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Tanz mit dem Wind

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11.12.2015
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Tanz mit dem Wind

Leise eine Melodie summend, spritzt Nina mit ihren Füßen dem erzürnt dreinschauendem Poseidon das Wasser ins graue Gesicht. Die Tropfen wirbeln bunt herum. Am Springbrunnen sind, so kurz vor der Mittagszeit, nur wenige Leute.
Den Kopf in den Nacken gelegt, die Arme weit ausgebreitet, beginnt sie sich um sich selbst zu drehen. Immer schneller. Schneller.
Zärtlich streichelt der aufkommende Wind ihr Gesicht, will sie zu mehr verführen. Nun springt sie in die Höhe, die Zehenspitzen gestreckt. Ihre Muskeln unter dem dünnen Stoff fühlen sich stark und geschmeidig an. Sie kann es spüren. Endlich!
Der Wind frischt weiter auf, umspielt ihren Körper, lupft ihr Kleid wie ein frecher Geliebter. Eine letzte Pirouette. Dann beginnt sie von vorne.

Schon lange vor dem ersten Kind musste sie ihren Traum aufgeben. Der rechte Fuß.

Ihre Arme heben sich voller Kraft. Immer derselbe Bewegungsablauf. Gleich wird sie schweben! Unbefangen. Frei! Hin und her. Her und hin. Vom Wind vorangetrieben, der ihr liebestoll das Haar zerzaust.

Bruno betrachtet die Frau. Aus der Entfernung. Er kennt sie. So hat er sie noch nie gesehen. Tanzend im Brunnen. Er muss blinzeln, sich kurz die Augen wischen.
Die anderen, die hastig in ihrer Mittagspause am Brunnen vorbeieilen, halten die Köpfe in ihre Mantelkrägen gesenkt.

***

Zehn Uhr am Morgen. Die Flasche Sekt ist schon leer. Zum Putzen gönnte sie sich ein Glas. Dann noch eins. Geht ja dann alles viel beschwingter. Das Putzen. Mit Tanzen sowieso. Egal, dass der Fuß ruiniert ist.
Der erste Teil des Tages war bereits geschafft. Aufstehen, mit dem Hund raus, die Kinder wecken und ihnen beim Anziehen helfen. Ihr Mann war schon lange auf der Schicht. Frühstück mit Toast und Ei, wobei sie selbst nie Appetit hatte. Dann das Geschirr in die Spüle stellen, das Zähneputzen der Kinder überprüfen und sie rechtzeitig zum Bus schicken.

Vom Küchenfenster aus betrachtet sie die Windräder, die in der Ferne lautlos rotieren. Die sind neu. Keiner wollte sie. Aber nun sind sie da.

Das Mittagessen muss sie noch vorbereiten. Die Kinder kommen um eins. Schnitzel mit Möhren und Reis.
„Bäh, das mag ich nicht essen!“, kann sie die Stimmen ihrer Kinder schon jetzt hören. Aber darauf legt Nina Wert - gutes Essen. Das hat sie so gelernt. Von ihrer Mutter. Der Frau, die immer gesagt hat: „Pah, aus dir wird nie eine Tänzerin!“ Die Möhren sind schnell geschält.

Sie hat das Gefühl, beobachtet zu werden. Auf dem knorrigen Baum im Garten sitzt ein Rabe. Ein plötzlicher Windstoß lässt den Ast erzittern und schreckt den Vogel auf. Sie blickt dem Raben nach, der krächzend davonfliegt.

***

Bruno schaut sich kurz um, stellt die Tasche ab. Seine Schicht ist vorbei. Dann geht er ungelenk auf den Brunnen zu. Er nestelt an seiner Jacke und reibt sich die Nase. „Nina?“, ruft er zaghaft.
Die Frau schwebt unbeirrt ihren Tanz im immer stärker aufbrausenden Sturm. Feucht glänzende Haare peitschen wild um ihren Kopf. Der Wind scheint sie mit sich fortreißen zu wollen, zerrt ungestüm an ihrem nassen Kleid.
„Nina! Komm da raus!“, ruft er erneut. Diesmal lauter. „Du erkältest dich noch!“
Der wilde Tanz unterbricht jäh, Nina taumelt ihm entgegen.
„Was machst du denn hier?“, fragt sie keuchend. Ihre Brust bebt.
„Die Kinder kommen gleich nach Hause! Du musst aufhören damit!“, brüllt er gegen den Wind.
„Ach, ist es schon so spät?“, wundert sich Nina und sinkt erschöpft in Brunos Arme.
„Du musst unbedingt aufhören damit!“, wiederholt er und drückt sein Gesicht an ihren Hals. Er schmeckt ihren Schweiß und seine Tränen. Kann den kräftigen Herzschlag und die Wärme ihres Körpers spüren.
„Wir brauchen dich doch.“, wispert er.
Nina erstarrt, hält den Atem an. Die Haare wirbeln weiter um ihr vom Tanzen erhitztes Gesicht. Sie begegnet Brunos weichem, müdem Blick. Tränen steigen in ihr auf und sie muss sich mit dem Handrücken die Nase schnäuzen.
Bruno legt seine Jacke um sie beide, stemmt sich gegen den starken Wind, während sie nach Hause gehen. Die Kinder kommen bald.

 

Hey Lind ,

entschuldige, dass ich so spät auf deinen Kommentar reagiere.
Kein Problem.

??? Das verstehe ich jetzt nicht...
Ich meinte: "Sie hat das Gefühl, beobachtet zu werden." Also mit Komma. Ich weiß aber nicht, ob man da ein Komma braucht oder nicht.

Unbedingt! Vielen Dank!
Gern geschehen. :)

LG,
Alexei

 

Hallo Lind

Die Idee zu der Geschichte finde ich wirklich gut, das Bild von der im Brunnen tanzenden Frau, das Elfenmäßige daran, hat mir einen träumerischen Moment verschafft. Was mir aber fehlt, einfach nicht ausreichend spürbar wird, ist die Sehnsucht der Frau, die ihren Lebenstraum wegen einer Verletzung verloren hat. Womöglich hat sie ihn durch die Familie ersetzt, das kleine Glück, was mir dann aber zu negativ gezeigt wird. Als wären Kinder Feinde, die es eben zu füttern gilt . Aus der Geschichte könnte man mehr machen, tiefer reingehen, auch die Beziehung zu ihrem Mann verdeutlichen.

Textstellen:

Zärtlich streichelt der aufkommende Wind ihr Gesicht, will sie zu mehr verführen.
schönes Bild, zärtlich brauchst du gar nicht
Der Wind wird stärker, umspielt ihren Körper, lupft ihr Kleid wie ein frecher Geliebter.
das auch
Vom Wind vorangetrieben, der ihr liebestoll das Haar zerzaust.
auch das, obwohl du voran streichen könntest

„Ja, du hast Recht! Bei den Hausaufgaben brauchen sie mich. Da muss ich für sie dasein!“

Bruno stemmt sich gegen den starken Wind, während er sie nach Hause begleitet.

das Ende, na ja, das ist eher dürftig, weil die gewünschte Melancholie nicht richtig zum Tragen kommt, vielleicht wegen der Hausaufgaben oder weil man so gar nichts von Bruno erfährt.

Viele Grüße und schöne Glanzweihnachten
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Lind,

ich finde den Text ganz hübsch. Richtig kapiert habe ich ihn noch nicht, aber das macht nichts. Ich hab nichts gegen Text, die ich nicht gleich verstehe, vielleicht komm ich ja noch drauf.

will sie zu mehr verführen.
Hier würde mir gefallen, wenn du schriebest: Mehr was? Man versteht es, das ist nicht das Problem. Aber "mehr" klingt beliebig, schöner wäre etwas Konkretes.

Endlich!
Endlich - oder endlich wieder?

Eine letzte Pirouette. Dann beginnt sie von vorne.
"Letzte" streichen? Oder "die letzte", bezogen auf die Choreographie. "Eine letzte" stimmt ja nicht ganz, sie fängt ja wieder an.

Der rechte Fuß.
Find ich auch zu viel. Ich denke schon, dass das weg könnte.

Elegant, anmutig.
Versteht sich eigentlich von selbst, oder? Kann sicher weg.

Die anderen, die hastig in ihrer Mittagspause am Brunnen vorbeieilen, halten die Köpfe in ihre Mantelkrägen gesenkt.
Er sieht sie also wohl als einziger. Das könnte ein Spur zum Verständnis sein ...

Sie hat das Gefühl beobachtet zu werden. Auf dem knorrigen Baum im Garten sitzt ein Rabe.
Schöne Kombi, finde ich.

„Einer meckert halt immer“, denkt sie.
Das würde ich an sich auch streichen, lass den Raben doch einfach wegfliegen, dann steht er klarer für sich.

„Nina! Komm da raus!“
Aus dem Brunnen? Aber wie kann man im Brunnen tanzen? Wieso ist da Wind? Ach so, kein Ziehbrunnen, sondern ein Schmuckbrunnen? Oben stand mal Springbrunnen irgendwo. Könnte vielleicht deutliche sein, wenn es so gemeint ist.

Nina taumelt zu ihm herab.
Herab aus dem Brunnen?!

„Ja, du hast Recht! Bei den Hausaufgaben brauchen sie mich. Da muss ich für sie dasein!“
Letzter Satz könnte wieder ganz gut weg, ist doch an sich alles schon gesagt. Oder evtl. auch zusammengeschnitten: "Bei den Hausaufgaben muss ich für sie da sein."

während er sie nach Hause begleitet.
Klingt so, als würden sie nicht zusammen wohnen - er begleite sie nur. Das habe ich bis dahin nicht so gelesen.

Jetzt, nach dem zweiten Durchlauf, würde ich doch sagen, dass ein par Dinge klarer sein könnten: Der Brunnen, und ob beide zusammen wohnen. Die Seltsamkeit, dass sie im Brunnen tanzt, brauche ich dagegen nicht unbedingt genauer erklärt zu bekommen. Ich kann sie zwar nicht so richtig deuten, macht aber nichts.

So, das war's erst mal wieder, Sitzung ist um :)

Besten Gruß
erdbeerschorsch

 

Hallo Lind,

ich kenne die vorherigen Versionen nicht, beziehe mich also nur auf die Version von heute.
und die hat es echt in sich. Da wird wenig gesagt, aber es schwingt eine Menge zwischen den Zeilen mit. Wahrscheinlich hast du das vorher alles mehr ausgewalzt und jetzt einiges stark zurückgenommen? Mir gefällt es in dieser minimalistischen Art.
Tanzen ist ein starkes Thema. So viel Energie, aber auch Mut und Wunsch und Härte.
Was genau mit deiner Protagonisten passiert ist, wie viel von ihrem Traum sie gelebt hat, wie viel sie noch davon in der realen Welt lebt, das bleibt nur angedeutet. Es geht soweit, dass ich am Ende bezweifle, ob sie tatsächlich die Familie hat, die sie sich vorstellt. Einen guten Teil ihres Lebens scheint sie zumindest in ihrer Fantasiewelt zu leben.
Du musst aufhören damit, das impliziert ja eine ganze Menge.
Sie scheint sich gegen alles in ihrem Leben stemmen zu müssen. Gegen die Mutter, gegen ihren Mann, gegen ihren Fuß, die Kinder sind nur Vampire.
Mja, für ist da genug in dem Text, um Freude daran zu haben, die Leerstellen selbst zu füllen. Die Sätze sitzen für mich gut beieinander, haben oft sehr symbolischen Charakter, ihn dass ich die Gesamtheit als zu überfrachtet empfinde.
Es bleibt ein Fragezeichen zurück, mehrere Lesarten sind möglich, aber ich habe deiner Dame gern bei ihrem Tanz zugesehen.

Dem Thema der Challenge wird der Text sehr gerecht :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Grayson,

vielen Dank für deinen Kommentar. Ich habe mir einige Tipps von dir geschnappt und bin dabei, sie in die Geschichte einzuarbeiten. Vielen Dank! Das hat mich weitergebracht :)

Hallo maria.meerhaba,

schade, dass ich dich so gar nicht mit der Geschichte erreichen konnte. Aber so ist das nunmal. Nicht jedem gefällt alles. :(
Ich danke dir aber trotzdem, dass du vorbeigeschaut hast.

Hallo Isegrims,
Danke für deine Worte.

das Ende, na ja, das ist eher dürftig, weil die gewünschte Melancholie nicht richtig zum Tragen kommt, vielleicht wegen der Hausaufgaben oder weil man so gar nichts von Bruno erfährt.
Mit dem Schluss taten sich einige schwer. Der ist gerade noch in der Überarbeitung. Bin gespannt, ob das neue Ende besser ankommt. Gerne nehme ich da Rückmeldungen entgegen.

Hallo erdbeerschorsch,
auch dir ein (recht verspäteter) Dank für deinen Kommentar. Ich habe nicht alle Tipps von dir übernommen, aber wenigstens in Betracht gezogen. Nicht böse sein, aber einige Sachen, möchte ich so stehen lassen, wie sie sind.

Hallo weltenläufer,
Hach, es tut so gut, auch mal positive Rückmeldungen zu bekommen:

Da wird wenig gesagt, aber es schwingt eine Menge zwischen den Zeilen mit.
Dank dir dafür!!!:bounce:

Mja, für ist da genug in dem Text, um Freude daran zu haben, die Leerstellen selbst zu füllen. Die Sätze sitzen für mich gut beieinander, haben oft sehr symbolischen Charakter, ihn dass ich die Gesamtheit als zu überfrachtet empfinde.
ich habe den Text nach deinem Kommentar nochmal überarbeitet, etwas mehr ausgebaut. Hoffentlich gefällt dir das dann immernoch. Ich wäre für eine Rückmeldung sehr dankbar.

Allen ganz liebe Grüße
Lind

 

Hallo Lind,

ein schöner, leiser Text, der, wie ich finde, sehr durch die Überarbeitung gewonnen hat! Gut, dass der Hausaufgabensatz weg ist. Da kann ich nur mit der Pinzette rumstochern, um noch was zu finden.

Hin und her. Hin und her.

Hier wäre ich in Versuchung, zu schreiben: Hin und her. Her und hin. Aber das ist Schnickschnack (schnackschnick), keine ernsthafte Anmerkung.

Der Frau, die immer gesagt hat, „Pah, aus dir wird nie eine Tänzerin!“

Müsste nach ‚hat‘ nicht ein Doppelpunkt stehen anstelle des Kommas, zur Einleitung der direkten Rede?

und sinkt völlig erschöpft in Brunos Arme.

Ohne ‚völlig‘ würde auch gehen.

und sie muss sich mit dem Handrücken die Nase schnäuzen.

Wenn ich ein Taschentuch habe, schnäuze ich. Wenn ich nur den Handrücken habe, würde ich drüberfahren, abwischen und nicht volles Rohr rumrotzen. Weißt du, was ich meine?

Liebe Grüße
Anne

 

Hallo Anne49,

ein schöner, leiser Text, der, wie ich finde, sehr durch die Überarbeitung gewonnen hat! G
Schön, dass dir die bearbeitete Version besser gefällt. Da hat sich die Mühe ja gelohnt. (Auch wenn ich mir bezüglich eines neuen Elementes nicht ganz sicher bin... Vielleicht fliegt da noch wieder raus. Bis zur Deadline bleiben ja noch einige Tage.)

Die vielen Anregungen, Kommentare und auch Kritiken sind echt viel wert. Gut, dass es dieses Forum gibt.

Liebe Grüße
Lind

 

Hallo Anne49,
nach langem Hin und Her will ich doch bei dem Wort „schnäuzen“ bleiben. Ich wollte es unbedingt nicht damenhaft. Hoffe, du kannst damit leben.
Trotzdem vielen Dank für deinen Hinweis. Hab wirklich lange überlegt.

Gruß
Lind

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Lind,

ich habe die anderen Komms nur grob überflogen, aber ich entnehme ihnen, dass sich an deinem Text in den letzten Wochen schon einiges verändert hat. Da ich aber mit dem Lesen im Rückstand bin, kann ich mich nur auf die aktuelle Fassung beziehen und keine Vergleiche anstellen.

Ich mag ja Geschichten über Leute und ihre verlorenen Träume. Vor allem dann, wenn sie diese irgendwann doch noch mal aufleben lassen. Der Boxer, der ein letztes Mal in den Ring steigt, oder der Musiker, der sich im fortgeschrittenen Alter doch endlich zu einem Wettbewerb traut. Scheißegal, ob sie eine Chance haben zu gewinnen - entscheidend ist, dass sie sich auf dem Sterbebett nicht vorwerfen müssen, es nie versucht, sondern ihre Träume einfach stumm begraben zu haben.

So war auch mein erster Gedanke bei diesem Text: Nina bricht aus ihrem Heimchen-am-Herd-Dasein aus und sagt: Schnitzel und Möhren können mich mal, ich geh jetzt tanzen! Mir doch egal, ob alle blöd starren, wenn ich durch den Brunnen hopse. Wohl wissend, dass sie fuß-, kinder- und altersbedingt keine Primaballerina mehr werden wird. Ihr Mann Bruno ist natürlich angemessen geschockt, dass sein braves Weibchen aus der Reihe tanzt (haha), denn mit Dingen, die seinen gleichmäßigen (Schicht-)Rhythmus durcheinanderbringen, kann er nicht gut umgehen. Im Nachgang werden die beiden dann ihren Alltag neu aushandeln, damit Nina mehr Freiräume kriegt und wenigstens mal mit der Laientanztruppe der Volkshochschule auftreten kann. Oder so ähnlich.

Aber ach, vermutlich hattest du etwas anderes im Sinn. Nina ist Alkoholikerin, trinkt sich den Alltag erträglich, und ihr Tanz ist kein vielversprechender Ausbruch aus der Routine, sondern nur eine (weitere) Dummheit im Suff. Wahrscheinlich hat sie schon andere Dummheiten gemacht, die Besorgnis ihres Mannes wirkt nicht neu, eher scheint er der Verzweiflung nahe, weil sie schon wieder so was tut und er nicht weiß, wie er ohne sie klarkommen soll, wenn sie entweder mit Knochenbrüchen oder Lungenentzündung im Krankenhaus liegt oder aber in die Entziehungsklinik muss. Oder beides.

Du kannst dir denken, welche Interpretation mir besser gefällt. Aber deine Spuren sind wohl zu eindeutig. Eine ganze Flasche Sekt schon am Morgen ist ja doch etwas heftig. Und für "meine" Variante hätte sie wohl wenigstens die nur halb geleerte Flasche angewidert in die Tonne schmeißen müssen oder etwas Ähnliches, aber das tut sie halt nicht. Seufz.

So hat er sie noch nie gesehen.
Das wundert mich, falls meine zweite Interpretation zutrifft. Denn dann hätte ich eben erwartet, dass sie schon wieder durch den Brunnen (oder anderswo) tanzt und der Anblick für Bruno nicht neu ist.

Die anderen, die hastig in ihrer Mittagspause am Brunnen vorbeieilen, halten die Köpfe in ihre Mantelkrägen gesenkt.
Das wundert mich, denn eine tanzende Frau im Brunnen wäre doch eine Schau! Vielleicht willst du andeuten, dass alle betreten weggucken, wenn die Besoffene durch den Brunnen torkelt, aber ich glaube eigentlich nicht, dass alle so reagieren würden. Manche sicher, aber andere würden doch kopfschüttelnd stehenbleiben, miteinander tuscheln o.ä.

Geht ja dann alles viel beschwingter. Das Putzen. Mit Tanzen sowieso.
Auch das klingt so, als wäre Tanzen unter Sekteinfluss nichts ganz Neues für sie.

Frühstück mit Toast und Ei, wobei sie selbst nie Appetit hatte. (...) Aber darauf legt Nina Wert - gutes Essen. Das hat sie so gelernt. Von ihrer Mutter.
Auf den ersten Blick widersprüchlich, aber für mich sehr stimmig. Die dominante Mutter hat ihr eingetrichtet, dass das Essen sein "muss", auch wenn sie keinen Appetit hat. Und das wendet Nina auch bei ihren eigenen Kindern an.

Der Frau, die immer gesagt hat: „Pah, aus dir wird nie eine Tänzerin!“
Ja, das sind so die Killersprüche, mit denen manche Eltern ihren Kindern den Glauben an sich selbst austreiben. In einer Liga mit: "Wat soll der Jung mit nem Abi, der soll wat Vernümpftiges lernen!" und: "Hältst dich wohl für was Besseres!"

Sie hat das Gefühl[Komma] beobachtet zu werden.

fragt sie keuchend. Ihre Brust bebt.(...)
sinkt erschöpft in Brunos Arme. (...)
Kann den kräftigen Herzschlag und die Wärme ihres Körpers spüren.
Nach meinem Empfinden schilderst du damit auch in dieser Schlussszene, in der Bruno seine "kaputte" Frau einsammelt, ihren Ausbruch als etwas ungemein Kraftvolles, letztlich Gesundes, irgendwie Richtiges. Das ist entweder ein Widerspruch zur Beschreibung der Alkoholikerin oder aber eine gezielte und gut gemachte Zweideutigkeit, um am Ende doch noch etwas Hoffnung zu erzeugen.

Muss ich sagen, welche Auslegung mir besser gefällt?

Gern gelesen!

Grüße vom Holg ...


Nachtrag - diese Stelle hatte ich noch anmerken wollen:

sie muss sich mit dem Handrücken die Nase schnäuzen
"Schnäuzen" ist für mich (und den Duden) etwas Kräftiges mit viel Druck. So was macht man nicht mit dem Handrücken, sondern in ein Taschentuch. (Fußballer machen das auch oft auf den Rasen.) Mit dem Handrücken würde ich die Nase höchstens abwischen.

 

Hallo The Incredible Holg,

Vielen Dank, dass du bei mir vorbeigeschaut hast. Das hat mich echt gefreut.
Der Kommafehler ist berichtigt. Die Sache mit dem „schnäuzen“..., da muss ich nachdenken, ich will es mit Absicht etwas roh und nicht damenhaft. Aber vielleicht fällt mir da noch eine Alternative ein.

Dass du lieber ein Happy End gehabt hättest, tja das will ich dir nicht bieten. Du wirst lachen, aber bis kurz vor Deadline hatte ich eine Version eingestellt, in der auch die Rede von einem geheimen Kästchen ist, mit alten Fotos und Balletschuhen drin, und Bruno hat natürlich heimlich rein geluschert und bietet dann zum Ende hin der Nina an, dass sie ihm alles erzählen soll, und den Kindern das Kästchen zeigen. Das wäre wahrscheinlich genau dein Geschmack gewesen. Aber ich habe es wieder rausgenommen, da mir damit der Fokus zu sehr auf dem geplatztem Traum vom Tanzen lag. Mir war das letztendlich zu weichgespült. Da wurde eine Lösung angeboten, die ich nicht wollte. Also das Kästchen wieder raus. Nun bleibt alles offen. Das finde ich spannender.

Wie gesagt, dir hätte die vorhergehende Version besser gefallen, aber ich glaub, du magst auch so meine Geschichte. Vielen Dank für deinen Kommentar!!!

Grüße
Lind

 

Hey Lind!

Hab nochmal deine überarbeitet Geschichte gelesen und JA! Jetzt kommt es viel klarer rüber. :thumbsup:

Liebe Grüße Sabine

 

Hallo Sabine P,
Es freut mich, dass dir die Geschichte jetzt gefallen hat! Dann kann ich wohl mit einem Pünktchen rechnen :D.

Sonnige Grüße
Lind

 
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"Früher wurde gesagt, Aphrodite sei Mutter des Eros und Zeus sein Vater, was
ebenso viel gilt wie die verrückte poetische Vorstellung, Eros entspringe einer
Verbindung des Regenbogens mit dem Westwind."
Friedrichard: Hysteron proteron oder Die wirklich wahre Geschichte der O…​

Zärtlich streichelt der aufkommende Wind ihr Gesicht, will sie zu mehr verführen.
[...]
Der Wind frischt weiter auf, umspielt ihren Körper, lupft ihr Kleid wie ein frecher Geliebter.

Hallo Lind,

ich noch mal. Ich schloss den ersten Komm mit den Worten:

Über die Rolle des Rabenvogels (ein Klugscheißer - um bei den Winden zu bleiben) der Vogelwelt (darum ist ein Paar ja auch Ratgeber Odins/Wodans) muss ich noch nachdenken, denn er trägt eine Botschaft - aber welche ...
dem Du entgegnest
Der Rabe soll eine Warnung/Drohung sein. Wenn Nina das so weiter betreibt, wird es fatal enden. (Unglück, schwarze Zukunft, Rabenmutter, Trauer) Aber auch die Weisheit des Raben, die das voraussieht…

Nun hat zumindest neben Wind und Rabevögel auch der
erzürnt dreinschauende' Poseidon
mythisch Bezüge - jener Gott, der Odysseus in die Irre führt und treibt mithilfe von Wind und Wasser, dass er sieben Jahre lang den Calypso tanzt, um dann doch wieder zum angetrauten Weib und Reich zurückzukehren.

Selbst Ninas Ehemann trägt einen Mythos, der in der Geschichte überraschend ordnend eingreift:

(der Braune), wie der Bär genannt wird. Der wahre Name des Tieres wird nicht genannt, um das Tier - das man immer schon fürchtet - nicht anzulocken oder auch nur versehentlich herbeizurufen. So kommt Bruno, der Bär, ungerufen, überraschend.

So fügen sich die mythischen Bezüge Wind und Poseidon, Rabe und Bär. Verbunden durch den Tanz, der was vom Wirbelwind hat.

Den Kopf in den Nacken gelegt, die Arme weit ausgebreitet, beginnt sie sich um sich selbst zu drehen. Immer schneller. Schneller.
Nun springt sie in die Höhe, die Zehenspitzen gestreckt. Ihre Muskeln unter dem dünnen Stoff fühlen sich stark und geschmeidig an. Sie kann es spüren. Endlich!
Eine letzte Pirouette. Dann beginnt sie von vorne.

Nina, die Tänzerin, ist nicht mehr bei sich, sondern außer sich, in Ekstase - der Tanz als religiöser Akt, wie ihn auch Derwische pflegen. Und für einen Moment hat es in der Selbstvergessenheit was vom Totentanz, der mit der großen Pest im 14. Jh. aufkam (die Tarantella ist tatsächlich auf Sizilien mit der Pest entstanden). Und ist es nicht wie eine Pest, dass zunächst die Mutter nicht an die Tochter glaubt und diesem Orakel sich der körperliche Defekt zugesellt, das Orakel zu verstärken.

Zwo Kommas sind noch nachzutragen

„Die Kinder kommen gleich nach Hause! Du musst aufhören damit!“[,] brüllt er gegen den Wind.
„Wir brauchen dich doch!“[,] wispert er leise.

Gerngelesen vom

Friedel,
nicht nur, weil er sich mal wieder austoben konnte ...

 

Hej Lind,

i bims noch mal. Ich habe den Ursprungstext gelesen und bin neugierig auf die Überarbeitung.

Die Tropfen wirbeln bunt herum.

Das ist ein hübscher Satz. Er gefiele mir wohl noch besser, wenn vor- oder nachher in irgendeiner Form Sonne oder Licht mit einspielten.

Sie kann es spüren.
Ich lese vom Wind, von Muskeln, von Stoff - was spürt sie nur?

Der Wind frischt weiter auf, umspielt ihren Körper, lupft ihr Kleid wie ein frecher Geliebter.

Schön, dass er so blieb. Ich mag die Vorstellung eines Liebhabers, der ein Klein lupft. Es gibt Worte, die nutzt man viel zu selten. :shy:

Bruno betrachtet die Frau. Aus der Entfernung. Er kennt sie. So hat er sie noch nie gesehen. Tanzend im Brunnen. Er muss blinzeln, sich kurz die Augen wischen.
Die anderen, die hastig in ihrer Mittagspause am Brunnen vorbeieilen, halten die Köpfe in ihre Mantelkrägen gesenkt.

Warum du an dieser Stelle noch im Unklaren lässt, dass sie seine Frau ist, hast du bestimmt bereits erklärt (ich habe die Kommentare überflogen) - es fällt dennoch seltsam auf.

Vom Küchenfenster aus betrachtet sie die Windräder, die in der Ferne lautlos rotieren. Die sind neu. Keiner wollte sie. Aber nun sind sie da.

Welche Rolle das für sie spielt (oder für den Verlauf) ... ich komm nicht drauf.

Ich mag die Atmosphäre jetzt viel lieber als zuvor. Auch dass es scheinbar nur die Beiden gibt, harmoniert wunderschön zu ihrer Abgewandtheit von allem. Sie ist ganz und gar bei sich, wie unter Glas. Sehr zerbrechlich. Das kommt jetzt viel besser durch.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Moin Lind,

ich hatte die Ausgangsvariante gleich nach dem Einstellen gelesen und war einfach überfordert. Aber jetzt, schön klar, zwei deutliche Prots in einer zwar verwirrenden, aber verständlichen Szenerie - für mich eine gelungene Überarbeitung.

Eigentlich würde ich jetzt gerne die Geschichte, nach Deiner Geschichte lesen ..
Sorry, ist wirklich kein konstruktiver Kommentar, beim nächten Mal steigere ich mich, irgendwie werde ich wohl Challengemüde, aber Deine Geschichte habe ich gerne gelesen.

Beste Wünsche
witch

 

Hallo Friedrichard,
schön, dass du noch einmal vorbeigeschaut hast! Die beiden Kommas sind schon platziert :thumbsup:
Vielen Dank!
Kanji und greenwitch,
es freut mich, dass euch die überarbeitete Geschichte nun besser gefällt. Hat sich die Mühe doch gelohnt.

Grüße
Lind

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Lind,

ich war neugierig auf die Bearbeitung deiner Geschichte. Das Ende gefällt mir jetzt viel besser, vor allem der Schluss. Für mich ist das Spießige, die Zwangsharmonisierung nach altem Rollenbild heraus.

Ein spannendes Ende, das gleichermaßen Chancen und Scheitern für das Paar eröffnet.

Er kennt sie. So hat er sie noch nie gesehen.

Diese Ambivalenz gefällt mir sehr gut. Sie deutet an, dass der Ehemann seinen Blick öffnet für die Notlage und Bedürfnisse der Prota. Das wäre ja schon ein erster Schritt.

Das „gesunde Essen“, von den Kindern bemäkelt, hat mich amüsiert. Das kenne ich. Für die Prota spricht, dass sie sich die Mühe macht, frisch zu kochen.

Vielleicht gibt es ja eine Tanzgruppe im Sportverein, Tango oder Jazzdance ... ;)

Freundliche Grüße
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe wieselmaus,
Heute habe ich endlich mal Zeit, direkt auf Kommentare (ohne mehrere Tage Verzögerung) zu antworten. Aber manchmal muss man halt auch arbeiten... :lol:
Du glaubst nicht, wie sehr ich mich über deine positive Rückmeldung freue. Bin ich doch bisher immer noch ohne ein einziges Pünktchen. Das ärgert mich schon. :bonk: Aber ich nehme das sportlich. Vielleicht ist Töpfern eher was für mich...

Dass ich das Ende offen halte, ist mMn viel kräftiger, als eine Lösung vorzuschlagen. Das wäre zu manipulierend. Kann ja auch sein, dass Nina sich komplett aufgibt. Küche, Kinder, Haushalt? Oder vielleicht nicht?

Ganz liebe Grüße
Lind

 

Hallo Lind,

habe die vielen Kommentare nur durchgescrollt. Und du hast schon viel am Text gearbeitet ...

So hat er sie noch nie gesehen. Tanzend im Brunnen.
Hier bin ich stutzig geworden und musste den Text davor erneut lesen. Auch beim zweiten Lesen erkenne ich nicht, dass sie IM Brunnen tanzt. Ich lese daraus, dass sie zwar Poseidon mit den Füßen bespritzt, aber außerhalb des Brunnens ist/tanzt/hüpft etc. Vielleicht habe ich auch nur Tomaten auf den Augen.

„Wir brauchen dich doch!“, wispert er leise.
Gleich ein doppeltes Dinsgbumms, Hehe. :D
Wispern ist immer leise ("leise" kann raus).
Wispern und Ausrufezeichen vertragen sich nicht.

Ich finde die Geschichte wunderschön.
In wenigen Worten gelingt dir, das ganze Leben von Nina, ihr ganzes Dilemma zu beschreiben.

Erinnert mich ein wenig an den Song von Max Giesinger "Wenn sie tanzt":

"Sie will träumen, macht die Augen zu.
Und wenn sie tanzt, Ist sie wo anders. Für den Moment. Dort wo sie will.
Und wenn sie tantzt. Ist sie wer anders. Lässt alles los. Nur für das Gefühl"​

War das die Inspiration? :)

Liebe Grüße und einen schönen Abend noch.
GoMusic

 

Hallo GoMusic,
Ich freue mich, dass du die Geschichte „wunderschön“ findest. Vielen Dank für deinen Kommentar.
Dass sie im Brunnen tanzt, dachte ich, ist eigentlich klar. Ich musste an diesen Schwarz-weiß-Film denken von Federico Fellini (La dolce Vita), in welchem Anita Ekberg im Trevibrunnen tanzt... Aber naja, bei dir hat’s anscheinend nicht funktioniert.

Deinen Hinweis zum Wispern finde ich gut. Ich werde das ändern. Vielen Dank.

Ich wünsche noch einen schönen Abend!

Gruß
Lind

 

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