Ohne jetzt, wie das @Friedel sicher mit großer Freude machen würde, den Begriff "naiv" zu definieren ...
Hallöle, Wilhelm,
einen Augenblick hab ich gezögert und dann die @-Nachricht/Botschaft mit gewaltigem Spaß - quasi Vorweihnachtsgeschenk - angenommen, umso mehr, als die bezaubernde wieselmaus auch auf einen der Halbgötter Weimars verweist, dessen von uns genannte kleine Schrift durchaus auch in der bildenden Kunst durch Beuys und Warhold weiterlebt.
Grüß Dich, Herr Schuster
in gewisser Weise hastu „natürlich“ recht hinsichtlich der Kennzeichnung der Geschichte und des Erzählers als „naiv“.
Aber was ist in der Literatur oder Kultur i. S. einer „bearbeiteten“ Natur schon „natürlich“, selbst wenn die Anlage, Laute von sich zu geben biologisch vorgegeben ist, und der Tanz der Ameise und der fleißigen Biene als eine Art Kommunikation gilt, wie ja auch Bellen, Heulen, Knurren, Ohrenspitzen, Haarsträuben und Schwanzwedeln (das beim Wolf und seinen Derivaten keineswegs nur Ausdruck von Freude bedeutet, sondern die schlichte Anspannung auf was auch immer ausdrückt).
Kurz, „natürlichen“ Ursprungs ist Literatur keineswegs, womit „natürlich“ als Synonym für „naiv“ hierorts ausgeschlossen werden kann. Wie „erzählen / Erzählung“ auf die Zahl hinweist, kommen die Schriftzeichen tatsächlich aus der angewandten Mathematik, um etwa nach einer Inventur des Viehbestandes das Vermögen (Vieh und Vermögen sind tatsächlich etymologisch miteinander verwandt) durch einfache Schrift-Zeichen wenn schon nicht für immer, so doch für ziemlich lange Zeit aufzuzeichnen (sinnig genug ist es zugleich der Ursprung der „Buch“haltung, beginnend mit einfachen Strichen und deren Zusammenfassung, wie sie etwa in den lateinischen Zahlzeichen überlebt haben).
Aber was bedeutet das Adjektiv frz. Ursprungs „naïf,“ aus dem lat. nativus = durch Geburt entstanden; angeboren, natürlich, zu: nasci [2. Partizip: natum] = geboren werden, entstehen.
Wenn man nun die Wurzeln betrachtet, wundert man sich, dass das Adjektiv steigerungsfähig ist (naiver, am naivsten [wer kann schon geborener sein als ein anderer?]) und sich sogar beugen lässt.
Und wie kam es auf die germanistische Zunge?
Schon die Brüder Grimm machen Gellert dafür verantwortlich (Grimmsches Wörterbuch, eingestellt im Wörterbuchnetz, Stichwort „NAIV“), woran das Deutsche Wörterbuch (im Prinzip die Weiterführung des grimmschen W.) und Duden nichts ändern, wenn es dort heißt „substantivisch das naive; franz. naïf (aus lat. nativus), das im vorigen jahrhundert (wie es scheint zuerst von Gellert) in unsere sprache eingeführt und dann namentlich durch Schillers berühmte abhandlung über naive und sentimentalische dichtung (10, 425 ff.) sehr geläufig geworden ist und gleich dem franz. naif (wie Gellert und Lessing noch schreiben) das natürliche, einfache (auch einfältige), ungezwungene, ungesuchte, ungekünstelte, unverstellt offene, aufrichtige, treuherzige, unschuldige u. ä. bezeichnet“ (ebd.), womit die aufgezählten Synonyme für den besprochenen Text herangezogen werden sollten.
Und Schiller liefert zugleich den literarischen Gegensatz zum Adjektiv naiv: Sentimentalisch. Was also meint „naiv“ im literarischen Sinne? Sozusagen das, was man etwa dem Amazonasindianer zuspricht, dass sie mit der Natur/Wirklichkeit in vollem Einklang stünden. Aber wir wissen doch, dass selbst der Amazonasindianer schon dank der einbrechenden Zivilisation die Konservendose kennt und merken, naive „Dichtung“ - wie‘s Schiller nannte – lässt sich in der heutigen Welt nicht ohne Reflexion verwirklichen, sie ist somit allemal „sentimental“, „sentimentalisch“ nennt‘s der Duden und sucht darin „die verloren gegangene ursprüngliche Natürlichkeit durch Reflexion wiederzugewinnen suchend“ (am einfachsten und schnellsten zu finden, wenn man halt gerade am Bildschirm sitzt, über „Duden naiv“). Kürzer kann man den Schiller nicht zusammenfassen, was einen nicht entbindet, das Original zu lesen (mit Sicherheit im Netz zu finden, manchmal taugt es ja doch zu was).
Und wer wollte daran zweifeln, dass wir verdammt sentimental(isch)e Menschen sind,
Wilhelm, Herr Schuster und auch ich, selbst wenn wir manchmal den Naiven spielen.
Schöne Tage diese Tage aus'm Pott und dem
Dante Friedchen