Und doch haben alle etwas gemeinsam....
5. Stunde Französisch:
Ein Blick durch das Klassenzimmer genügte um festzustellen, dass die Schüler für diesen
Tag nichts mehr von Schule wissen wollten. Alle Minute schweifte der Blick der
Schüler auf die Uhr, welche in einer Ecke links vom Lehrerpult hang.
„Alors, qui veux .....“ das Klingeln der Pausenglocke unterbrach die Lehrerin.
Von einer Sekunde auf die andere herrschte Unruhe im Klassenzimmer, als wären die Schüler durch das Klingeln aus einer tiefen Trance erwacht. Frau Salem, die Französischlehrerin der 9. Klassen versuchte verzweifelt gegen die Stimmen der Schüler anzukommen um die Hausaufgaben für den nächsten Donnerstag zu verkünden, doch sie versagte kläglich.
Grace schaute mit entsetzen zu als sich eine Herde wildgewordener Teenager hinaus in den Gang drängte. Diese Szenen erinnerten sie eher an einen Sommerschlussverkauf als an eine Schule.
Grace Chagall ist im allgemeinen eine lebenslustige und humorvolle Person. Vor allem hat sie ein sehr attraktives Erscheinungsbild. Sie hat lange, leicht gewellte braune Haare und eine makellose Figur. Mit ihren strahlenden braunen Augen und einem Lächeln dass die dunkelste Nacht erhellt kann ihr niemand einen Wunsch abschlagen. Grace ist sich dessen zwar bewusste, jedoch nutzt sie es nicht aus. Sie ist nicht die Person, welche sich unbedingt bei Lehrern einschmeicheln muss um weiterzukommen. Grace ist bekannt für ihre offene Art und diese wird ihr auch sehr hoch angerechnet.
Aufgewachsen ist Grace in Queens, New York, daher auch der amerikanische Name. Nach dem Tot ihrer Mutter vor 5 Jahren sind sie und ihr Vater von Amerika wieder nach Deutschland gekommen. Graces Vater, Jochen und ihre Mutter, Verena sind beide in Deutschland aufgewachsen, sind aber nach ihrer Hochzeit in die Vereinigten Staaten gezogen. Grace wurde als Kind mit 2 Sprachen aufgezogen, Englisch und Deutsch, das verschafft ihr hier in der Schule natürlich einen großen Vorteil gegenüber den anderen. Auch in Französisch lernt Grace schnell dazu und könnte mit etwas mehr Anstrengung und weniger Stolz mit weitem Abstand die beste sein. Jedoch hat sie einige Probleme mit der Französisch Lehrerin. Frau Salem war Anfang 20 und besaß das gleiche Feuer, welches auch Grace auszeichnete. Und gewisse Parallelen blieben in der Umgebung nicht unbemerkt.
Viele ihrer Freunde und auch Lehrer vergleichen Grace immer genau mit dieser Frau, dass beiden viel gemeinsam hätten, doch immer wenn sie jemand auf dieses Thema anspricht weicht sie geschickt aus. Es vergeht fast keine Unterrichtsstunde in der es nicht zu einer Diskussion zwischen den beiden kommt und diese endet im schlimmsten Fall damit, dass Grace zur Tür rausstürmt, später aber doch wieder von Frau Salem ins Klassenzimmer gezerrt wird.
Grace war gerade dabei ihre Französischsachen in ihren Rucksack zu packen, um für die nächste Stunde das Klassenzimmer zu wechseln.
Sie verspürte ein hartes Tippen auf ihrer rechten Schulter und fuhr erschrocken um. Als sie in das strahlende Gesicht ihrer Freundin blickte wurde sie langsam wieder ruhiger. Cora war die erste und bis heute noch beste Freundin, die Grace in Deutschland gefunden hatte. Beide waren sie von den Charakterzügen sehr ähnlich und teilten in den meisten Fällen auch die gleiche Meinung. Cora war ungefähr einen Kopf kleiner als Grace und nicht allzu gut in der Schule. Sie ist der Meinung das, wenn sie 3 Smarties mit einem Glas Wasser zu sich nimmer, es gegen erhöhten Blutdruck hilft. Aber sie brachte Grace damit immer wieder zum lachen wenn sie schlecht gelaunt war.
„Hey! Na, wie war Französisch?“ Coras blaue Augen schauten erwartungsvoll zu Grace hoch. Ihr verspieltes Lächeln war direkt ansteckend für Grace. Sie musste sich ein kichern verkneifen. „Ganz gut, wir sind nur noch mal die Verbesserung von der letzten Arbeit durchgegangen. Frau Salem war heute ganz nett, jedenfalls was man bei ihr unter nett versteht. Sagen wir es mal so, sie ist nicht auf den Tisch gestiegen und hat herum gebrüllt als wir geredet haben.“ Als sie den letzten Satz ausgesprochen hatte runzelte sie die Stirn und schüttelte verwundert den Kopf.
Auch Cora überlegte kurz, legte dann eine Hand auf ihre Hüfte und hob dann leicht ihre Augenbrauen.“ Vielleicht ist sie ja schwanger? Schwangere Frauen übergeben sich doch morgens. Dann war sie bestimmt zu müde um sich aufzuregen.“
„ Ja, Cora, das wird es sicher sein.“ Sie verdrehte die Augen und nachdem sie ihr Buch eingepackt hatte machte sie den Reißverschluss ihres Rucksacks zu. Cora hörte den Sarkasmus in ihrer Stimme heraus und schmollte. „Sag mal, weißt du was wir heute Abend zu der Abschlussfeier der 10. Klasse anziehen sollen? Ich habe gehört, dass es ein ziemlich formeller Abend wird, aber wir schenken ja nur Sekt aus, müssen wir uns dann auch schick anziehen?“ Grace lehne sich an die Wand und schaute an die Decke, während sie auf die Antwort ihrer Freundin wartete. „Ja, Herr Jachs hat gesagt das es besser währe wenn wir elegant gekleidet kommen. Wir haben uns alle auf die Farbe weiß geeinigt, ich hoffe du hast etwas in der Richtung in deinem Kleiderschrank?!“ Cora setzte ihren Rucksack auf und drehte sich in Richtung Tür. „Warum ausgerechnet weiß ?
Ich habe nur mein weißes Kleid, glaubst du echt, ich kann so auf der Feier erscheinen?“ Eine Sorgenfalte machte sich auf Graces Stirn bemerkbar. Sie hatte fast keine weißen Klamotten, ihre meisten Klamotten waren schwarz oder rot.
Cora lächelte wieder. „Klar, ich finde das Kleid echt schön. Außerdem hast du dann mal einen guten Grund deine neuen Ohrringe anzuziehen.“ Cora hatte diese Ohrringe für sie ausgesucht und war stolz auf sich selbst dass sie sie gefunden hatte. Hätte Cora Ohrlöcher hätte sie sich die Ohrringe selber gekauft.
„Stimmt, du hast Recht.“ Sie schaute kurz auf, „habe ich das eben wirklich gesagt?“ Diesen Satz sagte sie mehr zu sich selbst als zu jemand anderem.
Grace schwang ihren Rucksack auf den Rücken und ging Richtung Tür.“ Komm, gehen wir, wir müssen in den Chemieraum.“
Pünktlich um 18.30 Uhr trafen Cora und Grace in der großen Turnhalle ein, wo um 20.00 Uhr die Abschlussfeier für die 10. Klasse stattfinden sollte. Grace sah umwerfend aus. Ihr weißes , knielanges Kleid passte sich perfekt ihrer Figur an und zeigte jede Kurve ihres schlanken Körpers. Die Träger waren hinter ihrem Hals zugebunden. Ihre Haare waren hochgesteckt, nur ein paar einzelne Strähnen hingen an beiden Seiten herunter. Sie trug nur wenig Make-up und dennoch war ihre Haut rein, ihre Wimpern perfekt geschwungen und auf ihren Lippen lag ein leichter Rosé Schimmer. Die silbernen Ohrringe waren nur knapp von den Schultern entfernt und baumelten an ihren Ohren herunter.
Auch Cora war sehr elegant gekleidet. Sie trug einen weißen, langen Seidenrock mit roten Rosen darauf und das dazugehörige Oberteil, welches von 3 cm breiten Trägern gehalten wurde. Ihre blonden Locken fielen lässig über die Schultern.
Beide Mädchen strahlten heller als das Licht, von dem der Saal erleuchtet wurde.
Sie schauten sich in der Halle um, welche, bis auf die aufgestellten Stühle noch leergeräumt war.
Nach einem Moment des Schweigens drehte sich Cora zu Grace hin.„Es sieht so aus, als wären wir die ersten.“ Grace warf ihrer Freundin eine kritischen Blick zu. „Und wer hat dann bitte die Tür aufgeschlossen und das Licht angemacht?“ In diesem Augenblick trat eine große, schlanke Frau Mitte 40 aus einer Tür, welche in den Keller führte. Mit sich trug sie einen großen Tisch, welcher noch von einem stärkeren Mann getragen wurde, welcher auf ende 40 zu schätzen sein dürfte. Bei beiden lag ein leichter Glanz auf der Stirn von der sichtbaren Anstrengung.
Sie verschwanden hinter einer Ecke und man konnte einen leisen knall vernehmen, so konnte man vermuten, dass der Tisch nun seinen Standort erreicht hatte.
Grace und Cora sahen sich kurz an und ein kleines Lächeln huschte über ihre Lippen.
Wenige Augenblicke später trat die Frau aus der Ecke heraus, dicht gefolgt von dem dunkelhaarigem Mann, welcher sich mit seiner Handrückenfläche ein paar Schweißtropfen von der Stirn wischte. Sie steuerten ihre Richtung auf die zwei Mädchen zu, welche versuchten sich ein Kichern zu verkneifen.
„Grace, Cora, schön, dass ihr schon da seid, aber ihr seid ein bisschen zu früh dran“ Der Mann stand nun vor den Mädchen und schenkte ihnen ein willkommenes Lächeln.
Grace lächelte ebenso charmant zurück und streckte ihm ihre Hand entgegen.
Guten Abend Herr Jachs, Frau Bach, wir dachten wir könnten vielleicht noch ein wenig beim Aufbau helfen, sie wissen schon, meine Note in Deutsch steht dieses Jahr ein wenig
auf der Kippe,“ Sie zwinkerte ihm kurz zu und wandte sich dann an Frau Bach, welche schon schallend lachte. „aber wie ich sehe gibt es hier ja nicht mehr viel zu tun.“
Nach dem sich Frau Bach erholt hatte von ihrem Lachanfall legte sie Grace einen Arm auf den Rücken und schob sie in Richtung Kellertür. „Nein, Schätzchen, aber ihr könnt schon mal die fertigen belegten Brötchen und die Flaschen Sekt aus dem Keller holen und sie“ Sie zeigte mit ihrem Finger auf den Tisch, welchen sie vorhin hochgetragen hatten „dort hinstellen, dann wären wir soweit komplett fertig und die ersten Gäste dürften auch schon im Laufe der nächsten halben Stunde eintreffen.“
Grace unterhielt sich mit ein paar ihrer Klassenkameraden, als sie eine Frau im Eingang bemerkte. Oh Nein, dachte sie sich. Ihr Blick blieb bei dieser Frau und sie bekam nichts mehr von der Unterhaltung ihrer Freunde mit. Ihre Gedanken wanderten in eine andere Richtung. Was macht sie hier, sie unterrichtete die 10. Klassen in keinem Fach, dachte sie sich. Warum ist sie bei der Abschlussfeier dabei. Letztes Jahr war sie auch nicht anwesend. Hoffentlich laufe ich ihr heute Abend nicht über den Weg. Obwohl das wohl leider nicht zu vermeiden sein wird. Diese Frau war keine geringer als Frau Salem, die Französischlehrerin. Immer noch schaute sie nachdenklich zu der Frau hinüber und verfolgte jeden ihrer Schritte. Ihre Augen fingen Feuer und innerlich kochte sie vor Wut , dass sie diese Frau hier sieht. Sie ballte ihre Hand zu einer Faust und versuchte sich zu beruhigen. Erst als jemand vor ihren Augen mit den Fingern schnipste kam sie wieder in die Realität zurück. „Grace, ist alles in Ordnung? Du wirkst irgendwie abweisend, hörst du mit überhaupt zu?“ Katrin, eine Freundin von Grace schaute sie mit einem amüsierten lächeln an. Grace lächelte etwas gequält zurück. „Tut mit leid, Katrin, ich war gerade nicht ganz bei der Sache. Wann ist unsere Pause vom Sektausschank zu Ende?“ Katrins irritierter Blick bohrte sich in ihre Augen, als ob sie versuche in ihnen ihre momentanen Gedanken lesen zu können. „Das hatte ich doch eben erwähnt. Ich sagte wir müssen in knapp 5 Minuten wieder hinter dem Tresen stehen. Ist mit dir wirklich alles in Ordnung?“ „Ja, bei mir ist alles klar, wie schon gesagt, ich war nur ein wenig abgelenkt. Lauft schon mal vor, ich komme gleich nach.“ Grace lächelte sanft. Katrin und die 3 anderen Mädchen liefen in Richtung Tresen während Grace sich in eine Ecke stellte und nachdachte. Immer wieder schossen ihr die gleichen Gedanken durch den Kopf. Schon seit einer ganzen Weile hatte sie sich auf diesen Abend gefreut und sie nahm sich vor ihn sich von dieser Frau nicht verderben zu lassen,niewieder. Ich werde ihr einfach so gut es geht aus dem Weg gehen, dann wird der Abend perfekt. Mit dieser neugewonnenen Sicherheit marschierte sie in die Richtung, in die vor wenigen Minuten auch ihre Freundinnen gegangen waren.