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Umstrittener Sozialberuf

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14.07.2003
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Umstrittener Sozialberuf

"Grüß Gott, der Herr! Bitte setzen sie sich ruhig neben mich, viele freie Plätze gibt`s hier in der U-Bahn nicht. Besonders zu dieser Tageszeit...

Warum schauen Sie mich denn so an? Oh, ich weiß, ich bin vorhin auf der Straße in ein Häuflein eines streunenden Hundes getreten, sei`n sie versichert, dass nicht ich es bin der so stinkt. Und jetzt bleiben sie hier nicht wie angewurzelt stehen und setzen Sie sich, der Gestank verfliegt bestimmt bald.

Sehen Sie, es geht doch. Ist doch viel gemütlicher so rum... Sagen sie auch nicht wahr? Wie meinen Sie? Sie sind im Stress wegen ihrer Weihnachtseinkäufe? Machen Sie sich deshalb keine Gedanken, das geht uns allen so.

Jaja, wie sie sagen, jetzt steht Weihnachten schon vor der Tür, es hat heute bereits begonnen zu schneien, toll oder? Was für mich persönlich an Weihnachten allerdings noch besser ist als der Schnee, ist das zusätzliche Geld. Das kann ich momentan gut gebrauchen. Natürlich werde ich es nicht für Geschenke oder sonstiges rausschmeißen. Nein, da habe ich echt andere Sorgen.

Man verdient ohnehin nicht viel wenn man mit Menschen arbeitet, wissen Sie? In meinem Beruf spürt man das ganz besonders stark.

Manchmal habe ich darüber nachgedacht, deshalb den Berufssektor zu wechseln, doch ich mache den Job hier schon zu lange um noch einmal etwas komplett neues anzufangen. Mag sein, dass ich kein Einstein bin, aber in meiner Arbeit macht mir niemand was vor, auch Sie nicht, selbst wenn Sie schon so lange dabei wären wie ich.

Wenn Sie jetzt denken, dass das Dilemma meines Berufslebens im finanziellen Bereich liegt, dann liegen Sie falsch. Wenn man in einem derart sozial geprägten Job tätig ist, wie ich, dann machen sich Berufskrankheiten wie Rückenschmerzen, diverse Infektionen und ein starker Hang zu stressstillenden Beruhigungsmitteln schnell bemerkbar.

Genau das ist nämlich auch der Grund meiner Besorgnis: Ich bin nun 50 Jahre alt, ein körperliches Wrack und obendrein werde ich von der Gesellschaft für das was ich tue nicht im Geringsten gewürdigt. Aber ich will mich nicht beklagen weil ich weiß, dass jeder Mensch seine Probleme im Leben hat und diese bewältigen muss. Ich merke schon, sie verstehen was ich meine. Diese Weisheit habe ich übrigens von meiner Mutter - Gott hab sie selig. Kein Mensch war mir als Kind wichtiger, doch dann - urplötzlich und ohne Vorwarnung - rief sie unser Herrgott zu sich. Warum starren sie auf einmal so beschämt zu Boden? Ist es Ihnen etwa unangenehm, wenn ich so offen mit Ihnen über persönliche Dinge spreche?

Wie auch immer. Ich sehe, ich bin bereits an meiner Station angelangt. Tja, die Zeit verfliegt eben im Nu, wenn man so einen netten Gesprächspartner hat. Auf Wiedersehen, vielleicht kreuzen sich unsere Wege mal wieder. Wenn Sie wollen, könnten wir am Wochenende zusammen auf ein Bier gehen. Was? Wie sie mich finden? Oh, ich bin zu dieser Tageszeit ohnehin meistens hier auf dieser Station. Sie wissen ja, die Geschäfte... Jetzt muss ich aber wirklich aussteigen, auf Wiedersehen!"

*********** 30 Minuten später ***********

"Achtung, eine Durchsage! Achtung, eine Durchsage! Da bereits mehrere Beschwerden von Passagieren bestehen, möchten wir mit Nachdruck betonen, dass Bettelei auf dem Gelände der öffentlichen U-Bahnen strengstens verboten ist. Der hiermit angesprochene Herr auf Gleis 2a wird gebeten, sich umgehend zu entfernen, bei Zuwiderhandlung sehen wir uns gezwungen, die U-Bahnwache einzuschalten!"

 

Schön, dass dir meine Geschichte gefallen hat. Zu allererst war es mir wichtig, den Bettler bis zum Ende als Berufstätigen hinzustellen, da man auf diese Art und Weise solche Menschen aus einer ganz anderen Perspektive betrachten kann.

Außerdem war es mir besonders wichtig, die Worte seines Gesprächspartners nicht zu erwähnen, der Leser soll sich aufgrund der Fragen des Bettlers selbst zusammenreimen, was er gerade gesagt hat und sich voll und ganz auf den Protagonisten konzentrieren.

 

Hallo Jingles!

Erst einmal: Alles Gute zum Geburtstag! :)

Jetzt zu Deiner Geschichte: So ganz rund finde ich sie nicht, aber von der Idee her gut.
Da ist zum Beispiel die Sache mit der Zeit. Du schreibst zweimal „zu dieser Tageszeit“, aber mir ist nach dreimaligem Lesen nicht klar, um welche Tageszeit es sich handelt. Einerseits wirkt es wie morgendlicher Berufsverkehr, andererseits sagt offenbar der/die Gesprächspartner/in, daß er/sie Weihnachtseinkäufe erledigt. :susp:

Daß Du den Dialog als Monolog geschrieben hast, finde ich auch gut. – Man kann ihn eigentlich auch wirklich als Monolog lesen, den Protagonisten als jemanden sehen, der nach außen hin, für jemanden, der nicht genau hinhört, wirres Zeug quatscht. Eigentlich ist es ja eher eine Seltenheit, daß jemand so lange mit „so einem“ redet, daher wundert mich die Länge des Gespräches etwas. Wenn ich mir die Gesprächspartnerin allerdings mit einem abweisenden Blick vorstelle, die sich am liebsten hinter ihrem Mantelkragen verstecken oder beim Fenster hinausflüchten würde und daher nur zwei-, dreimal knappe Antworten gibt, dann funktioniert Deine Geschichte für mich. Er redet und redet und sie will das zwar nicht, sagt es aber nicht, sondern ist vom Typ Augenverdreher…

Was mir nicht gefällt, ist die U-Bahn-Durchsage (ähm, da fällt mir übrigens die Radiodurchsage in Deiner Geschichte „Ich werde ein besserer Mensch“ ein...;)). Ich bezweifle, daß tatsächlich in irgendeiner Stadt „Manuelle U-Bahn Durchsage“ gesagt wird. Also bei uns sagen sie zum Beispiel „Achtung, eine Durchsage“. Allerdings auch nicht bei derartigen Ermahnungen – da reden sie denjenigen einfach über den Lautsprecher an…
Außerdem wäre es keine »U-Bahn-Durchsage«, sondern nur eine Stationsdurchsage.
Und ob die wirklich gleich derartig drohen? :shy: – Ich würde die Durchsage etwas weniger umständlich, dafür mehr auf den Punkt gebracht schreiben, also kurz und prägnant. Der Sprecher muß sich auch nicht für den Grund seiner Durchsage rechtfertigen (Beschwerden anderer Fahrgäste), er ist sowieso dazu legitimiert. Auch, daß die U-Bahn öffentlich ist, muß er eigentlich nicht dazusagen…;)

Recht witzig fand ich

Oh, ich weiß, ich bin vorhin auf der Straße in ein Häuflein eines streunenden Hundes getreten, sein sie versichert, dass nicht ich es bin der so stinkt.
Ich würde übrigens hier „seien“ oder zumindest „sein“ schreiben, „sein sie“ liest sich im ersten Moment etwas seltsam. Anfangs hast Du ein paarmal die Großschreibung der „Sie“ vergessen. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 
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Hallo Häferl!

Danke für das Lesen und Korrigieren meiner Geschichte und auch recht herzlichen Dank, dass dir mein Geburtstag ins Auge gesprungen ist! Zu deiner Kritik: Weihnachtskäufe kann man doch immer erledigen: Morgends, Abends, zu Mittag, Wochentags oder am Wochenende, es ist völlig egal, alles was man benötigt ist ein freier Tag. :-) Wie du siehst ist es deshalb egal ob es sich um den morgendlichen Berufsverkehr handelt oder um den abendlichen Shoppingrummel.

Ich habe mit mir übrigens gekämpft, diese Geschichte so aufzulösen, da ich ein ähnliches Ende schon einmal verwendete (wie dzu bereits erwähntest). Übrigens habe ich mich doch noch für "Achtung, eine Durchsage!" entschieden, da "Manuelle U-Bahndurchsage" etwas zu geschwollen klingt. Was die Erwähnung der "öffentlichen" U-Bahnen innerhalb der Durchsage betrifft, bin ich allerdings anderer Meinung. Besonders regeltreue Beamten betonen dieses Wort manchmal sogar um ihre Kompetenz zu unterstreichen.

 

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