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Und dann kaufte ich mir auch einen Xopel. Haben doch alle einen.
Erst nannte ich ja diesen alten, blauen Mini-Cooper mein Eigen und war ausgesprochen zufrieden damit. Funktionell und sparsam war er, mehr brauchte ich nicht und er hat mich überall hingeführt, sogar auf den Großglockner. Wenn nicht meine Freunde gewesen wären, würde ich noch heute damit herumkurven. Aber sie ließen nicht locker. »Wer fährt denn heutzutage noch einen Mini?«, fragten sie, und: »Wann kaufst du dir denn einmal ein richtiges Auto? Besorg dir doch endlich einen Xopel!«
Irgendwann wollte ich das alles nicht mehr hören, studierte Prospekte und ließ mich von zwei Händlern beraten. Das Ergebnis war nicht nur überzeugend, es war praktisch zwingend. Es gab fast nur mehr Xopel. Bei allen Autohändlern sah ich dasselbe Bild: Eine Wiese, vollgestellt mit Xopels. In allen erdenklichen Farben.
»Naja, wenn die ganze Welt Xopel fährt, leg ich mir eben auch so einen zu. Für einen anderen bekomme ich später womöglich gar keine Ersatzteile mehr.«
Der Schrottpreis meines Mini wurde mir von der Rechnung abgezogen.
Endlich hatte ich auch einen Xopel. Ich war wieder Teil der Menschheit, meine Freunde gaben ein Fest!
Zum Glück feierten wir bei mir. Ich hatte nämlich bereits ein Problem mit dem Xopel und wollte es ihnen nicht sagen. Schließlich dachte ich ja, es läge an mir. Ich konnte ihn starten, aber sobald ich den ersten Gang einlegte, starb er ab. Immer wieder. Ein paar Mal schaffte ich es, loszufahren, aber schon nach wenigen Metern war´s wieder vorbei. Ich fluchte laut, da kam Walter, mein Nachbar, und half: »Das war bei meinem genauso. Du mußt nur unterm Lenkrad das grüne mit dem gelben Kabel verbinden und im Motorraum besserst du eine Lötstelle aus, ich zeichne dir das auf. Danach sollte er wieder einwandfrei fahren.«
Meine Augenbrauen schoben sich ohne mein Zutun nach oben, meine Stirn faltete sich.
Gerade, als ich den Lötkolben zur Seite gelegt hatte, flüsterte der Autohändler durch das Telefon, als sei es ein Geheimnis: »Sie müssen sich unbedingt einen neuen Kühlerflüssigkeitsbehälter abholen, und wenn Sie schon da sind, nehmen Sie bitte auch gleich für rechts hinten den richtigen Stoßdämpfer mit. Sie müssen dafür nicht extra bezahlen.«
Etwas verwundert war ich schon, schließlich war ich der Meinung, ein neues, einwandfrei funktionierendes Auto gekauft zu haben. Aber es blieb mir ja nichts anderes übrig, so machte ich mich auf den Weg, holte alles ab und rief Robert an, seines Zeichens Freund und Automechaniker.
Robert öffnete die Motorhaube und suchte nach dem Kühlerflüssigkeitsbehälter. Plötzlich zog er ein Mikrowellengeschirr heraus, mit Klebeband und Brauseschlauch daran.
Der Stoßdämpfer rechts hinten war etwas zu klein geraten. Zum Ausgleich gab es bei jeder Schraube sieben dicke Beilagscheiben als Abstandhalter. Sowohl oben als auch unten.
Erledigt und geschafft lud ich Robert zum Essen ein, wo wir zwei nach dem dritten Vierterl endlich fünfe g´rade sein lassen konnten. Es muss sein sechster Sinn gewesen sein, als er mich warnte: »Gib Acht bei der Heimfahrt. Und falls wieder was ist, melde dich einfach.« – Ich ließ ihn nur bis zum nächsten Tag warten: Die Bremsen hatten versagt und ich wäre fast an eine Hausmauer gefahren.
Nach einer Untersuchung erstellte er den Befund: »Die Bremsbeläge sind aus Pressspan… Du hast sie mit der ersten Bremsung abgefahren.«
Gleich setzten wir uns in Roberts Auto, fuhren zu dem Händler, der uns freudestrahlend empfing und mir sofort ein großes, schweres Sicherheitspaket vor die Füße stellte, das ich nur zu installieren brauchte, wie er meinte. Darin seien auch die richtigen Bremsbeläge enthalten.
In Roberts Werkstatt entpackten wir alles. Schweigend staunend. – Wir mussten die Sicherheitsgurte austauschen. Die in meinem Xopel eingebauten waren nämlich versehentlich an mehreren Stellen perforiert, sodaß sie bei Beanspruchung gerissen wären.
Der Airbag auf der Beifahrerseite bestand aus Luftballongummi, der schon durch den Druck des schnellen Aufblasens geplatzt wäre.
Die Nackenstützen der Rückbank waren mittels kinderleicht verbiegbaren, dünnwandigen Alurohren befestigt und die Ölkontrollleuchte reagierte angeblich erst, wenn der Ölstand bereits auf Null war.
Robert machte das alles.
Ich bekam Bauchweh.
Es dauerte eine Woche, bis ich mich dazu überwinden konnte, eine Runde um den Häuserblock zu fahren, zur Probe. Solange ich nur nach rechts lenkte, ging auch alles gut – beim Fahren der Runde musste ich ja auch nur nach rechts lenken. Als ich aber nach links zu meiner Garage wollte, ging die Alarmanlage los und der Motor blieb stehen.
Ich rief den Händler und fragte, ob er nicht noch irgendetwas vergessen hätte, mir zu geben, und erklärte ihm das Problem. Das sei bloß eine Sache von zwei Minuten, meinte er, als hätte er schon Übung darin. Ich suchte auf dem Stadtplan eine Route zu seinem Geschäft, bei der ich immer nur rechts abbiegen musste. Dabei durchquerte ich zwar die halbe Stadt, das lag an den vielen Einbahnen hier, aber ich kam sicher an.
Manchmal glaube ich, die Verkehrsplaner dieser Stadt haben einen Vertrag mit den Taxiunternehmen: Als Fremder kann man nur wahlweise taxifahren oder sich verirren.
Nun gut. Mein Händler drückte mir eine kleine Karte in die Hand. Unter der Motorhaube wäre ein passender Schlitz, da sollte ich sie reinstecken, um die Einstellungen der Alarmanlage zu korrigieren. Das machte ich sogleich und startete den Xopel anschließend. Geschäftseifrig kam der Händler nochmals auf mich zu: »Sie sollten sich unbedingt eine Schutzhülle für Ihr Auto besorgen, sonst kann das jederzeit wieder passieren. Und noch viel Schlimmeres. Nehmen Sie diese hier, die hat sich bewährt. Sie brauchen so eine Schutzhülle unbedingt, nur kostet das leider extra…« Ich bezahlte mit der Kreditkarte, froh, einen Schutz gegen solche Fehler zu erwerben.
Übergroß war meine Freude, als ich die erste Linkskurve ohne Probleme überwunden hatte! Denn ein Auto, mit dem man sowohl nach links als auch nach rechts abbiegen kann, ist wirklich eine ganz feine Sache. Und diese Schutzhülle gab mir endlich die Sicherheit, nach der ich mich schon immer gesehnt hatte.
In den folgenden Wochen bekam ich noch weitere Update-Pakete für meinen Xopel. Der Händler schickte sie mir fürderhin per Post. Allerdings waren die noch zu behebenden Probleme weniger gravierend als die ersten. Lediglich Kleinigkeiten, wie zum Beispiel eine Rückwand für das Handschuhfach, damit nicht alles in den Motorraum fiel; stärkere Schrauben für die Zylinderkopfdichtung; ein Teil der Kurbelvorrichtung für die hinteren Fenster, den ich noch gar nicht als fehlend bemerkt hatte; eine Anleitung, wie ich den Zigarettenanzünder mit Strom versorgen konnte – zwei Kabel waren beigelegt – und schließlich auch noch eine neue Stoßstange für hinten. Die am Auto montierte war aus Weichgummi, wie sich herausstellte. Ähnlich wie bei einem Autodromfahrzeug.
Aber ich habe alles geschafft. Mein Xopel fährt nun schon einige Monate problemlos. Trotzdem denke ich oft wehmütig zurück an meinen Mini.
Meine Freunde lächeln mittlerweile über den Xopel. Sie haben ja schon wieder viel modernere Autos gekauft. »Wer fährt denn heutzutage noch einen Xopel?«, fragen sie, und: »Wann kaufst du dir denn endlich einmal ein richtiges Auto? Besorg dir doch endlich einen Vista!«