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Unter freiem Himmel

Monster-WG
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18.06.2015
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Unter freiem Himmel

Sie ziehen los und queren die Felder, mit zusammengekniffenen Augen, denn die Sonne steht tief. Irene trägt ein blaues Sommerkleid und die Weide, auf die sie sich legen, ist warm. Seine Hand berührt ihren Arm und Irene dreht einen Grashalm zwischen den Fingern.
„Was denkst du?“ Jakob betrachtet den verdorrten Halm in ihrer Hand und schweigt.

Es dämmert. Jakob lässt seine Zunge über Irenes Haut gleiten, er hebt ihren Slip mit den Fingern etwas an, die Zungenspitze tastet und der Geruch ist kräftig und alles ist gut. Noch sind sie ein Paar und was er tut, ist nicht falsch.

Irene zieht Jakob zu sich. Seine Augen haben die Farbe von dunklem Honig, die Iris franst an den Rändern aus, was seinem Blick eine Unbestimmtheit verleiht, die manchmal schwer zu ertragen ist. Wie sehr er sich verändert hat! Wenn sie draussen auf der Terrasse serviert, sieht sie ihn zuweilen mit dem Traktor vorbeifahren und alles an diesem Bild ist falsch. Wenn er den Sonnenwagen lenken würde, ihr stolzer Apoll. Doch er sitzt zusammengekauert auf diesem unförmigen, dunkelgrünen Ding, an dessen Hinterreifen Kuhmist klebt. Seine ganze Existenz ist bleich geworden wie die Tierschädel, die im Hirschen an der Wand hängen.

In der Nähe zirpen Grillen und Jakob erinnert sich, wie er, damals war er sieben oder acht, eine Grille gefangen, in eine Schachtel gesteckt und mit nach Hause genommen hat. Ein paar Tage lang hat er sie gefüttert und sich um sie gekümmert, doch eines Abends alle Luftlöcher zugeklebt. Später fragte ihn seine Mutter, was mit der Grille geschehen sei, und er schwieg, denn die Antwort hätte ihn schuldig gemacht. Wirklich ist nur, was ausgesprochen ist. So hat er damals dumpf empfunden und so denkt er auch jetzt, während er Irene ansieht und ihr eine Strähne aus dem sommersprossigen Gesicht streicht.

Als sie ihm das erste Mal begegnete, sah sie einen kräftigen Jüngling die Beiz betreten. Das war zwei Tage, nachdem sie hierher gezogen war, und ihre Stelle im dunkel getäferten Hirschen angetreten hatte. Er war der einzige im Dorf, der sich anständig bedankte, wenn sie ihm einen Kaffee an den Stammtisch brachte. Als sie sich das erste Mal küssten, war ihr, als würde sie in warmes Wasser tauchen. Nichts schien ihn aus der Ruhe zu bringen, ein Mensch, zufrieden mit sich und der Welt. Nur war seine Welt furchtbar klein.

„Diese Frau ist nicht gut für dich“, sagte sein Vater und dass er den Hirschen nicht mehr betreten werde, bis die Sache vorbei sei. „Setzt dir Flöhe ins Ohr, der fremde Fötzel.“ Da hatte er gewiss Recht. Wunderbar gekitzelt haben die Flöhe, es war aufregend und schön und Irene hat viel erzählt, von grossen Städten und fernen Ländern, davon, wie die Menschen dort seien. Das ist eine ganze Weile her und die Geschichten sind verblasst. Doch Irene zupft und zerrt an seinem Geist. Es habe seinen Sinn, dass sie hierhergekommen sei, denn so habe sie ihn kennengelernt. Ansonsten sei es ein Fehler gewesen. Wenn sie wieder weg ginge, ob er mit ihr käme? Aufbrechen. Die Welt entdecken. Marokko. Amerika. „Wieso nicht?“, sagte er dann, doch ihm wurde schwindlig und seine Hände zitterten. Das ist nicht gut. Bald wird er es ihr sagen. Dass die Liebe austrocknen kann, wie der Bälenteich im Hochsommer. Dass er wieder zur Ruhe kommen muss. Heute aber will er ihr noch einmal nahe sein. Er wird sanft sein und es gut machen.

Seine Stösse sind ungeduldig, es brennt und jetzt, da Jakob in ihr drin ist, ist er so weit weg wie noch nie. Irene legt die Hände in seinen Nacken und atmet ein. Vielleicht wird es ihn beruhigen. Sie ahnt, dass sie, die Fremde, die ins Dorf gekommen ist, Jakobs Unruhe, seine Sehnsucht nach dem Fremden, überhaupt erst entfacht hat. Gemeinsam haben sie geträumt, ja gefiebert. Weg von diesem Ort, wo mächtige Berge als stumme Wärter die Seele umschliessen. Wo der Mensch rau ist und schroff und alles, was ist, so bleiben soll. Weg von hier und in die USA! Oder nach Marokko. Oder wenigstens in die nächste Stadt. Doch ihrem Apoll fehlt die Kraft. Er fühlt sich seinem Vater verpflichtet, dessen Hof er übernehmen soll. Sagt, dass alles nicht so einfach sei. Mittlerweile findet er nicht einmal mehr Worte, um zu sagen, wovon er träumt. Dafür hängen in der engen Kammer, in der er schläft, Bilder von fernen Inseln. Türkis, blau und heller Sand.

Irene hat ihre Hände auf seinen Nacken gelegt. Das ist schön. Jakob küsst ihren Hals, ihre Schultern. Dann gleitet er aus ihr und legt seinen Kopf auf ihre Brust. So könnte er einschlafen. Hier, unter freiem Himmel, könnte er womöglich ein wenig Ruhe finden. Die Ruhe, die er früher empfand, als er Steine in den Ribibach legte, sich ans Ufer setzte und beobachtete, wie sich das gestaute Wasser neue Wege bahnte. Doch das ist eine Illusion. Er hört Irenes Herz laut und lauter pochen, ihr Blut drängt gegen sein Ohr und er spürt ihre Rippen und kann so nicht liegen bleiben. Jakob dreht sich zur Seite und von ihr weg.

Irene schaut den Wolkenschwaden zu, die vor dem Mond vorbeiziehen. Sie wirken ungerührt, die Welt geht sie nichts an. Jakob atmet gleichmässig. Langsam steht Irene auf und streift ihr Kleid über. Wann immer sie hier, weit weg vom Dorf, miteinander geschlafen haben, war dies für sie der Vorgeschmack eines Lebens, das sie führen könnten, wenn Jakob es wollte. Als sie ihn heute fragte, was er denke, und er schwieg, schien noch die Sonne. Jetzt ist sie längst untergegangen, Apoll ist entschwunden und diesmal für immer, dessen ist sie sich sicher.

 

Lieber Peeperkorn,

eine schöne Geschichte von zwei Menschen, die nicht zusammenbleiben können.

Doch ihrem Apoll fehlt die Kraft.
Das ist die Erkenntnis. Eine traurige, aber konsequente Geschichte. Mir gefällt die Art, wie du sie dem Leser darbietest: Sehr ruhig, aber mit vielen Details (des Zusammenseins, der Bergwelt), die die Situation eingängig und berührend machen. Und auch die Unmöglichkeit des Zusammenbleibens der beiden vermittelst du dem Leser eindringlich. Du wechselst die Perspektive, gehst auch in Irene hinein, beschreibst, wie sie erkennt, dass ihr ‚Apoll’ nun fahl und bleich ist.

Wenn er den Sonnenwagen lenken würde, ihr stolzer Apoll. Doch er sitzt zusammengekauert auf diesem unförmigen dunkelgrünen Ding, an dessen Hinterreifen Schlamm und Kuhmist klebt, und sein Gesicht ist fahl und grau.

Und Jakob, der erkennt, dass er sich nicht seinen Träumen hingeben darf, kann.
Er fühlt sich seinem Vater verpflichtet, dessen Hof er übernehmen soll. Sagt, dass alles nicht so einfach sei. Mittlerweile findet er nicht einmal mehr Worte, um zu sagen, wovon er träumt.

Das durchgängige ‚Apoll’-Motiv deines Textes gefällt mir sehr gut.

… der ausgebleichte Apoll ist entschwunden und diesmal für immer, dessen ist sie sich sicher.

Hier denke ich allerdings, dass der ‚helle’ Apoll (der Gott des Lichtes) entschwunden ist, der ‚ausgebleichte’ ist mMn zurückgeblieben. Aber vielleicht verstehe ich den Ausdruck ‚ausgebleicht’ nicht ganz richtig.


Lieber Peeperkorn, ein sehr schöner Text, auch wenn seine Melancholie mich eher traurig stimmt.

Liebe Grüße
barnhelm

 
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Lieber Peeperkorn,

mir hat Dein Text ausgesprochen gut gefallen. Deine Sprache ist stimmig, reich an Bildern und Farben, mit dem melancholischen Grundton genau richtig für einen Septembersamstag.

Meine einzige Anmerkung: Im ersten Satz ist nach meinem Empfinden das Plusquamperfekt angebracht.

Sie waren losgezogen und hatten die Felder gequert, mit zusammengekniffenen Augen, denn die Sonne stand tief. Irene trug ein blaues Sommerkleid und die Erde, auf die sie sich schliesslich legten, war sonnengesättigt und warm und mildes Licht bronzierte ihre Gesichter. Er legte seine Hand auf ihren Arm und Irene drehte einen Grashalm zwischen den Fingern.
„Was denkst du?“, fragte sie. Jakob betrachtete den verdorrten Halm in ihrer Hand und schwieg und sprach es nicht aus.

Ich freue mich auf Deinen nächsten Text.

Gruß
Rose

 

Liebe Barnhelm

Vielen Dank für deinen Kommentar. Es freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat, besonders auch deine Einschätzung des Apoll-Motivs. Weiterhin hoffe ich, dass deine traurige Stimmung bald darauf verflogen ist, hier hatten wir einen wunderschönen sonnigen Tag. Das "ausgebleicht" habe ich gestrichen, du hast völlig Recht, das war nicht stimmig. Besten Dank für diesen Hinweis.

Lieber Gruss
Peeperkorn

Hallo Rose

Auch dir ganz lieben Dank für deinen Kommentar. Schön, dass die Herbstmelancholie rübergekommen ist. Den Beginn habe ich ins Plusquamperfekt gesetzt, nach einigem Ringen und Fluchen darüber, dass ich so furchtbar gerne Rückblenden in meine Texte einbaue, hat mich dein Vorschlag letztlich überzeugt. Vielen Dank!

Liebe Grüsse
Peeperkorn

 
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Hallo Peeperkorn,

eine eigenartige Stimmung erzeugst du für mich mit dieser Geschichte. Dies ist einerseits deinem schweizer Timbre zuzuordnen und andererseits auch einer Mischung aus altmodischem Gedankengut und zeitloser Erkenntnis dem Lebensraum gegenüber, in dem man sich aufhält.

Das Mädchen von Welt kommt in ein Bauerndorf und verdreht einem Jungbauern den Kopf.
Jakob lebt schon immer da, wo er geboren wurde und er fühlt sich wohl - aber wie soll er das jemandem gegenüber erklären, der meint, man müsse die Welt gesehen haben? Und dann auch noch einem geliebten Menschen, mit dem man gerne durchs Feuer gehen würde, aber doch nicht von seiner geliebten Heimat weg.

Irene denkt, dass sein Vater ihn zurückhält. Vielleicht macht er das auch - aber nur im ersten Moment. Mit ihrer Heimat verwurzelte Menschen verzichten auf die Liebe, wenn sie dadurch weg von zu Hause müssten. Eine interessante und schmerzhafte Begebenheit, aber sicher immer wieder zu beobachten.

Ein Dilemma, an dem sicher schon viele Beziehungen gescheitert sind. Man könnte es nun den Umständen zuschreiben oder den Menschen drumrum, die das nicht gutheißen. Oder es aber auch einfach als Schicksal sehen, mit dem man umgehen muss.

Man könnte es auch als Glücksfall für Jakob deuten, dann, wenn er im zweiten Anlauf eine liebenswerte Zensi aus dem Nachbartal als seine Frau auserkoren hat. Mit dieser wird er dann zufrieden seine Jahrzehnte im Einklang mit der Natur verbringen; Zensi wird froh sein, wenn dann endlich mal die Schwiegereltern vom Hof weggestorben sind und Jakob - ja, Jakob wird immer wieder mal in einer sentimentalen Minute an die Zeit mit Irene denken, der Irene, die ihn, den Bauernsohn Jakob, in die weite Welt schleppen wollte und er wird diese Erinnerung als kleinen Schatz in seinem Herzen tragen.

Ich habe große Sympathie für Jakob; für seine Geradlinigkeit, für seine Klarheit.

Was ich an der Geschichte sehr fein finde, ist die Tatsache, dass es ein Plot ist, bei dem sich die Liebenden sehen und die Szenerie auch bei diesem Treffen bleibt und du es aber mit einigen Sätzen zwischen den Zeilen schaffst, für mich ein ganzes Leben, oder sogar zwei, aufzuzeigen.

Sehr schön.

Trotzdem gibt es einiges, was ich gerne ansprechen würde:

Irene trug ein blaues Sommerkleid und die Erde, auf die sie sich schliesslich legten, war sonnengesättigt und warm und mildes Licht bronzierte ihre Gesichter.

Mit Erde verbinde ich wirklich Erdkrumen, Sand, Mutterboden. Das ist nicht sehr attraktiv, wenn man schmusen will. Vielleicht Gras, Weide?
bronzieren ... ist das schweizerdeutsch? Bei dem Begriff denke ich sofort an eine Statue.
Vielleicht umschreibst du das etwas anders?

Er legte seine Hand auf ihren Arm und Irene drehte einen Grashalm zwischen den Fingern.

Das ist ein ganz komischer Satz für mich, obwohl er nicht falsch ist. Vielleicht ist es auch nur, weil man kausal einen Zusammenhang zwischen Arm und Finger sucht. Aber das ist so ähnlich wie:

Er trank Kaffee und sie kostruierte aus Zuckerwürfeln eine Mauer.

„Was denkst du?“, fragte sie. Jakob betrachtete den verdorrten Halm in ihrer Hand und schwieg und sprach es nicht aus.

das fragte sie kannst du dir sparen. Das geht aus dem folgenden Satz eindeutig hervor.
Genauso wie und sprach es nicht aus - ist ja doppelmoppel.
Jakob lässt seine Zunge über Irenes Haut gleiten, er hebt ihren Slip mit den Fingern etwas an, die Zungenspitze tastet und der Geruch ist kräftig und unmoralisch und alles ist gut. Noch sind sie ein Paar und was er tut, ist nicht falsch.
Was für eine Aussage in den zwei Sätzen. Einerseits ist er mit ihr zusammen und er darf unmoralische Düfte riechen, aber weil er die Trennung schon im Kopf hat, muss er sich das richtig vor Augen führen. Was für eine Erziehung da nur schon durch diese zwei Sätze durchschimmert.

. Seine ganze Existenz ist bleich geworden wie die Tierschädel, die im Hirschen an der Wand hängen.
Sehr schön.
Wenn sie wieder weg würde, ob er mit ihr käme?
da fehlt doch ein gehen

Bald wird er es ihr sagen. Dass die Liebe austrocknen kann, wie der Bälenteich im Hochsommer.
Gutes Bild, wenn Jakob sich zwar damit auch selbst anlügt, aber ja mei, in dem Alter erzählt man sich selbst vieles.

Wo der Mensch rau ist und schroff und alles, was ist, so bleiben soll.
Das genau ist der Dreh- und Angelpunkt. Das wäre mein Alternativtitel gewesen: ... und alles, was ist, so bleiben soll.

Liebe Grüße
bernadette

 
Zuletzt bearbeitet:

Sehr schön, lieber Peeperkorn, sehr schön!

Habe diesen Text mit großem Vergnügen gelesen. Sprachlich, stilistisch ein Genuss, sehr einfühlsam und gekonnt aufgebaut, auch Zeit genug gelassen, um den Plot ohne Hast bis zum Ende abzurollen. Gelungene Perspektiv- und Zeitenwechsel. Wie schon in deiner Wilderergeschichte gefallen mir auch hier die plastisch/atmosphärischen Bilder, die wechselnde Innensicht schafft enorme Figurentiefe; das alles in deiner knappen, präzisen Sprache, mit der es dir selbst in den Sexszenen gelingt, alle Sinne anzusprechen, mit wenigen Worten alles zu zeigen, alles zu sagen, was es zu sagen gibt. Nirgends steht zu viel und nirgends zu wenig geschrieben. Eine beneidenswerte Gabe, die nicht viele besitzen. Aber das habe ich bereits unter deine Wilderergeschichte geschrieben.

Wenn ich überhaupt etwas anmerken kann, dann den Hirschen entweder in allen Fällen kursiv zu schreiben - was ich vorschlüge - oder gar nicht.
Und ja, eine klitzekleine Anmerkung noch:

Langsam steht Irene auf und streift sich ihr Kleid über.

Da sollte das "sich" entfallen.

Sincerely,
Manuela :)

 

Sie waren losgezogen und hatten die Felder gequert, mit zusammengekniffenen Augen, denn die Sonne stand tief
beginnt Dein neues Werk,

lieber Peeperkorn,

dass mir zuerst – keine Ahnung, warum, obwohl dem Ruhrgebietler doch eh klar sein sollte, dass die Zeit der Gotthelf, Keller und Meyer, Vertretern des bürgerlichen Realismus, vorbei ist (Du erkennst die Ironie?) – Romeo und Julia auf dem Dorf untern Schädel geriet, aber – bei einer kurzen Erzählung gar nicht anders möglich – rasch war der Gedanke an Keller verflogen und ein modernistisches Ereignis über das, was Liebe sei, prallt aufs Alte, dem Treue, vielleicht auch "nur" Zuverlässigkeit (und sei's gegenüber dem Vater) gleichwertig ist, statt auf eine frühere Entwicklungsstufe zurückzufallen in modern(istisch)em Nomadentum, das ja nur scheinbar, in dem, was allen offensichtlich ist, neueren Datums ist, und unterm Diktat ökonomischer Flexibilität steht (was denn anderes treiben Mongolen in der Steppe, trieben native Amerikaner in der Prärie, oder primitive Bauern, die den Wald in der Nachbarschaft abfackelten, wenn der Boden ausgelaugt war?).

Ob das Liebe sei, was Irene („die Friedliche“, Du neigst zu Ironie, gelt?) unterm Einfluss gelingenden Sex' meint, oder ob nicht die Treue des Jakob (= der die Ferse hält, und zwar die des erstgeborenen Esau, Zeit, mal wieder eine literarische Grundlage des Morgen- wie des Abendlandes anzuschau'n), der immer der sog. Moderne hinterherhinken wird (was bei wechselnden Moden kein Nachteil sein muss, überholt man die „überholten“ Moden doch gelegentlich – aus sturem sichselbsttreubleiben) wesentlicher ist, mag der Leser entscheiden. Die verkniffenen Augen – vordergründig der Sonne geschuldet – nehmen es vorweg: Jakob kann eher seiner Irene sagen, Liebe sei ihre Liebe nicht, als umgekehrt.

Und wäre das nicht richtig, gegenüber dem Nomadentum des heute hier und morgen dort?

Zeit, mal wieder verflossene Vorträge zur Liebe (die nix mit Eigentum/Besitz zu tun hat) und wie auch Freundschaft neu aufzuarbeiten.

Heut aber - unter des Trauer eines lumpigen Unentschieden nicht mehr!

Paar Flusen (warum so viele "und"?, die natürlich korrekt gesetzt sind ...)

Das war zwei Tage[,] nachdem sie hierher gezogen war[,] und ihre Stelle im dunkel getäferten Hirschen angetreten hatte.
Beim "getäferten" neig ich eher zum Chinacken ...

... und Irene hat viel erzählt, von grossen Städten und fernen Ländern, davon, wie die Menschen dort sind.
Konjunktiv ... werd ich morgen oder demnächst drauf zurückkommen, denn eigentlich ist's eine Geschichte Indikativ vs. Konjunktiv, als wäre nicht eh der Konjunktiv der Sieger, muss doch das, was ist, erst mal überhaupt möglich sein. Paul Tillich hat das in seinem Werk thematisiert ...

Seine Stösse sind ungeduldig, es brennt und jetzt, wo Jakob in ihr drin ist, …
Ich weiß, dass im süddeutschen Raum "wo" alles beherrschen kann. Aber warum sollte ein Allemanne es nicht mal mit "da", das viel früher selbst in kindlicher Sprache da ist, versuchen?,

schließt der Friedel,

der eine gute Nacht wünscht!

 

Hallo Peeperkorn,

toll, wirklich. Den Text habe ich sehr gerne gelesen. Die Sätze haben so was Melancholisches, das sie einfach nur schön macht. Und beide wissen, dass ihre Beziehung nicht funktionieren kann, dass sie enden muss, aber es wird nicht ausgesprochen und das ist alles so schwer, für beide. Ich finde es super, wie du beide Charaktere in diesem kurzen Text zeichnest. Keiner hat schuld, niemandem wird der Schwarze Peter zugeschoben, sie sind einfach Menschen aus verschiedenen Welten, mit verschiedenen Hintergründen und Vorstellungen. Mit wenigen Worten lässt du ganz viele Bilder entstehen. Beim Lesen deines Textes verging die Zeit wie im Flug, toll.

Seine ganze Existenz ist bleich geworden wie die Tierschädel, die im Hirschen an der Wand hängen.

Der Satz hatte mich zuerst verwirrt. Später wird klar, dass das Hirschen eine Kneipe ist, und du setzt es auch kursiv. Das würde ich einfach bei dem Satz hier machen, dann ist er auch nicht mehr verwirrend. ;)

Nichts schien ihn aus der Ruhe zu bringen, ein Mensch, zufrieden mit sich und der Welt. Nur war seine Welt furchtbar klein.

Das finde ich wunderbar, vor allem den Bezug später in der Handlung, mit der beschränkten Welt und dem Fernweh, das entsteht, nachdem Irene in sein Leben tritt. Sehr gut geschrieben, beeindruckend.

Wenn sie wieder weg würde, ob er mit ihr käme?

wäre? Bin mir nicht sicher.

Und sonst hab ich nichts zu meckern, einfach große Klasse, Peeperkorn.

Liebe Grüße,
gibberish

 

Hallo bernadette

Deinen Kommentar habe ich mit grossem Vergnügen gelesen. Spannend, wie du die Figuren, die Situation interpretierst und weiterdenkst. Ich war zum Beispiel sehr neugierig darauf zu erfahren, wie Jakob gesehen wird, ob man ihn versteht oder als unflexibel wahrnimmt, und habe mich über deine Sympathie sehr gefreut.
Besten Dank für die Verbesserungsvorschläge. Das meiste habe ich übernommen, bronzieren habe ich belassen. Ist dudenkonform und hier metaphorisch gemeint. "Bräunt ihre Gesichter" fand ich missverständlich. Und der komische Satz: Sehr schön, dass du ihn als seltsam empfunden hast. Ich wollte hier bereits andeuten, was in der ganzen Geschichte thematisch ist. Die beiden sind sich körperlich nah, aber nicht aufeinander "abgestimmt".

Ganz lieben Dank und liebe Grüsse
Peeperkorn

Liebe Manuela

Danke! Ich habe wirklich gelitten bei dieser Geschichte. Ist nicht viel Text und hoffentlich sieht man es ihm nicht an, aber lange wusste ich einfach nicht weiter und ob es stimmig ist und ob es Sinn macht. Als Belohnung werde ich deinen Kommentar noch fünf, sechs Mal durchlesen. Wahrscheinlich häufiger. :)
Das "sich" habe ich gestrichen und den Hirschen kursiv gesetzt, das war in der ersten Version noch durchgehend so, ging aber im Eifer der Überarbeitung wieder vergessen.

Merci und ganz liebe Grüsse
Peeperkorn

 

KLar, hat gibberishrecht zum

Wenn sie wieder weg würde, ...
, dem zumindest ein "wenn sie wieder weg SEIN würde ...", wenn nicht einfacher ein WÄRE gebührte. Aber so etwas geht dann selbst einem Sprachbesessenen durch, der zugleich Fußball schaut. Aber insgesamt ist das ein wunderschönes Stück um Konjunktiefe ...

meint der

Friedel

 
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… ein Mensch, zufrieden mit sich und der Welt. Nur war seine Welt furchtbar klein.
Schön. Schön traurig.

Mir hat ja schon dein Debüttext gefallen, Peeperkorn, vor allem der ungemein präzisen, ungekünstelten Sprache wegen, aber allerspätesten seit Am Schwarzhorn halte ich dich für einen wirklich großartigen Geschichtenerzähler und Stilisten.

Anders allerdings als bei der Wilderergeschichte, bei der ich wirklich kein einziges Wort, kein einziges Komma gefunden habe, das ich anders gesetzt hätte, gibt es hier ein paar Kleinigkeiten, die mir sprachlich nicht hundertprozentig gefallen, die mich der Geschichte sozusagen nur mickrige 99,5 von möglichen 100 Punkten geben lassen.

Also gleich der erste Absatz ist für mich der schwächste des Textes:

Sie waren losgezogen und hatten die Felder gequert, mit zusammengekniffenen Augen, denn die Sonne stand tief. Irene trug ein blaues Sommerkleid und die Weide, auf die sie sich schliesslich legten, war sonnengesättigt und warm und mildes Licht bronzierte ihre Gesichter. Er legte seine Hand auf ihren Arm und Irene drehte einen Grashalm zwischen den Fingern.
„Was denkst du?“ Jakob betrachtete den verdorrten Halm in ihrer Hand und schwieg und sprach es nicht aus.
Jakob lässt seine Zunge über Irenes Haut gleiten, er hebt ihren Slip mit den Fingern etwas an, die Zungenspitze tastet und der Geruch ist kräftig und unmoralisch und alles ist gut. Noch sind sie ein Paar und was er tut, ist nicht falsch.

Die verschiedenen Zeiten - PQP (das blöderweise unattraktive Hilfsverben erfordert), Präteritum, schließlich Präsens - sind es, die mir den Beginn etwas unentschlossen erscheinen lassen und deren Sinnhaftigkeit sich mir hier nicht recht eschließt.
Ich frage mich, warum du nicht gleich mit dem Präsens einsteigst.
Ich mein, wären die zwei am Vormittag oder gar schon in der Früh losgezogen und würden erst jetzt (am Abend) in der Wiese liegen, könnte ich’s verstehen, aber so wie ich es momentan lese, ist das doch eigentlich ein durchgängiges, chronologisches Geschehen, wo so eine quasi Mikro-Rückblende nicht wirklich notwendig wäre.
Und ebenso wie bernadette störte mich der Begriff bronzieren, und darüber hinaus auch sonnengesättigt. Beide Ausdrücke klingen mir ein bisschen zu artifiziell, die wollen mir einfach nicht recht zu deinem ansonsten ja so wunderbar klaren Sprachduktus passen. Na ja, und das zweimalige legten/legte ist natürlich auch nicht optimal.


Alles andere, was ich jetzt noch zu bedenken gebe, ist wirklich nur vernachlässigbarer Kleinscheiß, also lauter so persönlicher-Geschmack-Zeug, über das ich mir, wäre es mein eigener Text, vermutlich stundenlang die Haare raufen würde, um dann letztendlich eh zu keiner besseren Lösung zu kommen.
Ich will‘s dir trotzdem zeigen, Peeperkorn, vielleicht motiviert es dich ja, den verdammten halben offshore-Punkt doch noch zu ergattern.

die manchmal schwer zu ertragen ist. Wie sehr er sich verändert hat! Wenn sie draussen auf der Terrasse serviert, sieht sie ihn zuweilen mit dem Traktor vorbeifahren und alles an diesem Bild ist falsch. Wenn er den Sonnenwagen lenken würde, ihr stolzer Apoll. Doch er sitzt zusammengekauert auf diesem unförmigen dunkelgrünen Ding, an dessen Hinterreifen Kuhmist klebt, und sein Gesicht ist fahl und grau. Seine ganze Existenz ist bleich geworden
Vielleicht könntest du da das eine oder andere Hilfsverb noch raus(wort)kriegen.

Als sie ihm das erste Mal begegnete, sah sie einen kräftigen Jüngling die Beiz betreten.
Hm.
Ist zwar vollkommen verständlich, was hier gemeint ist, aber, wie soll ich sagen, es klingt für mich beim ersten Lesen eine Spur zu uneindeutig. Klar, die Satzobjekte „ihm“ und „Jüngling“ meinen beide den Jakob, aber irgendwie könnte man sie auch so verstehen, dass hier von zwei Personen die Rede ist. (Ums Verrecken will mir keine stimmigere Lösung einfallen …)

Es sei gut, dass sie hierhergekommen sei, denn so habe sie ihn kennengelernt. Ansonsten sei es ein Fehler gewesen.
Auch hier wieder: Grammatisch absolut korrekt, aber … na ja, zu gehäuft irgendwie.

Dass die Liebe austrocknen kann, wie der Bälenteich im Hochsommer.
verschwinden gefiele mir besser. Frag mich nicht, warum. (Vielleicht, weil mich der Begriff „austrocknende Liebe“ unwillkürlich nach einem Ausdruck für den Zustand der Liebe vor dem Austrocknen suchen lässt. Gefüllte, volle Liebe? Über die Ufer tretende Liebe?)

Irene legt die Hände auf seinen Nacken und atmet ein.
eventuell: in seinen Nacken

Sie ist sich sicher, dass sie, die Fremde, die ins Dorf gekommen ist, ...
eventuell: Sie weiß, dass ... (bzw. weiss)

wo mächtige Berge als stumme Wärter die Seele umzingeln.
umzingeln hat für mich allein schon durch den Lautklang was irgendwie Unruhiges, Dynamisches, das mir nicht recht zu den massigen, statischen Bergen zu passen scheint.
eventuell: ... wo mächtige Berge als stumme Wärter die Seele einsperren.


Was den Plot, das Thema, die Atmosphäre der Geschichte betrifft, häng ich mich jetzt mal ganz nonchalant an bernadettes Meinung an. Sie hat wunderbar in Worte gefasst, was auch mir beim Lesen durch den Kopf gegangen ist.

Ja, eine wunderbare melancholisch-romantische Geschichte ist dir hier gelungen, Peeperkorn, und, wie gesagt, betrachte meine Anmerkungen bitte nicht als Kritik im Sinne von „bäh, nicht so gut“, sondern vielmehr als Ansporn an deinen Ehrgeiz.


offshore

PS: Ich hab den Kommentar schon in der Nacht geschrieben und jetzt nicht mehr überprüft, ob du seit gestern eventuell was verändert hast.

 

Lieber Friedel

Warum so viele "und"

"Die Rehe hingen steif und schwer und ausgenommen da, und die kleinen Vögel baumelten im Wind, und der Wind plusterte ihre Federn auf. Es war ein kalter Herbst, und der Wind kam von den Bergen her."
Ernest Hemingway: In einem anderen Land

Dein Adlerauge hat mich beim Experimentieren ertappt. Wenn ich meine Sprache gefunden haben werde, hoffe ich, werden solche geklauten Marotten verschwunden sein. Deine anderen Verbesserungsvorschläge habe ich übernommen.

Auch du, lieber Friedel, stehst zu Jakob, wenn ich richtig zwischen den Zeilen lese, auch wenn du die Entscheidung dem Leser überlässt. Biographisch bedingt - ich bin zwar nicht ganz so arg auf dem Land aufgewachsen, hatte aber einen Berg vor dem Fenster, egal, aus welchem ich schaute - habe ich ja grosses Verständnis auch für Irene. Aber dass du ihre Liebe in Zweifel ziehst, ja, das muss sie sich wohl gefallen lassen.
Vielen Dank für deine Zeilen - es ist schön, Neues über den eigenen Text zu erfahren.

Lieber Gruss
Peeperkorn


Lieber gibberish

Es freut mich ungemein, dass dir der Text gefallen hat. Du fasst die Grundidee, die ich vor Augen hatte, sehr schön zusammen, wunderbar, dass das so rübergekommen ist.

Lieber Gruss und auf bald
Peeperkorn

 
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Salü Peeperkorn

Schlafender Knabe im Heu. Albert Anker.

Nach dem ersten Absatz hatte ich dieses Bild vor Augen, ein Idyll auf dem Lande.
Doch - fiiiiiehp - die Nadel kreischt über die Platte, das Jodlerchörli verstummt, die Zunge landet im Slip.
Die Szene wirkt mit einem Mal nicht weich gezeichnet, sondern authentisch. Gefällt mir äusserst gut, dieser Einstieg.
Aber dieses "bronzieren" - und da sind wir bereits drei Musketiere :p - würde ich durch etwas Knackigeres ersetzen.

Noch sind sie ein Paar und was er tut, ist nicht falsch.
Finde ich arg mit dem Zaunpfahl gewedelt, das Ende naht ...
Vorschlag: "Sie sind ein Paar und was er tut, ist nicht falsch."


Höflich und zurückhaltend war er, der einzige im Dorf, der sich bedankte,
Kann ich mir nicht vorstellen, dass sich die Stammtischler bei Irene nicht "bedankten". Jakob ist aber der einzige, der sich anständig bedankt. Nur so als Idee.


Und doch fühlt er die Verpflichtung, es mit besonderer Hingabe zu tun, um jetzt wiedergutzumachen, was er ihr bald antun wird.
[...]
Heute aber will er ihr noch einmal nahe sein. Er wird sanft sein und zärtlich und es gut machen.
Diese Ausdrucksweise passt für mich nicht so recht zum Bild des einfachen Bauernsohn, dessen Welt so klein ist, dessen Werdegang vom Elternhaus vorgeebnet, dessen Wille zu bleiben Irene unerreichbar werden lässt.
Nicht falsch verstehen, ich spreche ihm die Gefühle nicht ab, nein, die sind echt, nur in diese Worte kann sie Jakob meiner Meinung nach nicht packen. Da passt dieses "ich will es gut machen" schon besser! Ich nehme mal an, Irene musste ihn zu Anfang auch erst unterweisen, ihm zeigen, dass er bei ihr nicht auf einem Bührer hockt und die Gänge mit Zwischengas reinrammen soll. Klischee, ich geb's zu. ;)

Aber das ist Gemäkel auf hohem Niveau, ich mag deinen melancholischen Grundton, man möchte aufspringen und den Jakob schütteln und ihm zurufen: "Sei ein Mann, stehe zu deinen Gefühlen, lebe deinen Traum", aber seine Welt ist eine Scheibe, gross die Angst, dem Rand zu nahe zu kommen und dabei über den Rand zu fallen. Und die Irene, ja die möchte noch etwas sehen von der Welt, mit oder ohne Jakob, da gebe ich bernadette recht, ds Vreneli vom Guggisbärg hat da durchaus noch Chancen ...

Die Geschichte schwingt nach, sehr gern gelesen.
Liebe Grüsse,
dot

 

... und mildes Licht bronzierte ihre Gesichter

Ich noch mal,

lieber Peeperkorn,

denn bis gerade (oder doch vorgerade) dachte ich beim Bronzieren an eine landschaftliche Schöpfung des "mit Bronze überziehen" auch im übertragenen Sinne, etwa, dass die Haut mit "bronzener" Farbe überzogen oder, wenn man so will, "legiert" werde. In dem Sinne scheint es eine Neuschöpfung zu sein. Also, warum nicht?, -

mach ich halt den Gascogner, d'Artagnan, vielleicht werd ich ja noch Hauptmann ...

Also wühlen wir noch ein bisschen in den Konjunktiefen der Sprache

Jakob betrachtete den verdorrten Halm in ihrer Hand und schwieg und sprach es nicht aus.
Das wird wohl eine besonders beredtes Schweigen sein für einen, der wahrscheinlich eh nicht viel redet. Vllt. ließe sich die "und"-Inflation ein wenig eindämmen und durch ein stattliches "statt" ersetzen, der Art, "und schwieg, statt es auszusprechen" (was auch immer, bevorzugt, was er dachte).

... auf diesem unförmigen[,] dunkelgrünen Ding, an dessen ...
(Komma, da Aneinanderreihung gleichrangiger Adjektive. Es ließe sich auch ohne Schaden statt des Kommas das allseits beliebte "und" dazwischenschieben)

... und sein Gesicht ist fahl und grau.
Entbronziniert, sozusagen?

Es sei gut, dass sie hierhergekommen sei [hier wäre auch "wäre" ohne Schaden anzurichten möglich], denn so habe sie ihn kennengelernt. Ansonsten sei es ein Fehler gewesen
.

Wenn sie wieder weg gehen würde, ob er mit ihr käme?
Warum die würde-Konstruktion, wenn einem "käme" ein "ginge" kräftiger vorweg schritte?

..., ist das für sie der Vorgeschmack eines Lebens [...], das sie hätten führen können, wenn Jakob es gewollt hätte.
Hier lassen sich zwo Partizipien einsparen ("gewesen" hab ich schon vorbearbeitet), wenn aber das zwote "hätte" wegfiele, sähe es wie folgt aus "wenn Jakob es wollte" (wollte als Konjunktiv II, berühmtes Zitat "ich wollt'e, es wäre Nacht und die P. kämen)

Tschüss

Friedel

 

Na ja, im Englischen gibt es diesen Passus mit to bronze sich bräunen, braun werden. Warum also nicht bronzieren als (neudeutsche :lol:) Wortschöpfung bestehen lassen? Mir hat es gefallen, mag sein, gerade wegen seiner Eigentümlichkeit. Und ... wir sind ja sonst auch nicht zimperlich beim sprachlichen Import von Anglizismen. ;)

 

Bon soir,

ma bonne Manuela,

nix anderes meint der jugendliche, manchmal tollwütige Gascogner ...
der den eigenen Kopf und Starckdeutsch immer dem vor- und widergekäuten meenstriemen vorziehn wird.

Tschüssikowski

Friedel

 

Manuela K. schrieb:
Warum also nicht bronzieren als (neudeutsche) Wortschöpfung bestehen lassen? Mir hat es gefallen, mag sein, gerade wegen seiner Eigentümlichkeit.

Als Metallbauer war mir der Begriff „bronzieren“ durchaus bekannt, er ist also mitnichten ein Neologismus, Manuela. Mir gefiel er hauptsächlich seines Wortklangs wegen nicht, bzw. der Assoziationen, die er zu einem anderen Wort in mir auslöste. (Dir als Wienerin brauch ich wohl kaum erklären, an welches Wort es mich denken ließ.)
Also mit einer eventuellen offshoreschen Vorliebe für

Friedrichard schrieb:
widergekäuten meenstriemen
(was immer das heißen mag) haben meine Bedenken gegen das Wort nichts zu tun.

 

Lieber offshore

allerspätestens seit Am Schwarzhorn halte ich dich für einen wirklich großartigen Geschichtenerzähler und Stilisten.

Wie gut dies tut. Danke! Aber noch grössere Anerkennung empfinde ich durch das äusserst feinkörnige Schleifpapier, das du an meinen Text legst. Deine Anregungen und Vorschläge zeugen von genauer Lektüre und ich bin mit allem einverstanden, selbst wenn ich nicht alles entsprechend geändert habe.

Ich frage mich, warum du nicht gleich mit dem Präsens einsteigst.

Weil ich in der ersten Version mit der Zunge im Slip begonnen und dann die Abschnitte umgestellt habe. Du hast völlig Recht. Ich habe die Passage angepasst.

Und ebenso wie bernadette störte mich der Begriff bronzieren, und darüber hinaus auch sonnengesättigt. Beide Ausdrücke klingen mir ein bisschen zu artifiziell, die wollen mir einfach nicht recht zu deinem ansonsten ja so wunderbar klaren Sprachduktus passen.

Mit dem Begriff „artifiziell“ legst du den Meissel an meinen Dickschädel, der sich gegenüber bernadettes vorsichtig formulierter Kritik noch resistent gezeigt hat. Inzwischen ist ja eine Art Seilziehen um diesen Begriff entstanden und ich muss das noch eine Weile überdenken. Ich schreibe später noch mehr dazu, das beschäftigt mich - pars pro toto - wirklich sehr.

Na ja, und das zweimalige legten/legte ist natürlich auch nicht optimal.

Habe ich geändert, merci. Das sind Dinge, die man gerne überliest, wenn man es selbst geschrieben hat.

Alles andere, was ich jetzt noch zu bedenken gebe, ist wirklich nur vernachlässigbarer Kleinscheiß, also lauter so persönlicher-Geschmack-Zeug, über das ich mir, wäre es mein eigener Text, vermutlich stundenlang die Haare raufen würde, um dann letztendlich eh zu keiner besseren Lösung zu kommen.
Ich will‘s dir trotzdem zeigen, Peeperkorn, vielleicht motiviert es dich ja, den verdammten halben offshore-Punkt doch noch zu ergattern.

Genau (auch) auf dieser Ebene will ich mich weiterentwickeln. Ich bin motiviert und du motivierst mich, den Text besser zu machen – und ja, ich geb’s zu, der halbe Punkt…

Vielleicht könntest du da das eine oder andere Hilfsverb noch raus(wort)kriegen.

Habe ich gemacht, indem ich das fahle und graue Gesicht gestrichen habe, wofür es auch andere Gründe gibt – die Aussage ist schon klar genug und „fahl“ und „grau“ sind nicht die alleroriginellsten Adjektive, um ein Gesicht zu beschreiben.

Ist zwar vollkommen verständlich, was hier gemeint ist, aber, wie soll ich sagen, es klingt für mich beim ersten Lesen eine Spur zu uneindeutig. Klar, die Satzobjekte „ihm“ und „Jüngling“ meinen beide den Jakob, aber irgendwie könnte man sie auch so verstehen, dass hier von zwei Personen die Rede ist. (Ums Verrecken will mir keine stimmigere Lösung einfallen …)

Einverstanden. Ich hatte schon vorher eine Diskussion zu diesem Satz geführt – wir haben auch nichts Besseres gefunden. Verdammt, ich lasse ihn stehen!

Auch hier wieder: Grammatisch absolut korrekt, aber … na ja, zu gehäuft irgendwie.

Ich habe ein „sei“ weggekriegt: „Es habe seinen Sinn, dass sie hierhergekommen sei, denn so habe sie ihn kennengelernt. Ansonsten sei es ein Fehler gewesen.“

verschwinden gefiele mir besser. Frag mich nicht, warum. (Vielleicht, weil mich der Begriff „austrocknende Liebe“ unwillkürlich nach einem Ausdruck für den Zustand der Liebe vor dem Austrocknen suchen lässt. Gefüllte, volle Liebe? Über die Ufer tretende Liebe?)

Ich sehe deinen Punkt, möchte aber gerne die Korrespondenz zum verdorrten Grashalm im ersten Abshnitt des Textes aufrechterhalten. Und das Gegenteil: übersprudelnde, nährende, lebendige Liebe? (Wenn man’s nicht allzu visuell denkt.)

eventuell: in seinen Nacken
Habe ich übernommen, ebenso das „Sie weiss“ statt „Sie ist sich sicher“ (Obwohl das „ist sich sicher“ eine grössere Irrtumswahrscheinlichkeit beinhaltet – zumindest meinem Empfinden nach).

umzingeln hat für mich allein schon durch den Lautklang was irgendwie Unruhiges, Dynamisches, das mir nicht recht zu den massigen, statischen Bergen zu passen scheint.

Ein sehr schöner Hinweis. Habe es zu „umschliessen“ geändert.

offshore, tausend Dank für diesen äusserst hilfreichen - und ja, motivierenden Kommentar.


Lieber dot

Aber dieses "bronzieren" - und da sind wir bereits drei Musketiere :p - würde ich durch etwas Knackigeres ersetzen.

Du schlägst mit dem Hammer, auf den Meissel, den offshore angesetzt hat. Wie gesagt – ich denke noch darüber nach und werde mich später nochmal dazu äussern.

„Noch sind sie ein Paar“ finde ich arg mit dem Zaunpfahl gewedelt, das Ende naht ...

Ein sehr interessanter Punkt. Natürlich ist damit die Katze aus dem Sack. Dafür kann man sie nun genauer betrachten und ihr vielleicht ein wenig übers Fell streichen. Ich denke, die melancholische Grundstimmung braucht etwas Zeit, um sich zu entfalten, und indem ich die Trennung bereits hier anspreche, bekomme ich mehr von dieser Zeit. Ich habe über deinen Vorschlag länger nachgedacht und finde das sehr spannend. Denn ich glaube, dass sich der Charakter der Geschichte durch das Streichen dieses einen Wortes recht verändern würde. Mir ist die Stimmung hier wichtiger als der Plot und habe mich dafür entschieden, das „noch“ stehen zu lassen.

Kann ich mir nicht vorstellen, dass sich die Stammtischler bei Irene nicht "bedankten". Jakob ist aber der einzige, der sich anständig bedankt. Nur so als Idee.

Ein guter Hinweis. Habe ich so übernommen.
Ebenfall angepasst habe ich die Sprache Jakobs. Ich habe ein „zärtlich“ gestrichen und aus dem „es mit besonderer Hingabe zu tun“ ein „besonders liebevoll sein“ gemacht – ich denke, das geht so knapp, denn eine gewisse Zärtlichkeit möchte ich in Jakobs Denken eben schon zum Ausdruck bringen.

Die Geschichte schwingt nach

Ein sehr schönes Kompliment, dot, und wieder einmal ein sehr hilfreicher und anregender Kommentar von deiner Seite. Ganz herzlichen Dank!

Liebe Grüsse
Peeperkorn


Lieber Friedel

Auch dir noch einmal ein herzliches Dankeschön. Von dir kann ich lernen, deine Vorschläge machen meine Schreibe eleganter und präziser, und ich habe sie auch in diesem Fall übernommen. Ich habe mir fest vorgenommen, mir die Grammatik des Konjunktivs endlich mal genau anzuschauen, das war bei mir bisher eine Sache des über den Daumen gepeilten Wird-schon-stimmen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

@ offshore

Wenn man im Netz ein wenig herumklickt, entdeckt man unter dem Begriff "bronzieren" verschiedene Verfahren, die jedwedem Material einen bräunlich/metallisch/glänzenden Anschein verleihen. Wobei zu beachten ist, dass Bronze per definitionem kein Metall, sondern eine Legierung aus Kupfer und Zinn ist.
In der Tat kein echter Neologismus, offshore, da hast du wohl Recht.
Im eigentlichen Wortsinn Peeperkorns jedoch zweifellos richtig eingesetzt, wenn auch in manchen Ohren sperrig. Auf den Vergleich mit dem Wienerischen Dialektausdruck für Wasserlassen wäre ich allerdings nie gekommen. :lol:

 
Zuletzt bearbeitet:

Manuela K. schrieb:
In der Tat kein Neologismus, offshore, da hast du wohl Recht, aus dem Englischen abgeleitet, allerdings.

Wikipedia schrieb:
Die heutige Bezeichnung für die Legierung wurde im 17. Jahrhundert zuerst aus dem italienischen bronzo, später auch über das französische bronce erneut entlehnt. Die Vorgeschichte ist etymologisch unklar. Das Wort wurde aber zuerst im 14. Jahrhundert aus dem Orient ins Italienische übernommen. Vermutlich kommt es vom persischen Wort birinj (birindsch), was einfach Kupfer bedeutet.

Manuela K: schrieb:
Auf den Vergleich mit dem Wienerischen Dialektausdruck für Wasserlassen wäre ich allerdings nie gekommen. :lol:

Und falls es jemand interessiert, wovon wir eigentlich reden, dann möge er hier schauen.


Ach ja, und noch was, Manuela K.:

Wobei zu beachten ist, dass Bronze per definitionem kein Metall, sondern eine Legierung aus Kupfer und Zinn ist.
Sinngemäß könnte man auch sagen, dass Sachertorte per definitionem keine Süßspeise, sondern eine Mischung aus Zucker, Schokolade und Marmelade ist. :D

Legiert man zwei (oder mehr) Metalle, gilt der neuentstandene Werkstoff nach wie vor als Metall.
(Der Begriff Legierung bezeichnet per definitionem die Mischung von Elementen, die gemeinsam das metalltypische Merkmal des kristallinen Aufbaus mit Metallbindung aufweisen.)

 

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