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Terraforming
Das Raumschiff befand sich in einer relativ niedrigen Umlaufbahn um den Planeten. Auf dem Bildschirm im Inneren konnte man die kalte Pracht der Sterne bewundern. Eine rötliche Halbkugel war am linken Bildschirmrand zu sehen.
Hans Roehm hatte sich die Ankunft eigentlich spektakulärer vorgestellt. Mehr so wie in den schon seit einiger Zeit so populären Weltraumfilmen. Irgendwie waren ihm die realistischer vorgekommen als der Anblick, der sich ihm jetzt auf dem Bildschirm bot. Dieses Bild hier strahlte nicht jenes Weltraumfeeling aus, bei dem sich stets seine Nackenhaare aufzurichten pflegten, erzeugte nicht jenes angenehme Prickeln auf der Haut.
Er fragte sich schon lange, warum der echte Weltraum nicht diese Effekte erzielte. Die einfachste Antwort auf diese Frage war wohl die, daß der Weltraum halt in den Filmen spektakulärer dargestellt wurde als er wirklich war. Und er war - da war sich Roehm absolut sicher - die tödlichste Umgebung in die sich ein Mensch je begeben hatte.
Na ja, nicht ganz, gestand er sich ein. Die Erde war mittlerweile fast genauso tödlich wie der Weltraum.
Er erinnerte sich an die Kuppelstadt in der er als Kind aufgewachsen war. Seine Großmutter hatte ihm damals oft berichtet, daß sie noch das Leben unter freiem Himmel gekannt und schätzen gelernt hatte. Er versuchte ihr damals klarzumachen, daß dies wohl kaum möglich sein konnte, da die Atmosphärengifte, allen voran die Kohlenwasserstoffe, ein Leben in der Atmosphäre unmöglich machten, das hatte man ihm schließlich im Kindergarten beigebracht. Aber trotz allem fand er ihre Schilderungen damals sehr faszinierend. Faszinierend genug zumindest um Jahrzehnte später - mein Gott es war wirklich fast dreißig Jahre her - sehr engagiert beim Terraforming-Programm mitzuarbeiten.
Roehm starrte wieder auf den Bildschirm. <So langsam müßte ich aus dem Funkschatten herauskommen,> dachte er.
Der Mars hing immer noch am linken Bildschirmrand. <Merkwürdig welche Gedanken einem so durch den Kopf gehen,> sinnierte Roehm, <in einem Film hängt der Planet nie am linken Bildschirmrand, er befindet sich meist unten, eine einfache Folge der zweidimensionalen Erwartungshaltung der Zuschauer.
"Terraformingkontrolle Marsaußenbasis IV ruft Raumschiff Begum 3, Hans bitte melden..." Roehm schreckte auf, das Raumschiff hatte den Funkschatten überwunden. <Es wurde langsam Zeit,> dachte er bei sich, <hier oben einen Relaissatelliten zu installieren um den dämlichen Funkschatten zu überwinden - aber das schien zu teuer zu sein.>
"Hier Raumschiff Begum 3, hallo Terraformingkontrolle Marsaußenbasis IV, Rajid bist du das?" antwortete Roehm.
"Richtig geraten Hans, wie war der Flug? Wir warten hier sehnsüchtig auf deine Fracht, selbstverständlich auch auf ein anderes Gesicht. Mit der Zeit geht man sich hier ganz schön auf die Nerven." Die Stimme klang freudig erregt. Roehm konnte sich den kleinen drahtigen Inder direkt vorstellen, wie er über die Kontrollen gebeugt vor dem Mikrofon stand.
"Wie geht's denn voran mit dem Projekt, Rajid?" fragte er, wohlwissend, daß das wohl das letzte war worüber sich die Basisbesatzung z. Zt. unterhalten wollte.
"Du hast Nerven danach zu fragen. In einigen Jahrzehnten werden wir soweit sein, daß eine Art von Atmosphäre vorhanden ist. In hundert Jahren können Menschen evtl. im Freien überleben, aber das weißt du ja alles selber. Mit einigen Kleinigkeiten haben wir im Moment Schwierigkeiten, ich hoffe du hast alle Ersatzteile dabei. - Unser Computer signalisiert mir übrigens gerade, daß du in zwei Minuten ein Landefenster hast."
Roehm betätigte einige Schalter und gab dem Bordcomputer den Befehl die Landung vorzubereiten. Wieder mußte er an die Erde denken, an die Erzählungen seiner Großmutter von einem grünen Planeten. Vielleicht würde der Mars einst so sein - Roehm würde es nicht mehr erleben.
2
Das Raumschiff befand sich in einer relativ niedrigen Umlaufbahn um den Planeten. Zwei Augenpaare blickten mit Ehrfurcht auf den Bildschirm. Es hatte den Anschein, als ob der Planet sich langsam von einem Ende des Monitors zum anderen bewegte. Tatsächlich war es natürlich das Raumschiff, welches sich bewegte, die Eigenbewegung des Planeten fiel nicht ins Gewicht.
"Motan, hier siehst du das letzte Stadium des von unseren Vorfahren eingeleiteten Umformungsprozesses. Grandios nicht wahr? Eine gewaltige Aufgabe neue Lebensräume für unser Volk zu schaffen." Die Stimme klang überaus beglückt. Eine Hand fuhr über die Bildschirmkontrollen und vergrößerte einen Bildschirmausschnitt.
"Sieh her, an manchen Stellen entsprechen Atmosphäre- und Bodenwerte schon fast den gewünschten Verhältnissen."
Motan wiegte seinen Kopf hin und her. Er war dafür bekannt, erst dann seine Meinung kundzutun, wenn ihm alle Fakten zugänglich waren. Bisher hielt er sich in der Bewertung des Projektes stark zurück. "Du siehst die Sache etwas zu euphorisch, Roxa. Das Projekt verläuft nicht ganz so wie geplant!" Motan starrte seinen Begleiter an.
"Oh sicher, es hat eine gewisse Eigendynamik entwickelt, aber was ist daran schlimm? Unsere Vorfahren hatten geplant, daß die biologischen Former durch den Umwandlungsprozeß von selbst wieder verschwinden würden - nun das scheint nicht der Fall zu sein. Mit der Eigendynamik hat niemand gerechnet, aber was ist dagegen einzuwenden, daß die Menschen damit beginnen auch den Nachbarplaneten umzuformen? Nach einigen Jahrhunderten werden wir so einen weiteren Planeten zur Besiedelung haben. Oder glaubst du, daß die Menschen es lernen werden die für sie lebensnotwendige Umwelt zu schonen?" Roxa sah verzückt auf den Bildschirm, auf dem sich noch immer die Erde drehte. Er träumte davon sich endlich wieder in einer mit Stickoxyden angereicherten Atmosphäre, welche nicht von einer lästigen Ozonschicht umgeben war, frei bewegen zu können und nicht in Kuppelstädten eingesperrt zu sein.