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Und dann kaufte ich mir auch einen Xopel. Haben doch alle einen.

Seniors
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20.11.2001
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Und dann kaufte ich mir auch einen Xopel. Haben doch alle einen.

Erst nannte ich ja diesen alten, blauen Mini-Cooper mein Eigen und war ausgesprochen zufrieden damit. Funktionell und sparsam war er, mehr brauchte ich nicht und er hat mich überall hingeführt, sogar auf den Großglockner. Wenn nicht meine Freunde gewesen wären, würde ich noch heute damit herumkurven. Aber sie ließen nicht locker. »Wer fährt denn heutzutage noch einen Mini?«, fragten sie, und: »Wann kaufst du dir denn einmal ein richtiges Auto? Besorg dir doch endlich einen Xopel!«

Irgendwann wollte ich das alles nicht mehr hören, studierte Prospekte und ließ mich von zwei Händlern beraten. Das Ergebnis war nicht nur überzeugend, es war praktisch zwingend. Es gab fast nur mehr Xopel. Bei allen Autohändlern sah ich dasselbe Bild: Eine Wiese, vollgestellt mit Xopels. In allen erdenklichen Farben.
»Naja, wenn die ganze Welt Xopel fährt, leg ich mir eben auch so einen zu. Für einen anderen bekomme ich später womöglich gar keine Ersatzteile mehr.«
Der Schrottpreis meines Mini wurde mir von der Rechnung abgezogen.

Endlich hatte ich auch einen Xopel. Ich war wieder Teil der Menschheit, meine Freunde gaben ein Fest!

Zum Glück feierten wir bei mir. Ich hatte nämlich bereits ein Problem mit dem Xopel und wollte es ihnen nicht sagen. Schließlich dachte ich ja, es läge an mir. Ich konnte ihn starten, aber sobald ich den ersten Gang einlegte, starb er ab. Immer wieder. Ein paar Mal schaffte ich es, loszufahren, aber schon nach wenigen Metern war´s wieder vorbei. Ich fluchte laut, da kam Walter, mein Nachbar, und half: »Das war bei meinem genauso. Du mußt nur unterm Lenkrad das grüne mit dem gelben Kabel verbinden und im Motorraum besserst du eine Lötstelle aus, ich zeichne dir das auf. Danach sollte er wieder einwandfrei fahren.«
Meine Augenbrauen schoben sich ohne mein Zutun nach oben, meine Stirn faltete sich.

Gerade, als ich den Lötkolben zur Seite gelegt hatte, flüsterte der Autohändler durch das Telefon, als sei es ein Geheimnis: »Sie müssen sich unbedingt einen neuen Kühlerflüssigkeitsbehälter abholen, und wenn Sie schon da sind, nehmen Sie bitte auch gleich für rechts hinten den richtigen Stoßdämpfer mit. Sie müssen dafür nicht extra bezahlen.«
Etwas verwundert war ich schon, schließlich war ich der Meinung, ein neues, einwandfrei funktionierendes Auto gekauft zu haben. Aber es blieb mir ja nichts anderes übrig, so machte ich mich auf den Weg, holte alles ab und rief Robert an, seines Zeichens Freund und Automechaniker.
Robert öffnete die Motorhaube und suchte nach dem Kühlerflüssigkeitsbehälter. Plötzlich zog er ein Mikrowellengeschirr heraus, mit Klebeband und Brauseschlauch daran.
Der Stoßdämpfer rechts hinten war etwas zu klein geraten. Zum Ausgleich gab es bei jeder Schraube sieben dicke Beilagscheiben als Abstandhalter. Sowohl oben als auch unten.
Erledigt und geschafft lud ich Robert zum Essen ein, wo wir zwei nach dem dritten Vierterl endlich fünfe g´rade sein lassen konnten. Es muss sein sechster Sinn gewesen sein, als er mich warnte: »Gib Acht bei der Heimfahrt. Und falls wieder was ist, melde dich einfach.« – Ich ließ ihn nur bis zum nächsten Tag warten: Die Bremsen hatten versagt und ich wäre fast an eine Hausmauer gefahren.

Nach einer Untersuchung erstellte er den Befund: »Die Bremsbeläge sind aus Pressspan… Du hast sie mit der ersten Bremsung abgefahren.«
Gleich setzten wir uns in Roberts Auto, fuhren zu dem Händler, der uns freudestrahlend empfing und mir sofort ein großes, schweres Sicherheitspaket vor die Füße stellte, das ich nur zu installieren brauchte, wie er meinte. Darin seien auch die richtigen Bremsbeläge enthalten.

In Roberts Werkstatt entpackten wir alles. Schweigend staunend. – Wir mussten die Sicherheitsgurte austauschen. Die in meinem Xopel eingebauten waren nämlich versehentlich an mehreren Stellen perforiert, sodaß sie bei Beanspruchung gerissen wären.
Der Airbag auf der Beifahrerseite bestand aus Luftballongummi, der schon durch den Druck des schnellen Aufblasens geplatzt wäre.
Die Nackenstützen der Rückbank waren mittels kinderleicht verbiegbaren, dünnwandigen Alurohren befestigt und die Ölkontrollleuchte reagierte angeblich erst, wenn der Ölstand bereits auf Null war.
Robert machte das alles.
Ich bekam Bauchweh.

Es dauerte eine Woche, bis ich mich dazu überwinden konnte, eine Runde um den Häuserblock zu fahren, zur Probe. Solange ich nur nach rechts lenkte, ging auch alles gut – beim Fahren der Runde musste ich ja auch nur nach rechts lenken. Als ich aber nach links zu meiner Garage wollte, ging die Alarmanlage los und der Motor blieb stehen.
Ich rief den Händler und fragte, ob er nicht noch irgendetwas vergessen hätte, mir zu geben, und erklärte ihm das Problem. Das sei bloß eine Sache von zwei Minuten, meinte er, als hätte er schon Übung darin. Ich suchte auf dem Stadtplan eine Route zu seinem Geschäft, bei der ich immer nur rechts abbiegen musste. Dabei durchquerte ich zwar die halbe Stadt, das lag an den vielen Einbahnen hier, aber ich kam sicher an.
Manchmal glaube ich, die Verkehrsplaner dieser Stadt haben einen Vertrag mit den Taxiunternehmen: Als Fremder kann man nur wahlweise taxifahren oder sich verirren.
Nun gut. Mein Händler drückte mir eine kleine Karte in die Hand. Unter der Motorhaube wäre ein passender Schlitz, da sollte ich sie reinstecken, um die Einstellungen der Alarmanlage zu korrigieren. Das machte ich sogleich und startete den Xopel anschließend. Geschäftseifrig kam der Händler nochmals auf mich zu: »Sie sollten sich unbedingt eine Schutzhülle für Ihr Auto besorgen, sonst kann das jederzeit wieder passieren. Und noch viel Schlimmeres. Nehmen Sie diese hier, die hat sich bewährt. Sie brauchen so eine Schutzhülle unbedingt, nur kostet das leider extra…« Ich bezahlte mit der Kreditkarte, froh, einen Schutz gegen solche Fehler zu erwerben.
Übergroß war meine Freude, als ich die erste Linkskurve ohne Probleme überwunden hatte! Denn ein Auto, mit dem man sowohl nach links als auch nach rechts abbiegen kann, ist wirklich eine ganz feine Sache. Und diese Schutzhülle gab mir endlich die Sicherheit, nach der ich mich schon immer gesehnt hatte.

In den folgenden Wochen bekam ich noch weitere Update-Pakete für meinen Xopel. Der Händler schickte sie mir fürderhin per Post. Allerdings waren die noch zu behebenden Probleme weniger gravierend als die ersten. Lediglich Kleinigkeiten, wie zum Beispiel eine Rückwand für das Handschuhfach, damit nicht alles in den Motorraum fiel; stärkere Schrauben für die Zylinderkopfdichtung; ein Teil der Kurbelvorrichtung für die hinteren Fenster, den ich noch gar nicht als fehlend bemerkt hatte; eine Anleitung, wie ich den Zigarettenanzünder mit Strom versorgen konnte – zwei Kabel waren beigelegt – und schließlich auch noch eine neue Stoßstange für hinten. Die am Auto montierte war aus Weichgummi, wie sich herausstellte. Ähnlich wie bei einem Autodromfahrzeug.

Aber ich habe alles geschafft. Mein Xopel fährt nun schon einige Monate problemlos. Trotzdem denke ich oft wehmütig zurück an meinen Mini.
Meine Freunde lächeln mittlerweile über den Xopel. Sie haben ja schon wieder viel modernere Autos gekauft. »Wer fährt denn heutzutage noch einen Xopel?«, fragen sie, und: »Wann kaufst du dir denn endlich einmal ein richtiges Auto? Besorg dir doch endlich einen Vista!«

 

Liebe Susi,

:lol: Und die Moral von der Geschicht?
Kauf sie keinen Xopel nicht!

mit einem breiten Schmunzeln habe ich mir deine Geschichte schon das zweite Mal durchgelesen und war zunächst ganz verwirrt, weil ich mir dachte: das kann doch gar nicht angehen, wir haben doch schon so viel Privates voneinander erfahren, das sieht ganz so aus als habest du meine Erfahrungen mit unserem Citroen ZX beschrieben, aber ich kann mich nicht entsinnen dir davon berichtet zu haben. Na vielleicht doch und so ging es die ganze Geschichte lang, und immer wieder dachte, das gibt es nicht, die hat jetzt eine Realsatire aus all den teils urkomischen Erfahrungen geschrieben, die ich mit diesem Fahrzeug erlebt habe. :lol:
Bis ich dann mit ein wenig Abstand begriff: nix da, die Susi hat hier gehörig Computer auf den Arm genommen und mit satter Ironie dargestellt, was eigentlich abläuft, wenn man einen PC mitsamt dem Softwarepaket kauft. Und dann wurde aus der Realsatire eine Satire.
Gut, dass ich Abstand zu der Geschichte hatte, sonst wäre mir dein eigentliches Anliegen gar nicht aufgefallen.
Und so lautet mein Fazit: gelungene witzig aufgemachte Satire über ein sehr alltägliches Leid, nämlich das, dass wir Käufer klaglos hinnehmen, nein eher wie selbstverständlich hinnehmen, als unbezahlte Testpersonen eingesetzt zu werden.
Das wäre so ähnlich, wie wenn ich meinen Mandanten raten würde: "ach wir probieren aus jedem Bereich mal ein paar Paragraphen´aus, irgendeiner wird dann mit großer Wahrscheinlichkeit passen und Ihnen zu Ihrem Recht verhelfen, notfalls suchen wir uns einen anderen Fall". :D

Lieben Gruß nach Wien
elvira

 

Liebe Barbara, liebe Elvira!

Freut mich, daß ich Euch ein wenig unterhalten konnte! :)

Die beiden unschönen Stellen hab ich ausgebessert, danke, Barbara, fürs Aufzeigen. :kuss:

Gut, dass ich Abstand zu der Geschichte hatte, sonst wäre mir dein eigentliches Anliegen gar nicht aufgefallen.
Das freut mich ganz besonders, wenn sich der Sinn so im Nachhinein erschließt, denn genau das hatte ich beabsichtigt. :)

Danke Euch beiden fürs Lesen und Kommentieren,

liebe Grüße,
Susi :)

 

Ach Häferl, mit Deinem Tip von vornherein ausgestattet, war es natürlich sehr einfach. Aber in der aktuellen Fassung der Geschichte kommt man meiner Ansicht nach auch von alleine drauf. Der Mini-Cooper ist vermutlich ein Mac gewesen, gute Teile. Machen keine Probleme und sind auch nach Jahren noch einsetzbar. Millenium konnte es nicht gewesen sein, das ist so ziemlich das schlechteste Betriebssystem, das ich je gesehen habe.

Aber wer kauft denn überhaupt software? Wenn man alles auch umsonst haben kann: www.debian.org. Läuft alles problemlos, selbst in der Version "unstable". (Sorry, die Computer-Kommentare konnte ich mir einfach nicht verkneifen).

Die Sprache und der darin versteckte Spott haben mir sehr gut gefallen. Die vielen Helfer, die einem bei Computerprobleme dann mit Geheimtricks und Zusatzpaketen helfen wollen, das geteilte Leid, all das fand ich sehr realistisch gezeichnet.

Sehr gerne gelesen.

 

Hallo cbrucher!

Danke fürs Lesen und Deinen lobenden Kommentar! :)

Millenium konnte es nicht gewesen sein, das ist so ziemlich das schlechteste Betriebssystem, das ich je gesehen habe.
Hehe, :Pfeif:. Ich gestehe ... :D

Und ich hab es sogar immer noch, weil ich lieber auf Urlaub gefahren bin, statt mir einen neuen PC zu kaufen. Die Geschichte fiel mir ein, als ich beim Laptop meines Sohnes, das mit Windows XP läuft, so ungefähr 46 Sicherheitspakete downloaden mußte. ;)

Danke fürs Lesen,
liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Häferl,

„Xopel“ habe ich bei der Überschrift sofort mit `Hobel´ assoziiert, dann war natürlich klar das ein EXotischerpopel gemeint war.
Deine Geschichte wirkt rund, in sich geschlossen, auch weil Du am Schluss wieder auf die lieben Freunde zu sprechen kommst. Du sprichst die Beeinflussung von uns Menschen durch die Gesellschaft an („Ich war wieder Teil der Menschheit“),
auch das inzwischen fast schon üblich gewordene unverantwortliche Geschäftsgebaren von Händlern. Gespickt ist dies alles mit unterhaltenden Einfällen - halt ´ne runde Sache.

„»Naja, wenn die ganze Welt Xopel fährt, leg ich mir eben auch so einen zu. Für einen anderen bekomme ich später womöglich gar keine Ersatzteile mehr.«“

- tja, wenn man schon so weit ist, dass man sich selbst in die Richtung `hineinargumentiert´ in die die Verkäufer den Käufer drücken wollen...


„Die Bremsbeläge sind aus Pressspan“ - Ich habe ja schon einige Autos gefahren - aber das es das gibt, da war ich doch überrascht! (Deshalb liegt im Handschuhfach Anti-Holzwurm-Spray!).

„Ich suchte auf dem Stadtplan eine Route zu seinem Geschäft, bei der ich immer nur rechts abbiegen musste.“ - Bald nicht mehr nötig: das wird schon in der Programmierung der Routenplaner berücksichtigt.

Hat mir gut gefallen,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon!

Danke Dir fürs Lesen und Deinen Kommentar zu meiner Geschichte! Freut mich, daß sie Dir gefallen hat! :)

dann war natürlich klar das ein EXotischerpopel gemeint war
Hm. Du sprichst in Rätseln... So weiß ich nicht, ob Du sie ganz richtig verstanden hast...:Pfeif:
Was verstehst Du denn unter "EXotischerpopel"? :susp:

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Häferl,

es gab doch den Spruch: Jeder Popel fährt ´nen Opel. Wenn jetzt X (sprich `eks´ für `exotisch´ steht... ) vielleicht fahren nur noch Exoten Opel. Kann man bei den sinkenden Verkaufszahlen annehmen. Da Opelfahrer - s. Spruch - auch Popel genannt werden ergibt sich `EXotischer Popel´. Das ist nur so eine Wortspielblödelei.

Liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

 

Jagutäh.
Viel häufiger als auf die (unbewusste) Kaufmotivation "kauf ich, weil es alle haben", treff ich auf die Motivation "kauf ich, weil es nicht alle haben. Oder, öfter noch: "kauf ich nicht, weil es alle haben - egal, ob es gut ist oder nicht". Es gibt auch den Gruppendruck zum unbedingten Individualismus, auch wenn der so gedrückte vermutlich gar nicht anerkennt, dass da überhaupt eine Gruppe ist. Schließlich ist man ein ganz individuelles Individuum.

Gruß

Ben

 

Bitte noch einen Schritt weiter: Produkte sollten überhaupt erst verkauft werden, wenn sie einwandfrei funktionieren. - Will ich mein Geld ausgeben, um deren mangelhafte Produkte zu testen? Eben jenen Schritt sollten die selbst machen und es erst dann verkaufen.

Hm....ich will ja nicht das Spiel verderben...aber
Ich weiß nicht, ob ich als Informatiker mit dem nötigen Wissen darüber lächeln sollte oder doch versuchen, zu erklären, warum so etwas bei dem derzeitigen Wissensstand nicht möglich ist.

Erinnert mich irgendwie an den Pentium-bug, wo der Prozessor 123892345034834*293474 oder so ähnlich falsch berechnet. Ist natürlich ärgerlich, wenn man gerade dieses ausrechnen will. Dass dieser Fall auftritt, ist aber genauso wahrscheinlich, wie 6 Richtige im Lotto zu gewinnen.

Als Autoniete habe ich mehr Probleme mit meinem Fahrzeug gehabt als mit meinem PC. Vielleicht hatte ich deshalb keinen so rechten Zugang zu der Geschichte gehabt. Aber gerne gelesen habe ich sie trotzdem.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Gnafu!

Freut mich sehr, daß Du auch die Geschichte gelesen hast. :)

Auch, daß Du schmunzeln mußtest, freut mich natürlich - allerdings hast Du die Aussage noch nicht wirklich gefunden - aber Dein Ansatz ist auch nicht schlecht. Probiers bitte noch einmal. ;) Und wenn es nicht klappt, dann lies mal die Kritik hier. :)

Liebe Grüße,
Susi :)


Ups: Danke auch noch an Ben und Kritiker! :) (Da war ich damals wohl im Weihnachtsstreß oder so. ;))

 

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