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Tiefraumflug T77 Galateia

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08.07.2012
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Tiefraumflug T77 Galateia

Auf der Brücke

Von einem Geräusch begleitet, das Sam bis ins Mark fuhr, zog sich das Mädchen einen Hautfetzen vom Gesicht. Während seiner Dienstjahre auf dem Zerstörer Chronos hatte Sam einige Male tief in den Abgrund menschlichen Wahnsinns blicken müssen, und er war damit bemerkenswert gut klar gekommen, aber jetzt verschlug es ihm den Atem.
"Collins hat mich gefickt, Mahony auch." Die Kleine war nicht älter als fünfzehn. "Warum du nicht?"
Mit einem Ruck löste sie den Hautstreifen vom Kiefer und drapierte ihn in der Nähe der anderen auf dem Navigationsdisplay. Ihr Gesicht blutete jetzt sehr stark. Dunkle Rinnsale mäanderten ihren Hals hinab.
Sam stand wie erstarrt. "Wer … bist du?", brachte er mühsam hervor.
Das Mädchen schaute ihn an, kicherte irre und sagte: "Das weißt du doch, Sam."
"Ich … verstehe nicht …"
Auf dem Gesicht des Mädchens, das nur mehr eine einzige Wunde war, spiegelten sich Überraschung und Belustigung. Sam flimmerte es vor den Augen. Das Atmen fiel ihm schwer. Die Kleine drehte sich im Pilotensessel zu ihm herum. Sie stemmte einen Fuß seitlich gegen das Armaturenboard, verschränkte die Arme vor der nackten Brust und spielte die Gekränkte.
"Du erinnerst dich nicht an mich?", fragte sie schmollend. "Ich bin Linda."
Sam spürte einen sanften Anprall, wie die Pfoten einer Katze auf seiner Brust. Es war offenkundig, dass hier nichts stimmte, dass hier alles falsch war, aber er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Linda zog beide Füße auf die Sitzkante, bleckte die Zähne, die inmitten des verwüsteten Gesichts hell schimmerten, und öffnete in einer vulgären Geste ihre Schenkel.
"Wie ist es jetzt?", fragte sie.
Sam starrte sie verständnislos an.
Die Kleine senkte das Kinn und fixierte ihn mit einem glühenden Blick. "Willst du nicht nachholen, was du verpasst hast?"
In den Jahren des Krieges hatte Sam gelernt, dass Zynismus und Grausamkeit lediglich Spielarten der Angst darstellten.
"Warum … willst du mich schockieren?", fragte er schwer atmend. "Warum quälst du mich?"
Linda ignorierte es. "Du siehst schlecht aus", stellte sie sachlich fest. "Blass und irgendwie … krank."
Sam schaute auf.
Das ist es, dachte er. Das ist das Stichwort. Was war in einem solchen Fall noch mal zu tun?
Linda drückte sich aus dem Pilotensessel und machte ein paar Schritte auf ihn zu. Ihre nackten Füße hinterließen dunkle Halbmonde auf den Stahlplatten der Bodenarmierung. Sie trat dicht an Sam heran und hob ihre blutverschmierten Hände, doch Sam wich entsetzt zurück. "Ich weiß nicht, wer oder was du bist", presste er hervor. "Aber das endet jetzt. Ich kann dir nicht helfen. Verlass mein Schiff!"
Linda ließ die Hände sinken. Sie schaute ihn nachdenklich an, ihre Zähne drückten sich sanft in die Unterlippe.
"Tja, du erkennst mich wohl tatsächlich nicht", sagte sie schließlich mit einem schrecklichen Lächeln. Sie drehte sich abrupt um, ging zurück zur Steuerkonsole und fischte mit spitzen Fingern ein Stückchen Haut vom Navigationsbildschirm. Sam wollte vor Grauen den Blick abwenden, doch er konnte es nicht. Mit einem Hämmern in den Schläfen beobachtete er, wie Linda den Fetzen auf dem blutigen Fleisch ihrer Wange platzierte.
"Interfacekontrolle", sagte Sam tonlos.
Eine elektronische Stimme meldete sich: "Bitte geben Sie Ihren Autorisierungscode ein."
Sam verfolgte Lindas Bewegungen. Wasser sammelte sich in seinem Mund, und er kämpfte gegen den Impuls, sich zu übergeben. Linda zog einen Hautfetzen nach dem anderen wie Folien vom Navigationsdisplay und setzte sie auf ihrem Gesicht in einem ekelerregenden Puzzle Stück für Stück zusammen.
„Identifikation T77 Galateia, Pilot Brenner, Samuel - Proof drei, sieben, zwei.“
"Willkommen Cpt. Brenner", meldete sich Mona, Sams flugbegleitender Avatar, mit samtweicher Stimme. "Wie geht es Ihnen?"
"Ging schon besser", erwiderte er leise.
"Jetzt wird es dir leichter fallen, dich zu erinnern", rief Linda von der Steuerkonsole herüber und drückte den letzten Streifen an ihrer Stirn fest. Sam schloss die Augen.
"Willst du mich nicht anschauen, Sam?"
"Mona, wie ist mein aktueller Status?"
"Schau mich an, Sam!" In Lindas Stimme lag ein schneidender Unterton.
"Ihr Körper befindet sich in Stasis, Cpt. Brenner, Organfunktionen normal. Haptik-Set und Oneiros-Interface arbeiten fehlerfrei."
"Damals hast du mich angesehen, Sam."
"Mona, ich benötige einen Ort-zu-Ort-Transfer!"
Sam spürte, wie die Bodenplatten unter schweren Schritten erbebten. Etwas Ungeheures bewegte sich auf ihn zu. Es sprach mit Lindas Stimme: "Hast daneben gestanden und zugesehen."
"Nennen Sie die gewünschte Lokation, Cpt. Brenner."
Sam bemerkte den Geruch von Moder.
"Alkoventrakt, Mona. Jetzt!"


Kommando Pelorios

Sam eilte durch einen schlauchförmigen Zugangsbereich, von dem mehrere Alkovenbuchten wie Mönchszellen eines Felsenklosters abzweigten. Ein mechanisches Dröhnen verriet ihm, dass die Galateia ihre Triebwerke auf den Startmodus vorbereitete.
"Wann starten wir, Mona?"
"Der Start erfolgt in siebzehn Stunden, Cpt. Brenner."
"Verdammt, ich begreife nicht, was hier vor sich geht."
"Wünschen Sie einen Systemcheck?"
"Später. Prüfe erst einmal mal die Sicherheitslogs und die internen Sensoren. Ich will wissen, was dieses Mädchen auf meiner Brücke macht."
Kurz darauf stand er vor einer Wabe aus Polyurethan und betrachtete einen menschlichen Körper, der in einer durchsichtigen Nährlösung schwamm. „Hallo Sam“, sagte er aus alter Gewohnheit. Die Gesichtszüge des Mannes, der er selbst war, zeigten keine Regung. Die Augen halbgeöffnet unter schweren Lidern, die Lippen fest um den Beatmungstubus geschlossen, schwebte Sams Körper im Alkoven, umflort von Perlschnüren aufsteigender Bläschen, gleich einem Feuchtpräparat in Alkohol. Sam trat näher an die Zelle heran.
"Prüfung abgeschlossen", meldete sich Mona. "Keine Fehlermeldungen in den Sicherheitsprotokollen, keine Eindringlinge."
Aus den Tiefen des Raumschiffs drang das Stampfen der Antriebsaggregate, die in der Vorstartsequenz anliefen - es war ein gleichförmiges Mahlen, ein tieftönendes Walzen und Malmen. "Keine Eindringlinge?" Sams Stimme zitterte. Sein Blick hing an dem Körper in der Wabe fest.
Das Rätselhafte dieser Erfahrung hatte ihn nicht losgelassen, seit er sich vor mehr als zehn Jahren zum ersten Mal in einem Live-Videofeed im Zustand der Stasis selbst begegnet war. Minutenlang hatte er damals vor dem virtuellen Schirm gesessen und schweigend sein eigenes Gesicht betrachtet, das, von türkisfarbenen Lichtreflexen umspielt, im Wasser eines tropischen Meeres zu treiben schien. Einzelheiten konnte man damals schon recht gut erkennen, indem man mit Hilfe der Zoomfunktion das Bild der Kamera vergrößerte. Doch es blieb ein Bild. Durch die Möglichkeiten des letzten Haptik-Set-Upgrades war es den Piloten nun jedoch möglich, jeden Winkel des Raumschiffs aufzusuchen und sich selbst gewissermaßen von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten.
Sams Lippen berührten beinahe das Polyurethanglas.
"Verabschiedest du dich?"
Sam schnellte herum und konnte nur knapp der niederfahrenden Feueraxt ausweichen, die mit lautem Knall in die Wabe krachte. Eine Flutwelle brach aus dem Riss und schleuderte Sam zu Boden. Vor ihm, inmitten der schäumenden Nährlösung, holte eine dunkle Gestalt erneut zum Schlag aus.
"Jetzt bist du fällig, du verdammtes Schwein!"
Sam wälzte sich zur Seite, und die Axt hieb klatschend ins Nasse.
"Hast mir das Einzige genommen, das wirklich wichtig in meinem Leben war."
Sam sprang auf die Beine, doch auf den überspülten Bodenplatten fand er keinen Halt. Mit einem schmerzhaften Ruck glitt er in seinen Stiefeln aus und prallte gegen ein Kontrollpult. Ein Pochen in der Brust, raffte er sich er sich wieder auf, gerade rechtzeitig um – eher verwirrt als entsetzt – mitanzusehen, wie sich sein Angreifer mit der Axt über den nackten Körper beugte, der aus der zerbrochenen Alkovenzelle gerutscht war.
"Nein", stöhnte Sam.
Er stürzte sich auf die Gestalt, packte die Axt, entwand sie seinem Gegner und riss ihn zu Boden. Wütend hieb er los. Der aus der Wabe geflossene Seim gurgelte und gluckste unter ihm, bis Sam begriff, dass er ins Leere schlug. Verblüfft hielt er inne. Der Angreifer war verschwunden.
Heftig atmend richtete Sam sich auf.
"Was zur Hölle geht hier vor, Mona? Wer war das?"
Er wagte kaum, den nackten Körper anzusehen, der schimmernd vor ihm auf den Stahlplatten lag.
"Ich erhalte keine ungewöhnlichen Anzeigen, Cpt. Brenner. Alle Systeme arbeiten normal."
Mit einem heiseren Schrei schleuderte Sam die Axt durch den Gang. Sie krachte gegen einen Stahltank und fiel klirrend zu Boden. "Findest du das hier normal, Mona?" Seine Stimme hallte schauerlich von den Wänden der Alkovensektion wider.
Er hockte sich nieder und presste die Hände gegen die Stirn. Beruhige dich und denke nach, zwang er sich. Was ist jetzt zu tun?
Die Galateia dockte an einer unbemannten Versorgungsstation. Hier war weit und breit kein Mensch, der ihm helfen konnte.
Wichtig ist jetzt nur eins, dachte er.
"Mona, wie lange dauert die Vorbereitung einer neuen Stasiswabe?" Seine Stimme klang jetzt ein wenig fester.
"In Gang drei befinden sich zwei Stasiseinheiten in Betriebsbereitschaft, Cpt. Brenner."
Sam betrachtete die Elektroden, die überall an seinem Körper befestigt waren, die meisten davon am Schädel.
"Wie ist der Status des Interface, Mona?"
"Elektroden, Ableitungen und Funksystem zeigen keinerlei Abweichungen, Cpt. Brenner."
"Ist es möglich, den Körper ohne Interface-Unterbrechung zu transportieren?"
"Ja, Cpt. Brenner. Das Funksystem arbeitet auf der gesamten Ebene."
Sam trat an das zur geborstenen Wabe gehörige Supply Board und entnahm ihm einen Druckbehälter, nachdem er ein Ventil geschlossen und mehrere Schläuche gelöst hatte. Er hockte sich zu dem nackten Körper, der, auf den düsteren Bodenplatten liegend, ein erbärmliches Bild bot und schloss den Beatmungstubus an. Unter Ächzen zog Sam sich den Körper auf die Schultern und trug ihn schwankend durch den Gang. Kurz darauf gelangte er zu einem Schott, das mit einer römischen Drei gekennzeichnet war.
Als sich die Schotttür öffnete, taumelte Sam erschrocken zurück. Die Alkovenzelle direkt vor ihm war nicht leer. Sam fasste sich, trat ächzend ein paar Schritte näher heran und starrte durch das Glas der Wabe, neben der statt einer ID-Card nur ein Schild mit der Aufschrift Kommando Pelorios angebracht war.
"Mona, wer ist diese Person?"
"Leider besitzen Sie nicht die Autorisierung für diese Information, Cpt. Brenner."
Sam knirschte mit den Zähnen. Er sah sich um. Mit letzter Kraft hievte er den nackten Leib von seinen Schultern hinüber vor die geöffnete Nachbarzelle. "Stasiseinheit befüllen, Mona", sagte er, nachdem er den Körper in die Zelle bugsiert, die Versorgungsschläuche angeschlossen und die Wabe verriegelt hatte. Während die Nährlösung in den Zylinder sprudelte, versuchte Sam seine Gedanken zu ordnen.
Offenbar hatte ihm die Reederei ein faules Ei ins Nest gelegt. Ganz überraschend kam das nicht. Seit Jahren kursierten Gerüchte, die besagten, dass die Regierung Geheimnisträger, Agenten, Verbrecher und manchmal auch Militärangehörige als blinde Passagiere auf Frachtschiffen an den Kontrollposten der Sektorgrenzen vorbeischleuste. Wer auch immer der Mann war, dessen Körper in der Wabe dort drüben schwebte, er musste etwas mit den beängstigenden Vorkommnissen der letzten Stunde zu tun haben.
"Mona, ist es theoretisch denkbar, dass Erinnerungsengramme dieses Mannes in meinen Mindspace geraten sind?"
"Alle Stasiswaben des Hive sind untereinander vernetzt. Theoretisch ist eine Kontamination Ihres Mindspace möglich."
"Was ist zu tun, um die Stasiseinheit mit der Bezeichnung Kommando Pelorios vom Hive zu isolieren?"
"Das ist nur möglich, wenn Sie als Kommandeur der Galateia Code Red bestätigen."
"Teufel noch mal, Mona! Dann bestätige ich das eben. Die Hirngespinste dieses Mannes gefährden den ganzen Flug!"
"Aye, aye Captain! Ich isoliere die Stasiseinheit."
Sam atmete auf. "Gut", sagte er. "Ich hoffe, dass damit unser Problem behoben ist." Er wandte sich wieder der Zelle zu, in der sein eigener Körper schwamm und überprüfte die Sensoranzeigen auf einem kleinen Display, das an der Basis der Wabe angebracht war. Befriedigt stellte er fest, dass alle Systeme fehlerfrei arbeiteten. "Gut, Mona", sagte er. "Wir sind hier fertig. Ich möchte einen Ort-zu-Ort-Transfer in mein Quartier."


Im Quartier

Sam warf sich müde auf die Pritsche. Der Realitätsaspekt des Mindspace hatte zweifellos Nachteile. Es lag schon eine sonderbare Ironie in dem Umstand, dass seinem virtuellen Selbst, das letztlich nur aus einem Schwarm von Elektronen im Datenkern des Raumschiffs bestand, Rückenschmerzen und verspannte Schultern zu schaffen machen konnten. Man hatte das Feature negativer Körperempfindungen einführen müssen, weil die Piloten der Tiefraumflüge ohne realistisches Bodyfeedback unweigerlich das Bewusstsein verloren.
Ein Knirschen vor der Tür des Quartiers ließ Sam hochfahren. Er spürte, wie sein Atem rasselte, und das Herz pochte ihm bis zum Hals hinauf. Es ist nicht vorbei, dachte er. In diesem Augenblick drückte sich etwas Schweres von außen gegen das Schott. Sam beobachtete mit Entsetzen, wie sich die Platten der automatischen Tür unter enormer Spannung bogen. Mit grässlichem Kreischen kündigte sich an, dass das Material des Schotts sogleich nachgeben würde.
Sam schüttelte die Starre ab. "Mona, Ort-zu-Ort-Transfer!", keuchte er, doch der Avatar meldete sich nicht. War es möglich, dass jene Dämonen, die der kranken Psyche dieses Fremden aus dem Alkoventrakt entstammten, Mona deaktiviert hatten? Doch wie konnten sie das ohne Sams Autorisierungscode angestellt haben?
Mit einem Blick, in dem Panik aufloderte, suchte Sam das Quartier nach einer Waffe ab. Er blieb an einer Fotoprojektion hängen, die er als Andenken von der Chronos mitgebracht hatte. Ein Gruppenbild der zweiten Kompanie war darauf zu sehen, und wenn man mit dem Finger über einen der Köpfe fuhr, leuchteten Name und Dienstgrad des jeweiligen Soldaten in einem holografischen Feld auf.
Das Schott brach und fiel dröhnend auf die Bodenplatten des Quartiers, doch Sam beachtete es nicht. Er strich mit dem Finger über die Fotoprojektion - er hatte den Kopf des Mannes gewählt, der auf dem Gruppenbild rechts an seiner Seite stand – und las: "Carl Mahony, Lieutenant". In diesem Augenblick wusste er auch, wer der Soldat links neben ihm auf dem Foto war. Steve Collins hatte sich zwei Jahre lang mit ihm und Mahony das Quartier auf dem Zerstörer geteilt.
"Linda", flüsterte Sam und erinnerte sich an die Ausschreitungen während des Kriegszustandes auf Corva Sieben, kurz bevor er, Mahony und Collins auf der Chronos angemustert hatten. Linda, dachte Sam, und er sah vor seinem geistigen Auge, wie er ihren Vater mit der Axt niederstreckte, während Mahony und Collins …
"Jetzt bist du fällig, Sam!", fauchte eine Stimme hinter ihm.

 

Hallo Achillus,

und herzlich willkommen im Forum!

Dein Text steht ja jetzt schon länger hier rum ganz ohne Kommentar, und ich frag mich, ob möglicherweise der Einstieg schuld ist?
Ich sag's dir ganz ehrlich, ich hatte große Probleme damit, in den Text zu kommen.

Der Titel verweist auf irgendeine Art von Raumflug, dann bekommen wir Sam präsentiert, und dann gehts laaaange um körperliche Empfindungen von Sam. Who cares?
Also, bevor ich nicht weiß, wer dieser Sam ist, "was das für ein Typ ist", was den interessant macht, da ist mir Sam eben ziemlich egal.
Du willst doch den Leser fesseln, vor allem am Anfang, da sollte irgendwas passieren, oder eine Figur vorgestellt werden, über die der Leser unbedingt mehr wissen will.
Im Moment hast du über mehrere Absätze die Beschreibung einer Bewusstseinsfahrt einer dem Leser unbekannten Figur - plätschert so dahin.
Das hier ist das erste Stück "Handlung", gewissermaßen:

Und auch heute gelang es Sam, die Codes in der richtigen Reihenfolge einzugeben.
Und Codes einzugeben ist ... es fetzt nicht besonders. ;)

Also, ich hab dann noch quergelesen und gesehen, dass es auf so eine Pointe hinausläuft, dass Sam die ominöse Phase 4 überhaupt nicht abgeschlossen hat (und deswegen entweder wirklich verpufft ist oder zumindest an irgendeinem Syndrom leidet und nur sein Bewusstsein ist verpufft oder so).

Ich weiß nicht, mich hat der Text einfach nicht mitgenommen. Hast du mal drüber nachgedacht, den Anfang extrem zu kürzen? Behalte im Hinterkopf, dass du den Leser irgendwie neugierig machen willst ... ich guck dann auch gerne nochmal vorbei.

Vielleicht meldet sich auch so noch ein anderer Leser, der da leichter einen Zugang in den Text gefunden hat, mal sehen. :)

 

Hallo Möchtegern, vielen Dank für Dein Statement. (Hatte gestern schon ein paar Gedanken zu Deinem Froschkönig zusammengetragen, der mir gut gefällt, aber bin noch nicht dazu gekommen, einen Eintrag zu machen. Kommt noch.)

Deine Einwände sind hilfreich. Ich bin beim Schreiben davon ausgegangen, was mich selbst interessiert, z.B. die authentische Schilderung von Empfindungen bei veränderten Bewußtseinszuständen, Träumen, Halluzinationen, Drogen usw. Daß mancher Leser das lahm findet, muß ich in Gelassenheit hinnehmen.

Sicher gibt es in Zukunft Wege, das spannender zu machen, deshalb danke für den Tip. Schade, daß Du den Rest nur überflogen hast. Es gäbe sich noch andere Hinweise, die für mich nützlich wären. Ich bin schon ein bißchen erstaunt, daß die Geschichte eine Woche drin steht, ohne daß jemand was dazu schreibt. Es soll ja eigentlich ein Hilfeforum sein...

LG Achillus

 

Hallo,

Sicher gibt es in Zukunft Wege, das spannender zu machen, deshalb danke für den Tip. Schade, daß Du den Rest nur überflogen hast. Es gäbe sich noch andere Hinweise, die für mich nützlich wären. Ich bin schon ein bißchen erstaunt, daß die Geschichte eine Woche drin steht, ohne daß jemand was dazu schreibt. Es soll ja eigentlich ein Hilfeforum sein...
Ja, du hast sogar selbst kommentiert, aber dir gerade eben Leute ausgesucht, die nicht viel selbst kommentieren oder schon wieder weg sind (außer Elfenweg).
Hilfe-Forum … so würd ich das nicht nennen. Ein Forum für Textarbeit, ja, aber er gibt keine Verpflichtung dafür.

So hatte Sam es trainiert. Seine Atemzüge wurden regelmäßiger. Das war Phase eins.
Das sind stilistische Probleme hier, in den ersten Sätzen. Die sollten normalerweise besonders schön und lebendig und stark sein.
Du hast hier z.B., in den 3 Sätzen nur ein „starkes“ Verb, und das ist im Plusquamperfekt „Hatte trainiert“ (wobei „trainiert“ auch kein super Wort ist, es ist sehr allgemein, es ist englisch, man kriegt kein Bild davon, weil es zu viele Möglichkeiten hat in der Wortbedeutung), sonst hast du als Verben „wurden“ und „war“. Meistens wird ein Stil als lebendig empfunden, der viel Wert auf aktive, starke Verben legt.
Wenn du dich damit beschäftigen möchtest, was ich jedem, der ernsthaft schreiben will (nicht nur literarisch). rate, dann findest du Informationen und Gedanken dazu in jedem gescheiten Stilratgeber (von Wolf Schneider z.B.).

Mit jedem Sinken der Brust löste sich ein wenig von seiner Anspannung, bröckelte von ihm ab, wie Putz einer rissigen Fassade.
Hier sieht man – obwohl der Satz viel stärker ist – die Probleme eines Nominalstils.
In einem Stil, der Wert auf die Verben legte, würde man schreiben: Jedesmal wenn sich die Brust hob und senkte, löste sich ein wenig der Anspannung, bröckelte von ihm ab wie der Putz von einer rissigen Fassade. Oder man könnte noch weiter gehen und auch „Anspannung“ in Verben auflösen, und den Vergleich hinten noch mit einem Verb belegen. Dann hätte man hier für jeden Gedanken ein Verb, 5, 6 Verben, statt der 2, die du hast.
Du hast das „heben und senken“ weg und hast es in eine feste Gruppe von Substantive gepackt „Sinken der Brust“.
Das ist nicht falsch. Das ist eine ästhetische Entscheidung. Der Nominalstil ist nicht falsch, der Stil mit vielen aktiven Verben ist kein Allheilmittel, aber wenn du dich fragst, warum den Text keiner kommentiert hat bisher und warum MG so Probleme hatte, rein zu kommen, dann kann ich dir das als Erklärungsmodell anbieten auf einer stilistischen Ebene.

Es begann stets mit einer intensiven, warmen Schwere, die seine Glieder in einer langsamen, zähflüssigen Welle durchströmte und schließlich in die Schwärze zog.
Zu viele Adjektive, dann zwei Füllwörter „stets“ und „schließlich“, wenn etwas „intensiv“ ist und dann hat man so ein allgemeines Wort wie „Schwere“, Eine intensive, warme Schwere – was ist damit gemeint? Wie fühlt sich das an? Gibt es einen besonderen Ausdruck dafür, statt 3 allgemeine. Es begann mit einer Depression. Es begann mit einem Niederschlag. Es begann mit – ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was du schreiben möchtest.Was ist eine „intensive, warme Schwere“ – wie geht das besser? Welche Assoziationen hast du? Genauso bei „langsame, zähflüssige Welle“ – geht das besser? Geht das prägnanter, pointierter, geht das irgendwie auf eine besondere Weise?
Das sind Fragen, die man sich stellen muss als Autor, denke ich.

Diese Wahrnehmung löste bei Sam leichten Ekel aus, brachte ihn aber nicht aus dem Gleichgewicht, denn das alles war nichts Neues; er kannte jede Etappe dieses Trips.
Der Stil ist zu stark auf den Substantiven. Die Verben dienen nur dazu, die Substantive ins rechte Licht zu rücken.
Löste leichten Ekel aus – da hast du den Schwerpunkt auf Ekel, nicht auf „löste aus“ – da kannst du auch gleich: ekelte schreiben, oder?
Brachte nicht aus dem Gleichgewichte – aus dem Gleichgewicht bringen – torkeln, stolpern, wanken

Ich möchte auch nicht groß was zum Text noch sagen. Ich finde am Anfang ist es besser, das Schreiben in kleine Häppchen zu unterteilen. Und ich finde es auch sehr schwierig, dem Text zu folgen, eben aufgrund dieses Nominalstils, der sich sehr leblos liest.
Aber wie gesagt: Wenn du am Schreiben arbeiten willst, ist es oft der erste Schritt bei der Grammatik anzufangen und der Rechtschreibung (das brauchst du, soweit ich gesehen habe, nicht groß machen), dann mit der Stilistik und danach mit Erzählen und Erzähltechniken. Ich kann verstehen, dass du gerne über Erzähltechniken und vor allem den Inhalt und die Ideen in deiner Geschichte sprechen willst (das will jeder), ich denke aber, im Moment ist es wichtiger, dich intensiv mit Stil und Stilistik zu befassen.
Lies auf jeden Fall deinen Text laut. Lies Texte laut, die du als angenehm empfindest, die du als Vorbilder haben möchtest. Frag dich, wie deine Texte klingen sollen, wie du klingen möchtest, wie du das erreichst, welche Wirkung bestimmte Sätze und Satzkonstruktionen für dich haben.
Das ist, wenn man schreiben will, ein unumgänglicher Schritt, den man auch immer wieder machen muss. Und den müssen eben Leute machen, die für andere schreiben wollen, außerhalb von formalen Texten (das heißt: Die allermeisten Menschen müssen sich damit niemals beschäftigen, Autoren, Journalisten und paar andere Berufsgruppen schon).

Gruß
Quinn

 

Hallo Quinn,

vielen Dank für Deine Hinweise. Ich finde, daß sie eine wertvolle Anregung darstellen, auch wenn ich Deine Ansichten nicht vollkommen teile. Dazu ein paar kurze Bemerkungen: Von W.Schneider stehen einige Bücher in meinem Regal, aber ich kann nicht behaupten, ein Fan von dem Mann zu sein. Meiner Ansicht nach sind viele der von ihm aufgestellten Prinzipien ganz und gar willkürliche Privatmeinungen.

Ich kenne daher auch das Dogma der Verwendung von möglichst vielen Verben und Schneiders Abneigung gegen Substantivierungen. Doch ich denke, daß man mit der Anwendung dieser Faustregeln vorsichtig sein muß. Ist es nicht eigenartig, daß Du mir empfiehlst, eine Szene, die ein Verlöschen beschreibt und durch Aspekte wie Schweben, Stagnation, Passivität, Entpersönlichung, Stille und Bewegungslosigkeit geprägt ist, mit möglichst vielen aktiven Verben zu beschreiben?

Ich meide die „er tut dies“/„er tut das“- Formulierungen auch, weil „er“ sich auflöst. Angedeutet habe ich das hier: „Mochte das Universum auch weiterhin flüstern, da war niemand mehr, der sein Wispern vernahm.“

Kurz zu Deinem Vorschlag: „Jedesmal wenn sich die Brust hob und senkte, löste sich ein wenig der Anspannung, bröckelte von ihm ab wie der Putz von einer rissigen Fassade.“ empfinde ich als deutlich schwächer gegenüber „Mit jedem Sinken der Brust löste sich ein wenig von seiner Anspannung, bröckelte von ihm ab, wie Putz einer rissigen Fassade.“ Zunächst einmal kommt es gerade auf das Sinken an (Ausatmung), aber ich finde „Jedesmal wenn sich die Brust hob und senkte“ auch sprachlich weniger elegant („jedesmal wenn…“)

Und daß Du Dir die Empfindung einer intensiven, warmen Schwere nicht vorstellen kannst, mag ich kaum glauben. Darüber hinaus scheint es mir, nachdem ich mir etliche Geschichten durchgelesen habe, auch nicht sehr wahrscheinlich, daß die Qualität oder der Spannungsaufbau der Geschichten im Forum in einem nachvollziehbaren Zusammenhang zur Anzahl der Kommentare steht.

Versteh mich bitte nicht falsch. Ich will den Wert Deiner Kritik nicht in Frage stellen. Manchmal treffen aber eben auch verschiedene Ansichten zu einer Sache aufeinander. Es ist immer wichtig, auf Probleme hingewiesen zu werden. Besonders gut gefällt mir der Hinweis des Lautlesens. Vielen Dank für Deine Mühe! Ich hoffe, daß Du auch weiterhin ein Auge auf meine Geschichten wirfst.

Gruß Achillus

 
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Versteh mich bitte nicht falsch. Ich will den Wert Deiner Kritik nicht in Frage stellen. Manchmal treffen aber eben auch verschiedene Ansichten zu einer Sache aufeinander. Es ist immer wichtig, auf Probleme hingewiesen zu werden. Besonders gut gefällt mir der Hinweis des Lautlesens. Vielen Dank für Deine Mühe! Ich hoffe, daß Du auch weiterhin ein Auge auf meine Geschichten wirfst.
Ja, natürlich. Ich kann dir nur sagen, was ich von Stilistik halte und weiß. Wenn du mit dem nicht übereinstimmst und einen anderen Weg gehen möchtest, sehe ich auch keinen Grund, dich da belabern zu wollen.

Ich hab nur deinen Kommentar gesehen zu Möchtegern und fand, dass du ein bisschen ratlos klangst, warum der Text noch nicht gelesen wurde.
Und ich hab dir zu erklären versucht, warum ich ihn auch nicht weiter als bis zum ersten Absatz gelesen hätte. Das ist ja ein Problem des Forums. Man kriegt nur Kommentare von Leuten, die auch den Text ein Stück weit gelesen haben.

Ich hab zwei Sachen noch zu sagen:

Ist es nicht eigenartig, daß Du mir empfiehlst, eine Szene, die ein Verlöschen beschreibt und durch Aspekte wie Schweben, Stagnation, Passivität, Entpersönlichung, Stille und Bewegungslosigkeit geprägt ist, mit möglichst vielen aktiven Verben zu beschreiben?
Ich wollte dir eigentlich nur helfen, den Leser nicht sofort zu verlieren. Offenbar bist du dir schon ziemlich sicher, was deinen Stil und die Verwendung von literarischen Stilmitteln angeht. Das hab ich falsch eingeschätzt. Aus dem Text hab ich das nicht absehen können.
Was du da beschreibst, dass du eine Szene der Stagnation mit Mitteln erzählen möchtest, die die Stagnation verstärken - da hab ich Hochachtung für, empfehle aber, bei so etwas, generell immer, doch lieber unglaublich spannende Stellen zu beschreiben, mit Mitteln, die die unglaubliche Spannung noch weiter steigern.

Und daß Du Dir die Empfindung einer intensiven, warmen Schwere nicht vorstellen kannst, mag ich kaum glauben.
Ich hab damit gemeint ,dass du als Autor härter daran arbeiten solltest, einen besonderen Begriff dafür zu finden als "intensive, warme Schwere".
Ich kann mir unter "intensive, warme Schwere" schon irgendwas vorstellen. Es wirkt nur bei mir nicht so stark. Es entstehen keine Bilder. Der Text lässt mich emotional völlig kalt. Ich fang an nur noch Worte zu lesen, ohne richtig darüber nachzudenken, dann les ich quer, dann scroll ich nach unten, dann bin ich fertig.
Das ist das Problem, das ich mit dem Text hatte - und Möchtegern hatte das auch. Es können jetzt noch 50 Kritiker kommen, die dir das Gegenteil sagen. Ich weiß es nicht, ich hab keinen Anspruch auf Objektivität.

Es tut mir leid, wenn ich dir Ratschläge und Kommentare gegeben habe, die du nicht mehr brauchen kannst, weil du dich stilistisch in eine ganz andere Richtung entwickeln möchtest.
Es gibt vielleicht andere Kritiker, die dir erklären können, wie man im Nominalstil schreibt, so dass es die Leute noch gerne lesen.
Oder es finden sich Leser, die das mögen.
Deine Aussage, dass du ein wenig erstaunt darüber warst, dass hier eine Woche keiner reingeschaut hat, scheint dich im Nachhinein nicht mehr so zu beschäftigen. :)

Gruß
Quinn

P.S.:

Ich hoffe, daß Du auch weiterhin ein Auge auf meine Geschichten wirfst.
Was sollte das bringen? Also ich muss auch nicht in so einen "aber meins klingt besser als deins"-Disput reinkommen, es ist klar, dass wir ganz andere Vorstellung davon haben, was einen Satz "schön" macht. Ich find Wolf Schneider klasse, du findest den überschätzt. Ich find es kommt meistens auf die Verben an, du sagst, die braucht es nicht. Soll ich dir jetzt bis in alle Ewigkeit Stilvorschläge liefern, die du ablehnst? Völlig unsinnig. :)

 

Ok, Quinn, schade, aber das muß ich natürlich akzeptieren. Vielen Dank und lieben Gruß! Achillus

 

Hi Achillus!
Wollte dir schon länger mal mein Feedback geben, naja jetzt mach ichs.
Bin Anfänger, also gebe ich dir einfach mal meine Eindrücke. Nimms nicht zu ernst, habe die anderen Kommentare nur mal überflogen und gesehen, dass du gerne einfach mal Feedback hättest.

Also ich muss gestehen, ich habe auch nicht "einfach" oder "geschmeidig" in die Geschichte reingefunden. Was mich persönlich an der Geschichte gehalten hatte, war diese tripähnliche Darstellung in den ersten Absätzen.

Das war Phase eins. Mit jedem Sinken der Brust löste sich ein wenig von seiner Anspannung, bröckelte von ihm ab, wie Putz einer rissigen Fassade. Es begann stets mit einer intensiven, warmen Schwere, die seine Glieder in einer langsamen, zähflüssigen Welle durchströmte und schließlich in die Schwärze zog. Und so geschah es auch jetzt: Sam sank in die Tiefsee seines Bewußtseins.
Phase zwei setzte - wie immer - mit der Mißempfindung seiner stark vergrößerten Hände ein. Tatsächlich war ihm dieser Teil des Abstiegs zuwider. Er rieb die Fingerspitzen aneinander und spürte, wie ihm ein Schauer über den Nacken lief. Seine Handflächen hatten die Größe von Tennisschlägern. Diese Wahrnehmung löste bei Sam leichten Ekel aus, brachte ihn aber nicht aus dem Gleichgewicht, denn das alles war nichts Neues; er kannte jede Etappe dieses Trips.
Schön dass du das Wort "Trip" erst ganz zum Ende benutzt.

Also das ist glaube ich ziemliche Geschmackssache, dieser psychodelische Stil am Anfang, ich möchte hier nicht groß über Drogenerfahrungen oder so etwas ausschweifen, aber ich glaube jeder, der einmal eine Erfahrung eines echten "Trips" gemacht hat, kann die Szene sehr gut nachvollziehen. Das ist echt... authentisch beschrieben :-)

Ließ man sich auch nur für einen Augenblick gehen, konnte man im Handumdrehen in irgendeine verrückte Geschichte hineingezogen werden, und statt das Interface zu aktivieren, rannte man nackt durch die Altstadt von Barcelona oder dinnierte, einen Tukan auf der Schulter, im Madinat Jumeirah.
Das ist alles echt gut beschrieben, aber nochmal, ich glaube nicht dass der Großteil der Leser das nachvollziehen kann, deswegen scheint das alles für den Großteil der Leute sehr zäh zu sein.
Das Tor war ein präkonfigurierter geistiger Ort, der die Codes wie Schlüssel entgegennahm.
Dann geht es hier weiter mit den Codes. Also ab da war die Spannung irgendwie raus. Das hatte dann auch nichts mehr mit einem Horrortrip oder so zu tun, da hatte ich dann einfach keine eingehenden Bilder mehr vor Augen.
Ein unterirdisches Dröhnen verriet Sam, daß die Galateia ihre Triebwerke auf den Startmodus vorbereitete. Das Com-Signal stabilisierte sich, bis das Rauschen und Schnarren schließlich abrupt abbrach und der automatische Lotse das Login-Protokoll laufen ließ: „Identifikation T77 Galateia, Pilot Brenner, Samuel - Proof sieben, sieben, zwei. Sektor ID Alpha zwei, eins, sieben. Bootsequenz Gamma, drei…“ Kurz darauf meldete sich Mona, Sams flugbegleitender Avatar mit einer samtweichen Stimme: „Willkommen Cpt. Brenner. Wie geht es Ihnen?“
Ab hier hat es dann - meiner Empfindung nach - wieder mehr Fahrt aufgenommen. Da denkt man sich dann, ja, hoffentlich kommt jetzt mal ein bisschen Action, weg von dieser ausschweifenden Beschreibung von Codes und Steuerung. Dann kommt ein bisschen Gespräch mit Mona und so, das ging dann wieder in die richtigen Bahnen, finde ich.
Die Gesichtszüge des Mannes, der er selbst war, zeigten keine Regung.
Und hier wieder was horrortripmäßiges.

Ich beantrage, Brenner vorerst in meiner Einrichtung unter Beobachtung zu halten, auch wenn im Moment keine Prognose des bei ihm diagnostizierten apallischen Syndroms möglich ist.
Ich mag die Pointe. Wobei die mich irgendwie an einen Film erinnert... mir fällt der Name leider nicht mehr ein, auch Google konnte nicht helfen. Da gehts um so eine "Arche Noa" mit menschlichen Siedlern, die auf dem Weg zu einem anderen Planeten ist, und die Kapitäne die aus dem Tiefschlaf aufwachen, bekommen so eine Raumfahrer-Krankheit, mit Wahnvorstellungen und so. Will dir kein Plagiat oder so vorwerfen, vllt hast du deine Inspiration einfach daher :-)
Was mach irgendwie gestört hat, waren die vielen Begriffe, mit denen ich einfach nichts anfangen konnte, die keine Bilder vor meine Augen gezaubert haben.
Oneiroi-Technologie
Haptik-Sets
Com-Signal
und noch ein paar andere.

Ich muss gestehen, ich habe die Geschichte beim ersten Mal nicht verstanden. Allerdings habe ich sie dann ein zweites Mal überflogen, und dann verstanden, dass es um diese vierte Phase geht, die der Pilot auf Grund irgendeiner Geisteskrankheit nicht überschritten hat, obwohl er dies dachte. Oder kann es sein, dass dieser Kapitän früher einmal Raumfahrer war, auf irgend einer Phase "hängen geblieben" ist, und in seinen Wahnvorstellungen immer wieder sich einbildet, ein Schiff in die Luft zu sprengen, und zu sterben?Weil er ja anscheinend noch lebt, obwohl das Schiff kaputt ist (korrigiere mich, falls ich mich irre).
Und dann hat mir die Geschichte plötzlich gefallen! Also als ich die Storyline kapiert habe! Also dass es sich mit diesen Phasen darum geht, die Kontrolle über das Schiff zu erlangen, dass der Kapitän an Wahnvorstellungen leidet, usw. Die Idee ist gut, bloß ich glaube das Problem ist, dass der Leser sehr lange braucht, bis er kapiert, um was es eigentlich geht, bis er in der Geschichte steht. Aber an sich, wenn du es irgendwie hin bekommst das ganze Geschehen etwas flotter zu gestalten, könnte da was gutes daraus werden. Ich persönlich fände es ziemlich geil, wenn du das Horrortripding weiter ausgebaut hättest, wenn er in seiner Wahnvorstellung völlig durchgedreht wäre, und die technischen Details vllt etwas im Hintergrund stünden würden.
Also bitte nehm das nicht persönlich oder so, wer weiß, ich hätte das wahrscheinlich nicht so gut hinbekommen, insbesondere deine Beschreibungen und deine Sprach finde ich gut, das einzige Manko halte ich eben das etwas komplizierte "Reinkommen" in die Geschichte, also die Zeit, bis man in ihr steht, mitfühlt und so. Das sind allerdings, wie bei jedem Feedback, ganz persönliche Empfindungen, kann sein dass das andere ganz anders sehen.

Eine Frage hätte ich da noch:

Es lag schon eine sonderbare Ironie in dem Umstand, daß sein virtuelles Selbst, das letztlich nur aus einem Schwarm von Elektronen im Datenkern des Raumschiffs bestand, durch Wartungsgänge kriechen mußte, um seinen Weg zurück zum Cockpit zu finden.
Wenn er nur aus Elektronen besteht, oder eben eine imaginäre Projektion ist, wieso hat er dann so stabile materielle Eigenschaften?

Grüße zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Zigga,

vielen Dank für Dein Feedback. Sicher hast Du recht. Es ist nicht so ganz leicht, in die Geschichte zu finden. Möglicherweise schreckt die Schilderung am Anfang einige Leute ab. Ich persönlich lese so etwas gern. Die Beschreibung der Empfindungen in der ersten Szene basiert auf meinen Erfahrungen mit Meditation, Yoga, LSD usw. Es ist wirklich faszinierend, wenn man dem eigenen Bewußtsein dabei zuschaut, wie es „Stufe um Stufe in einen Keller hinabsteigt“, indem das normale Alltagsempfinden aufhört. Da Du ähnliche Erfahrungen gemacht hast, kannst Du das alles gut nachvollziehen.

Den konkreten Film, den Du ansprichst, kenne ich wohl nicht, aber die Hauptidee kommt in SF-Literatur und -Filmen ziemlich häufig vor: An irgendeiner Stelle der Erzählung spaltet sich die Story, die der Protagonist subjektiv erfährt, von dem „was wirklich passiert“ ab. In meiner Geschichte soll Sam ein Interface aktivieren, nachdem er sich selbst in einen traumartigen Zustand versetzt hat. (Der Hintergrund dieser Idee hat etwas mit dem sogenannten luziden Träumen zu tun.)

Die vierte Phase ist eine Sicherung, die verhindert, daß der Pilot „seine privaten Träume“ träumt. Doch dummerweise, das ist - wie Du ja gelesen hast - die Pointe, trickst Sams Gehirn ihn (und das Interface) aus, täuscht die Codeeingabe/ Codeaufnahme vor und „träumt seinen eigenen Traum“, der in einer Katastrophe endet.

Ich gebe zu, daß das nicht so ganz leicht zu durchschauen ist, weil ich es vielleicht zu umständlich gemacht habe. Ich glaube, daß das auch ein Grund ist, weshalb es nur wenig Kommentare zu der Geschichte gibt. Ich versuche das in der nächsten Story etwas klarer zu machen.

Was die Frage der materiellen Eigenschaften betrifft: In einem luziden Traum spürt man den eigenen Körper ganz real. Und auch die Oneiro-Technologie in meiner Story ermöglicht dem Piloten durch das Haptik-Feature, das körperlichen Empfinden der materiellen Welt. Dazu gehört z.B. die Fähigkeit, eine Taste zu drücken, Widerstand beim Aufschieben eines Schotts zu spüren, den Boden, die Wände als reale materielle Körper wahrzunehmen. Sein Handeln und Empfinden wirken auf ihn selbst ganz real, obwohl er sich in Stasis befindet.

Sam kann nicht einfach zwischen verschiedenen Orten des Raumschiffs hin- und herspringen, denn das, was real in dem Raumschiff passiert (z.B. ein Temperaturanstieg) und seine Wahrnehmung „im Gehirn“ muß durch das Interface synchronisiert werden. Deshalb muß er auch die sogenannten Synchronisierungscodes eingeben. Das Interface stellt sicher, daß Sams Gehirn immer die realen Daten des Raumschiffs erhält. Naja, es war allerdings schwierig, das alles gut zu verpacken. Deshalb sind sicher ein paar Sachen unklar geblieben.

Vielen Dank fürs Lesen!

Gruß Achillus

 

Ich fand die Geschichte eigentlich ganz o.k. zu lesen, was aber sicherlich daran liegt, dass ich gerade selber eine eher sperrige Geschichte fertig gestellt habe.
Sam ist mir ebenfalls ziemlich egal geblieben und die erwähnte "verrückte Geschichte" würde ich wahrscheinlich ein bisschen mehr in den Mittelpunkt zu rücken und letztenendes tatsächlich als verrückte Geschichte stattfinden lassen. Möglicherweise könntest Du damit Sam interessanter gestalten, indem Du zum Beispiel das Risiko, eine solche verrückte Episode zu erleben, für ihn zu einer wichtigen Überlegung machst. Vielleicht hat er auf diese Weise einen guten Freund verloren, oder was weiß ich, da könnte dir schon was einfallen.

Die "verrückte Geschichte", die er dann tatsächlich erlebt, empfand ich als stinklangweilig, weil zu wenig verrückt. Ich erinnere an den Film "Sphere", ja ich gebe zu, katastrophales Teil, aber diese ach so abgefahrenen Manifestationen waren doch mit das langweiligste, was das Kino zu diesem Thema hervorgebracht hat.
Eine Tür klemmt, etwas berührt ihn am Bein und dann bumm. Diese Explosion finde ich gar nicht so schlecht, aber eine verrückte Geschichte sollte doch genau das sein: Verrückt.

Du könntest die Geschichte auch sehr spannend machen, eingeschlossen zu sein oder sich verfolgt fühlen ist dafür geradezu prädestiniert. Eventuell könntest Du auch eine Bedrohung für seine körperliche Form einführen. Ich Räume aber ein, dass Dein Ziel offensichtlich ein anderes war, wenn ich auch nicht so genau weiß welches.

Die schweren Ventilatoren des Belüftungskanals summten in tiefem Moll.
Moll bezieht sich nicht auf einzelne Töne, sondern auf eine Tonfolge beziehungsweise Akkorde. Im Zusammenhang mit Ventilatoren würde ich das eher als dissonant bezeichnen.

Das wollte ich loswerden.

 

Hallo,

ich habe echt keine Ahnung von SF, und vielleicht kann ich deswegen deinen Text nicht mit dem nötigen Wissen, den man eventuell dafür braucht (also was Stil etc angeht), beurteilen, aber ich kam nicht über die ersten vier Absätze.

Für mich liest sich das nicht schlecht; es ist nicht schlecht geschrieben, aber es liest sich eher wie ein Epilog. Es passiert nichts. Große Einleitung, und dann ... tja, keine Ahnung. Der Text hat mich nicht animiert, weiterzulesen. Vom Stil her klingt der Text ein wenig wie Asimov, also, was ich von dem gelesen habe, kenne da nur einiges.

Zu der Beschreibung der körperlichen Sensationen, also diesem Quasi-Drogentrip: Für mich ist das eine der ersten Schwachstellen. Das liest sich ausgelutscht, wie man es eben erwartet. Ich frage mich immer, wann da mal was Neues passiert ... da scheinen sich die meisten Autoren auf so eine Konsenssprache geeinigt zu haben, also so schwere Wärme und Mißempfindungen und Gliedmassen wachsen, und so ... ich finde das schwierig. Ich muss mich da immer an den "Opiumesser" von Quincy erinnern, und dann kam lange Zeit nichts. Klingt alles verbraucht, irgendwie, fade.

Und du benutzt das ja auch als Einleitung, es ist eine Vorbereitung auf einen Plot, der dann aber nicht richtig losgehen will.

Gruss, Jimmy

 

Hi Achillus!

Wie die Vorredner schon sagten, ist der Einstieg tatsächlich etwas sperrig. Dafür bekam ich dann auch Bilder, die ich so noch nicht kannte, wie das mit den vergrößerten Händen ( bin aber kein großer Kenner anspruchsvoller SF oder Cyberpunk ). Und interessante, originelle Bilder können manchmal ein Ersatz für Spannung sein.
Du musst andererseits auch bedenken, dass ein Leser, der sperrigen Stil durchhält, sich selbst gern für anspruchsvoll halten will. Und dann muss natürlich auch eine anspruchsvolle Aussage hinter dem Text stecken.
Das vermisse ich hier allerdings.
Der Plot mit der Illusionsblase, die langsam zusammenbricht und der Enthüllung, dass der Prot in Wahrheit im Koma liegt, ist nicht nur in der SF inzwischen abgegriffen. Das heißt nicht, dass man ihn nicht auch mal verwenden sollte. Aber in einer KG ist nicht viel Platz für Originalität, wenn an der Grundidee nichts Neues ist.
Deshalb liest sich der ganze Text eher wie eine Schreibübung. Eine für gehobene Ansprüche, sicher, aber nicht mehr.

Dennoch muss ich sagen, dass ab der Stelle mit der defekten Tür schon so etwas wie Spannung bei mir aufkam. Es gibt viele Möglichkeiten, woran es liegen könnte, und alle guten sind lebensbedrohlich.
Interessant: Die Spannung wird dadurch erzeugt, dass der Leser Erfahrung mit solchen Plots oder zumindest Spannungsbögen hat. Ein unbedarfter Leser zuckt hier nur mit den Schultern.
Vielleicht lässt sich das ausbauen, indem du den Protagonisten eine Entwicklung wie in einem Psychothriller durchleben lässt: Die Dinge, die nicht stimmen, werden immer abwegiger, immer verrückter, bis er am Ende an seinem Verstand zweifelt und am Ende nicht alles in einer Explosion vergeht, sondern zusammenfällt, spiegelbildlich zum Verfall seines Geistes. Das ist zwar auch nicht neu, aber schon wesentlich mehr als eine Schreibübung.
Das vergrößert natürlich den Umfang der Geschichte, aber der Aufwand lohnt sich. Auch meine Stories wurden laut dem Feedback oft durch solche Erweiterungen verbessert.

Alles in allem habe ich den Text gern gelesen, und auch der Stil schreckte mich nicht ab. Besonders gefällt mir:

Der Vorhof, das war jener magische Ort, an dem sich ein paar bunte Splitter zu farbenprächtigen Mosaiken fügten. Jedes Stäubchen konnte hier einen Sturm bewirken, jede noch so blasse Erinnerung einen Mythos entfachen.

Bei "Mythos entfachen" strauchele ich allerdings. Ein Mythos ist eine identitätsbildende Vorstellung und lebt davon, gesellschaftlich weitergetragen zu werden. Hier gibt es nur den Geist eines Individuums.
Zudem ist ein Mythos nichts Brennbares, denn das würde bedeuten, dass er irgendwann verbrannt ist. Mythen verbrauchen sich aber nicht wie Streichhölzer, sie sind eher wie ein Unterprogramm der Gesellschaft, das sich selbst modifiziert und anpasst, um nicht gelöscht zu werden.

Tschüss, Megabjörnie

 

Hallo Achillus,

dein Text liest sich wie ein Film, was auch stark an deiner bildlichen Sprache liegt. Mir hat deine Geschichte gefallen, was auch daran liegt, dass ich verworrene Kurzgeschichten mag.
Vielleicht wäre es ein interessanter Versuch diese Geschichte zu verfilmen oder ein Drehbuch zu schreiben.

Gruß
Freddy

 

Hallo Schrei Bär,

vielen Dank für Dein Statement. Ich finde es grundsätzlich sehr schwierig, einen Protagonisten innerhalb einer Kurzgeschichte so zu gestalten, daß er für den Leser irgendwie wichtig wird. Ich weiß aber von Tchechow-Texten, daß das möglich ist. Etwas einfacher scheint es mir jedoch, beim Leser Interesse für die Entwicklung der Story zu entfachen. Leider ist mir - bei der Mehrzahl der Kritiker hier - auch das nicht gelungen. Du hast das Verrückte in der Story gesucht. Für mich besteht das in der Technologie, die es Sam erlaubt, sich im Raumschiff zu bewegen, obwohl er in einer Stasisröhre liegt. Ich verstehe aber, wenn diese Sicht nicht von jedem Leser geteilt wird. Vielen Dank für Deine Hilfe!

Hallo Jimmysalaryman,

Deine Hinweise sind natürlich berechtigt, obwohl man dagegen halten kann, daß die Ähnlichkeiten in der Beschreibung von Drogentrips verschiedener Autoren eben ganz einfach mit spezifischen Empfindungen zusammenhängen, die nun einmal so sind. Trotzdem vielen Dank für den Tip!

Hallo Megabjörnie,

vielen Dank für Deine Hilfe. Die Story läuft nicht darauf hinaus, daß Sam "in Wahrheit im Koma liegt". Vielmehr wird ein Prozeß beschrieben, bei dem er versucht ein Raumschiff gewissermaßen im Traum zu steuern. Um zu gewährleisten, daß seine Traumbilder und die Raumschifftechnik synchronisiert werden, muß er Sicherheitsprotokolle aktivieren. Der "Clou" ist nun, daß sein Gehirn ihm die vierte Stufe dieser Synchronisierung vortäuscht (vergleichbar dem Eindringen eines Trojanervirus im PC).

Die anspruchsvolle Aussage die Du vermisst, ist hier also eher eine Fragstellung, nämlich die nach der Natur der Wirklichkeit die wir erfahren, die letztlich in jedem Fall maßgeblich von unserem Gehirn konstruiert wird. (Ich weiß, das Thema ist nicht neu.)

Die Hinweise zur Verschärfung der Geschichte finde ich gut. Vielleicht setze ich mich nochmal ran und verfeinere das Ganze ein wenig.

Hallo Freddy,

vielen Dank für Deinen Kommentar. Hört man natürlich gern, wenn der Text gefällt ;)

Gruß Achillus

 

Reloaded

Hallo Freunde,

ich habe die Geschichte komplett überarbeitet und dabei - so hoffe ich - die Hinweise aus den Kommentaren zur Erstversion berücksichtigt. Vielen Dank noch mal an alle Rezensenten. Über Feedback würde ich mich freuen.

Beste Grüße
Achillus

 
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Life is so strange. Oh yes, but compared to what …?

Servus Achillus,

gleich vorweg: toller Text, packend, fesselnd, stark geschrieben und bis zum Ende spannend.
(Allerdings muss ich das Lob insofern gleich wieder relativieren, weil es von einem kommt, dessen Erfahrung mit SciFi-Lektüre sich auf Douglas Adams beschränkt, und ja, der irgendwann einmal H. G. Wells und Stanislaw Lem las, vor Jahrzehnten …
Ebenso wie vor ein paar Wochen in Schwups‘ Vorhölle bewegte ich mich in dieser Rubrik also auf Neuland, tappte gewissermaßen etwas unbedarft herum und bekam das eine und andere absolut nicht auf die Reihe. Aber vielleicht kannst du ja gerade mit den Gedanken eines Genrefrischlings etwas anfangen?)

Aber von vorne:

Von einem Geräusch begleitet, das Sam bis ins Mark fuhr, zog sich das Mädchen einen Hautfetzen vom Gesicht. Während seiner Dienstjahre auf dem Zerstörer Chronos hatte Sam einige Male tief in den Abgrund menschlichen Wahnsinns blicken müssen, und er war damit bemerkenswert gut klar gekommen, aber jetzt verschlug es ihm den Atem.

Also mit diesem Einstieg hast du mich gleich mal gepackt, das fetzt schon ordentlich, und gehörig rasant geht es weiter. Diese Szene auf der Brücke fand ich ungemein eindrücklich beschrieben, damit hatte mich der Text in seinen Klauen.

Sam spürte einen sanften Anprall, wie die Pfoten einer Katze auf seiner Brust. Es war offenkundig, dass hier nichts stimmte, dass hier alles falsch war, ...

Dass Sam von Visionen? Halluzinationen? Simulationen? gequält wird, war mir bald klar, dementsprechend neugierig war ich, wie sich das entschlüsseln würde.
Dieser Stasi-Zustand, das Mindspace-Dingsbums und Sams virtuelles Selbst, diese ganzen Sachen wirkten schon sehr plausibel geschildert für mich, gleichzeitig zeigte dann immer wieder mein rationaler Zeigefinger auf, also momentmal, wie habe ich mir das jetzt vorzustellen?
Dass Sam sich nicht in realitas durchs Schiff bewegen kann, war mir klar, aber was geschieht dann eigentlich wirklich in der Geschichte?
Träumt Sam das alles mit seinem realen Gehirn, in seinem realen, marinierten Körper?
Oder erinnert sich Sams quasi digitalisiertes Bewusstsein plötzlich an das lange verdrängte Verbrechen und wird nun von schrecklichen Gewissensbissen gepeinigt?
Oder ist es schlicht ein, was weiß ich, Programm - oder Hardwarefehler, der ihm das alles vorgaukelt?
Ist Sam überhaupt auf einem Weltraumflug?
Ist Sam überhaupt ein Mensch, oder ohnehin nur ein paar Millionen Programmzeilen, in irgendeinem …?
Ja, da kann man schon ein wenig ins Grübeln kommen.

Stilistisch haben mich eigentlich nur zwei Sachen gestört:

Ein unterirdisches Dröhnen
Dieser Begriff scheint mir auf einem Raumschiff irgendwie fehl am Platz zu sein.

Mit einem Blick, der bereits vom Wahn der Panik erobert wurde, ...
Und das empfinde ich als stilmäßigen Ausreißer.

Schön und passend fand ich die Namen, sowohl die der Figuren als auch die der Raumschiffe. Und deine Wortschöpfungen für den ganzen technoiden Kram gefielen mir auch, die klingen äh, … so plausibel.

War mir ein echtes Lesevergnügen.

offshore

 

Hallo Achillus,
als ich deinen neuen Text las, war ich sehr verwundert. Das hat ja nichts mehr mit der alten Version zu tun. Oder ich hab ein Gedächtnis wie ein Sieb.
Erst wollte ich ja eigentlich nicht mehr kommen (nach unserer kleinen Auseinandersetzung vor einiger Zeit) aber naja, ist ja auch schon wieder Geschichte und so viel Überarbeitungsinteresse und Am-Ball-Bleiben wie du das hast, das nötigt mir schon auch eine Menge Respekt ab. Kompliment dafür.
Mir hat das sehr gut gefallen, es ist spannend aufgezogen. Die erste Szene mit dem Mädchen, das haut echt in die Vorderzähne. Fast hab ich mir gedacht, du könntest noch das Geräusch aufschreiben, das diese Hautfetzen machen, wenn sie vom Gesicht abgeschält werden. Auch dass sie das Gesicht dann wieder zusammensetzt. Boahh, echt eklig.
Ich hab in einem Rutsch durchgelesen und darauf gewartet, was da jetzt noch alles kommt.
Schwierigkeiten hatte ich mit der Vorstellung, dass sein eigentlicher Körper ja in der Nährlösung schwimmt, während er seine Aufgaben verrichtet, als hmmm, ja als was jetzt genau, als Zellenschwarm oder Erinnerung seiner selbst und seiner Funktionen? Aber das ist eben science fiction, da steig ich manchmal einfach nicht durch. Das liegt nicht an deiner Geschichte, sondern an mir als Leserin. Muss man wohl einfach akzeptieren, genauso, wie man beim Horror die Existenz von Übersinnlichem akzeptieren muss.
Probleme hatte ich auch mit der Vorstellung, woher denn die Rachefiguren kommen. Stammen sie nicht aus dem einen befüllten Alkoven, den man ihm untergejubelt hat? Aber wer hat dann den Vater da in den Alkoven platziert und zu welchem Zweck? Oder ist das nur seine Einbildung? Oder wie oder was?
Trotz vieler Fragen ... also mir hats gefallen ....
Novak

 
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Hallo Ernst,

vielen Dank fürs Lesen und Deinen Kommentar. Ich empfinde es schon als Kompliment, dass Dir der Text gefällt, obwohl Du sonst keine SF-Stories liest.

Die beiden von Dir monierten stilistischen Schwachstellen habe ich überarbeitet. Vielen Dank für die Hinweise.

Ein paar kurze Anmerkungen zu Deinen Fragen:

1. Träumt Sam das alles mit seinem realen Gehirn, in seinem realen, marinierten Körper? Ja, genau. Während sich Sams Körper in einer Stasiswabe befindet, ist sein Bewusstsein per Interface mit dem Schiff verbunden und kann "wie in einem Traum" im Schiff umherlaufen, die physische Realität (Schalter, Türen, Kleidung, Werkzeuge) aber real manipulieren.

Der Hintergrund dieser Idee ist eine alte, mystische Vorstellung, nach der es möglich sein soll, mit Hilfe eines Traumkörpers in der realen Welt zu interagieren. Während der Träumer im Bett liegt, spaziert sein Traumkörper durch die Tür nach draußen und mäht den Rasen.

Ich habe mir dazu das Oneiros-Interface ausgedacht, das diese spirituelle Vorstellung mit technologischen Mitteln aufgreift. Wie das genau funktioniert, diese Antwort bleibe ich dem Leser allerdings schuldig. In der Erstversion der Geschichte hatte ich versucht, das etwas genauer zu schildern, aber das fand niemand so richtig interessant. War auch nicht besonders clever geschrieben von mir.

2. Erinnert sich Sams quasi digitalisiertes Bewusstsein plötzlich an das lange verdrängte Verbrechen und wird nun von schrecklichen Gewissensbissen gepeinigt?

In der Tat. Der Clou der KG besteht ja darin, dass durch die Verbindung von Technologie und Gehirnfähigkeiten für Sam eine Beinahe-Realität generiert wird. Diese ist aber, da sie im Grunde einen Traum darstellt oder zumindest Traumkörper in die Realität projiziert, höchst anfällig für die Gestaltungskraft des Psychischen, so auch für alles Verdrängte. So mischen sich in meiner KG Linda und ihr Vater in Sams Alltag als Pilot.

3. Ist Sam überhaupt auf einem Weltraumflug?

Ja. Ich habe mir das Oneiros-Interface ausgedacht als Verbesserung der Cryo-Stasis, die wir aus Alien, Prometheus und diversen anderen SciFi-Geschichten kennen. In der Cryo-Stasis, die man benötigt, damit die Piloten die extrem langen Reisen (manchmal Jahre) bei einem Minimum an Lebenserhaltungsaufwand machen können, schläft das Gehirn. In der Oneiros-Stasis schläft nur der Körper, das Gehirn hingegen überwacht den Flug des Schiffes.

Ich hoffe, das beantwortet Deine Fragen.

Beste Grüße
Achillus


Hallo Novak,

ich habe mich gefreut, dass Du die Geschichte gelesen und kommentiert hast. Vielen Dank dafür! Ich habe den Text wirklich radikal überarbeitet und aus der Erstversion nur die Grundidee für den Background übernommen. In den kommenden Wochen werde ich mir auch Operation Santiago und Die verbotene Kammer noch mal anschauen. Dazu hast Du ja auch einiges geschrieben, und ich versuche mal, das neu umzusetzen.

Schön, dass Du die Story spannend fandest. Die Verständnisprobleme – in welchem Zustand befindet sich Sam nun eigentlich – kann ich gut nachvollziehen. Ich habe das ziemlich im Dunklen gelassen, weil ich dachte, das auseinanderzunehmen wird zu kompliziert.

Die Rachefiguren stammen aus Sams Psyche. Sie können sich im Mindspace – das ist der Zustand, in dem Sams Traumkörper sich durch das reale Schiff bewegt – manifestieren, denn in diesem Zustand wird die strikte Trennung zwischen Einbildung und Realität aufgehoben. So dachte ich es mir.

Der blinde Passagier im Alkoven ist lediglich eine falsche Fährte. Der Leser soll annehmen, die Rachefiguren kommen aus seinen Erinnerungen.

Beste Grüße
Achillus

 

Servus Achillus,

Verglichen mit deiner ersten Version stellt die Zweite wahrhaft ein Lesevergnügen dar. Ernst offshore trifft vollkommen die richtigen Worte. Wirklich überraschend war für mich dein doch sehr starker Stilwandel, als wäre ein anderer Autor am Werke, was ich natürlich nicht unterstelle (ich muss leider gestehen, dass ich deine anderen Geschichten noch nicht gelesen habe). Würde mich interessieren, wie es dazu kam.

Inhaltlich hab ich ein paar Kleinigkeiten anzumerken:

Während seiner Dienstjahre auf dem Zerstörer Chronos hatte Sam einige Male tief in den Abgrund menschlichen Wahnsinns blicken müssen, und er war damit bemerkenswert gut klar gekommen, aber jetzt verschlug es ihm den Atem.

Aus deinen ersten Zeilen stelle ich mir Sam als kampferprobten und gestählten Soldaten vor. Dass die Handlung mit dem Hautfetzen ihn aus dem Gleichgewicht bringt, passt nicht ganz zu seiner vorhergehender Beschreibung (respektive meiner Assoziation). Passender fände ich es, wenn Sam sich nur als einfacher, normaler Soldat präsentiert. Dies würde dann auch glaubwürdiger im Kontext mit seinen verdrängten Erlebnissen (Schuldgefühlen) stehen. Viel ändern muss man an deiner Geschichte dafür nicht: … hatte Sam schon manch Schlimmes erleben müssen, … etwas in dieser Form.

Der Hintergrund dieser Idee ist eine alte, mystische Vorstellung, nach der es möglich sein soll, mit Hilfe eines Traumkörpers in der realen Welt zu interagieren. Während der Träumer im Bett liegt, spaziert sein Traumkörper durch die Tür nach draußen und mäht den Rasen.

Diesen Aspekt finde ich unpassend. Dein Handlungsverlauf benötigt keinen Einbezug irgendwelcher, mystischen Aktionen. Ohne Grund oder Mehrwert für deine Geschichte verwebst du hier Mystik mit dem realistisch anmutenden Hauptstrang. Ebenso verursacht dir dies auch ein ernsthaftes Logikproblem, aber später mehr dazu.

Die Schiffssteuerung (oder besser Überwachung, Möglichkeit zur Einflussnahme bei Notfällen, da es ja Autopiloten gibt) mit den eigenen Gedanken zu steuern ist vollkommen in Ordnung. Dazu muss sich aber der „menschliche Geist“ nicht noch irgendwie im Raum manifestieren. Die Manifestierung nützt du dann zwar in deinen Handlungen, aber all diese könnten prinzipiell auch in seiner virtuellen Realität stattfinden. Ein paar Details müsste man abändern, aber dies wäre kein großer Aufwand.

Mit der Zerstörung seiner Wabe und dem nachfolgenden Transport in eine andere Wabe erzeugst du nun ein Logikproblem. Es wäre ziemlich unglaubwürdig, dass während dieser ganzen Aktion das Interface funktionstüchtig geblieben wäre. Ich würde hier eine Funktionsstörung erwarten, und dass sich dies in irgendeiner Weise in der Manifestation bemerkbar macht. Kurz gesagt, bei deiner Beschreibung stelle ich mir ein unterbrochenes Interface vor, und damit keine Manifestation mehr. Aber bei dir passiert gar nichts. Als würde alles normal weiter funktionieren, als würde sein Körper noch in der Wabe, angeschlossen an das Interface, sein.

Hab's gerne gelesen und bin gespannt auf deine anderen (überarbeiteten) Geschichten.

Viele Grüße
Kroko

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kroko,

vielen Dank für Deinen Kommentar. War schön, von Dir zu lesen.

Was den Stilwechsel betrifft, da liegen die Ursachen eindeutig in der Kritik der bisherigen Rezensenten. Ich will ja nicht nur für mich schreiben. Deshalb nehme ich die Hinweise der Kommentatoren normalerweise ziemlich ernst, auch wenn es eine Weile dauert, bis ich eine Story dann umschreibe.

Dass ich schrieb, Sam wäre mit dem Horror des Krieges "bemerkenswert gut klar gekommen", sollte bereits ein Hinweis auf seine (ihm unbewusste) Neigung zum Verdrängen sein.

Zum Mindspace: Du hast Recht, man hätte das Ganze in einer virtuellen Umgebung spielen lassen können, aber ich fand gerade den Aspekt des Traumkörpers interessant. Vielleicht überlege ich mir das Ganze aber noch mal und schreibe es um.

In diesem Fall müsste dann aber der gesamte Aspekt, wie Sam sich selbst in der Wabe betrachtet herausfallen und diesen fand ich besonders schön. Oder siehst Du das anders? Eine VR-Umgebung macht es Sam ja unmöglich, seinen Körper in Stasis zu betrachten. Und auch der Angriff auf die Wabe wäre dann unmöglich.

Was das Interface betrifft, da habe ich jetzt einen kleinen Absatz eingefügt, der zeigt, wie ich mir die Verbindung zwischen Körper (den Gehirnwellenableitungen) und dem Schiffscomputer vorgestellt habe, nämlich per niederfrequentem Funknetz. Am Körper in Stasis kleben Elektroden, das Ganze ist also wireless.

("Wie ist der Status des Interface, Mona?"
"Elektroden, Ableitungen und Funksystem zeigen keinerlei Abweichungen, Cpt. Brenner."
"Ist es möglich, den Körper ohne Interface-Unterbrechung zu transportieren?"
"Ja, Cpt. Brenner. Das Funksystem arbeitet auf der gesamten Ebene.")

Bin für Hinweise immer dankbar.

Beste Grüße
Achillus

 

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