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Translucent

Monster-WG
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04.03.2018
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Translucent

»Am Anfang ist es echt tschüsch, Tata«, sagt Bea.
Hinter meiner Stirn das erste Fragezeichen des Tages. Ich habe zwar gehört, dass man die Knochen danach sehen kann, doch glauben kann ich es erst, als ihre bläulich schimmernde Hand in meiner liegt. Wächsern. Unnatürlich. Obwohl die Temperatur unverändert bleibt, wie sie versichert, fühlt es sich auf meiner Hand an wie nasser Fisch. Die Knochen schimmern wie milchige Wolkenstränge durch die gallertartige, trübe Masse, davor zucken winzige rote Gefäße. Oben auf dem Handrücken der weiße Strecksehnenfächer, in gespenstischer Aktion. Über meinem Rücken hat jemand Stecknadeln ausgeschüttet.
»Schick, ne? Echt fancy ...« Bea ist wie immer brutal direkt, ihre 'Red-Devil'-Linsen starren mich an. Die schmal rasierten Augenbrauen werfen einen Bogen und bringen damit die Piercings und die kleinen, implantierten Silikon-Hörnchen zum Hüpfen.
Kann mich noch an das erste Nasen-Piercing erinnern, und das Knöchel-Tattoo, Bugs Bunny, da war sie noch zuhause - und Martha auch.

»Jo, ist mal was ganz Anderes«, murmele ich lahm. Mir fällt nichts Besseres ein. Die einst blonden Haare, die ich früher so oft mit aller Vorsicht durchkämmt habe, sind seitlich an ihrem Kopf aufgedreht. Zu zwei schwarzen Schnecken, die wirken wie Abschussmechanismen für die stacheligen Stab-Ohrringe darunter. Flankiert von zwei Tunnels.
Wir treffen uns an seinem Geburtstag, wie jedes Jahr. Wenn ich sie länger nicht gesehen habe, wird es auf offener Straße schon mal eng mit dem Wiedererkennen. Die Innenstadt quillt über vor 'NoKoFo's, selbsternannten Nonkonformisten mit Body-Modification-Tick.
»Hab' ich mir im BTL-Shop machen lassen, neulich.« Auf meinen hilflos fragenden Blick schiebt sie lächelnd hinterher: »Body-Translucence«, und leiser: »Du Noob.« Ich nicke, habe sowas gehört, ein Zufallsprodukt der Forschung zu neuen Operationsmethoden.
Dann Marthas Krebs-Diagnose. Kurz danach fing es an, die Tunnels, die ersten grellen Tattoos, die gefärbten Haare, zunächst blau. Die kleinen Hörner kamen erst, nachdem Martha eingeschlafen war.

»Hm, sag mal, bleibt das so?« Ich versuche, die bange Hoffnung auf Verneinung aus meiner Stimme zu verdrängen.
»Nee, nicht doch, ich kann den Arm abwerfen, weißt du, kein Thema, er wächst normal nach …« Cool saugt sie an ihrer E-Kippe. So gesprochen, mit heiligem Ernst, bin ich geneigt, ihr sogar das abzunehmen. Mit ihren hochhackigen Plateau-Boots sind wir auf Augenhöhe.
Ihre Augen waren für mich einmal ein offenes Buch – als es 'Red Devil' noch nicht gab und den Vorhang aus Silberringen auch nicht. Es kommt mir vor, als wäre das hundert Jahre her.
Mein erzwungenes Lächeln gefriert. Bea funkelt mich an und explodiert in ein Lachgewitter: »Mensch, Tata, du Genius …, natürlich für immer.«
Die grellen Tattoos geraten durch ihr Lachen in Bewegung. Ich weiß, sie nimmt einen gigantischen Drachen huckepack. Und der schlägt jetzt am Hals mit dem Schwanz. In seiner ganzen Größe werde ich ihn wohl nie sehen, weil er von der grünen Tank-Weste und dem orangefarbenen Velourrock verdeckt wird.
Dann war sie weg und wenig später auch Marc. Die blutige Wüste, die sie hinterließen, war unbeschreiblich. Danach wusste ich, es gibt Herzamputationen, und Phantomschmerzen, die fast noch schlimmer sind.

»Kannst du denn damit … normal greifen, schreiben und alles?« Ich ringe um Fassung. Sie lacht, zeigt ihre gespaltene Zunge, an die ich mich nie gewöhnen werde. Ich kann es ihr ansehen, sie findet meine Fragen amüsant – und auch bieder. Ihre roten Augen leuchten etwas heller als die riesigen, bunten Displays an den grauen Hochhausfassaden hinter ihr.
»Na sicher, alles genau wie vorher.« Der kalte Fisch kneift mich zum Beweis fest in den Arm. Dennoch schwimme ich weiter, kann mich an ihrem Blick nicht festhalten und spüre es doch: Irgendetwas hält sie zurück.
Als ich sie dann nach langer Zeit wiederfand, begrüßte mich der neue Drache mit Armen und Beinen. Sie hatte ihre Rüstung vervollständigt. Marc hatte der Orkus der Stadt verschluckt.

»Überall … ist es wie vorher.« Überall? Erschrocken bricht die Frage aus mir heraus: »Ja, hast du denn noch mehr …«, der Rest bleibt mir im Hals stecken, als sie die Weste halb aufschlägt. Sie hat nichts darunter. Ihre Brust wie eine mit schlierigem Rauch gefüllte Blase. Darunter wieder weiße Strangwolken, das Rippengatter. Durch die Lücken erkenne ich dahinter fingerdicke Arterien und Venen, an denen das pochende Herz aufgehängt scheint.
Jetzt muss ich doch nach Luft schnappen, stütze mich auf den stinkenden Mülleimer, neben dem wir stehen. Dabei hatte ich mir doch vorgenommen …
Sie klappt die Weste zu, als wäre es das Normalste der Welt. Luftholen. Möglichst leise.
Ich wende den Blick ab, schaue zur Seite und sehe im Schaufenster einen gebückten, alten Mann, dem als Halt nur ein Mülleimer bleibt.
»Wollen wir was futtern?« Ich kann das Kopfkino kaum anhalten, das sie damit anwirft. Stelle mir die glucksende Speiseröhre und den malmenden Magen vor. Erst als die Filmrolle wieder steht, bin ich in der Lage, zu antworten.
»Chinese?« Mehr bringe ich nicht heraus. »Yep, wegen mir ...« Sie zuckt mit den Schultern und stelzt neben mir her. Wegen des knöchelhohen Bodensatzes aus Abfall muss sie ständig nach unten schauen.
Ich dirigiere sie in die übernächste Seitengasse.
Die Laternen sind zu einem fahlen Rosa verblichen, das angestrichene Holz lässt den Schriftzug nur erraten. 'Shanghai Palace', ich muss nicht hinschauen, ich weiß es.
Drinnen ist tote Hose, wir sind zu früh. Das Ambiente ein Misch-Masch aus Asia Dekokitsch und Bahnhofsvorhalle. An der Wand hängt ein staubiger Fisch auf einem Holzbrett, der zappelt, als wir daran vorbeigehen und dazu schnell etwas Chinesisches faselt. Fast rechne ich damit, dass die Fische sich unterhalten.

Wir sitzen noch nicht ganz, als Herr Zhao herandackelt und zwei Tablets verteilt, auf deren zerkratzten Displays die Speisen in Endlosschleife vorbeiziehen. Meine faltigen Hände zittern noch leicht, erhalten keine Gelegenheit zur Beruhigung, denn unter 'special of the day' erscheint ein nebulöser, glibbernder Fleischklumpen mit verbrannter Außenschale, darunter der Text: 'suckling pig, translucent'.
Keine Frage, was Bea nach einem spitzen Aufschrei mit schnellem Tippen des Zeigefingers bestellt.
»Boa, wie schrill ist das denn ...« Damit zückt sie ihr Smartphone aus der Weste und schießt ein Foto. Im Anschluss massiert sie ihr Gerät mit abwechselnden Daumenschlägen. Ihre langen Nägel klappern auf dem Glas wie Typenhebel einer Schreibmaschine.
»Das wird er nicht glauben …« Wer denn? Einer ihrer 'NoKoFo's? Ich würge meinen Ekel hinab, sehne mich nach einem sichtbaren Steak mit zerlaufender Kräuterbutter und ordentlichen French Fries ohne Schnickschnack-Topping. Essen könnte ich selbst das jetzt nicht, mein Mund ist trocken, wie vernagelt.
Ich signalisiere mit einer kleinen Geste Herrn Zhao Magenprobleme und bestelle nur grünen Tee.
Unsere satte Sommerwiese, übersät mit blühendem Löwenzahn. Freibadwetter. Heißer Wind bringt Pollen und den Duft von trockenem Gras. Ich sitze auf meinem Campingstuhl im Schatten unserer knorzigen Eiche, Blätter rauschen, in der Hand die Tageszeitung, die mit den Fingern raschelt, auf der Ablage eine Tasse dampfender Kaffee. Die blonde Bea kommt gelaufen, barfuß, in der Hand baumelt eine Kette aus Gänseblümchen. Sie läuft zum Sonnenschirm und drapiert die Kette auf Marthas Haaren. Martha, die den schlafenden Marc auf dem Schoß hält. Und dann rennt Bea noch mal los und macht eine neue für Marc.

»Hej, Tata, ich muss dir was sagen.«
Bitte keine Beichte, denke ich nur.
»Ich möchte dir jemand vorstellen. Hab' ihn gerade angeschrieben, er kommt gleich.« Entwarnung, Halleluja.
»Oh, du hast jemanden kennengelernt?« Ich versuche, meine Erleichterung im Zaum zu halten.
»Sozusagen.« Bea lächelt verschmitzt und schnalzt zischelnd mit ihrer flatternden Zungenspitze.

Ihr Essen kommt, eine Scheibe schwabbeliges Etwas, umkränzt von Ruß. Die Sauce darunter gibt dem blassen Ganzen einen Stich lila. Bea ist in keinster Weise irritiert, piekst ihre Gabel hinein und verschlingt schmatzend das Nebelfleisch.
"Kann man echt essen, Tata."
Ich schaue suchend an die Wand, wo die Kalligraphie-Banner hängen und wünschte, ich könnte die Schriftzeichen entziffern. Bin dankbar für jede Atempause. Das eine sieht aus wie ein Drache, Schwarz auf Weiß statt Neon. Vielleicht ein Glücksdrache?

Die Doppeltür in den Gastraum schwingt auf und er kommt herein. Ich halte die Luft an. Die Teetasse knallt auf den Unterteller, als ich versuche, sie ohne Unfall abzusetzen. Er ist nackt, bis auf seine bläulichen Shorts. Und komplett transluzent, von der Fußsohle bis zu den Haarspitzen. Alles andere hat er abgelegt. Gemächlich schlendert er zu uns herüber, seine Eingeweide schaukeln gespenstisch im Rhythmus seiner Schritte. Über den Tisch hält er mir seine pulsierende Hand hin. Gelassen und ruhig. Da ist was in den milchigen Augen, das mir vertraut vorkommt.
»Ich bin Ghost.« Ich kenne die tiefe Stimme. Er ist es und gleichzeitig ist er es auch nicht. Natürlich, sein Datum! Ich kann die Tränen nicht zurückhalten und weiß doch, niemand kann die Zeit zurückdrehen. Es ist zu spät, nur ich sehe noch die Blumenkette in seinem Haar.
Die Transformation ist abgeschlossen.

 

Hej Lani,

erst mal ein taufrisches Herzlich Willkommen bei den Wortkriegern.

Danke dafür, dass du meinen Text gelesen und kommentiert hast! ich finde es gut, wenn Neulinge es langsam angehen lassen und parallel zu der eigenen eingestellten KG auch fremd kommentieren. So wird es ein Geben und Nehmen und nur so funktioniert es letztlich. Wünsche dir viel Spaß hier und den erhofften Effekt auf dein eigenes Schreiben.

Lese ich das richtig, dass du beinahe beim ersten Absatz schon aufgehört hättest? Puh, dann muss ich den Einstieg ev. noch etwas glätten. In Richtung perverser Totschlag sollte niemand geschubst werden.

Du hast den Kern der Story schön gepitcht, alles so, wie gedacht. Nur das Ende kommt irgendwie nicht rüber, trotz Datum, Sternzeichen und wiederholter Erwähnung des verlorenen Sohnes. Ich hatte gehofft, das würde sich aus den Puzzleteilchen erschließen.

Und dann kommt das Ende: Ghost taucht auf, und ich verstehe selbst nur noch chinesisch. Hm, da muss ich wohl noch mal ein bisschen drüber nachdenken.
Hm, sieht aber so aus, als wäre der Schluss noch Baustelle.


Peace, linktofink

 

Hallo linktofink,

"Lese ich das richtig, dass du beinahe beim ersten Absatz schon aufgehört hättest? Puh, dann muss ich den Einstieg ev. noch etwas glätten. In Richtung perverser Totschlag sollte niemand geschubst werden."

Nein, so schlimm war es nicht, kurz darauf erklärt sich die Sache dann ja auch von selbst. Ich finde es gut, wie es ist, es ist keine alltägliche Sache, die du da beschreibst, und im echten Leben müsste man sicher auch zwei, drei Mal hinschauen, um es zu begreifen.

Liebe Grüße

 
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Oye, kopeng (aka linktofink)

Da bin ich wieder. Und wie schön Dein Belter Creole ist. Bist Du einfach nur sehr anpassungsfähig, oder sind wir beide Expanse-Fans? If so: Party hard, because we just saved The Expanse. Ich boykottiere zwar Amazon, aber es gibt ja noch DVDs. Hauptsache, die Show geht weiter, sa sa?

Authentizität hin oder her, Russische Phrasen generell empfinde ich genau wie solche in belter creole eher als Bremsklotz in der Story, weil garantiert niemand sie versteht, ohne zu guuuuugeln.

Ich bin nur hier, um nochmal zu betonen, dass ich Dir nichts aufzwängen wollte, nur sagen, wie ich als Twen es ausdrücken würde. Und um nochmal zu schauen, was Du draus gemacht hast. Alles sind nur Vorschläge oder Illustrationen dessen, was ich sage. Also, schauen wir uns das mal an:

»Am Anfang ist es echt tschüsch, Tata«, sagt Bea.

Wie man in Salz-Ghetto, hust, ‘tschuldigung, Salz-Gitter sagt. Und Du hast das „Tata“ wieder drin. :herz: Im gut.

»Schick, ne? Echt fancy ...«

Yas!

»Hab' ich mir im BTL-Shop machen lassen, neulich.«

Wie sie ihn mit Abkürzungen ausgrenzt, finde ich toll gemacht. Habe ich schonmal gesagt, sage ich gerne nochmal.

»Nee, nicht doch, ich kann den Arm abwerfen, weißt du, kein Thema, er wächst normal nach …«

Der Duktus ist super. Sie spricht mit richtigem Rhythmus. Spürst Du das auch? Das mag ich, dafür braucht man gar keine besonderen Wörter.

»Mensch, Tata, du Nullchecker …, natürlich für immer.«

„Nullchecker“, na ja. Ich würde das tatsächlich weglassen. Die Herablassung hört man doch schon am Ton, ganz ohne Beleidigung.

»Boa, das ist voll cringy.«

„cringy“ würde ich nicht verwenden. Es heißt eher etwas wie „peinlich“. „cringy“ beschreibt den Augenblick, wo ich mich winde und mir denke: „Uh, so geht das aber nicht, beratna. Ich schau mal lieber weg.“ https://www.youtube.com/watch?v=eKXa5o5p3Vs Wie man das Wort richtig benutzt, zeigen Jay und Arya hier. Die beiden sprechen auch extrem twenmäßig (da es Youtube ist, auch etwas übertrieben). Vom Sprachrhythmus her kriege ich genau den gleichen Eindruck von Bea, und das finde ich ziemlich gut.

Ich kann nur wiederholen, dass ich v.a. den Duktus mag. Und ich weiß jetzt auch, warum ich mich von Jugendsprache fernhalte. Das Problem ist dieses Ansprechen der In-Group und Diskriminieren der Out-Group. D.h., ich, wenn ich Bea schreiben würde, könnte das Problem bekommen, dass am Ende alle „Erwachsenen“ nicht mehr verstehen, was sie sagt, obwohl es mir völlig klar ist. Und Du als „Erwachsener“, als Teil der Out-Group, wenn Du Bea schreibst, läufst in Gefahr, den Text mit Bedeutungen zu versehen, die Du selbst gar nicht gespürt hast.

Deshalb verzichte ich persönlich drauf (obgleich ich als eine, die irgendwann eine wirklich tolle Dialogschreiberin sein will, wirklich daran arbeiten sollte). Deshalb würde ich mich vielleicht auch vorrangig auf den Duktus und nachrangig auf fancige Wörter konzentrieren. Da kann man nicht viel falsch machen – gleichzeitig ist es schwierig umzusetzen, und ich bewundere, wie Du das machst.

Schließen wir dieses Kapitel ab. Ich mag’s, wie Du es machst. Im kowl gut.

Das ist ein bissl schade, dass das nicht rüberkommt, denn es handelt sich um Marcs Geburtstag, an dem nach Beendigung seiner Transformation der neue Mensch (Ghost = Sohn, ja) geboren ist. Also zu kryptisch!? Na da muss ich mal schauen, was geht, sésata.

Ich weiß nicht, Du hast das Ende jetzt angepasst („sein“ Datum), aber ich bin immer noch kein Fan davon. Mir erscheint das overdone, plötzlich klatschst Du ganz viele Andeutungen rein, die ich nicht verstehen kann. Deshalb stehe ich am Ende da und denke: „Hä, scheiße, jetzt habe ich irgendwie nicht aufgepasst, muss den Text nochmal lesen, denn da war irgendwas, was ich nicht verstehe.“ Würde es nicht völlig reichen, dass er (und ich) Marc erkennt? Ich habe hier wirklich immer noch das Gefühl, dass es eine versteckte Bedeutung gibt, die ich beim besten Willen nicht finden kann. Und da Du sagst …

Nope außer dem nix.

… halte ich das für kein gutes Ende. So machst Du mich grundlos wahnsinnig. Gefällt mir nicht.

Also, da würde ich aufpassen, dass Du es nicht overworkst. Wenn es dafür nämlich keinen Grund gibt, im mal, sa sa?

Ansonsten habe ich dem nichts hinzuzufügen. Tenye wa tim gut und make it work!

Peace,
Maria

 

Hola, linktofink,

schön schräg geht’s los:

... tschüsch, Tata«, sagt Bea.
Hehe.
fühlt es sich auf meiner Hand an wie nasser Fisch.
Gitt:cool:.
der weiße Strecksehnenfächer
kühn und plastisch:thumpsup: - Nur Sehnenfächer, eventuell?
Und nach der artigen Begrüßung stürzt auf den Leser eine Mure noch nie gehörter, doch irgendwie nicht verstörender Ausdrücke, geniale Wortschöpfungen, dicht an dicht – das prasselt nur so.
Allein dafür sollte man Dir ein eisernes Kreuz umhängen – so um die hundert Kilo.

Die Knochen schimmern wie milchige Wolkenstränge durch die gallertartige, trübe Masse, davor zucken winzige rote Gefäße.
Grandios! Das knallt echt. Die ganze Atmosphäre ist mir nicht geheuer, doch faszinierend auf jeden Fall. Ich finde, auf diesen Text kannst Du Dir was einbilden. Arbeit & Fleiß, (bisschen) Besessenheit und Pauer – und bald kommt der Ruhm (wetten?).
Dir schon jetzt meine neidlosen Glückwünsche!

Die kleinen Hörner kamen erst, nachdem Martha eingeschlafen war.
Mein lieber Herr linktofink, Du hast uns hier einen ganz dicken Hund serviert. Nicht reißerisch, sonders aus meiner Sicht wirklich mit höchstem Anspruch. Mutig, weil das nicht alle Welt mag, gradlinig statt anbiedernd, Kompliment.
Ich versuche, die bange Hoffnung auf Verneinung aus meiner Stimme zu verdrängen.
Das ist großartig!
»Nee, nicht doch, ich kann den Arm abwerfen, weißt du, kein Thema, er wächst normal nach …« Cool saugt sie an ihrer E-Kippe. So gesprochen, mit heiligem Ernst, bin ich geneigt, ihr sogar das abzunehmen. Mit ihren hochhackigen Plateau-Boots sind wir auf Augenhöhe.
Einfach gekonnt irre.
Und hör Er mal: Wenn mich Dein Text mit diesem Igitt-Thema aus der Sicht eines alten Knackers in Bann schlägt, dann kann ich das nur durch handwerkliches Können erklären. Alle Achtung!
Du hast das Thema komplett ausgereizt – manchmal fast ein bisschen zu viel und vordergründig, dennoch optimal/maximal/toll. Da haste ein Glanzstück kreativen Schreibens abgeliefert.
Ich könnte noch mehr zitieren und mich begeistern – auch über die Tatsache, dass nicht nur gekonnt aufgezählt und dargestellt wird, sondern auch der enorme Sprung in der gesellschaftlichen Veränderung bearbeitet wird.
Ich kann das Kopfkino kaum anhalten, das sie damit anwirft.
Das ist Können.

Die Laternen sind zu einem fahlen Rosa verblichen
Klasse. Sagt doch unglaublich viel.
seine Eingeweide schaukeln gespenstisch.
Hihi; dachte schon, wir hätten es. Aber Dir fällt immer noch was ein.
Jedenfalls mehrere Chapeaus, mein Lieber, hätte ich alles loben und bewundern wollen in / von Deinem Text, verpasste ich das Mittagessen.

Total beeindruckt –
José

 

@ TeddyMaria,

Da bin ich wieder. Und wie schön Dein Belter Creole ist. Bist Du einfach nur sehr anpassungsfähig, oder sind wir beide Expanse-Fans? If so: Party hard, because we just saved The Expanse. Ich boykottiere zwar Amazon, aber es gibt ja noch DVDs. Hauptsache, die Show geht weiter, sa sa?
Habe ich gut hingefaket, gell? :D Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich keinen Plan von "The Expanse" habe, da ich sehr wenig fernsehe und Serien sowieso nicht. Ich sauge mit meinen Augen lieber das Internet leer. Aber wenn das ein Tipp von dir ist, werde ich mal reinschnüffeln.

"Nullchecker“, na ja. Ich würde das tatsächlich weglassen. Die Herablassung hört man doch schon am Ton, ganz ohne Beleidigung.
Danke für den Hinweis. Hab´s jetzt mal mit "Genius" probiert, das im besten Fall leicht ironisch wohlwollend rüberkommt?

„cringy“ würde ich nicht verwenden. Es heißt eher etwas wie „peinlich“. „cringy“ beschreibt den Augenblick, wo ich mich winde und mir denke: „Uh, so geht das aber nicht, beratna. Ich schau mal lieber weg.“
hab´s durch das Original ersetzt, wie ich es gedacht hatte: schrill.

Deshalb verzichte ich persönlich drauf (obgleich ich als eine, die irgendwann eine wirklich tolle Dialogschreiberin sein will, wirklich daran arbeiten sollte). Deshalb würde ich mich vielleicht auch vorrangig auf den Duktus und nachrangig auf fancige Wörter konzentrieren. Da kann man nicht viel falsch machen – gleichzeitig ist es schwierig umzusetzen, und ich bewundere, wie Du das machst.
Jo, die Sprache ist tatsächlich das Thema, das ich immer wieder ändere und nachhaltig versuche zu verbessern. Also hau mir alles um die Ohren, sésata, was nicht glaubwürdig ist (Wer wenn nicht du kann das beurteilen?).

Ich weiß nicht, Du hast das Ende jetzt angepasst („sein“ Datum), aber ich bin immer noch kein Fan davon. Mir erscheint das overdone, plötzlich klatschst Du ganz viele Andeutungen rein, die ich nicht verstehen kann. Deshalb stehe ich am Ende da und denke: „Hä, scheiße, jetzt habe ich irgendwie nicht aufgepasst, muss den Text nochmal lesen, denn da war irgendwas, was ich nicht verstehe.“ Würde es nicht völlig reichen, dass er (und ich) Marc erkennt?
Die Gefahr, über den Punkt hinauszuschießen, ist natürlich groß. Das overdone kann ich verstehen. Ich überlege nur gerade, ob es nicht auch ein schönet Dingen ist, wenn sich die Auflösung erst beim zweiten Lesen erschließt. Da muss ich nochmal über die Rezeptur nachdenken.

Tenye wa tim
… The Expanse ruft nach mir.

Peace, linktofink


josefelipe

Danke José für deinen Komm., Ich hab ihn auf Stoff gedruckt und mein Sofa damit neu bezogen. Jetzt schwebe ich schon seit einer Stunde samt Sofa durch mein Wohnzimmer. In Rotation habe ich es versetzt bekommen, jetzt muss ich nur noch die Fledermausbefehle lernen, dann gibt es kein Halten mehr.
Das eiserne Kreuz nehme ich als Wurfanker mit, wenn es recht ist, der Herr. ;)

Über den Rest schweigt der Gentleman und fliegt …


Wolkige Grüße (Nr. sieben) und Peace,

linktofink

 

Hi linktofink,

ich hatte eine Weile nicht genug Zeit, um viel hier zu lesen, dadurch ist mir deine Geschichte bisher entgangen. Aber ich finde es gut, dass ich zu dieser Party zu spät komme, denn ich habe den Eindruck, dass der Text durch die Kommentare und Überarbeitungen inzwischen richtig reif und rund geworden ist. So kann ich die Früchte deiner und der Arbeit deiner Kommentatoren genießen, ohne selber noch viel beitragen zu müssen, außer Lob. :D

Damit es nicht so langweilig ist, werde ich mich aber bemühen, zumindest ordentlich herauszuarbeiten, was genau mir gefällt und warum.

Erstmal ist natürlich die Idee sehr cool und unverbraucht. Allein die Bilder, die du erzeugst, machen den Text schon ziemlich lesenswert. :thumbsup:

Für mich ist es allerdings keine Fantasy-Idee, sondern eindeutig eine Science Fiction-Idee. Dass die Genres nicht scharf abgegrenzt sind und man da so gut wie immer unterschiedlicher Meinung sein kann, ist klar, also wegen mir brauchst du deine Tag-Auswahl nicht zu ändern. Aber ich diskutiere gerne über sowas, deshalb will ich die Gründe noch ein bisschen ausführen.

Diese Art von Body Modification ist zwar nach dem Stand der Technik nicht möglich und wird es vermutlich auch nie sein. Das gilt aber genauso für Zeitmaschinen und Überlichtgeschwindigkeit, die trotzdem in der Regel dem SciFi- und nicht dem Fantasy-Genre zugerechnet werden. Du beschreibst auch in der Geschichte, dass die Transluzenz durch eine Technologie hergestellt wird, die als Nebenprodukt bei der Entwicklung neuer medizinischer Methoden entstanden ist - also kein geheimnisvoller magischer Laden in einer Seitenstraße, der eines Tages plötzlich aufgetaucht und beim nächsten Mal nicht mehr da ist, keine mystische Meditationstechnik, die den Körper transparent macht, sondern Wissenschaft, wenn auch fiktive und im Text nicht näher beschriebene Wissenschaft. Also ich hoffe, ich drücke mich verständlich aus - man könnte natürlich ohne Weiteres ein Fantasy-Szenario erfinden, wo Menschen durch Magie halb durchsichtig werden können. Das hast du aber in diesem Fall nicht getan.

Außerdem spielt die Geschichte in der Zukunft und einer Welt, bei der es nicht allzu schwer vorstellbar ist, dass sie aus unserer hervorgehen könnte - was zwar auch kein Totschlag-Kriterium für eine Abgrenzung von Fantasy und SciFi ist, aber doch ein bisschen Gewicht in die SciFi-Wagschale wirft.

Und schließlich ist die Geschichte durchzogen von gesellschaftlichen/ philosophischen Themen. Auch das ist kein Alleinstellungsmerkmal von SciFi - ich mag es selber überhaupt nicht, wenn Fantasy als minderbemittelter Trash abgetan und Science Fiction zur reinen Sphäre des Intellektuellen hochstilisiert wird. Aber ich würde doch sagen, dass die Art von hintergründigem sozialem Kommentar, den dein Text liefert, in Science Fiction-Geschichten tendenziell häufiger ist als in Fantasy-Geschichten.

Und damit beschließe ich meinen Vortrag zum Thema "warum Perdita mit der Tag-Auswahl nicht einverstanden ist". :)

So, das musste raus, aber jetzt können wir den Nebenschauplatz verlassen und mal über was richtig Interessantes reden, nämlich die Frage, was die Transluzenz bedeutet. Ich hatte da sofort eine Assoziation - das Ganze ist natürlich offen für verschiedene Interpretationen und unterschiedliche Leser können unterschiedliche Dinge im Text sehen - aber ich finde, die passt so gut, dass ich da unbedingt drüber reden muss, auch weil, wenn ich nicht irgendwas übersehen habe, dieser Gedanke bisher in den Kommentaren glaube ich noch nicht vorkam.

Die Tochter macht etwas, was der Vater nicht versteht, was er befremdlich und sogar leicht abstoßend findet. Und sie macht sich so ein bisschen darüber lustig, dass er so empfindet, dass er nicht mit der Zeit geht. Und das, worum es geht, ist die Tatsache, dass sie sich durchsichtig macht.

Da musste ich sofort an Social Media denken, und daran, wie viele junge Leute da bedenkenlos sehr private, intime Dinge über sich preisgeben. Das ist zwar kein reines Generationending - ich selber habe diese Sachen, als das alles noch neu war, auch ziemlich unkritisch benutzt und bin erst nach und nach vorsichtig geworden. Und jetzt kenne ich Leute, die deutlich älter sind als ich und fröhlich Facebook und WhatsApp nutzen, ohne zu verstehen, was ich daran bedenklich finde.

Trotzdem war das der erste Gedanke, den ich hatte - Kind macht sich transparent, und Papa macht sich deswegen Sorgen - yeah, Soziale Medien. Ist zwar keine zwingende Assoziation und war vielleicht von dir auch gar nicht beabsichtigt, aber ich fand das cool.

Aber es gibt natürlich auch andere Ebenen. Was mir auch gut gefallen hat - sie wird durchsichtig, aber für ihren Vater wird sie immer undurchschaubarer. Nette Ironie - oder vielleicht auch etwas Tiefsinnigeres. Sie möchte, dass man ihr Innerstes sehen kann - und der Vater will das eigentlich nicht, es ist ihm unangenehm und er schaut lieber nicht genau hin. Das könnte man auch als eine Metapher sehen für die Entfremdung zwischen den beiden.

Du bringst die Gefühle des Vaters sehr gut rüber und das wirkt sehr glaubwürdig und erzeugt auch Mitgefühl. Trotzdem ist er mir eigentlich nicht sympathisch. Über das, was er empfindet, redet er eigentlich nur in seinem inneren Monolog. Die Unterhaltung mit seiner Tochter bleibt die ganze Zeit an der Oberfläche, und ich habe das Gefühl, das liegt an ihm. Er sagt, er hat Angst, Bea ganz zu verlieren, wenn er nicht so tut, als sei alles normal - das ist nachvollziehbar, aber so ein bisschen kommt es mir auch wie eine Ausrede vor. Irgendwie habe ich den Eindruck, er ist Konfrontationen schon so lange aus dem Weg gegangen, hat es schon so lange vermieden, über Dinge zu sprechen, die ihm unangenehm sind, dass er überhaupt keine emotionalen Gespräche mehr führen kann. Möglicherweise liegt da auch eine Ursache darin, warum seine Tochter immer extremere Formen der Selbst-Expression sucht - vielleicht möchte sie ja eine Reaktion provozieren, die über ein lahmes "mal was ganz anderes" hinaus geht.

Er erwähnt ja den Tod seiner Frau nur flüchtig, aber der Kontext ist, dass vorher alles heile Welt war und danach sind ihm seine Kinder entglitten. Ich habe den Verdacht, fürs Emotionale war in der Familie immer die Mama zuständig, und er hat es auch danach nie richtig gelernt, über Gefühle zu reden, Konfrontationen auszuhalten, und all so was. Vielleicht ist es auch nicht so, vielleicht hat ihn die Trauer über den Verlust seiner Frau aus der Bahn geworfen und seiner Kommunikationsfähigkeit beraubt, aber ... ich sag's mal so, diese Konstellation ist mir auch im wahren Leben schon öfters untergekommen und das ist nicht positiv für ein Vater-Kind-Verhältnis. Aber bevor ich jetzt noch anfange, über soziale Geschlechterrollen und gesellschaftliche Erwartungen zu philosophieren, die für Männer mindestens genauso doof sind wie für Frauen, rede ich lieber über was anderes.

Was ich nämlich außerdem sehr mag an der Geschichte, ist die Sprache. Deine Formulierungen und Sprachbilder sind nicht ausgelutscht und trotzdem gut verständlich. Und Beas Art zu reden finde ich sehr gut umgesetzt, weil du es schaffst, das wie einen authentischen Jugend-Slang wirken zu lassen, der nur für die peer group verständlich ist und die Älteren ratlos macht - aber ohne, dass es für die Leser zu schwierig wird, das Gespräch zu verfolgen. Ich finde es gut, dass die Slangworte aus verschiedenen Sprachen bzw. Dialekten entlehnt sind. (Ich denke mir, "Tata" ist auch so was. Da es in der Geschichte sonst keinen Hinweis auf einen osteuropäischen Hintergrund der Familie gibt, habe ich das so aufgefasst, dass die Jugendsprache so ähnlich funktioniert wie in A Clockwork Orange :)).

Am Schluss noch zwei kleine Textstellen:

Die Innenstadt quillt über vor 'NoKoFo's, selbsternannten Nonkonformisten mit Body-Modelling-Tick.
Das "mod" in "body mod" steht doch eigentlich für "modification", oder? Bei "Body Modelling" denke ich eher Richtung Fitnessstudio (ich weiß, das heißt Body Building), und wenn man es suchmaschint (Eines Tages werde ich Googles Quasimonopolstellung brechen! :silly: ), dann findet man Sachen, die was mit Programmieren zu tun haben, soweit ich das beurteilen kann ... :)

Er ist es und gleichzeitig ist er es auch nicht. Natürlich, sein Datum!
Obwohl du weiter oben im Text erwähnst, dass Bea und ihr Vater sich immer an Marcs Geburtstag treffen, hat mich diese Stelle beim ersten Lesen ziemlich verwirrt. Spricht aus deiner Sicht etwas dagegen, einfach noch mal "Geburtstag" zu schreiben anstatt "Datum"? Dann wäre es nämlich viel klarer und verständlicher, finde ich.
Oder wenigstens „das Datum“ statt „sein Datum“. Dann wäre es weniger offensichtlich, aber trotzdem zumindest sprachlich logisch. Denn es sagt ja niemand „mein Datum“ zu seinem Geburtstag.

Ja, das waren so meine Gedanken zu dem Text. Wie du siehst, fand ich den sehr anregend, ich hab tatsächlich mehrere Pendel-Zugfahrten mit diesem Kommentar verbracht. :)

Ich hoffe, ich habe nicht zu viel rumgeschwafelt und es ist was dabei, womit du etwas anfangen kannst :shy:

Grüße von Perdita

 

Hej Perdita,

Danke für deinen Mega Komm. Hat mir gestern ein Schmunzeln ins Gesicht gezaubert, weil du einige Aspekte siehst, die niemand sonst bedacht hat, Linky inkl..
Ich hab mit der Antwort angefangen, doch mir fallen gerade die Augen zu. Sobald ich Zeit habe (spätestens Ende der Woche) melde ich mich ausführlicher. ;)

Peace, linktofink

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej Perdita,

ich hatte eine Weile nicht genug Zeit, um viel hier zu lesen, dadurch ist mir deine Geschichte bisher entgangen. Aber ich finde es gut, dass ich zu dieser Party zu spät komme, denn ich habe den Eindruck, dass der Text durch die Kommentare und Überarbeitungen inzwischen richtig reif und rund geworden ist. So kann ich die Früchte deiner und der Arbeit deiner Kommentatoren genießen, ohne selber noch viel beitragen zu müssen, außer Lob.
Oh danke, mich freut es sehr, dass nach vier Wochen noch was kommt. Und dann so ein toller Komm.

Erstmal ist natürlich die Idee sehr cool und unverbraucht. Allein die Bilder, die du erzeugst, machen den Text schon ziemlich lesenswert.
Schön, dass dir das gefällt, die adjektivlastige Schreibe gefällt lange nicht jedem hier.

Und schließlich ist die Geschichte durchzogen von gesellschaftlichen/ philosophischen Themen. Auch das ist kein Alleinstellungsmerkmal von SciFi - ich mag es selber überhaupt nicht, wenn Fantasy als minderbemittelter Trash abgetan und Science Fiction zur reinen Sphäre des Intellektuellen hochstilisiert wird. Aber ich würde doch sagen, dass die Art von hintergründigem sozialem Kommentar, den dein Text liefert, in Science Fiction-Geschichten tendenziell häufiger ist als in Fantasy-Geschichten
Du hast mich überzeugt, der Tag ist geswitcht zu Sci-Fi. ;)

Und damit beschließe ich meinen Vortrag zum Thema "warum Perdita mit der Tag-Auswahl nicht einverstanden ist".
… und jetzt hoffentlich besänftigt.

Da musste ich sofort an Social Media denken, und daran, wie viele junge Leute da bedenkenlos sehr private, intime Dinge über sich preisgeben.
Das ist tatsächlich ein Aspekt, über den ich selbst nicht nachgedacht habe, obwohl er eigentlich naheliegend ist. Ich finde es immer schön, wenn Leser etwas Eigenes im Text sehen und so auch meine Gedanken bereichern.

Du bringst die Gefühle des Vaters sehr gut rüber und das wirkt sehr glaubwürdig und erzeugt auch Mitgefühl. Trotzdem ist er mir eigentlich nicht sympathisch. Über das, was er empfindet, redet er eigentlich nur in seinem inneren Monolog. Die Unterhaltung mit seiner Tochter bleibt die ganze Zeit an der Oberfläche, und ich habe das Gefühl, das liegt an ihm. Er sagt, er hat Angst, Bea ganz zu verlieren, wenn er nicht so tut, als sei alles normal - das ist nachvollziehbar, aber so ein bisschen kommt es mir auch wie eine Ausrede vor. Irgendwie habe ich den Eindruck, er ist Konfrontationen schon so lange aus dem Weg gegangen, hat es schon so lange vermieden, über Dinge zu sprechen, die ihm unangenehm sind, dass er überhaupt keine emotionalen Gespräche mehr führen kann. Möglicherweise liegt da auch eine Ursache darin, warum seine Tochter immer extremere Formen der Selbst-Expression sucht - vielleicht möchte sie ja eine Reaktion provozieren, die über ein lahmes "mal was ganz anderes" hinaus geht.
Ich sehe den Vater als emotional verhärmten und auch einsamen Menschen, der in der neuen Zeit nicht mehr klar kommt und sich an Vergangenes klammert. Durch sein Ausweichen, sein „Wogen glätten wollen“ und seine emotionale Abwesenheit provoziert er nicht nur Bea, sondern auch Marc. Er kann ihnen keinen Halt geben, weshalb sie zügig nach dem Tod der Mutter das Haus verlassen haben, um ihren eigenen Weg zu gehen und sich maximal abzugrenzen. Beide wollen auch körperlich neue Menschen werden, um das Geschehene hinter sich zu lassen, deshalb auch die „Rüstung“.

Ich habe den Verdacht, fürs Emotionale war in der Familie immer die Mama zuständig, und er hat es auch danach nie richtig gelernt, über Gefühle zu reden, Konfrontationen auszuhalten, und all so was. Vielleicht ist es auch nicht so, vielleicht hat ihn die Trauer über den Verlust seiner Frau aus der Bahn geworfen und seiner Kommunikationsfähigkeit beraubt
Jo, ich sehe den Vater in der ehem. Fam.-Konstellation eher in der klassischen Rolle, insofern hast du mit der emotionalen Zuständigkeit der Mutter recht. Er ist ein Knochen alter Prägung und dazu gehört (leider) oft emotionale Unfähigkeit. Nach dem Tod von Martha fehlen ihm deshalb die Mittel, die Bindung zu seinen Kindern aufrechtzuerhalten und sie entgleiten ihm.

Was ich nämlich außerdem sehr mag an der Geschichte, ist die Sprache. Deine Formulierungen und Sprachbilder sind nicht ausgelutscht und trotzdem gut verständlich. Und Beas Art zu reden finde ich sehr gut umgesetzt, weil du es schaffst, das wie einen authentischen Jugend-Slang wirken zu lassen, der nur für die peer group verständlich ist und die Älteren ratlos macht - aber ohne, dass es für die Leser zu schwierig wird, das Gespräch zu verfolgen.
Das ist eine enorm wichtige Rückmeldung, denn gerade mit der Sprache habe ich sehr gerungen (großer Dank an TeddyMaria) und mich freut es unglaublich, dass für dich als Spätleserin das Ganze anscheinend funktioniert. Vielen lieben Dank.

Hast natürlich recht: Body Modelling habe ich geändert zu Body Modification, liest sich gleich viel besser. Danke auch hierfür.

Mit der Geburtstags-/Datumssache bin ich noch nicht im reinen, aber danke für die Rückmeldung, dass zumindest die Auflösung geblickt werden kann. Da muss ich noch einen Weg finden, die Eindeutigkeit herzustellen, ohne zu platt zu werden.

Ja, das waren so meine Gedanken zu dem Text. Wie du siehst, fand ich den sehr anregend, ich hab tatsächlich mehrere Pendel-Zugfahrten mit diesem Kommentar verbracht.
Ich nehme das als Bestätigung, meinen Weg weiter zu gehen, denn es scheint zumindest bei einigen Lesern was anzukommen. Ich freue mich sehr darüber.

Peace, linktofink

 

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