- Beitritt
- 31.01.2016
- Beiträge
- 2.217
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 26
Tobi hat ja nur ... Langeweile
Tobi liegt rücklings im Kinderzimmer auf dem Boden. Dabei streicht er mit den Händen über den Teppich, als wäre der ein Tier mit einem Fell. Tobi langweilt sich. Er sieht hoch zur Lampe. Die baumelt von der Decke wie ein Ufo. Dort schwirren drei Fliegen immer rundherum um die Glühbirne.
An so einem Tag hat Tobi zu nichts Lust. Es ist dunkel, weil die Sonne nicht scheint und es fürchterlich regnet. Sein bester Freund Berti hat keine Zeit zum Spielen, weil er mit seiner Oma Schuhe kaufen muss. Also Schuhe für Berti. Vielleicht auch für die Oma. Tobi weiß das nicht genau.
Eine dicke Fliege kommt herunter, setzt sich auf Tobis Hand und putzt ihren Rüssel.
Tobi hält die Hände jetzt still und sieht der Fliege zu, wie sie ruhig sitzt und jetzt auch die Flügel putzt. Tobi bewegt sich gar nicht mehr. Atmet nur ganz vorsichtig, um die Fliege nicht zu stören.
Helda liegt neben ihm und rührt sich auch nicht. Das sieht recht zerliebt aus, das gelbe Hasenschwein. Dabei ist es noch jung.
Oma hat es Tobi zu seinem letzten Geburtstag geschenkt. Sie hat es selbst genäht und Tobi gefragt, wie es denn heißen solle. Er drückte es an sein Gesicht und freute sich mächtig. Tobis Bauch wird wieder ganz warm, wenn er nur daran denkt.
"Helga!", hat Tobi spontan gerufen und gelacht.
Oma runzelte ihre Stirn ganz arg und fragte: "Wie die Nachbarin aus der ersten Etage? Helga Blochmüller? Ich dachte, vor der hast du Angst, wenn sie durch den Türspalt guckt, sobald du im Treppenhaus bei ihr vorbeigehst?"
"Hel-da", sagte daraufhin Tobi laut, deutlich und etwas verärgert. "Mit 'da'!"
"Oma hört nicht mehr so gut." Opa und zwinkerte mit einem Auge.
Sie waren gleich gute Freunde, Helda und Tobi, denn Tobi liebt alles, was gelb ist. Gelbe Blumen zum Beispiel, die er auf dem Markt gesehen hat, als er mit Mama einkaufen war. Bananen isst Tobi auch ganz gerne. Aber Zitronen mag er nur im Eis. Am liebsten isst er Vanilleeis. Tobi rollt die Augen zur Decke und überlegt. So richtig gelb ist das Vanilleeis nicht.
Die Fliegen schwirren immer noch um die Lampe. Tobis Augen werden müde beim Zusehen.
Einmal hat Tobi mit Opa einen Ausflug ins Aquarium gemacht. Dort haben sie gelbe Schlangen gesehen und einen Frosch. Der war knallgelb. Gelber als alles, was Tobi kennt. Er und Opa standen lange zusammen vor dem Fenster, hinter dem der Frosch wohnte, und der Frosch hat Tobi sehr lange angesehen. Mit Opa kann Tobi überhaupt gut lange etwas angucken. Müllautos zum Beispiel. Wenn Tobi die vom Fenster aus auf der Straße kommen sieht, schnappt er sich seine Jacke und Opa und sie laufen beide auf den Gehweg, um die Müllmänner bei der Arbeit zu beobachten. Und wenn alle Mülleimer geleert sind, laufen Tobi und Opa dem großen Laster noch hinterher. Bis zum Ende der Straße.
Dann muss Opa immer wieder zurück.
"Oma macht sich sonst Sorgen und kommt uns suchen", meint Opa, "und das wollen wir ja nicht."
Die Fliege hat nicht solch' schöne Farbe wie die Schlange und der Frosch, aber sie kitzelt auf Tobis Hand, weil sie dort ein bisschen spazieren geht. Auf der Lampe an der Zimmerdecke sitzen jetzt ihre Freunde.
Die Fliege auf Tobis Hand, nein, jetzt ist sie auf seinen Arm gelaufen, die Fliege heißt jedenfalls Chackie Chan. Seine Freunde auf der Lampe heißen Mausi und Lilo. Die haben sich aber mit Chackie Chan gestritten. Deswegen ist der zu Tobi hinuntergeflogen und schmollt ein bisschen. Wenn Tobi schmollt, setzt er sich auch weit weg von Berti. Mama sieht immer gleich, wenn es Ärger gab, weil Tobi dann mit dem Finger in seinen Haaren dreht, ähnlich wie Flügel putzen.
"Chackie", sagt Tobi tadelnd, "du bist zwar der Größte von allen, aber du bist nicht der Chef! Guck' mal, wie schön Mausi und Lilo da oben zusammen spielen. Vielleicht darfst du wieder mitspielen, wenn du nicht mehr so wild bist", schlägt Tobi vor und guckt ernst. Dabei bekommt er eine kleine Falte zwischen seinen Augen. Das kann er gut in dem großen Spiegel an der Wand sehen. Manchmal muss Tobi eben gucken, wie er guckt. Deswegen hat Mama den Spiegel dort aufgehängt.
"Dann brauchst du aber einen anderen Namen, weil Chackie Chan kann Kung-Fu und ist immer wild und stark. Du bist jetzt der dicke Fridolin."
Vor dem Fenster sieht Tobi immer noch den Regen. Der prasselt laut an die Scheibe und auf das Fensterbrett. Es ist auch stürmisch und Tobi hört den Wind durch die Ritzen im Fensterrahmen pfeifen. Und plötzlich landet eine Taube auf dem Fensterbrett und Tobi setzt sich auf. Der dicke Fridolin fliegt zur Lampe hoch und verträgt sich wieder mit seinen Freunden. Sie schwirren nämlich gleich zu dritt um die Glühbirne. Bestimmt spielen sie jetzt Fangen. Dabei darf der Fridolin ruhig wild sein.
Die Taube legt den Kopf schief und blickt Tobi durch die Fensterscheibe hindurch an.
Aus der Küche hört Tobi den Küchenmixer rattern. Mama backt vielleicht einen Kuchen für Opa und Oma. Die können später mit Tobi und Mama in den Park gehen, um zu picknicken. Tobi liebt es, draußen auf der Wiese zu sitzen und Kuchen zu essen, den Mama gebacken hat. Und Obst. Obst wird auch gegessen, sagt Mama.
Wenn sie dann auf der Decke im Gras liegt und die Augen zumacht, laufen Opa und Tobi zum Kiosk hinüber und kaufen sich jeder ein großes Eis. Tobi darf immer bezahlen.
Tobi springt auf, läuft mit Helda unter dem Arm zum Fenster und öffnet es mit Schwung. Die Taube flattert auf und fliegt in den Himmel hinauf. Tobi schaut ihr eine Weile hinterher. Dann blendet ihn die Sonne. Die blinzelt ein kleines Stück zwischen den dunklen Wolken hindurch. Viele Vögel zwitschern und die Luft riecht wunderbar nach Grün und überhaupt sieht alles da draußen zauberschön aus.
Tobi schließt das Fenster wieder, dreht sich einmal um sich selbst und wirft Helda in die Höhe.
Er ruft: "Mensch Helda, hier ist heute ganz schön viel los!"
Dann läuft er zur Tür, reißt sie auf, flitzt hinaus und bereits im Flur duftet es nach Waffeln. Und Tobi schnüffelt sich bis in die Küche, wie ein Schnüffelschwein, das Pilze im Wald sucht. Oma und Opa sitzen am Küchentisch, auf dem die Waffeln mit Vanilleeis stehen.
Die liebt Tobi noch viel mehr als Vanilleeis ohne Waffeln. Und natürlich liebt er Oma und Opa. Beide kriegen einen dicken Schmatz auf die Wangen, bevor Tobi auf den freien Stuhl springt.
"Und wenn wir allef verpupft hab'n, geh'n wir Fufball fpiel'n!", bestimmt Tobi und die Krümel sprühen dabei nur so über den Tisch.
Denn noch bevor er richtig sitzt, hat er sich den Mund schon vollgestopft mit den warmen Waffeln.
Und Helda hat es sich derweil unter dem Stuhl gemütlich gemacht.