Was ist neu

Tiefer vergrab ich meine Bedürftigkeit (Lieber Mann)

Mitglied
Beitritt
05.03.2021
Beiträge
50
Zuletzt bearbeitet:

Tiefer vergrab ich meine Bedürftigkeit (Lieber Mann)

Du willst wissen, was ich fühle, während du meine Klitoris berührst?
Nichts.
Aber dafür hasse ich mich.
Es braucht viel, um dieses Nichts auszuhalten. Ich schaffe es nicht.
Wie kann ich von dir erwarten, dass du es tust?

Ich habe einen Knacks da unten. Oder überhaupt. Das dämmert mir erst jetzt so langsam. Jahrelang habe ich das so gut versteckt, dass ich mich damit selbst hinters Licht geführt habe. Und alle Männer, die ich kannte.
Aber jetzt, jetzt reicht es.
Ist es dein Interesse? Deine Fragen, die nicht da aufhören, wo ich keine Antwort weiss? Oder weil du meine Yoni berührt hast, noch ehe wir Körperkontakt hatten? Mit dir habe ich das seltene Verlangen, nackt zu sein.

Ich schiebe die Taubheit meiner Klitoris auf den Moment, in dem er sie berührt hat. Es war seine Bedürftigkeit, die mich gelähmt hat.
Eine Qualität, die mir zugestanden hätte. Denn er war erwachsen und ich erst sechs.

Wenn du mich fragst, was ich will, was mir gefällt, ich weiss es nicht.
Ich war zu schambehaftet, um es herauszufinden.
Im Teeniealter verflog das anfängliche Kribbeln just in dem Moment, als mein damaliger Freund mit seiner Hand in meine Unterhose glitt.
Sobald es unter die Gürtellinie geht, komme ich ins Freeze.
Die Jeans fiel nach 3 Monaten Rumknutschen und Obenohne, und ich habe nur wenige Tage später Schluss gemacht.
Das konnte ich nicht ewig so bringen.

Freeze heisst nicht, dass ich nur regungslos daliege. Ich habe gelernt, meinen Körper auch in der Starre zu bewegen.

Ich habe mir gemerkt, was den Männern gefällt, was ich richtig mache. Solange ich es gut mache, empfinde ich auch Lust. Ich kriege, nein, ich hol mir sogar einen Orgasmus. Manchmal. Wenn alles systemkonform ist.
Solange ich die Männer errege.
Wie damals auf dem Spielplatz, als seine Geilheit auf meine Kosten ging.
Natürlich hatte ich da keinen Orgasmus.
Ich fand ihn erbärmlich, er tat mir leid. So habe ich das in Erinnerung. Aber womöglich ist das ein Konstrukt, das erst später kam.
Ein Bild, das ich mir ausgemalt habe.
Warum mich heute erregt, was mich damals schockiert hat, ist mir ein Rätsel.
In meiner Vorstellung lasse ich die Männer mich benutzen, während ich mich innerlich über sie stelle. Immer und immer wieder. Das ist mein Highway zum Orgasmus.
Die Panik sitzt im Gewebe meiner Vulva und die Coping Strategie bringt sie zum Singen. Ich habe gelesen, dass Orgasmen ein grosses Manifestationspotenzial in sich haben, dass das, was in dem Moment präsent ist, so eine Art Turbokraft hat. Ein Teufelskreis, den ich immer tiefer verankere. Mit jedem Orgasmus werde ich selbst zum Täter und bezahle mit der Scham.

Ich träume von einem Höhepunkt auf Augenhöhe. Nicht nur mit einem Mann, auch mit mir selbst. Ohne, dass ich dafür die Geschlechter abwerten muss.
Ich werfe meinem Ehemann vor, dass er im Patriarchat verfangen ist. Tatsächlich bin ich es selbst.
Ich will da raus. Und schon nerve ich mich über mich im Angesicht der offenen Türe. Mein Körper bleibt. Das Patriarchat ist meine Komfortzone.
Es ist der Ort, an dem ein Orgasmus möglich ist.

Wenn ich die Kontrolle habe.

Als ich zum ersten Mal eine Zunge da unten hatte, das war gefühlte 5 Minuten nach dem ersten Kuss mit dem Startorwart. 2 Minuten nachdem ich splitternackt auf seinem Wasserbett lag. Ich weiss nicht, wie viele Stoppschilder ich da überfahren hatte, das Tempo war zu schnell, um welche zu sehen. Und irgendwie stand ich immer noch da an der allerersten Signaltafel: der Tatsache, dass er eine Freundin hatte. Rechte konnte ich vergessen, ich hatte nicht einmal eine Daseinsberechtigung.
Du magst sagen, ich hatte Bedürfnisse. Ich glaube, ich hatte noch nie Bedürfnisse in meinem Körper, geschweige denn, dass ich sie in den Mund genommen hätte. Meine Bedürfnisse sind Figuren und Geschichten in einem Land, das physisch nicht zu betreten ist.
Ein Ort, an dem ich flüchtete, als mein Ex weitermachte trotz meiner Neins. Er war nicht stark oder grob. Ich hätte ihn einfach wegschieben und aufstehen können.
Es klingt bescheuert, wenn ich jetzt sage, es war mir zu blöd. Zu blöd ist es einem, wenn es das kleinere Übel ist. Wenn mein Mann sein Geschirr nicht wegräumt und es mich kränkt, dass er es für selbstverständlich hält, dass ich es tue. Dann ist es mir manchmal zu blöde, eine Szene zu provozieren.
Aber sowas tut man doch nicht, wenn man eigentlich keinen Sex mit jemandem möchte.
Vielleicht wollte ich, dass er der Böse ist, dass es in ihn einfährt, wenn ich einfach nur so daliege. Dass er sich seiner Tat bewusst wird, sobald sein Schwanz ihn nicht mehr steuert.
Es ist mir gelungen. Aber es hat auch nichts besser gemacht.

Und ich gehe stark davon aus, dass auch er nicht stolz auf seine Tat war.
Er hat mir eine Zehnernote zugesteckt, er hat dafür bezahlt, dass er mich anfassen konnte. Für meinen kleinen Bruder gab es einen Fünfer Schweigegeld.
Als die fernen Rufe unseres Vaters mich aus meiner Starre erlösten, habe ich es ihm zurückgegeben. Darüber war ich später stolz. Dass mein Bruder seine Münze in die Spardose geworfen hatte, war jahrelang meine grösste Empörung.

Geschwiegen haben wir beide.

Und auch er sagte kein Wort, während seine Finger in mir wühlten. Er kannte unsere Sprache nicht.
Ich sehe ihn vor mir, wie er uns mit seiner Gestik zu sich lockt, als hätte er eine süsse Überraschung. Ich spüre seine nervösen Finger.
Worte hat er mir keine ins Hirn gelegt. Dafür könnte ich ihm dankbar sein. Er hat keine Stimme. Ich habe meine verloren.

Männer in ihrer Lust zu unterbrechen, war für mich immer eine immense Herausforderung. In meiner Singlezeit hallte in mir das Motto: Wer A sagt, muss auch B sagen. Hatte ich seinen Ständer erst mal in der Hand, gab es kein Zurück. Da waren Gedanken in mir, die es vorzogen, jetzt einfach aufzuhören. Aber bis über meine Lippen, das war ein langer Weg. Wäre ich gefragt worden, ich hätte nicht gelogen. Aber die Stille zu brechen, das habe ich selten hingekriegt.
Es durchzuziehen war einfacher. Ich musste diesem oralen und manuellen Teil einfach so gut wie möglich ausweichen. Petting sagte man. War das nicht das, was ich als Frau lieben sollte? Penetration war meine Rettung. Das konnte ich geniessen. In dem Moment war die Welt da unten in Ordnung. Und ein Ende war in Sicht.

Manchmal wünsche ich mir, er wäre böse gewesen damals. Dann hätte ich mich später nicht so sehr geschämt, dass ich nicht einfach weggerannt bin. Vielleicht hätte ich es dann sogar gekonnt. Stattdessen blickte ich in seine leeren Augen und rührte mich nicht vom Fleck.
Ich weiss mittlerweile vom Automatismus der Amygdala. Ich habe gelernt, dass ein 6-jähriges Hirn alles ungefiltert aufnimmt und abspeichert. Aufgeklärt war ich nicht und Sätze wie «Geh nicht mit einem Fremden mit» wurden damals noch nicht auf den Kindergartenweg mitgegeben. Obwohl mir gerade da nur unmittelbar später ein nackter Mann im Auto begegnet ist. Meine Freundin und ich trotteten auf dem Gehsteig. Er hielt dicht bei uns, kurbelte das Fenster runter, schaute uns an und spielte mit seinem Ding. Dann fuhr er weiter, und wir gingen unseres Weges. Womöglich lachten wir darüber. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich Angst gehabt hätte. Ich merke erst jetzt, wie viel davon in mir eingefroren ist.

Jetzt, wo deine Gegenwart es zum Schmelzen bringt. Jetzt, wo ich meine wirren Gedanken ausspreche, ohne von einem Augenrollen unterbrochen zu werden.

Meine Ratio schimpft mich feige und faul.
Andere wurden jahrelang missbraucht, wurden vergewaltigt. Und ich führ mich so auf wegen einer Viertelstunde und ein paar Fingern. Das ist doch nur eine Scheissausrede.
Die Scham überrollt mich einmal mehr und ich kann nicht aufhören, mich dafür zu verurteilen. Tiefer vergrab ich meine Bedürftigkeit.

Du willst das gar nicht hören, oder?
Eigentlich will ich es dir auch nicht sagen. Ich verbau mir damit meinen Fluchtweg. Jetzt durchschaust du mich. Es ist das Ende der Erotik.
Hast du noch Lust auf mich? Das Ganze hat mit Lust nicht viel zu tun, nicht wahr? Noch nicht.
Ich habe Angst, dass du mittendrin umkehrst und mich im Dunkel allein lässt.
Nein. Das wäre gar nicht so schlimm. Die Dunkelheit ist mir vertraut. Ich kann da gut alleine sitzen. Aber ich könnte dir danach nicht mehr in die Augen sehen.
Mein Mann hat dies mehrmals getan. Ich zeigte ihm meine Wunde, und er stocherte mit seiner Reaktion in ihr herum. Wir haben Sex, aber wir sind nicht mehr intim. Und meine Augen bleiben dabei geschlossen.

Wenn du wirklich erfahren möchtest, was ich fühle, dann musst du deine eigene Bedürftigkeit aussen vorlassen.
Wenn du das versuchst, dann hast du meine ganze Achtung. Dann greift mein Rollenspiel ins Leere.
Und genau diese gilt es auszuhalten.
Du hoffst, dass ich deine Berührung geniesse. Aber wenn du willst, dass ich fühle, nicht nur an der Oberfläche, sondern tiefer, dann musst du ertragen, dass ich es nicht schön finde. Noch nicht. Denn erst kommt die Angst. Und der Ekel. Und der Selbsthass.
Und dazwischen immer wieder dieses Nichts, weil ich es nicht ertrage, weil ich abhaue.

Es ist schön mit dir, aber diese Ehrlichkeit, es ist das Schwierigste, was ich je getan habe.

Ich weiss nicht, was ich fühle. Aber wenn ich mich sicher fühle, so richtig, richtig sicher, dann kann ich es herausfinden. Sex ist nicht sicher. Verbindung ist es. Kannst du die Verbindung halten, auch wenn ich die Augen schliesse, auch wenn ich in meinem Schlamm verschwinde?
Und auch dann, wenn ich hasse? Nicht dich, sondern ihn. Wenn ich ihn endlich hasse und in mir die Wut entdecke. Wenn ich ihn nicht mehr für erbärmlich halte, sondern seine Macht anerkenne, die Macht, die er missbraucht hat. Dann kann ich meine eigene Schwäche annehmen und aufhören, mich dafür mit Füssen zu treten.

Behutsam dringst du in mich ein.
Ich sehe die Auffahrt zur Autobahn, der Orgasmus winkt mir von weitem. Aber mit dir möchte ich auf der Landstrasse fahren. Dafür verzichte ich auf den Höhepunkt. Der Weg ist das Ziel.
Ich halte inne. Du auch.
Ein Schütteln im Körper, Tränen, die mir über die Wangen rinnen. Und meine Scheide, plötzlich eiskalt. Ob das gut ist, fragst du. Ich denke schon. Keine Ahnung, ich habe das noch nie erlebt.

Aber jede Veränderung ist gut, wenn man aus der Starre kommt.

 

Hallo liebe Leser,

Gerne hätte ich diesen Text, den du aktuell lesen kannst als neuen Beitrag hochgeladen, weil es keine Überarbeitung ist, sondern eine Variante.
Quasi die entschlüsselte und ehrlichere Version. Leider ist das hier nicht erlaubt.
Darum hab ich hier den alten Text (in dem ich alle Figuren im Du vereint hatte) mit der Variante (ein du, ein er und der Rest beim Namen genannt) ersetzt.

Herzlich, Tina

 

Ich war nach den ersten zwei Sätzen gebannt und gleichzeitig verwirrt. Dieser Text ist eine Art Offenbarung, die unverschämt ehrlich und gleichzeitig schüchtern wirkt. Es ist kein Moment der Langeweile aufgetreten. Wirklich gut.

 

Du willst wissen, was ich fühle, während du meine Klitoris berührst?
Nichts.

Aber jede Veränderung ist gut, wenn man aus der Starre kommt.

»Sexueller Missbrauch von Kindern ist meines Erachtens Mord an Kinderseelen, doch im Gegensatz zu echten Mordopfern müssen diese Opfer weiterleben«, heißt es in einer Veröffentlichung der Hanns-Seidel-Stiftung1 und um zu begreifen, wie die Gefühlswelt und Verhaltensweisen bis zur Entdeckung der „Kindheit“ im „Prozess der Zivilisation“ (wie’s Norbert Elias seinerzeit titelte, wenn vom Patriarchat die Rede ist, darf man so weit zurückgreifen) sich gewandelt hat, braucht nur seines mythischen Anfangs in der „verhinderten“ Opferung gedenken, wenn der junge Isaak den Vater fragt:„Feuer und Holz haben wir, aber wo ist das Lamm für das Opfer?“, und zur Antwort erhält: „Gott wird schon für ein Opferlamm sorgen.“ Die Geschichte des (alttestamentarischen) Menschenopfers dürfte bekannt sein, dass aber die Anerkennung der „Kindheit“ keineswegs menschenfreundlich gedacht war, sollte keiner unterstellen. Nicht nur Preußen stellte Anfang des 19. Jh. fest, dass Folgen der Kinderarbeit schlecht fürs Militär waren, wenn ein Balg nicht mal mehr gerade und stramm stehen konnte.

Alles schon gesagt und dass Du,

liebe Akelei,

schreiben kannst, hastu schon haarig bewiesen, da braucht man nicht ehrfürchtig erstarren, dass ich mich auf ein paar Flusen beschränke, wie etwa hier

Eine Qualität, die mir zugestanden hätte. Denn er war erwachsen und ich erst 6.
denn üblicherweise werden Zahlen in literarischen Texten ausgeschrieben – aber – wie ich finde – nur bis zwölf, weil ab da die lange Weile der sich immer wiederholenden Endungen anschließt

Freeze heisst nicht, dass ich nur regungslos da liege.
„daliege“, wenn die Trennung gewollt ist besser Nimmer sicher: „dass ich da nur regungslos liege.“

In meiner Vorstellung lasse ich die Männer, mich benutzen, während ich mich innerlich über sie stelle.
Komma weg!

Aber so[...]was tut man doch nichtKOMMA wenn man eigentlich keinen Sex mit Jemandem möchte.
Das Pronomen „mit jemand(em)“ eher mit Minuskel

Vielleicht wollte ich, dass er der Böse ist, dass es ihm einfährt, wenn ich einfach nur so daliege.
m. E. fehlt da ein „in“, selbst wenn „einfahren“ für einen Einfall steht

Und ich gehe stark davon aus, dass auch er nicht stolz auf seine Tat war, damals auf dem Spielplatz.
Einheit der Zeitenfolge im Satz beachten, dass es eine vergangene Tat „ist“ belegt ja schon das „damals“

Hatte ich seinen Ständer erstmal in der Hand, gab es kein Zurück.
auseinander „erst mal“, weil ein verkürztes „erst einmal“

Ich merke erst jetzt, wie[...]viel davon in mir eingefroren ist.

JetztKOMMA wo deine Gegenwart es zum Schmelzen bringt. Jetzt, wo ich meine wirren Gedanken ausspreche, ohne von einem Augenrollen unterbrochen zu werden.

Ob sich bei der Thematik ein "gern" anbietet, mag bezweifelt werden, also wähl ich die Negation

Nicht ungern gelesen vom

FRiedel


1https://www.hss.de/publikationen/zu...derjaehrigen-opfern-sexueller-gewalt-pub1891/

 

Lieber @Friedrichard

Vielen Dank!!
Hab ich alles gerne verbessert.
Einzig:

Vielleicht wollte ich, dass er der Böse ist, dass es ihm einfährt, wenn ich einfach nur so daliege.
m. E. fehlt da ein „in“, selbst wenn „einfahren“ für einen Einfall steht

Das verstehe ich nicht. Was für ein "in"? Steh grad aufm Schlauch.


Und ich gehe stark davon aus, dass auch er nicht stolz auf seine Tat war, damals auf dem Spielplatz.
Einheit der Zeitenfolge im Satz beachten, dass es eine vergangene Tat „ist“ belegt ja schon das „damals“

Das stimmt, wollts auch grad ändern, aber wenn ich sage, dass er nicht stolz auf seine Tat ist, dann rückt er so vertraut nahe. Als ob ich ihn heute noch kennen würde. Vielleicht gibt's ihn ja gar nicht mehr. Vielleicht ist er schon tot.
Kommt mir unpassend vor, von ihm in der Gegenwart zu schreiben. Weisst du, wie ich meine?

Danke dir auch für deine spannende Einleitung! Wie wahr.:(

Herzlichst, Akelei

 

Liebe Akelei,

nix zu danken & Glück hastu auch noch, dass ich gerade nochmals reingeschaut hab ...

Muttertext :
Vielleicht wollte ich, dass er der Böse ist, dass es ihm einfährt, wenn ich einfach nur so daliege.
ich dazu:
m. E. fehlt da ein „in“, selbst wenn „einfahren“ für einen Einfall steht
Du darauf:
Das verstehe ich nicht. Was für ein "in"? Steh grad aufm Schlauch.

Bin mir ziemlich sicher, dass alle Wendungen mit „einfahren“ der raum-/zeitlichen Präposition „in“ bedürfen (wenn selbst der Blitz in einem einschlägt und der Teufel „einfährt“) und in der Folge im Akkusativ zu stehen kommen – selbst im Bergbau ist es nicht abgeschliffen worden, während „einfallen“ oder synonym „auffallen“, also im besprochenen Fall „das es ihm auffällt“ ohne - die Präposition ("auf") ist ja schon als Vorsilbe fest verankert.
Und dann fällt mir unterm Schreiben noch folgendes ein

Das Böse fällt [in] ihm ein ... - ohne Präposition („in“) wird „das Böse“ zum Gedanken[spiel], das halt ausprobiert werden will. Sozusagen ein „Versuch“, was das ganze mit der „Versuchung“ der Religion in Verbindung bringt. Er ist nicht verantwortlich, was der Teufel oder seine Gene ihm eingeben. Kann da halt nix für …

Muttertext

Und ich gehe stark davon aus, dass auch er nicht stolz auf seine Tat war, damals auf dem Spielplatz.
ich darauf:
Einheit der Zeitenfolge im Satz beachten, dass es eine vergangene Tat „ist“ belegt ja schon das „damals“
Du dazu:
Das stimmt, wollts auch grad ändern, aber wenn ich sage, dass er nicht stolz auf seine Tat ist, dann rückt er so vertraut nahe. Als ob ich ihn heute noch kennen würde. Vielleicht gibt's ihn ja gar nicht mehr. Vielleicht ist er schon tot.
Kommt mir unpassend vor, von ihm in der Gegenwart zu schreiben. Weisst du, wie ich meine?

Das "damals" eröffnet eigentlich die Möglichkeit des "historischen Futurs" (statt "ich werde morgen kommen" nur "ich komme morgen") für die "rückblickende" Gegenwart, etwa der Art
"Und ich gehe stark davon aus, dass auch er nicht (mehr, wenn ers denn eh einmal war) stolz auf seine Tat von damals auf dem Spielplatz ist."

Hoff', dass es weiterhilft oder zumindest anregend ist. Bis bald

Friedel

 

Hey ja, vielen Dank! @Friedrichard
Das mit dem Einfahren, merk ich erst jetzt, ist wohl ein Schweizerismus. Wir sagen, es fährt jemandem ein, oder eine Droge, die einfährt, generell oder eben die jemandem einfährt. Das gibt's in deutsch also gar nicht, hm? Schade. Ist noch praktisch der Ausdruck. ;-) Fällt mir grad auch nicht wirklich ein Ersatz dazu ein, der dem gerecht wird...
Dieses "in ihm einfahren" scheint eher konstruiert oder?

 
Zuletzt bearbeitet:

Starker Text, @Akelei
Ehrlich, unverblühmt, Verletzlichkeit und Hass im Wechselspiel. Nachhaltig und nachhallend. Hat mich beindruckt und nicht kalt gelassen.

Hier noch ein Vorschlag zu

Vielleicht wollte ich, dass er der Böse ist, dass es in ihm einfährt, wenn ich einfach nur so daliege.
Ich kenne das als Schweizer ebenfalls.
"Äs fahrt mir i" / " Äs isch mir igfahre"
Dann ging mir ein Ereignis an die Nieren, etwas berührte mich tief, liess mich zusammenzucken, mir wurde heiss, usw.

Gar nicht einfach, ein Synonym fürs Deutsche zu finden.
", dass er erschauert / dass es ihn aufrüttelt / wachrüttelt / trifft / irritiert"
irgendwie so.

Liebe Grüsse,
dotslash

 

Danke@dotslash ,

gell! Ich finde, das Wort könnte wirklich eingedeutscht werden! ;-) wär ne Bereicherung!
„Erschauert“ find ich nicht schlecht, guck mirs später genau an. Danke dir! ?

 

Ich kenne das als Schweizer ebenfalls.
"Äs fahrt mir i" / " Äs isch mir igfahre"
Dann ging mir ein Ereignis an die Nieren, etwas berührte mich tief, liess mich zusammenzucken, mir wurde heiss, usw.

klärstu auf,

lieber @DoT,

und das ist gut,

liebe @Akelei,

denn wer den "Dialektiker" im Ruhr(s)pöttler kennt, weiß nun, dass es nicht nur stehen bleiben soll, sondern muss!,

meint der

Friedel

 

Hallo @Akelei!

Ich bin durch @Carlo Zwei auf deinen Text gestoßen. Insgesamt - also das Gesamtbild, gefiel mir sehr gut. Du hast einige sehr starke Stellen in diesem Text. Was den Aufbau angeht, so war ich oft verwirrt. Die verschiedenen Erzählungen, Gedankengänge und Charaktere, konnte ich nicht ganz zuordnen. In dem Text finden sich soweit ich das gesehen habe, zwei Ebenen - zum einen das Ich, das mit dem Du spricht, dem Mann, dem das Ich nun die Chance gibt. Diese Linie war meist gut nachzuvollziehen. Die Erinnerungen, die so fragmentarisch im Text auftauchen, konnte ich allerdings kaum einordnen. Da fehlt mir ein wenig die Ordnung im Text. Ich hab noch ein paar Stellen zitiert, zu denen ich einzeln etwas sagen will:


Es braucht viel, um dieses Nichts auszuhalten. Ich schaffe es nicht.
Wie kann ich von dir erwarten, dass du es tust?

Ich habe echt lange gebraucht, um den dritten Satz zu verstehen. Das könnte man jetzt als Kritik sehen, aber ich mag diesen Satz. So wie ich ihn verstanden habe, geht es darum, dass das Ich sich dafür schämt, dass sie nichts fühlt und gleichzeitig daran denkt, wie es dann wohl für ihn sein wird. Etwas, das ich vielleicht deshalb erst so spät verstanden habe, weil ich so in ihrer Perspektive war, dass ich kaum daran gedacht habe, wie es ihm dabei wohl geht und darum kam er mir im ersten Moment - also der Satz - etwas fehlplatziert vor, aber als ich den Text das zweite Mal gelesen habe, fand ich ihn gut.

Ich schiebe die Taubheit meiner Klitoris auf den Moment, wo er sie berührt hat.

Ich würde hier schreiben: "(...) auf den Moment, in dem er (...)". Einfach weil das "wo" für mich einen Ort bezeichnet, aber in dem Fall geht es um den Moment und damit um etwas zeitliches. Ich weiß allerdings nicht, ob das ein Fehler ist, das sage ich nur aus einem Gefühl heraus.

Es war seine Bedürftigkeit, die mich gelähmt hat.
Eine Qualität, die mir zugestanden hätte. Denn er war erwachsen und ich erst sechs.

Diese drei Sätze sind stark. Eine verdammt starke Aussage.

Wenn du mich fragst, was ich will, was mir gefällt, ich weiss es nicht.
Ich war zu schambehaftet, um es herauszufinden.

Das ist auch eine sehr schöne Stelle - ich habe vor kurzem erst einen (wissenschaftlichen) Text über Scham gelesen und da ging es unter anderem auch um Missbrauch (auch über die katholische Kirche, etc. aber ich will nicht zuweit ausschweifen) und ein großes Thema war, dass Scham lähmt und distanziert, nicht nur von der Umwelt und den Mitmenschen, sondern auch von sich selbst. Diese Stelle hat mich daran erinnert. Überhaupt beschreibst du das Innenleben des Ich-Erzählers was die Emotionen angeht sehr nachvollziehbar. Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass du dich in der Thematik auskennst.

Ich habe mir gemerkt, was den Männern gefällt, was ich richtig mache. Solange ich es gut mache, empfinde ich auch Lust. Ich kriege, nein, ich hol mir sogar einen Orgasmus. Manchmal. Wenn alles systemkonform ist.
Solange ich die Männer errege.
Wie damals auf dem Spielplatz, als seine Geilheit auf meine Kosten ging.

Den Absatz fand ich verdammt hart. Das sind gefährliche Gedanken. Insbesondere der Satz: "Wie damals auf dem Spielplatz, als seine Geilheit auf meine Kosten ging."


Vielleicht wollte ich, dass er der Böse ist, dass es in ihm einfährt, wenn ich einfach nur so daliege.

"(...) dass es in ihn einfährt, wenn (...)"

Dass er seiner Tat bewusst wird, sobald sein Schwanz ihn nicht mehr steuert.

"Dass er sich seiner Tat (...)"

Dann fuhr er weiter, und wir gingen unseres Weges. Womöglich lachten wir darüber. Ich kann mich auch da nicht erinnern, dass ich Angst gehabt hätte.

Der Satz klingt ein wenig holprig.

Du hoffst, dass ich deine Berührung geniesse. Aber wenn du willst, dass ich fühle, nicht nur an der Oberfläche, sondern tiefer, dann musst du es ertragen, dass ich es nicht schön finde. Noch nicht. Denn erst kommt die Angst. Und der Ekel. Und der Selbsthass.
Und dazwischen immer wieder dieses Nichts, weil ich es nicht ertrage, weil ich abhaue.

"(...) dann musst du es ertragen, dass ich es nicht schön finde." Das Fett markierte "es" könntest du streichen.
Von der Thematik her finde ich auch diesen Absatz sehr stark.

Wenn ich ihn endlich hasse und in mir die Wut entdecke. Wenn ich ihn nicht mehr für erbärmlich halte, sondern seine Macht anerkenne, die Macht, die er missbraucht hat. Dann kann ich meine eigene Schwäche annehmen und aufhören, mich dafür mit Füssen zu treten.

Und dass ist für mich das Highlight, der absolute Höhepunkt des Textes. Die ganze Zeit geht es um ihre Scham, um ihren Selbsthass und wie sie sich selbst dafür verurteilt, selbst dafür, dass sie sich schämt, dass sie sich nicht einfach fallen lassen kann beim Sex und dann kommt dieser Absatz. Wunderschön!


Also insgesamt mochte ich den Text. Inhaltlich habe ich nichts daran auszusetzen, im Gegenteil. Du hast sehr viele sehr starke Aussagen, Emotionen und Gedanken. Das einzige, was den Lesefluss stört, ist der wirre Aufbau. Dem Text würde es gut tun, wenn du versuchst, noch ein wenig mehr Ordnung hinein zu bringen und dem Leser dabei hilfst, sich ein bisschen besser zu orientieren.

LG Lucifermortus

 

Lieber @Luzifermortus

Vielen Herzlichen Dank für dein Feedback! Und sorry, dass ich mich erst jetzt melde! Grammatikalisch hab ich alles verbessert.
In punkto Ordnung hab ich im Vergleich zur ersten Version, schon sehr viel daran gearbeitet. Grundsätzlich denke ich, braucht es ein bisschen Verwirrung, da es aus der Erzählerperspektive eben genau diese Fragmentierung ist, was Traumatisierte ausmacht. Ich frag mich, ob da mit noch mehr Klarheit nicht auch etwas verloren geht, die Erzählstimme zu klar rüberkommt. Weisst du, wie ich meine?
Aber wenns denn Leser raushaut, ist das natürlich auch blöd. Sobald ich etwas mehr Zeit habe, werde ich mich nochmals damit befassen. Hab den Text jetzt selbst schon länger nicht mehr durchgelesen, werd ich mit deinem Einwand und meinem eigenen Abstand, den ich über die Zeit gewonnen hab, gerne bald nochmals tun.
Vielen Dank dir!

Herzlich! @Akelei

 

Hallo @Akelei!

Grundsätzlich verstehe ich, was du meinst, wenn du sagst, dem Text würde mit mehr Ordnung vielleicht etwas verloren gehen. Durch die Unordnung zeigt sich noch auf einer anderen Ebene - ich glaub man nennt es Metaebene - dass der Ich-Erzähler seine Gedanken nicht im Griff hat, dass sie in ihn einfluten. Das find ich schön und ich bin ein Fan von solchen Sachen- aber dennoch braucht es ein paar Anhaltspunkte. Teilweise helfen kleine Hinweise wie „das Bild verschwimmt“, die Szene wechselt - oder zumindest die realen Punkte, also das was wirklich grade passiert: sie liegt mit ihrem Freund im Bett und sie haben Sex. Das vielleicht nur diese Szenen, bei denen man wieder in der Gegenwart klar abgegrenzt sind von dem Fragmentarischen. :)

Wobei anders gesehen - ich hab den Text auch so fertig gelesen und mir Gedanken dazu gemacht und ich habe ihn gerne gelesen. Das heißt, auf mich hatte er auch so eine gute Wirkung.

Lg Lucifermortus

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom