach."
"Du warst auch auf einer Mädchenschule."
"Echt jetzt?", sagte Tabea. "Das wusste ich gar nicht."

Nach dem Cappuccino in der Cafébar war Andrea alleine zurück ins chemische Institut gelaufen. Wenige Jahre trennten sie noch von ihrer wissenschaftlichen Laufbahn. Sie würde ins Ausland gehen, wahrscheinlich in die USA. Neue Wirkstoffe entwickeln, die das Leben von Patienten verbesserten. Ein Teil der Forscher-Community werden.
Linda und Tabea würden nach dem Examen Hustensaft verkaufen und Gesichtscreme mit Rosenduft. Wenn das Jüngste in den Kindergarten kam, würden sie in Teilzeit in die Apotheke zurückkehren. Beide waren intelligente Gesprächspartnerinnen. Brillant waren sie nicht.


Ralf hockte am Boden und versuchte, mit dem Spatel die tiefgrünen Nadelkristalle von den Flusen zu separieren und in eine Schraubdose zu überführen. Glasscherben knirschten unter seinen schwarzen Nikes. Beim Radio hatte sich der Sender verschoben, unter Rauschen und Knistern sang Sinead O'Connor 'Nothing compares to you'. Stefan brummte etwas von AC/DC vor sich hin, bis Ralf ihn anfuhr, er solle endlich sein gottverdammtes Maul halten.
"Leute, regt euch ab", sagte Lorenz. So leise, dass nur Andrea es hören konnte.
Sie räumte ihr Arbeitsmaterial in den Schrank und verschloss ihn. Wann immer sie es unbeaufsichtigt gelassen hatte, war etwas verschwunden oder zu Bruch gegangen. Bei den Pharmazeuten im Neubau ging sie zur Toilette. Andrea sah auf die Uhr, es blieb genug Zeit: Vor dem Training würde sie schnell nach Hause fahren, ihre Lieblingsjeans holen und das schwarze Netzshirt.

Zurück im Laborsaal wischte sie ihren Arbeitsplatz mit Ata. Ralf spülte seine Glasgeräte. Lorenz war nicht zu sehen.
Eine widerspenstige Strähne fiel ihr ins Gesicht, als sie Taschenrechner und Laborjournal zur Seite legte und sich über die Feinwaage beugte, um sie zu tarieren. Durch die halbgeöffnete Glastür drang das Gurren fetter Tauben. Stefan und er rauchten auf dem Balkon. Eine Brise bewegte die braunen Lamellen der Sonnenblende.
"Am Freitag ist Pharmafete", hörte sie Lorenz sagen.
"Was willst du da? Ist doch megalangweilig."
"Die Typen, ja. Aber die Weiber ... Nicht so wie bei uns."
"Ich sag immer: Die haben im Labor nichts zu suchen."
"Ganz genau. Arbeit und Vergnügen sollte man trennen." Lorenz stieß Rauch aus. "Außerdem: Wozu soll das gut sein? Die bekommen ja doch Kinder."

Anstelle des regulären Trainings traten sie heute in der großen Halle gegen Blau-Weiß an.
"Ist nur ein Freundschaftsspiel", rief Trainerin Gerti ihnen mit sich überschlagender Stimme zu und klopfte jeder aus dem Team auf die Schultern. "Macht sie fertig", sagte sie leise und nahm einen Schluck aus dem Flachmann.
Durch Andreas Aufschlagserie erspielten sie einen Vorsprung, mit dem sie den ersten Satz gewannen.
"Jetzt sag schon, was hast du genommen?", raunte Linda ihr beim Seitenwechsel zu.
Andrea hob die Schultern und unterdrückte ein Grinsen. Sie spielte präzise Pässe und schien damit ihr ganzes Team anzustecken. In drei Sätzen fegten sie Blau-Weiß vom Platz. Gerti nahm Andrea überschwänglich in die Arme und ließ gar nicht mehr los. Wiegte sie in einer Wolke aus Kaloderma und Jägermeister, wiegte und wogte sie hin und her, bis Andrea loslachte.
Sie preschte in die Dusche, und als der Wasserstrahl auf ihre überhitzte Kopfhaut prasselte, durchzog ein Kribbeln jede Faser ihres Körpers - sie war hellwach.

Um acht trat sie mit Linda aus der Halle. Die Abendluft wehte lau.
Andrea atmete tief ein, roch Holzkohle und Flieder. "Jetzt einen Kiba ..."
"Kennst du die Luna Bar?", sagte Linda. "Die haben neu aufgemacht. Fünf Minuten von hier."
Andrea breitete die Arme nach oben. "Luna Bar - let's go", rief sie in den Sternenhimmel und begann sich im Kreis zu drehen, erst langsam, dann immer schneller.

 

Da hast du Recht. Ein Chemielabor ist wie ein fremder Planet. Wie soll man das beschreiben?
Aber ich konnte die Geschichte ja nicht veröffentlichen, bevor ich sie geschrieben hatte.

Da hasse recht,

liebe Anne,

logo!

Wenn dich das nicht stört, dann schmeiß ich das Partizip raus.
Außer beim Futur vermeid ich gerne die zwowertigen Zeiten mit den ungelernten Arbeitern, äh, Hilfsverben. Und stinkt nicht "ge-" schon wie "ver-"wesen? Mich stördet nich die Bohne, sach ich ma' und werd sentimental, Januar 1980 dat letzte Mal innem Forschungslabor ... Danach bestenfalls im Krankenhauslabor in Sachen Kostenrechnung, Mitarbeiterangelegenheiten usw. Kitellos ... aber besser bezahlt ...

Gruß vom

Friedel,
der vorsichtshalber ein schönes Wochenende wünscht!

 

Die neue Version ist online. Der Bauzaun ist weg.

Zehn Prozent mehr Text. Hoffentlich an den richtigen Stellen. :shy:

Ein paar wenige Labordetails sind rausgeflogen, aber nicht viele.
Wird wohl nicht die letzte Überarbeitung sein, aber besser bekomm ich es momentan nicht hin.
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Hi pinkbaerbel,

ja, die Lebensmittelchemiker haben einen ähnlich hohen Frauenanteil wie die Pharmazeuten. Wen wundert's ... Bis zum Zwischenexamen waren wir alle zusammen. Danach waren in der Chemie die meisten Frauen weg.

Ich hatte ganze lange die Sonne im ersten Satz "knallen" lassen. Und mich dann bewusst für "strahlen" entschieden, weil das noch so eine unheimliche, gefährliche Konnotation hat und nach Wissenschaft klingt: Gammastrahlen und so.

Auch bei den Käfern (alternativ Fliegen) usw. hab ich mir im Vorfeld intensiv Gedanken gemacht und mich bewusst für diese Tierchen entschieden.

Ja, die Chemikerinnen waren tatsächlich weniger gestylt als die Pharmazeutinnen. Das war nicht zu übersehen.

Wie jetzt, du findest beim Volleyballspiel am Ende, dass Linda in Andrea verknallt ist? Huch, das hab ich nicht andeuten wollen ... :eek:

Und "Laue Abendluft umfing sie" - für sich genommen ein wunderschöner Satz! Toll! Aber in diese Geschichte kommt der mir nicht rein, da passt er vom Charakter her nicht. Andrea ist eine rational denkende Wissenschaftlerin.

Und es gibt nichts zu entschuldigen. Das mit dem "nett" hab ich nicht so von dir aufgefasst. Alles gut. :) Ich liebe nur diesen Spruch und ein Körnchen Wahrheit steckt drin.

Nochmal vielen Dank für deinen Kommentar!
LG, Anne
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Hallo Chai,

ich bin immer wieder perplex, wie welcher Menschenkenntnis und psychologischer Detailtiefe du Charaktere und Texte interpretierst! Und daher kam mir dein Kommentar auch in der Umbauphase sehr gelegen! Vielen Dank dafür.

Dass du auf einen Laborunfall gewartet hast, gefällt mir sogar! Da wär ich gar nicht drauf gekommen.

Bisher bleibe ich bei meiner bewussten Entscheidung, Andreas Enttäuschung nicht offen im Gedankenfluss zu zeigen. Ob das bis zum Ende so bleibt, das wird sich zeigen.

Und ja: Andrea ist definitiv eine spröde, übermäßig rationale Frau, die (ein wenig naiv) von der internationalen Wissenschaftskarriere träumt. Natürlich geht das da möglicherweise so weiter wie im Studium. Das ist eine Männerwelt, in der nach bestimmten Regeln geforscht und gekämpft wird. Aber möglicherweise wird sie diese Regeln ja erlernen und sich behaupten. So schlimm wie für Rosalind Franklin in den Fünfzigern ist es ja längst nicht mehr.

Mit deiner Deutung des leicht androgynen, sanft-wilden Indianers hast du absolut ins Schwarze getroffen! Hundertpro! :thumbsup: Genauso hab ich mir den vorgestellt. Und genauso stellt Andrea sich den vor. Bis kurz vor Schluss halt ...

Dein Kommentar hat mir sehr geholfen.
LG, Anne
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Hallo maria.meerhaba,

Ja, der Lorenz ist ein echter Ar ...

Kann das sein, dass du momentan unter fast jede Geschichte schreibst, dass sie dir nicht gefällt, weil du sie nicht selbst geschrieben hast? Hast du dir da so einen Textbaustein erstellt? :D

Ja, aber ich weiß, was du meinst. Das ist eine spröde Geschichte und eine spröde Heldin. Und wer steht schon auf ambitionierte Naturwissenschafterlinnen? Die wenigsten. Ich hab in der Überabeitung versucht, mehr von Andrea zu zeigen. Wahrscheinlich reicht es immer noch nicht. Argh.

Ich danke dir fürs Vorbeischauen und für deinen Kommentar!
LG, Anne
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Friedrichard

Und dir, lieber Friedel, danke, dass du mir das mit dem Partizip nochmal bestätigt hast! Hab es schon nach deinem ersten Kommentar gekillt.

Ich hab auch schon zwanzig Jahre lang kein Labor mehr von innen gesehen. Und weißt du was? Ich vermiss es nicht. Stattdessen schreib ich auf, was die anderen in ihren Labors so erforschen. Kittellos ... aber besser bezahlt, du sagst es!

Dir auch ein schönes Wochenende!
Anne

P.S. Nicht traurig sein, dass es immer noch kein Hochplateau ist. Ist alles nicht so einfach. "Sie war stets bemüht ..." :Pfeif:

 

Liebe Anne49,

ich habe mir deine Geschichte jetzt zum zweiten Mal vorgenommen. Beim ersten Lesen habe ich, wie einige andere auch, etwas die Geduld verloren, weil ich von den akribisch beschriebenen Laborversuchen nullkommanix kapiert habe, obwohl ich sie an sich interessant finde. Jetzt, in der neuesten Fassung, finde ich sie gerade richtig portioniert, genug, um Andrea als ernstzunehmende Wissenschaftlerin zu platzieren.

Ja, es gibt sie noch immer, die chauvinistischen Sprüche hinter dem Rücken der Frauen. Politikerinnen beklagen sich gelegentlich. Andererseits habe ich manchmal den Eindruck, junge Frauen geben ohne Not Boden preis, der schon mal errungen war. Also, der Kampf um die Gleichberechtigung ist so ein Fluss, in dem die Fische zurücktreiben, wenn sie nicht gegen die Strömung anschwimmen.
Um ja kein neues Missverständnis zu kreieren: Es gibt weibliche und männliche Fische.:teach:

Deine Dialoge finde ich (wieder) schön griffig, gespickt mit Untertönen, die man mitkriegen kann, aber nicht muss.

Ach ja, jetzt noch eine Zeitungsinformation von heute morgen.

Badische Zeitung:

Der deutsche Rat für Wiederbelebung empfiehlt (bei der Herzmassage) zum Beispiel Radetzkymarsch, "Stayin' Alive" oder "Highway to Hell".
Nur so als Ergänzung für dein Musikprogramm im Labor. Könnte ja notwendig werden, wenn einer von den Jungs, bevorzugt Lorenz, durch einen Hadouken (danke, maria.meerhaba) zu Boden geht.

Habe meinen Spaß an der Geschichte, obgleich ich glaube, dass dies noch nicht die letzte Version ist.

Herzlichst
wieselmaus

 

Hi Chutney,

hab gestern nachgebessert, auch an zwei weiteren Stellen, die du aufgespießt hast. Der von dir als künstlich bemängelte Dialogteil ist jetzt komplett draußen. Da hast du Recht gehabt. Nochmal danke! :thumbsup:

Liebe Grüße,
Anne

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Hallo wieselmaus,

danke, dass du sogar zweimal ins (ungemütliche) Labor geschaut hast. Hatte gehofft, dass dich dieses "Frauenthema" ein wenig anspricht.

Dass du die Dialoge lobend erwähnst, freut mich sehr. Überhaupt bin ich mit deinen Ausführungen zum Thema d'accord. Und dann lieferst du noch die passende Zeitungsnotiz! :D

Nachdem ich eine Nacht drüber geschlafen habe, fühle ich mich schon ganz gut mit der erweiterten Fassung. Ich hatte mir im Vorfeld viele Gedanken gemacht und dann "nur" meine Protagonistin etwas aus den Augen verloren ... :Pfeif:

Meine Andrea habe ich so benannt als eine "Tapfere" (griechisch, auch: die "Mannhafte", was die Griechen halt so unter Tapferkeit verstanden :susp:).
Und heut morgen kam mir die Assoziation, das klingt auch wie "die And're", frei nach "Das andere Geschlecht" von S. de Beauvoir: die, die sich erklären muss.

Beste Grüße,
Anne

 

Liebe Anne49,

ja, da gibt es gleiche Wellenlänge, wie schön. Ich mag auch deine frechen Formulierungen und die offene Art.

LG
wieselmaus

 

Hallo Anne49,

brrr, geht es bei den Studis im Labor wirklich so zu? Ist ja unterirdisch!

Wie gut, dass deine Protagonistin ihre eigenen Ziele dabei im Auge behält, obwohl ich nicht so sicher bin, ob die Pharmaindustrie immer nur zum Wohle der Patienten forscht ... :susp:

Textlich lässt sich die Geschichte gut lesen, wobei mir Konflikte und Konfrontationen auch immer gut gefallen - aber hier war deine Andrea wohl gut beraten, dem aus dem Weg zu gehen.

Viele Grüße

Willi

 

Hallo Anne49,

der Text lässt sich nun flüssiger lesen. Ich würde sagen, die Stolpersteine wurden erfolgreich entfernt.

Er erinnert mich an einen Indianer.
Sie lächelte bei der Vorstellung in sich hinein, ein Mann der Wildnis könne sich ausgerechnet hierher verirren.

Viiiiieel besser. :thumbsup:

Auf ein paar Punkte möchte trotzdem noch mal kurz eingehen:

Heute Mittag war Andrea mit Linda und Tabea in der Mensa zum Essen verabredet.

Du hattest irgendwo erwähnt, dass dies eine Rückblende zur Mittagspause ist. Ich finde das wird überhaupt nicht deutlich. Müsste dann nicht wenigstens die Zeit geändert werden:
Heute Mittag war Andrea mit Linda und Tabea in der Mensa zum Essen verabredet gewesen.

Muss es denn eine Rückblende sein? Für mich hat das auch so ganz gut rein gepasst.

Das einzig verwirrende ist dann:

Ralf hockte am Boden und versuchte, mit dem Spatel die tiefgrünen Nadelkristalle von den Flusen zu separieren und in eine Schraubdose zu überführen.

Da hatte ich mich gewundert, dass Ralf die Scherben über die Mittagspause liegen lassen hatte. Wenn die Szene in der Mensa eine Rückblende ist, ist aber gar eine Zeit im Labor vergangen. Dann macht der Satz mit Ralf Sinn, aber es müsste deutlicher gemacht werden dass es eine Rückblende ist.


Mich stört es immer noch, dass Andrea überhaupt nicht auf den Machoausbruch bei Lorenz reagiert. Hat sie ihn jetzt abgehakt? So schnell? Vielleicht benimmt sich ja Lorenz bei seinen männlichen Kollegen falsch, weil er nicht als Weichei dastehen will und nur bei Andrea zeigt er sein wahres Ich?

Sollte sie nicht wenigstens kurz auf den Balkon gehen und zeigen, dass sie zugehört hat?


Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 

Hallo Willi,

vielen Dank fürs Vorbeischauen in meinem Labor!

brrr, geht es bei den Studis im Labor wirklich so zu? Ist ja unterirdisch!

Ach, im Unilabor kann es auch lustig zugehen. Hab durchaus die eine oder andere schöne Erinnerung. Schlechtes Arbeitsklima oder Sexismus kann man schließlich überall finden.

Aber ja, ich hab in dieser Geschichte meine eigenen Erinnerungen einfließen lassen. Nach der Zwischenprüfung waren wir Frauen deutlich in der Minderzahl und da gab es so ein paar Momente ...

Wie gut, dass deine Protagonistin ihre eigenen Ziele dabei im Auge behält, obwohl ich nicht so sicher bin, ob die Pharmaindustrie immer nur zum Wohle der Patienten forscht ...

Die Pharmaindustrie verdient Geld mit Medikamenten. Die Automobilindustrie mit Autos. Und so weiter. Mein Verständnis fürs Geschäftemachen hört wohl bei der Waffenindustrie auf.

Ich glaub, meine Andrea hat sogar eine akademische Karriere im Kopf (und keine Industriekarriere).

Textlich lässt sich die Geschichte gut lesen

Das freut mich. Bei der ersten Fassung hagelte es ja Kritik, dass zu viele Details aus dem Laboralltag drin vorkommen. Ich hab dann nachgebessert und zeige nun etwas mehr von Andrea und Lorenz.

LG, Anne

P.S. Mit deiner Antwort unter Ratskirche, Kapitel 3 hast du mich soooo neugierig gemacht, wie es weitergeht! Ach Menno! :lol:
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Hallo Nichtgeburtstagskind,

du hast wichtige und interessante Punkte aufgegriffen. Merci vielmals!

der Text lässt sich nun flüssiger lesen. Ich würde sagen, die Stolpersteine wurden erfolgreich entfernt.

Das ist für mich ein Glücksfall, dass du die zweite Fassung zeitnah gelesen und mit der ersten verglichen hast. Dein Fazit freut mich natürlich.

Du hattest irgendwo erwähnt, dass dies eine Rückblende zur Mittagspause ist. Ich finde das wird überhaupt nicht deutlich. Müsste dann nicht wenigstens die Zeit geändert werden: Heute Mittag war Andrea mit Linda und Tabea in der Mensa zum Essen verabredet gewesen. [...] Muss es denn eine Rückblende sein? [...] aber es müsste deutlicher gemacht werden dass es eine Rückblende ist.

Jetzt haben wir den Salat! Friedrichard hat kommentiert, dass ich das "gewesen" nicht benötige. Da hab ich es rausgenommen. Bin tatsächlich am überlegen, es wieder reinzunehmen aus genau dem Grund, den du genannt hast. :confused:

Der Ablauf ist: Vormittags Vorlesungen. Dann Mensa. Und dann Labor.
Ja, die Mensaszene soll eine Rückblende sein.
Mein Plan: nur den ersten und den letzten Satz im PQP zu schreiben.
In der aktuellen Fassung ist das Ende der Rückblende aber ausgefranst.
Der PQP-Schlusssatz ist:
"Nach dem Cappuccino in der Cafébar war Andrea alleine zurück ins chemische Institut gelaufen." Danach kommen noch Andreas Gedanken im Präteritum.

Einziges Kennzeichen der Rückblende sind momentan die zwei Leerzeilen davor und danach.
Da muss ich mal drüber schlafen, wie ich das löse, ob ich was ändere.

Mich stört es immer noch, dass Andrea überhaupt nicht auf den Machoausbruch bei Lorenz reagiert. Hat sie ihn jetzt abgehakt? So schnell? Vielleicht benimmt sich ja Lorenz bei seinen männlichen Kollegen falsch, weil er nicht als Weichei dastehen will und nur bei Andrea zeigt er sein wahres Ich?
Sollte sie nicht wenigstens kurz auf den Balkon gehen und zeigen, dass sie zugehört hat?

Mein liebes Nichtgeburtstagskind, ich bin entsetzt darüber, wie viel Verständnis du für Lorenz aufbringst! :eek:

Hast du gelesen, was maria.meerhaba mit Lorenz machen würde? wieselmaus hat sich vorsorglich schon um seine Reanimation Gedanken gemacht.

Das war keine Option für mich, dass die Andrea auf den Balkon geht und eine Diskussion anzettelt. Das hat die gar nicht nötig.

Erzähltechnisch möchte ich sie zunächst zum Volleyball gehen lassen, damit auch den Leser warten lassen und erst kurz vor Schluss die Luna-Bar bringen.

LG, Anne
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Hallo barnhelm,

darf ich ganz keck fragen, ob du bei Gelegenheit mal einen Blick auf meine aktualisierte Fassung werfen könntest? Ob die Message für dich jetzt besser erkennbar ist? Ob du über die Rückblende stolperst?
Nur, falls du magst. Eilt auch nicht.

Du warst bei der ersten Fassung sehr kritisch und ich bin dir sehr dankbar dafür. Ich hatte das Gefühl, ich krieg bei dir keinen Welpenschutz mehr und das gefällt mir durchaus.

LG, Anne

 

Hallo Anne49

Nach meinem Gefühl weist Deine Geschichte einige deutliche Mängel auf. Zum ersten irre ich zu lange durch das mit Details übersättigte Setting, ohne eine Andeutung, was das Thema werden könnte. Du sparst nicht mit Beschreibungen, die zwar die Atmosphäre gut widerspiegeln, aber auch den Nebeneffekt auslösen, meine Fantasie zu ersticken. Was die Prämisse der Handlung betrifft, lässt du mich dafür lange im Dunkeln. Nachdem ich mich durch viele unwichtige Beschreibungen gekämpft habe und das Ende erreiche, frage ich mich immer noch, was der Kern der Geschichte sein soll. Die Protagonistin ist verknallt und bekommt mit, dass ihr edler Wilder eher wie ein Bauarbeiter redet? Also das ist mir zu wenig.
Ich habe mehrmals das Gefühl, eine Beschreibung eines ganz normalen Tages im Leben der jungen Frau zu lesen. Der distanzierte, sterile Ton passt sehr gut zum Umfeld aber überhaupt nicht zur emotionalen Situation der Figuren. Wenn schon so eine Lappalie zum Thema einer Geschichte erwählt wird, dann sollte zumindest etwas Feuer zu spüren sein.
Es wirkt alles sehr ordentlich und harmlos.
Verbesserungsvorschläge habe ich eigentlich kaum zu bieten, da ich schon mit der Prämisse hadere. Ich wüsste selbst nicht, wie man die mitreißend servieren könnte.
Zumindest würde ich mal den ganzen Text von Nebensächlichkeiten säubern, die weder zur Atmosphàre, noch zur Charakterisierung der Figuren beitragen. (Couscous, Volvic, Häkeltop ...)

Was die Fachsprache betrifft: Ich weiß, was NMR Spektroskopie ist und habe mich auch durch (mehrere) PC Klausuren gekàmpft. Aber ich würde mich, im Wissen um die Unkenntnis der meisten Leser, davor hüten, eine Geschichte mit dieser Terminologie zu würzen. Das trägt nämlich mit dazu bei, dass das Lesevergnügen gegen 0 konvergiert.

Diese Kritik ist streng subjektiv und nur ein individueller Ausschnitt aus der nahezu unerschöpflichen Vielfalt von Meinungen.

Schönen Gruß,
Das Kellerkind

 

Hallo Anne,

dein Kompliment ging mir runter wie Öl. Vielen vielen Dank dafür!!! Ja, interpretieren und analysieren macht mir Spaß und besonders natürlich, wenn ich damit ins Schwarze treffe.

Viele liebe Grüße von Chai

 

Hallo Kellerkind,

vielen Dank, dass du meinen Text gelesen und mir noch zu nächtlicher Stunde einen Kommentar geschrieben hast!

Diese Kritik ist streng subjektiv und nur ein individueller Ausschnitt aus der nahezu unerschöpflichen Vielfalt von Meinungen.

So oder so ähnlich schreib ich auch immer unter einen Verriss! :D

frage ich mich immer noch, was der Kern der Geschichte sein soll. Die Protagonistin ist verknallt und bekommt mit, dass ihr edler Wilder eher wie ein Bauarbeiter redet? Also das ist mir zu wenig. [...] Wenn schon so eine Lappalie zum Thema einer Geschichte erwählt wird,

Da möchte ich ja als erstes mal die Bauarbeiter in Schutz nehmen. Das haben die nicht verdient und um die geht es hier nicht.

Die Rosalind-Franklind-Straße, das Chez Matilda (abgeleitet vom Matilda-Effekt) und die Luna-Bar geben kleine Hinweise auf das Thema: Eine ehrgeizige und begabte Chemiestudentin hört, wie ihr Schwarm die Sinnhaftigkeit eines Universitätsstudiums von Frauen infragestellt, und zieht daraus die Konsequenz, indem sie ihn versetzt.

Wer Sexismus für eine Lappalie hält, an dem geht diese Geschichte vorbei. Da brauchen wir gar nicht weiter zu reden.

Die andere Sache sind meine erzählerischen Mittel:

Nach meinem Gefühl weist Deine Geschichte einige deutliche Mängel auf. Zum ersten irre ich zu lange durch das mit Details übersättigte Setting, ohne eine Andeutung, was das Thema werden könnte. Du sparst nicht mit Beschreibungen, die zwar die Atmosphäre gut widerspiegeln, aber auch den Nebeneffekt auslösen, meine Fantasie zu ersticken. [...]
Was die Fachsprache betrifft: Ich weiß, was NMR Spektroskopie ist und habe mich auch durch (mehrere) PC Klausuren gekàmpft. Aber ich würde mich, im Wissen um die Unkenntnis der meisten Leser, davor hüten, eine Geschichte mit dieser Terminologie zu würzen. Das trägt nämlich mit dazu bei, dass das Lesevergnügen gegen 0 konvergiert.

Mit dieser Auffassung stehst du nicht alleine da. Ich nehm es zur Kenntnis.
In den letzten Tagen habe ich mir intensiv darüber Gedanken gemacht. Im Augenblick sehe ich mich außerstande, den Text dahingehend grundlegend zu ändern.
Die Rückmeldungen sind für mich interessant und hilfreich im Bezug darauf, die Wirkung von Texten einzuschätzen. Vielleicht hat es Auswirkungen auf meine zukünftigen Texte, wir werden sehen.

Was die Prämisse der Handlung betrifft, lässt du mich dafür lange im Dunkeln.

Ist das wirklich zwingende Voraussetzung für einen guten Text, dass ich früh weiß, worauf er hinausläuft?

Der distanzierte, sterile Ton passt sehr gut zum Umfeld aber überhaupt nicht zur emotionalen Situation der Figuren. [...] dann sollte zumindest etwas Feuer zu spüren sein.

Das ist eine spröde Geschichte und eine spröde Protagonistin. Ja.

Wenn du denkst, dass Andrea auf den Balkon geht, Lorenz mit feucht schimmernden Augen anschaut und er sie dann in den Arm nimmt und heiser sagt: "Hey Baby, du weiß doch, wie ich das gemeint hab!" - Vergiss es. Passiert nicht.

Zumindest würde ich mal den ganzen Text von Nebensächlichkeiten säubern, die weder zur Atmosphàre, noch zur Charakterisierung der Figuren beitragen. (Couscous, Volvic, Häkeltop ...)

Ich habe mit Absicht nicht geschrieben: Mittagessen, stilles Mineralwasser, Oberteil. Daher habe ich auch nicht vor, den Text dahingehend zu "säubern". Wobei ich deine Wortwahl an der Stelle ... interessant finde.

Klingt ein bisschen doof, dass ich die Geschichte trotz aller Kritik jetzt nicht radikal umschreiben werde. Aber ich kann es einfach nicht. Zumindest nicht jetzt.

Ich freue mich über zwei Dinge: Dass sie (bis jetzt) in den Kommentaren sprachlich gut weggekommen ist und dass ich ein wenig auf das Thema aufmerksam machen konnte.

Kellerkind, du hast mir sehr geholfen, mich noch mal mit meinem Text auseinanderzusetzen, was ich damit erreichen wollte und was ich damit erreicht (bzw. nicht erreicht) habe. Dafür nochmals vielen Dank!

LG, Anne

P.S. Jetzt hab ich nicht mal eine Geschichte von dir gefunden! Da hätt ich mich gleich so schön rä ... äh ... vanchieren können ... ;)

 

Klingt ein bisschen doof, dass ich die Geschichte trotz aller Kritik jetzt nicht radikal umschreiben werde. Aber ich kann es einfach nicht. Zumindest nicht jetzt.

Nee. Es klingt nur doof, wenn Du sagst, dass es doof klingt, dass Du die Geschichte trotz aller Kritik nicht umschreiben wirst.

Hallo Anne49 !
Vielen Dank für Deine freundliche Antwort! (Höre ich da ein Zähneknirschen?)

P.S. Jetzt hab ich nicht mal eine Geschichte von dir gefunden! Da hätt ich mich gleich so schön rä ... äh ... vanchieren können ...

Siehste! So sind die Frauen. Nachtragend, zickig und außerdem können sie sowieso alle keine guten Geschichten schreiben.
War das sexistisch?
Nun, das ist Definitionssache. Da ich der Meinung bin, Sexismus kann nur in Verbindung mit der Macht, jemanden aufgrund des Geschlechtes einen Nachteil zu verschaffen, seine negative Wirkung entfalten, würde ich sagen, meine Bemerkung war einfach nur arschig.
Und so geht es mir mit Lorenz. Ich habe in der Tat nicht die kritische Darstellung von Sexismus als Prämisse erkannt, sondern die Ent-Täuschung der Protagonistin. Anscheinend etwas introvertiert, fasst sie Vertrauen zu einem rückgratlosen Schleimer. Als sie sein wahres Gesicht entdeckt, besorgt sie sich ein Sturmgewehr und startet einen Rachefeldzug gegen männliche Chemie-Studenten.
Nachdem sämtliche Y-Chromosomen aus dem Genpool entfernt worden sind, stellt sie ernüchtert fest: Seine herablassende Haltung bezog sich gar nicht auf eine generelle Uneignung der Frauen, für den wissenschaftlichen Bereich.
"Ganz genau. Arbeit und Vergnügen sollte man trennen." Lorenz stieß Rauch aus. [...]"
Darum geht's: Sein Vergnügen. Und das steht an erster Stelle. Sein schwanzgesteuertes Bewusstsein wäre gar nicht in der Lage, tiefergehende gesellschaftliche Fragen zu erfassen. Dass er Andrea anscheinend als Notlösung angräbt,
"[...] Aber die Weiber ... Nicht so wie bei uns."
verleiht seinem Charakter eine ansprechende Widerlichkeit. Aber egal wie ich es mir drehe, erkenne ich hier keine Aberkennung der intellektuellen Fähigkeiten weiblicher Wissenschaftler.

Nun habe ich mir die Zeit genommen und in die Kommentare geschaut. Die Handlung liegt in den 90ern. Ist mir zuerst nicht aufgefallen. Roxette und so'n Kram läuft ja grausamerweise heute noch auf diversen NJOY Radiosendern. Das ist ja schon länger her. Aber nach meinen erst kurze Zeit zurückliegenden Erfahrungen, ist gerade dieser Wissenschaftsbereich denkbar ungeeignet für ein Lehrstück in Sexismus (gegenüber Frauen). Ich hatte diverse Praktika in Anorganik, Organik, Biochemie usw. Überall waren Frauen in den oberen oder mittleren Positionen überproportional vertreten. Der Anteil der Studentinnen*Innen betrug ca.70 - 80%. Wenn da ein Kerl mal eine scherzhafte chauvinistische Bemerkung fallen ließ, dann höchstens als unreifen Ausdruck eigener Ohnmacht im Kreise geballter Weiblichkeit.
Dass in diesen Studiengängen trotzdem eine Frauenquote existiert ("Bei gleicher Eignung werden weibliche Studentinnen bevorzugt immatrikuliert"), könnte tatsächlich mal für eine Sexismuskritik thematisiert werden.

Ich breite das Thema hier nicht aus, um Deinen Text zu entwerten. Es liegt mir nur etwas daran, klar zu stellen, dass ich Sexismus, keineswegs als Lappalie betrachte. Wenn die Damen keine Autos fahren dürfen, kein Wahlrecht besitzen oder ihnen der Zugang zu Unis verwehrt wird, das sind schon krasse Zustände.
Die Erkenntnis, einem Widerling auf den Leim gegangen zu sein, ist für die Protagonistin sicher auch keine Lappalie. Aber da passiert mir, wie schon erwähnt, zu wenig auf emotionaler Ebene, um mich mitzureißen. Doch ich ahne, dass Du darauf auch gar nicht den Fokus richten wolltest.

Nachdem ich das nun ge"mansplaining"t habe -
Husch, husch! Ab in die Küche! :)

Auf ein Wiedersehen!
Der KellerMann

 

Kellerkind

Thanx! :thumbsup:
Wir sprechen uns noch, KellerMann ...
Muss jetzt leider arbeiten.
Meine ausführliche Antwort folgt, spätestens am Wochenende.
Anne

 

Liebe Anne49,

ich mag deinen Schreibstil unheimlich gerne...

Die Julisonne strahlte auf die blinden Fenster und ließ das Quecksilber im chemischen Institut auf sechsundzwanzig Grad steigen.
soooo schön poetisch :-)
um nur ein kleines Beispiel zu nennen.

Ja, natürlich viel Labordetails, aber wie Chutney schon schrieb, man kann gut drüber hinweg lesen (gar nicht böse gemeint), weil man kein Fachmann/frau ist. Egal....es tut der Kernaussage keinen Abbruch. Im Gegenteil, es liest sich schön, es ist ein wunderbar fließender Text, mit rotem Faden und einer Geschichte, die die Frauen dieser Welt nach mehr Frauenpower schreien lassen sollte.

Vielen Dank!

Und auch von mir noch "Hut ab", für deinen "Kirchenschatten". Hatte ganz am Anfang die erste Version gelesen und fand sie da schon toll (hatte aber kaum Zeit zum Schreiben und war dann längere Zeit hier abstinent)...

Alles Liebe weiterhin,

kafriema

 
Zuletzt bearbeitet:

Kellerkind: Hallo KellerMann,

weiter geht's ...

Nachdem sämtliche Y-Chromosomen aus dem Genpool entfernt worden sind ...

Welch Horrorvorstellung! Mein erklärtes Lieblingsgenre ist das romantische (bis vor kurzem stand das auch noch in meinem Profil).

Dass in diesen Studiengängen trotzdem eine Frauenquote existiert ("Bei gleicher Eignung werden weibliche Studentinnen bevorzugt immatrikuliert")

Mit solchen Regelungen gibt es eigentlich nur Verlierer.

Die Handlung liegt in den 90ern. Ist mir zuerst nicht aufgefallen. Roxette und so'n Kram läuft ja grausamerweise heute noch

Ich hab gerade andere Kleinigkeiten im Text geändert. Letztlich konnte ich mich doch wieder nicht dazu durchringen, die Zeit ganz deutlich als Anfang der Neunziger zu kennzeichnen. Nichtgeburtstagskind (der reinste Kindergarten hier ...) hatte mir dafür einen sehr guten Tipp gegeben und dann hab ich mich u. a. zugunsten der Sprachästhetik wieder dagegen entschieden.
(War echt lustig, ich hab mal gesurft, was denn für die Zeit damals typisch war: Netzshirt und Kiba habe ich in die Geschichte übernommen. Registriert kein Leser, ist schon klar.)

Es gibt immer noch einzelne Studiengänge mit hohem Männeranteil. Es mag sich einiges getan haben in der Zwischenzeit, aber komplett erledigt hat sich das meines Erachtens noch nicht. Deswegen auch kein "Historik"-Tag.

Ich hatte diverse Praktika in Anorganik, Organik, Biochemie usw. Überall waren Frauen in den oberen oder mittleren Positionen überproportional vertreten. Der Anteil der Studentinnen*Innen betrug ca.70 - 80%.

Also, ich rede vom damaligen Diplomstudiengang Chemie (ohne Pharma-/Bio- ...). Anfang der Neunziger gab es da 17% Frauen. Aktuell sind es laut GDCh 35-40%.

Da ich der Meinung bin, Sexismus kann nur in Verbindung mit der Macht, jemanden aufgrund des Geschlechtes einen Nachteil zu verschaffen, seine negative Wirkung entfalten

Da hab ich ein viel weiter gefasstes Verständnis von Sexismus bzw. von Diskriminierung ganz allgemein. Vieles davon lässt sich auch auf die Diskriminierung anderer Personengruppen (Ausländer, Behinderte; Männer [im entsprechenden Kontext]) übertragen.

Für mich gehört dazu:
- Jemandem das Gefühl vermitteln, er gehöre nicht dazu, er gehöre da nicht hin. (Ein dunkelhäutiger Mensch in der ostdeutschen Provinz mag sich ähnlich fühlen.)
- Jemanden auf sein Aussehen zu reduzieren. (Das war für junge Mädchen schon immer so. Aktuell: Germanys Next Topmodel.)

Viele kleine Gesten können letztlich ein Klima schaffen, in dem Menschen ein falsches Selbstbild bekommen und entmutigt werden. Beispielsweise entmutigt, den Weg zu gehen, für den sie gemacht sind. Das zu lernen und beruflich zu machen, was sie eigentlich bewegt und wozu sie Talent haben.

Ich habe in der Tat nicht die kritische Darstellung von Sexismus als Prämisse erkannt, sondern die Ent-Täuschung der Protagonistin.

Ich kann mit dem Begriff der Prämisse echt nichts anfangen. Ab und zu kommt ein Wortkrieger damit an und dann duck ich mich immer ... Aber viele Leser haben das ähnlich formuliert wie du.

Anscheinend etwas introvertiert, fasst sie Vertrauen zu einem rückgratlosen Schleimer. Als sie sein wahres Gesicht entdeckt, besorgt sie sich ein Sturmgewehr und startet einen Rachefeldzug gegen männliche Chemie-Studenten.

Nee, das mit dem Sturmgewehr macht Andrea doch gar nicht. Sie sagt ihm nicht die Meinung. Die Geschichte zeigt das nicht und ich sage mal, es passiert auch nicht. Sie versetzt Lorenz und verbringt stattdessen ihren Feierabend mit anderen Leuten. Es gibt Frauen, die so reagieren. Die so durch und durch nüchtern und rational sind, dass sie dieses Negativverhalten registrieren, ihre Konsequenz daraus ziehen, aber nicht deswegen in Tränen ausbrechen, ein Magengeschwür bekommen oder rumschreien. Ob das eine Protagonistin ist, die dem Leser ans Herz wächst? - Eher nicht. Das mag die Schwachstelle der Geschichte sein. Ja.

Interessanterweise ist noch niemand auf die Volleyballtrainerin Gerti eingegangen (die mit dem Flachmann und dem Jägermeisteratem). Beim Sport sind die Mädels unter sich und denken keine Sekunde daran, ob sie weiblich oder männlich sind. Sie sind einfach. Punkt.

Aber egal wie ich es mir drehe, erkenne ich hier keine Aberkennung der intellektuellen Fähigkeiten weiblicher Wissenschaftler.

D'accord! Hab ich nie behauptet! Schauen wir doch mal in den Text:

"Am Freitag ist Pharmafete", hörte sie Lorenz sagen.
"Was willst du da? Ist doch megalangweilig."
"Die Typen, ja. Aber die Weiber ... Nicht so wie bei uns."
"Ich sag immer: Die haben im Labor nichts zu suchen."
"Ganz genau. Arbeit und Vergnügen sollte man trennen." Lorenz stieß Rauch aus. "Außerdem: Wozu soll das gut sein? Die bekommen ja doch Kinder."

"Arbeit und Vergnügen sollte man trennen" - damit reduziert er Frauen darauf, dass man mit ihnen Spaß haben kann. Mit Männern kann man ja auch Spaß haben. Will er deswegen die Geschlechtertrennung an Unis? Wohl kaum. Er hat was dagegen, wenn Frauen studieren.

"Wozu soll das gut sein? Die bekommen ja doch Kinder" - Welche Rolle hat die Frau in der Gesellschaft zu erfüllen: Hausfrau und Mutter. Rechnet sich das dann volkswirtschaftlich überhaupt, wenn junge Frauen so lange studieren? Chemie mit Promotion: 8-10 Jahre. Nein, tut es nicht.

Also, ich seh ein, dass Lorenz' Äußerungen sehr drastisch und plakativ sind. Ich glaub, letztlich sieht jeder Leser in der Geschichte das, was er will. Ein "Rachefeldzug gegen männliche Chemiestudenten" ist der Text aber nicht.

Die Erkenntnis, einem Widerling auf den Leim gegangen zu sein, ist für die Protagonistin sicher auch keine Lappalie. Aber da passiert mir, wie schon erwähnt, zu wenig auf emotionaler Ebene, um mich mitzureißen. Doch ich ahne, dass Du darauf auch gar nicht den Fokus richten wolltest.

Stimmt schon. Ich hab dir oben verraten, dass mein Lieblingsgenre das romantische ist (siehe "Kirchenschatten"). Die Rückmeldungen der Leser sind, dass ich bei "Unter Laborbedingungen" zu wenig Emotionen zeige (wobei ich einmal nachgebessert habe, in der ersten Fassung war gar nichts).
Na ja, ich wollte ein paar meiner Erinnerungen verarbeiten. Und mal was mit dem "Gesellschaft"-Tag posten, bevor ich die nächste hochemotionale "Romantik"-Geschichte abliefere. :D

LG, Anne

P.S. Schreibst du auch? Postest du mal was? Du hast fast die hundert Kommentare voll. Ich finde, du könntest mal was über die Diskriminierung von Männern schreiben. Oder über Autoren, die sich trauen ...

-----

Hallo kafriema,

vielen Dank für deinen freundlichen Kommentar.
Bis gestern hattest du noch den Maarten 't Hart im Profil stehen - den lese ich auch sehr gerne!

es ist ein wunderbar fließender Text, mit rotem Faden

Ob du den roten Faden auch gefunden hättest, ohne in den Thread zu schauen?

einer Geschichte, die die Frauen dieser Welt nach mehr Frauenpower schreien lassen sollte.

So furchtbar aktiv wird Andrea ja nicht (siehe oben, was ich an den KellerMann geschrieben habe). Ich glaub, die forscht lieber im Labor, anstatt auf der Straße zu demonstrieren.

Mit dem Begriff Frauenpower verbinde ich nichts. Aber die Alice Schwarzer mag ich trotz ihrer blöden Steuergeschichten immer noch ganz gern.

LG, Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Anne49

Spannend am Text fand ich folgende Passage:

Die hochgeschobenen Ärmel ließen Tattoos erkennen: verschlungene Schriftzeichen und mit etwas Phantasie einen Wolf. Lorenz' Haare waren zum Zopf zusammengebunden.
Er erinnert mich an einen Indianer.
Sie lächelte bei der Vorstellung in sich hinein, ein Mann der Wildnis könne sich ausgerechnet hierher verirren. Lorenz schob sich mit dem Handrücken eine Strähne aus der Stirn und klammerte den Glaskolben mit der hellroten Lösung an den Rotationsverdampfer. Andrea zwang sich, nicht auf seinen Hintern zu starren.

Hm. Auch mit dieser Protagonistin möchte ich nicht unbedingt einen Kaffee trinken gehen, aber das ist hier nicht der Punkt. Ich hätte es interessant gefunden, wenn sich ausgehend vom Idealbild, das in der zitierten Passage durchscheint, ein echter Konflikt entsponnen hätte, ein äusserer, mehr noch vielleicht ein innerer; wenn man etwas erfahren hätte über Konzeptionen der Männlichkeit, der Weiblichkeit, etwas darüber, was denn die Protagonistin eigentlich erwartet (einen sanften Wilden, vielleicht gar einen netten Wilden?); auch etwas darüber, was hinter dem Sexismus im Labor steckt: Was verunsichert die Typen derart, dass sie die Vernunft ausschliesslich dem eigenen Geschlecht zuschlagen? Ist das typisch für Naturwissenschaftler? Weshalb? Ist das bloss eine Folge davon, dass die Männer in der Mehrzahl sind (ich glaube nicht), oder gibt es tiefere Motive (ich denke schon). Welche Ängste, welche tief verankerten Muster spielen hier eine Rolle?

Leider bleibt die Geschichte in dieser Hinsicht flach, die Thematik wird nicht verhandelt, keine echte Entwicklung, nichts. Der Typ, den sie anhimmelt, erweist sich als Arsch, also lässt sie ihn stehen. That’s it. Versteh mich nicht falsch. Der Text hat mich unterhalten, der ist auch handwerklich solide. Aber irgendeine Einsicht, die zwei Minuten nach der Lektüre mich noch beschäftigt hätte, konnte er mir nicht vermitteln. Im Lichte des von dir zumindest implizit erhobenen Anspruchs, etwas zum Thema Sexismus beizutragen, finde ich den Text inhaltlich entschieden zu dünn, er wird m.E. dem Tag "Gesellschaft" nicht gerecht.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Peeperkorn,

Der Text hat mich unterhalten, der ist auch handwerklich solide.

Immerhin das! :) Da ich noch nicht lange (Fiktion) schreibe, freut es mich wirklich sehr, das von dir zu hören.

Aber irgendeine Einsicht, die zwei Minuten nach der Lektüre mich noch beschäftigt hätte, konnte er mir nicht vermitteln. Im Lichte des von dir zumindest implizit erhobenen Anspruchs, etwas zum Thema Sexismus beizutragen, finde ich den Text inhaltlich entschieden zu dünn, er wird m.E. dem Tag "Gesellschaft" nicht gerecht.

Und ich dachte, für mehr als zwei Minuten Beschäftigung nach der Lektüre braucht es den Tag "Philosphisches". :D

Herrje, warum kann ich als Autorin nicht einfach meinen Intentionen dadurch Ausdruck verleihen, dass ich entsprechende Tags dranhänge? Warum muss es denn auch noch im Tagst (Text) stehen?

Also schön. Jetzt sehe ich verschiedene Möglichkeiten:
1. Statt des Tags "Gesellschaft" den Tag "Alltag" draufkleben und mich dann entspannt zurücklehnen.
2. Den Tag "Gesellschaft" dranlassen und begründen, warum ich den schon jetzt für gerechtfertigt halte.
Plus: Eventuell überlegen, wie ich im Text hinsichtlich der Thematik Sexismus nachbessern kann. Letzteres bereitet mir noch Bauchschmerzen.

Warum der Tag "Gesellschaft"? Die Geschichte behandelt u. a. auch das Thema Studienfachwahl. Die drei Frauen haben ähnliche Interessen. Linda und Tabea studieren Pharmazie, ein Fach mit hohem Frauenanteil. Falls die beiden Mutter werden, können sie mit Teilzeitbeschäftigungsmöglichkeiten in der Apotheke rechnen. Kehrseite der Medaille: Sie sind wissenschaftlich ausgebildete Verkäuferinnen. Andrea ist das zu wenig. Sie hat sich für das Männerfach Chemie entschieden. Egal ob sie sich für eine Hochschul- oder eine Industriekarriere entscheidet, für sie wird es kein leichter Weg werden.
Nach meinem persönlichen Empfinden hat sich die Feminismusdebatte den lebenspraktischen Fragen intelligenter Frauen mit Kinderwunsch nicht ausreichend gewidmet. Sicher, es gibt kein Patentrezept. Selbst wenn man Kinderbetreuungsmöglichkeiten erweitert, wie das in den letzten Jahren geschehen ist, bleibt immer noch die individuelle Situation, dass junge Frauen weitreichende Entscheidungen hinsichtlich Studien- und Berufswahl treffen müssen. Und manch einer blutet das Herz, ihr Baby fremdbetreuen zu lassen, interessante Karrierechancen auszulassen, den richtigen Zeitpunkt für Familie verpasst zu haben usw. Ich halte das für eine gesellschaftliche Fragestellung.

Das ist hier erst meine dritte Geschichte. Bis jetzt halte ich durch, dass ich pro Geschichte immer nur einen Tag vergebe.

Viel wichtiger als die Frage der korrekten Tags ist natürlich: Ist das hier eine gute Geschichte oder fehlt etwas? Aus den meisten Kommentaren, so auch aus deinem, höre ich das deutliche Unbehagen heraus, dass etwas fehlt.

Vermutlich ist sie überladen durch zwei Themen (Studienfachwahl + sexistischer Spruch), und beide nur angerissen und keines richtig vertieft.
Das ist momentan mein Fazit.

Die hochgeschobenen Ärmel ließen Tattoos erkennen: verschlungene Schriftzeichen und mit etwas Phantasie einen Wolf. Lorenz' Haare waren zum Zopf zusammengebunden.
Er erinnert mich an einen Indianer.
Sie lächelte bei der Vorstellung in sich hinein, ein Mann der Wildnis könne sich ausgerechnet hierher verirren. Lorenz schob sich mit dem Handrücken eine Strähne aus der Stirn und klammerte den Glaskolben mit der hellroten Lösung an den Rotationsverdampfer. Andrea zwang sich, nicht auf seinen Hintern zu starren.

Andrea findet Lorenz attraktiv, weil er körperlich etwas Ursprüngliches, Animalisches ausstrahlt. Gleichzeitig erwartet sie von einem Mann, mit dem sie abends weggeht, dass er ihre mathematisch-naturwissenschaftlichen Ambitionen nicht infragestellt und kein traditionelles Rollenverständnis der Frau als Hausfrau und Mutter hat. Verlangt sie da zu viel?

Verglichen mit den Frauengenerationen vor ihr, hat Andrea weniger gesellschaftlichen Druck, unter die Haube zu kommen, um nicht als alte Jungfer zu enden. Sie darf wählerisch sein.

Ich hätte es interessant gefunden, wenn sich ausgehend vom Idealbild, das in der zitierten Passage durchscheint, ein echter Konflikt entsponnen hätte, ein äusserer, mehr noch vielleicht ein innerer; wenn man etwas erfahren hätte über Konzeptionen der Männlichkeit, der Weiblichkeit, etwas darüber, was denn die Protagonistin eigentlich erwartet (einen sanften Wilden, vielleicht gar einen netten Wilden?) [ ...]
Leider bleibt die Geschichte in dieser Hinsicht flach, die Thematik wird nicht verhandelt, keine echte Entwicklung, nichts. Der Typ, den sie anhimmelt, erweist sich als Arsch, also lässt sie ihn stehen. That’s it.

Da hast du schon Recht, da ist definitiv Luft nach oben. Eine Möglichkeit wäre, dass die drei Ladies sich mittags in der Mensa darüber austauschen, was sie von Männern bzw. von ihrem Zukünftigen erwarten. Da werde ich mal drüber nachdenken.

auch etwas darüber, was hinter dem Sexismus im Labor steckt: Was verunsichert die Typen derart, dass sie die Vernunft ausschliesslich dem eigenen Geschlecht zuschlagen? Ist das typisch für Naturwissenschaftler? Weshalb? Ist das bloss eine Folge davon, dass die Männer in der Mehrzahl sind (ich glaube nicht), oder gibt es tiefere Motive (ich denke schon). Welche Ängste, welche tief verankerten Muster spielen hier eine Rolle?

Du stellst spannende Fragen zu den Ursachen von Lorenz' Verhalten und ob das bei Naturwissenschaftlern anders als bei Geisteswissenschaftlern ist: In der Mehrzahl zu sein - das scheint mir eine notwendige Bedingung für Sexismus zu sein, aber keine hinreichende.
Es gibt Forschungsarbeiten, die zeigen, dass bestimmte Begabungen statistisch gesehen ungleich zwischen Männern und Frauen verteilt sind. Die Gesamtheit der Männer erbringt etwas bessere Leistungen im räumlichen Vorstellungsvermögen. (Hilft beim Einparken, aber auch, um sich Moleküle und Reaktionen dreidimensional vorzustellen.) Ich halte diese Ergebnisse zumindest für denkbar, denn sie sind evolutionsbiologisch begründbar. Für das einzelne Individuum sieht es natürlich anders aus. Es gibt viele mathematisch-naturwissenschaftlich begabte Frauen und entsprechend untalentierte Männer.
Mit den sprachlichen Fähigkeiten verhält es sich umgekehrt, wieder nur statistisch betrachtet über die Gesamtheit der Männer und Frauen.
Es gibt leider viele Menschen, die aus solchen Untersuchungen die falschen Schlüsse ziehen.
Lorenz scheint indes begriffen zu haben, dass Andrea besser in Mathe ist als er. Immerhin hat er bei ihr abgeschrieben.
Ob der Lorenz in einer ernsthaften Diskussion wirklich standhaft sexistische Thesen vertreten würde oder ob er hier nur unreflektiert Stammtischparolen reproduziert, die er irgendwo aufgeschnappt hat? Ich weiß es nicht. Ich stelle mir vor, dass er in seinem privaten Umfeld (Familie und Freunde) entsprechend sozialisiert wurde. (Zu dieser Sozialisierung können auch Frauen viel beitragen.)

Im Rahmen dieser Geschichte und der gewählten Perspektive (Andrea) sehe ich wenig Möglichkeiten, diesen Fragen nachzugehen.

Auch mit dieser Protagonistin möchte ich nicht unbedingt einen Kaffee trinken gehen, aber das ist hier nicht der Punkt.

Mensch, Peeperkorn, dass du aber immer auch mit meinen Protagonistinnen Kaffee trinken gehen möchtest! :lol: Nenn mir doch mal eine Protagonistin aus einer Wortkrieger-Geschichte, mit der du gehen würdest! (Jana aus "Kirchenschatten" anscheinend immer noch nicht, oder doch? Na ja, sie hat ja jetzt Lukas.)

Aber im Ernst: Geistes- und Naturwissenschaftler sollten öfter mal zusammen Kaffee trinken gehen. Ich hatte einen Chemieprofessor, der gebetsmühlenartig von den "Two Cultures" des C. P. Snow geredet hat.

Ich danke dir sehr für deine Zeit und für deinen extrem hilfreichen Kommentar!

Liebe Grüße in die Schweiz!
Anne

 

Hallo Anne49

Vermutlich ist sie überladen durch zwei Themen (Studienfachwahl + sexistischer Spruch), und beide nur angerissen und keines richtig vertieft.
Das ist momentan mein Fazit.

Das sehe ich mittlerweile ähnlich. Obendrein ist ja die romantische Verbandelung der Protagonistin mit dem bösen Buben eigentlich ein weiteres Thema, das aufgrund ihrer eigenwilligen Charaktere bereits eine Geschichte füllen könnte.
Das meinte ich mit der unklaren Prämisse. In einer Kurzgeschichte kommt es meist besser (keine Regel ohne Ausnahmen), wenn ein Thema ordentlich ausgebaut wird und Nebenstränge nur eingeflochten werden, wenn sie der Hauptaussage dienen.

Was ich noch nicht erwähnt habe: Mich enttäuschte am Plot auch der Umgang der Prota mit dem - Räusper! - Sexismus in ihrer Guppe. Sie macht nichts anderes, als sich in ihrem safe-space auszutoben, anstatt vor den Jungs klare Kante zu zeigen.
Da fehlt mir die Eskalation des Konflikts. Er verplätschert beim Mädchensport.
Du erwähntest an einer Stelle, dass die dargestellte Reaktion besser zu der Protagonistin passt. Das verstehe ich.
Aber ich bin der Meinung, die Figuren haben sich der Geschichte unterzuordnen. Autorinnen*Innen wollen in der Regel etwas mit den Geschichten aussagen. Wenn die Figur nicht dazu passt, muss sie passend gemacht werden.
Warum nicht eine Explosion der angestauten Frustration - an der richtigen Stelle? (Das mit dem Sturmgewehr, war doch 'ne gute Idee. Oder?) ;)

Schönen Gruß
Kellerkind

 

Liebe Anne

Es hat Spass gemacht, deine witzige Replik zu lesen.

Andrea findet Lorenz attraktiv, weil er körperlich etwas Ursprüngliches, Animalisches ausstrahlt. Gleichzeitig erwartet sie von einem Mann, mit dem sie abends weggeht, dass er ihre mathematisch-naturwissenschaftlichen Ambitionen nicht infragestellt und kein traditionelles Rollenverständnis der Frau als Hausfrau und Mutter hat. Verlangt sie da zu viel?

Das ist eine spannende Frage, die ich mit Nein beantworten würde, die aber guten Stoff hergäbe, da sich die gewünschten männlichen Eigenschaften zwar nicht ausschliessen, aber doch konfligieren können. (Tiere haben ja generell eher Mühe mit kognitiv anspruchsvollen Aufgaben wie Respekt zeigen etc.). Aber du hast ja geschickt zwischen körperlich animalisch und geistig zivilisiert unterschieden. :)

Mensch, Peeperkorn, dass du aber immer auch mit meinen Protagonistinnen Kaffee trinken gehen möchtest! Nenn mir doch mal eine Protagonistin aus einer Wortkrieger-Geschichte, mit der du gehen würdest! (Jana aus "Kirchenschatten" anscheinend immer noch nicht, oder doch? Na ja, sie hat ja jetzt Lukas.)

:) Ist okay.

Aber im Ernst: Geistes- und Naturwissenschaftler sollten öfter mal zusammen Kaffee trinken gehen.

Stimmt. Ich erlebe (an einem Gymnasium unterrichtend) die Fronten sehr deutlich, habe auch schon zu vermitteln versucht, werde als Philosoph aber meist von beiden Seiten missverstanden. :D

Ende offtopic

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hi Kellerkind,

Das meinte ich mit der unklaren Prämisse. In einer Kurzgeschichte kommt es meist besser (keine Regel ohne Ausnahmen), wenn ein Thema ordentlich ausgebaut wird und Nebenstränge nur eingeflochten werden, wenn sie der Hauptaussage dienen.

Mit dem Erlernen des Schreibens ist es ähnlich wie beim Autofahren: Ich muss auf viele Dinge gleichzeitig achten (Verkehrsschilder, Lenken, Schalten ...) und als Anfänger gelingt mir das noch nicht immer. Rückblickend denke ich, dass ich mich bei dieser Geschichte sehr auf das Ausfeilen der Sätze konzentriert habe und mich von meinen persönlichen Erinnerungen habe leiten lassen und dabei weniger den Blick auf das große Ganze, auf eine Kernaussage hatte.

Ich bin immer noch hin- und hergerissen, ob ich die Geschichte jetzt so belasse oder ob ich sie ändere.
Aktuell neige ich zur ersten Variante, da eine Geschichte mit dem Tag "Gesellschaft" für mich einen Ausflug in unbekanntes Terrain darstellt: Ich verfolge beim Schreiben wohl eher das Ziel zu unterhalten anstatt zu belehren.

Mich enttäuschte am Plot auch der Umgang der Prota mit dem - Räusper! - Sexismus in ihrer Guppe. Sie macht nichts anderes, als sich in ihrem safe-space auszutoben, anstatt vor den Jungs klare Kante zu zeigen.
Da fehlt mir die Eskalation des Konflikts. Er verplätschert beim Mädchensport.
Du erwähntest an einer Stelle, dass die dargestellte Reaktion besser zu der Protagonistin passt. Das verstehe ich.
Aber ich bin der Meinung, die Figuren haben sich der Geschichte unterzuordnen. Autorinnen*Innen wollen in der Regel etwas mit den Geschichten aussagen. Wenn die Figur nicht dazu passt, muss sie passend gemacht werden.

Ich operiere nach der (naiven?) Gleichung: Charaktere + Konflikt = Geschichte
Das Fettmarkierte oben, das ist mir recht abstrakt. So sehr ich mich bemühe, ich kann mit diesen Hinweisen von dir nichts anfangen. Was bedeutet das konkret, auf diese Geschichte bezogen? Wie müsste die Story laufen, damit sie deine Anforderungen erfüllt?

Okay, dass der Konflikt nicht maximal eskaliert, da hast du Recht. Andrea findet ihre ganz eigene, stille Lösung. Wenn die Jungs ihr das alles offen ins Gesicht gesagt hätten, dann wäre sie sicher gut beraten gewesen, darauf einzugehen und nicht einfach zu schweigen. Aber so?
Welchen Sinn hätte es für Andrea, mit jemandem wie Lorenz zu diskutieren? Gelingt es ihr, ihm beschwichtigende Statements abzupressen, die er später hinter ihrem Rücken bei seinen Kumpels wieder revidiert? Vermutlich ja. Aber was hätte sie davon?
Gerade weil Andrea in Lorenz so viel mehr gesehen hat! Der Lorenz fällt ja - bildlich gesprochen - gleich mehrere Stockwerke tief runter. Der ist so oder so verloren für eine Andrea.

Eine interessante Frage wäre, wie geht es am nächsten Tag an der Uni weiter? Wird Lorenz sie fragen, warum sie nicht ins Chez Matilda gekommen ist? Was wird Andrea antworten?
Eine solche "Fortsetzung" würde die Möglichkeit bieten, die beiden näher kennenzulernen. Ich glaube, dafür bin ich momentan zu faul. :shy: Vielleicht, wenn ich eine zündende Idee habe.

Was noch? Ach ja: das von dir vorgeschlagene Sturmgewehr. Das wäre einer Chemikerin doch unwürdig! Da wüsste Andrea sicher eine elegantere Lösung, bei der man hinterher weniger putzen muss ... :D

LG, Anne

 

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