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"Telefonsex"
Es war ein anstrengender Tag gewesen. Er war in der Hoffnung auf attraktive Abschlüsse, viele Kilometer vom Heimatort entfernt, von Kunde zu Kunde gefahren.
Jetzt lag er auf dem Rücken. Der Bettwäsche in diesem bürgerlichen Hotel entströmte noch dieser eigentümliche Geruch, diese Mischung zwischen Aprilfrische versprechenden Waschpulver und Heißmangel.
Durch die dünnen Gardinen fiel das Licht der spätabendlichen Hauptverkehrsstraße, begleitet von den Geräuschen, die sich nur in der Intensität, nicht aber in der Grundkonsistenz zu den verschiedenen Tages- und Nachtzeiten unterschieden.
Nur durch die schmale Betonwand getrennt, vermutete er in den benachbarten uniform gestalteten Räumen andere Männer, die gleich ihm den Beruf des Vertreters ausübten und sich in diesem typischen Businesshotel zur Nachtruhe zurückgezogen hatten.
In den letzten Momenten vor dem Einschlafen gingen seine Gedanken noch einmal spazieren. Es war kein kontrollierter Gang, sondern eher ein Hin- und Herhüpfen zwischen den verschiedensten Themen, als sich ein schnarrendes Geräusch in die interne Unterhaltung der verschiedenen Schubladen seines Hirns einmischte.
Es dauerte eine Weile, bis er sich bewußt wurde, dass dieses drängende Schnarren vom kleinen Telefon kam, das auf seinem Nachtisch stand.
„Jaaa?“ fragte er gedehnt mit müde Stimme in den Hörer hinein, irritiert vom unerwarteten Läuten des Telefons.
Der Klang einer Frauenstimme drang an sein Ohr. Es war eine warme, angenehme Stimme mit einer leichten Klangfärbung, die auf eine Herkunft aus dieses Region schließen ließ. Die ruhig und sanft zu ihm kommende Ton verriet auch, dass es sich nicht um ein allzu junges Mädchen handeln konnte, sondern vielmehr um ein weibliches Wesen, das sich im Verlauf der Lebensjahre zu einer vollen und reifen Blüte hat entwickeln können.
„Hallo, ich bin Sonja“, hörte er sie sagen.
„Ja, aber....“ wandte er ein, doch sie unterbrach ihn.
„Pssst! Ich möchte Dir jetzt erklären, wer ich bin. Einverstanden?“
Sonja wartete nicht die Antwort ab.
„Ich bin für eine Frau relativ groß, über einmeterachtzig. So verteilt sich meine ausgeprägt frauliche Gestalt auch – so hat man mir oft das Kompliment gemacht – in angemessener Weise auf meine Körpergröße.
Doch fangen wir oben an.
Die langen Haare haben einen rötlichen Schimmer, dunkelrot, fast ins Kupferne hinein reichend.“
Sonja schickte den Anflug eines Schmunzelns über die Leitung.
„Nun ja, in der Sauna oder aber auch, wenn Du mich jetzt, hier in meinem bequemen Liegesessel sehen könntest, in dem ich hocke wie Gott mich erschuf, würdest Du feststellen, dass beim Haupthaar der Friseur ein wenig nachgeholfen hat.
Die Haare reichen fast bis zur Hälfte meines Rückens, im Augenblick aber lasse ich sie über meine schmalen Schulter nach vorne fallen, so dass sie sanft über jene Wölbungen reichen, aus denen zwei Spitzen fest nach vorne ragen. Gerade jetzt sind sie so etwas wie das Nordkap, nämlich die hervorragende nördlichste Stelle meines Körpers. Die sie umschließenden dunkelroten Kreise sind unter den Haarsträhnen mehr zu erahnen als zu sehen.
Das, worauf Ihr Männer bei Frauen immer zu erst schaut, hat bei mir nicht die Form einer umgestülpten Eistüte, sondern gleicht eher zwei sanft ansteigenden Hügeln wie Du sie oft im Mittelgebirge vorfindest. Auch wenn ich einmal nicht mit jemanden telefoniere, fühlen sich diese beiden Erhebungen fest an, so dass ich auf das Tragen eines BH´s ungestraft verzichten kann.
Aus meinem schmalen Gesicht mit den fröhlichen Sommersprossen würden Dich, säßest Du mir gegenüber, zwei grüne Augen abtasten. Sie passen gut zu den ein wenig hervorstehenden Wangenknochen, die meinem Gesicht einen Hauch eurasischen Aussehens verleihen. Eine etwas zu lang geratene schmale Nase und die leicht geöffneten Lippen, zwischen denen gerne meine Zungenspitze sanft herumfährt, sollen als ergänzende Beschreibung meines Kopfes dienen.
Der schlanke Hals, dem ein vorsichtiges Liebkosen einer fremden Hand außerordentlich gut gefällt, dient sozusagen als Wegweiser zu den Schulterblättern, nachdem ich Dir die Vorderfront bereits beschrieben habe.
Von den Schultern führen zwei Muskelstränge abwärts, die von meinen gelegentlichen sportlichen Aktivitäten künden. Gleich dem Urstromtal eines Flusses hat sich die leichte Vertiefung um die Wirbelsäule gegenüber der Umgebung etwas zurückgezogen. Dieses wird noch ausgeprägter, wenn ich mir vorstelle, dass Du mit Deinen Fingernägeln ganz vorsichtig an den beiden Ufern auf und ab fährst.
Dort, wo das Land flacher wird, geht die Wirbelsäule mit der sie umgebenden Landschaft in jene besonders als Blickfang geeignete Region über, auf die Männer so gerne ihre Blicke heften, wenn Frauen an ihnen vorübergehen.“
Er schluckte leise, wagte aber nicht, sie zu unterbrechen.
Sonja hatte es bemerkt. Ein kaum hörbares zufrieden klingendes Lächeln drang durch das Telefon zu ihm.
„Mein Bauch ist flach, absolut bikinigeeignet, und ergibt in Einheit mit den beiden Hüften eine Taille, die nicht zu schmal ist, aber doch die Weiblichkeit meiner Figur unterstreicht. Wenn Du mit beiden Händen meine Hüften umschließen würdest, könntest Du die Elastizität des Fleisches spüren, aber auch erahnen, dass diese Seiten Deinen Fingern bei passender Gelegenheit genug Raum für einen festen Haltegriff bieten würden.
Meine Füße sind, beginnend an den rotlackierten Nägeln, relativ schmal, aber länglich.
Oberhalb des Fußgelenks beginnen die Waden. Wenn Du zu ihre Betrachtung am Fuß startest, wirst Du eine zunehmende Fülle wahrnehmen. Die runden festen Waden sind wohlgeformt und leiten den Blick nahezu automatisch zu den Knien, die nur durch ihre Inaugenscheinnahme verraten, wie gerne ihre Rundungen, aber auch die Kehlen an der Rückseite, sanfte Umschließungen einer männlichen Hand genießen können.
Das wäre auch die Ausgangsbasis für die weitere Reise der Fingerspitzen, an der Innenseite des Oberschenkels entlang, vorsichtig, nahezu zögernd, die überschaubare Zielgerade durch leicht kreisende Bewegungen verlängernd.“
Er versuchte, ein heftiges Schlucken zu unterdrücken, was ihm aber nur unzureichend gelang. Er wagte es nicht, sie zu unterbrechen. Schon das Vibrieren des eigenen Atems erschien ihm als störendes Geräusch.
Sonja hatte es wahrgenommen.
Ein leises Gurren kam durch die Leitung zu ihm.
„Ich kann mir gut vorstellen“, säuselte die einfühlsame Stimme, „wie dir jetzt zu Mute ist. Soll ich dir das beschreiben... oder lieber mit mir fortfahren?“
Er musste sich erst mehrfach räuspern, bis ein fast krächzendes „...mit dir...“ über seine Lippen kam.
Zuerst vernahm er nur ein verhaltendes, feines Lächeln, dann flossen die zarten Töne wieder aus dem Hörer:
„Mit welchen Worten soll ich dir die angenehme Wärme beschreiben, die beim Hauch deiner Berührung auf der zarten Innenseite meines Oberschenkels entsteht? Von jedem Punkt scheint ein direkter Draht zum Zentrum der Freude und Lust zu führen...
Genau dort, wo über die leichten Hautwölbungen ein schwarzer Flaum mein Geheimnis vor groben Blicken verborgen hält, wo sich erst nach sanfter Berührung erkundender Hände im zweiten Blick das offenbart, was die Männerherzen höher schlagen lässt, und nicht nur die Herzen...“
Er sah förmlich ein schelmischen Schmunzeln durch die Leitung dringen.
Sie schien einen Schluck Flüssigkeit zu sich zu nehmen, bevor sie fortsetzte:
„Haben deine Finger Namen?“ fragte sie urplötzlich.
Er war verdutzt. „Nein...“ stotterte er.
„Stelle dir vor, sie würden Schliemann heißen. Heinrich Schliemann. Sie hätten jetzt den Höhlenzugang entdeckt und würden sich vorbereiten, das Geheimnis der Tiefe zu ergründen. Jedes Mal ist es ein erneutes Entdecken, ein Staunen, ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Und auf diesen Wellen würde ich im Gleichklang mit dir schwingen.
Allein der Gedanke daran ist, als würden deine Finger wachsen und mein Innenleben an der Seele vorbei bis zu den empfindsamsten Stellen des Hirnes liebkosen.“
Ihr Stimme war jetzt etwas schneller geworden, die Sätze kamen nicht mehr melodisch gehaucht, sondern atemloser, stoßweise wie nach einem zu raschen Treppenaufstieg.
„Ich fühle jetzt... ganz entspannt... es ist unbeschreiblich... genau da... ja... ja...
so ist es... ahhh... ich... ich... du...“
Dann brach die Stimme plötzlich ab.
Seine Hand hatte ihn fest umschlossen. Die Knöcheln waren weiß, traten vom Druck stark hervor. Er löste etwas die Umklammerung, entkrampfte die Hand, so dass die Feuchtigkeit an der Innenseite der Hand entlang fließen konnte.
Die Hand war warm, fast heiß. Sie tat weh.
Er löste die Umschließung weiter, griff nur noch mit Zeige- und Ringfinger zu, den Daumen auf der Rückseite als Halt führend.
Alles war verkrampft.
Vorsichtig bewegte er die Hand.
Ihm wurde erst jetzt bewusst, welche Starrheit ihn während Sonjas Schilderung erfasst hatte.
Seine Augen tasteten sich langsam hinab. Der Blick fuhr den Unterarm entlang, über die Hand , die Finger bis zu deren Spitzen.
Ungläubig besah er sich das Gesamtbild, verstärkte wieder den Druck seiner Hand, die jetzt wieder fest drum herum lag, sich reflexartig wieder verkrampfte.
Dann war dieser Augenblick vorbei, das Unglaubliche wich von ihm.
Er führte jetzt einen kontrollierten Griff aus, fasste locker und nahezu entspannt zu... und legte den schweißnassen Telefonhörer mit den Abdrücken seiner feuchten Finger zurück auf die Gabel.