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Traurige Augen
Sie war unterwegs zu seinem Haus. Es war schon dunkel und kalt, aber das war ganz normal für diese Jahreszeit. Sie hatte eine SMS geschickt um ihn von ihrer Ankunft zu informieren. Er war in letzter Zeit wieder anders. Sie wusste selbst nicht wie sie es beschreiben sollte. Er hatte so einen starren Blick in die Leere. Und von seinen Augen konnte man nur Trauer ablesen, selbst wenn er lachte. Es war schon einmal so gewesen. Damals war sie für ihn da gewesen und sie wollte es heute wieder sein. Sie stand vor seinem Haus und sah ihn schon. Er stand an der offenen Haustür und hatte sie bereits erwartet. So wie früher. Sie nahmen sich in den Arm und knuddelnten zur Begrüßung ein bisschen. Sie wusste wie gern er das mochte. Kurze Zeit später waren sie in seinem Zimmer. Er sah sie an, mit diesen leeren braunen Augen, und fragte ob er ihre Hand mal kurz halten dürfte. Sie fand die Bitte etwas komisch aber wahrscheinlich wollte er einfach Händchen halten um sich nicht allein zu fühlen. Er führte ihre Hand zu seiner Brust. Da wo normal sein Herz schlagen sollte.
“Spürst du meinen Herzschlag?“
“Ja.“
“Dann bin ich doch genauso wie du, oder? Ein Mensch mit dem Tod voraus und mit einem Gehirn ausgestattet wie sonst kaum ein Lebewesen, oder?“
“Ehm. Ja, normal schon.“
“Warum bist du aber schön und ich hässlich? Warum kannst du mit Freude lachen und ich nicht? Warum hast du noch Hoffnung und einen Sinn, während ich nur noch darauf warte, dass meine Zeit abläuft? Versteh mich nicht falsch, ich will nicht, dass du es nicht hast. Ich bin auch nicht eifersüchtig oder neidisch. Aber warum bin ich nicht toll? Warum hab ich kein Spaß am Leben?“
Sie dachte nach. Sie durfte sich nicht zu lange Zeit lassen, sonst würde er nur eine Bestätigung bekommen, dass er nicht toll sei. Dass er kein so guter Mensch ist wie sie.
“Du bist toll! Und du bist nicht hässlich. Und das mit dem lachen bekommen wir auch noch hin…“
Sie legte ihren Arm um ihn und lies ihre Hand streichelnd hin und her fahren. Sie wusste, dass es lange dauern und schwer werden würde, aber sie glaubte fest daran ihn irgendwann wieder lachen sehen zu können. Ohne traurige Augen. Und bis dahin würde sie für ihn da sein. Auch wenn es noch so anstrengend ist. Und das war es. Es war sehr anstrengend. Sie sah noch einmal in seine Augen und erkannte, dass es noch länger dauern würde als sie erwartet hatte. Es würde sehr lange dauern bis diese braunen Augen wieder vor Freude strahlen würden, wie sie es einst jeden Tag getan hatten. Damals war es ganz alltäglich, normal und nichts Besonderes. Und heute würde sie so einiges dafür tun diese freudigen Augen wieder zu sehn.