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Tödliche Einbildung
Vor Jahren las ich in einer amerikanischen Provinzzeitung die Meldung, dass ein Mann auf dem Polizeirevier erschienen sei mit der dringenden Bitte, ihn zu verhaften. Er sei gerade dabei, wegen einer Erbstreitigkeit seinen Bruder umzubringen. Um das zu verhindern, möge man ihn zwanzig Tage einsperren, dann sei vielleicht die kritische Phase vorbei. Der Haftrichter weigerte sich, das zu tun, weil er ja nur begangene Straftaten bestrafen würde, nicht aber noch nicht geschehene: Wo käme man da hin?
"Ich soll also nach Hause gehen und meinen Bruder umbringen, wollen Sie das, Herr Richter?"
"Natürlich nicht, aber beruhigen Sie sich und gehen Sie zu einem Psychiater. Warum wollen Sie Ihren Bruder eigentlich umbringen?", fragte der Richter, neugierig geworden.
"Weil ich ihm zutraue, mich wegen des Streits umzubringen."
"Hat er sie bedroht?"
"Nein, das traute er sich nicht."
"Ja, wie kommen Sie dann darauf, dass Ihr Bruder sie töten würde?"
"Ich weiß es einfach. Wir kennen uns zu gut. Wir sind eineiige Zwillinge. Sperren Sie mich ein, Herr Richter."
Erneut packte Panik den Mann. Der Richter blieb bei seiner Weigerung.
Zwei Monate danach wurde dem selben Richter von der Polizei ein Mann wegen Mordes an seinem Bruder vorgeführt. Es stellte sich heraus, dass dies der Zwillingsbruder des Mannes war, der vor zwei Monaten vergeblich Hilfe von dem Richter erhofft hatte. Er habe seinen Bruder getötet, gestand der mordende Bruder, damit er von diesem nicht umgebracht werden würde. Ganz erleichtert sei er jetzt nach dem Tod seines Bruders, denn die vielen Jahre im Gefängnis seien geradezu eine Erholung verglichen mit der täglichen Erwartung, ermordet zu werden.
Gilt das für Kriege auch?