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Unter Kirschblüten

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21.02.2003
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Unter Kirschblüten

Leise wiegten sich die Blätter des Kirschbaumes im Wind.
Er war gerade reif geworden und mit jedem Windstoß segelten die roséfarbenen Blüten wie kleine Schiffchen auf den See herunter, der sich schlangenförmig durch das harmonische Landschaftsbild aus Bonsai-Bäumen, Kiefern und Bambussträuchern zog.

Dschu Hsi ließ sich unter einer jungen Kiefer nieder, direkt neben dem breiten See, der gemächlich vor sich hinzutreiben schien. Die sanften plätschernden Geräusche waren wie eine Meditation für ihn, den Meister, der von all seinen Schüler voller Bewunderung und Respekt angesehen wurde.

An diesem sonnigen Nachmittag schien es Kirschblüten zu regnen, die in den seichten Wogen des Sees sterben sollten.

Dschu Hsi begann zu erzählen:
„Damals, da Himmel und Erde noch nicht voneinander geschieden waren, herrschte das Chaos, damals, so stelle ich es mir vor, gab es nur Wasser und Feuer. Aus dem Absud des Wassers entstand die Erde. Wenn wir heute einen Gipfel erklimmen und ringsum blicken, so zeigen sich die Berge in Gestalt von Wogen, als hätten sie sich aus flutendem Wasser gebildet. Anfangs waren sie noch weich und erhielten erst später in der Erstarrung ihre Härte. Die trübsten Teile des Wassers wurden zur Erde, die reinsten Teile des Feuers aber wurden zu Wind, Donner Blitz, zu Sonne und Gestirnen.
Und so kam es, dass nun auch dieses Gewässer, unser See, der uns mit seinen Lebewesen versorgt und an dem wir uns erfreuen können, entstanden ist.
Seht ihr die kleinen Wogen die sich bilden, wenn die Blüten die Wasseroberfläche berühren? Sie halten ihn in Bewegung.

Des Menschen Geist gleicht sehr dem Wasser: Sein Wesen- ein stiller See; seine Gefühle – ein Strom; die Leidenschaften – ein Ozean im Sturm.“

Leidenschaft ist eine Wichtigkeit, doch gemengt mit Gier ergibt sich eine unglückliche Mischung.

Dieser See an dem ihr jetzt sitzt, ist schon einige tausend Jahre alt. Damals, zu meiner Zeit, war er besonders für die Dorfbewohner von großer Bedeutung. Er nährte sie durch seine Fische, und brachte ihnen wegen seiner Schönheit und seiner Fähigkeit Pflanzen zu nähren, große Freude.
Die Natur ist wie das Glück, es ist vergänglich.
Dies erkannten die Dorfbewohner schnell und beschlossen dem See nicht mehr als nötig zu belasten und nicht im Übermaß Fische zu fangen. Der See dankte es ihnen und ließ die Natur um ihn herum aufblühen und versorgte die Bewohner mit gutgenährten Fischen.
Der Kaiser hatte von diesem reichen Gewässer gehört und schmiegte den Plan, die Gütigkeit des See auszunutzen und ihn bis aufs Letzte auszubeuten.

Nicht etwa, dass man nicht einen guten Fang macht, wenn man einen Fischsee leer fischt. Nur gibt es dann im nächsten Jahr dort keine Fische mehr. Ein heimtückischer und betrügerischer Plan mag zwar für den Augenblick Erfolg bringen, nur lässt er sich eben nicht wiederholen, und darum eignet er sich auch nicht als Plan für längere Zeit.
Die Dorfbewohner zeigten sich strikt gegen den Plan des Kaisers, denn sie wussten, das die Schlucht seiner Wünsche nicht aufzufüllen war.
Mit ihren letzten bescheidenen Mitteln gelang es ihnen, die kaiserlichen Vermittler zu vertreiben und ihren See vor den grauenvollen Ausbeutungen des Kaisers zu schützen.
Doch er ließ sich nicht abhalten.
Ein gieriges Befangen musste Besitz von unserem Kaiser genommen haben, denn er schickte seine besten Krieger mit Fackeln bewaffnet, die das Dorf gewaltsam einnehmen sollten.
Eine Armee aus Feuer.

Armeen sind mit dem Wasser vergleichbar. Das Wasser fließt, indem es Höheres meidet und dem Niedrigen zuströmt. So meidet eine Armee kraftvollen Widerstand und greift an, wo sie Lücken findet. Das Wasser bahnt sich der Beschaffenheit des Bodens entsprechend seinen Weg. Eine Armee erringt den Eigenarten des Feindes entsprechend ihren Sieg.

Da diplomatisches Vorgehen nichts genützt hatte, sah sich der Kaiser gezwungen rohe unangebrachte Gewalt anzuwenden.
Mit gewaltsamem Tun ist nichts getan in dieser Welt.

Der Natur der Dinge folge, und du erreichst sie.

Mit gewaltsamen Suchen wird nichts greifbar von der zahllosen Dinge Wandlung. Folge ihnen, wohin sie streben, und du wirst sie begreifen.
So spiegeln sich die Dinge in des Wassers Spiegel, der nicht Witz noch List besitzt und dem doch nichts entgeht, ob eckig, ob rund, ob krumm, ob gerade.

Der See erkannte sobald die Gefahr in der sich die Dorfbewohner befanden, die ihn stets gehegt und respektiert hatten. Alsdann erhoben sich die Wogen des Sees und wuchsen zu einem flüssigen Ungetüm. Es spülte die Feinde mit einem Satz hinfort, aus dem Dorf, über die Berge, zurück in des Kaisers Reich.

Eine Hand wäscht die andere, und so haben die Dorfbewohner den See bis heute zu pflegen gewusst, da er ihnen damals, zu meiner Zeit einmal das Leben rettete.“

Langsam schloss Dschu Hsi seine Augen, wohl wissend, seine Schüler wie leere Gefäße mit Wissen gefüllt zu haben.

Roséfarbene Blütenblätter segelten von den Bäumen und wurden vom Wasser des Sees hinfortgetragen.

 

Salut tabitha,

Ich finde deine Geschichte hat etwas sehr beruhigendes, man plätschert wie der Fluss durch sie hindurch.

An diesem sonnigen Nachmittag schien es Kirschblüten zu regnen, die in den seichten Wogen des Sees sterben sollten.
Besonders diesen einen Satz fand ich wirklich schön. Man könnte ihn vielleicht sogar in "(...) die sich in den seichten Wogen des Sees zum Sterben legen." umändern. Aber das ist natürlich nur ein subjektiver Vorschlag, finde den Satz auch wie er jetzt steht klasse.

Inhaltlich bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich aus deiner Geschichte schlau geworden bin. Zum einen zeigt sie, das man die Umwelt schützen sollte, wenn sie auch weiterhin für einen fortbestehen soll. Wie ein diplomatischer Handel - wenn ich dir dieses Jahr nicht alle Fische wegnehme, Fluss, gibst du mir nächstes Jahr wieder neue.

Zum Anderen werden glaube ich buddhistische Gedanken und Lebensweisheiten aufgezeigt. Korrigiere mich bitte, wenn ich falsch liege. :)

Mit gewaltsamen Suchen wird nichts greifbar von der zahllosen Dinge Wandlung.
Diesen Satz hier fand ich sehr seltsam. Ich denke zwar das ich die richtige Bedeutung aus ihm gezogen habe, aber manchmal ist die Sprache, die dein Protagonist benutzt recht unverständlich. Obwohl sie natürlich auch zum Nachdenken anregt.

liebe Grüße,
Thorn

 

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