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Tranquillo

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Tranquillo

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Schlendern, langsam an den schmutzigen Schaufenstern des Buchgeschäfts vorbei, in provozierendem Tempo über den Zebrastreifen. Hupende Autofahrer ignorieren. Einen Gang runterschalten. Und noch drei Zentimeter, sachte.
Im Schneckentempo über den Gehsteig, dicke Menschen drängeln von hinten, einen weiteren Gang runterschalten, in Trance über die Fußgängerbrücke.
Nur noch wenige Schritte pro Minute, das Bein heben und senken in Zeitlupe, die Luft durchwaten wie Wasser.
Die Gestalten der anderen Fußgänger, nurmehr Streifen in der Landschaft, zucken vorbei wie Blitze.
Verlangsamen, Geschwindigkeit drosseln, der Himmel flackert, hell-dunkel in rascher Folge.
Den Blick nach vorn gerichtet, einen Schritt nach dem anderen, behutsam, immer geradeaus, durch Häuserschluchten, jedes einzelne Gebäude ein treuer Begleiter für eine lange Zeit, über Straßen, Wege und Felder. Die Bäume werfen ihre Blätter ab und bekommen neue, immer wieder, bei jedem Schritt; Jahreszeiten im raschen Wechsel, schneller und schneller, verschmelzen zu einem Konglomerat aus Form und Farbe; Regen, Sonne, Schnee und Wind; Sichtbare Erosion, die Landschaft verschwimmt, verwischt, als sich Bergmassive erheben und Ozeane entstehen, der Kontinentaldrift huscht vorbei, ein einziger Schemen und die Farben lösen sich auf
Nun kann ich ihn endlich sehen, ganz deutlich voraus:
Meinen eigenen Hinterkopf.

 

@Ginny

...hier wirds erst mit dem letzten Satz surreal.
Hmm, findest du? Ich finde eher den gesamten Text surrealistisch. Künstler wie die erwähnten Magritte, Escher oder natürlich auch Dalí verwendeten in ihren Bildern Darstellungen ganz alltäglicher Gegenstände (Pfeife, Uhr usw.) stellten diese aber in einen völlig irrationalen Kontext. So auch bei Bens Text: Reales (Zebrastreifen, Fußgänger, Kontinentalplatten) wird mit Irrationalem (Geschwindigkeit des Beobachtens der Umwelt auf ein für den Menschen absurd geringes Maß) in Relation gesetzt. Und das zieht sich ja schließlich durch den ganzen Text.

So betrachtet ist der Schlusssatz für mich noch gar nicht mal mehr so der Burner. Ich finde auch schon den Ablauf der eigentlichen Beschreibung beeindruckend genug.

@Ben

Den Schluss lese ich übrigens so, dass der Beobachter (wer immer das jetzt nun sein wird) zuletzt eine Art negative Geschwindigkeit erfährt. Dass er also langsamer als Null m/s wird, ohne allerdings deshalb den Rückwärtsgang einzulegen!
Auf eine andere Lösung des Rätsels komme ich nicht. War das auch deine Intention? Oder willst du es (noch) offen lassen?

 

Mhmm, ich seh jetzt in den vorherigen Sätzen nur mit Mühe Surreales, wenn ich den letzten rauslasse ... aber um diese Uhrzeit überseh ich vieles. :D

 

Häferl, wieso bedeutet "surreal" bei Dir zwingend, dass es tausende von Interpretationsmöglichkeiten geben muss?
Ist surreal nicht genauso, wenn Vorgänge oder Gegenstände plötzlich Eigenschaften aufweisen, die sie nie gehabt haben?
Tausende muß es nicht geben, aber zumindest sollte eine zu erahnen sein (wenn man sie auch nicht unbedingt deuten kann).

Ich müßte, um das jetzt zu erklären, entweder ausführlich schreiben oder Links suchen. Beides ist mir im Moment zu anstrengend. Einen guten Link hat Motto unter irgendeiner Geschichte gepostet, ich weiß aber nicht mehr unter welcher. Rabenschwarz schrieb auch unter "Fragen und Antworten", daß es eine Intention geben muß...
Vielleicht bin ich aber auch nur zu österreichisch, zu genau, zu streng,...

Alles liebe
Susi

 

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