Nabnd!
Ich mach's kurz (hat leider nich geklappt... ):
@Philo:
Ich sehe Deinen Punkt - wengleich ich aus meiner Perspektive gewisse Dinge halt etwas anders sehe.
Ich persönlich lerne Dinge, um mich weiterzuentwickeln. Klar. Ich erlerne aber z.B. gerade zur Zeit auch einen Beruf - und ich fände es ärgerlich, wenn ich dieses Wissen, dass ich mir dabei draufschaffe, nicht einsetzen könnte. Weil mir diese Tätigkeit nämlich Spaß macht. Kurz gesagt: Ich ärgerte mich, hätte ich zwei Jahre Systemintegrator gelernt, um dann Taxi zu fahren. Das, womit man acht oder zehn (oder mehr) Stunden täglich verbringt, sollte schon Freude machen, finde ich - und eine qualifizierte, interessante, abwechslungsreiche, u.U. verantwortungsvolle Tätigkeit, bei der ich mich einbringen kann und über die ich z.T. mein Selbstbewußtsein und meinen Platz in der Welt definieren kann (Arbeits- und Perspektivenlosigkeit, so weiß ich aus eigener Erfahrung, ist psychologisch die Hölle!) finde ich persönlich wichtig für mein Wohlbefinden. Dadurch, dass ich meinen Beruf ausübe, können z.B. andere auf Wissen aus Netzwerken zugreifen oder im Internet miteinander diskutieren. Für mich ist das eben eine erfüllende Vorstellung.
Und: Für mich sind "Sein" und "Haben" wohl nicht ganz so konträr, wie wohl für Dich. Ich bin mir selber gegenüber ehrlich genug, zuzugeben, dass ich es gerne bequem habe - eine ureigene menschliche Eigenschaft. Aber die Frage ist für mich eher, welchen Stellenwert ich diesen Dingen zuweise - welche Bedeutung sie für mich im weitesten Sinne für mein "Glück" haben. Ich lebe bestimmt nicht im Luxus. Aber ich finde es auch extrem angenehm, über einen gewissen "Grundluxus" zu verfügen, ohne den ich mich schwer tun würde (wer von uns kann sich schon vorstellen, ohne Heizung, Strom oder fliessend Wasser zu leben?).
Ich muss nicht alles haben. Ich bin froh und dankbar, dass ich gewisse Dinge habe. Ich kann und will das "Haben" nicht verleugnen. Aber ich mache es auch nicht zum Zentrum meiner Glückseligkeit. Nach langer Zeit auf steinigen Wegen lautet meine vorläufige Erkenntnis: Man muss in Extremen gedacht haben, um den Weg dazwischen sehen zu können.
Um zum eigentlichen Thema zurückzukommen:
Ich habe eben eine gewisse Skepsis, ob man den Beruf des Schriftstellers tatsächlich mit anderen Professionen gleichsetzen kann und sollte. Dazu ist der "Markt" im Vergleich zum herkömmlichen Arbeitsmarkt m.E. viel zu andersartig. Insofern sind für mich Studiengänge oder Fernlehrgänge oder was auch immer, sofern sie nicht sehr seriös auf eben diese Schwierigkeiten explizit hinweisen, mit einem Fragezeichen behaftet. Das Handwerk zu lernen ist eine Sache. Aber ist man dann auch Schriftsteller? Eine gängige Definition lautet: Schriftsteller ist man, sobald man ein Buch veröffentlicht hat und davon leben kann. Vorher ist man leider nur jemand, der viel Zeit mit Tippen verbringt...
Soll heißen: Goethe war hauptberuflich Jurist, Saint-Exupery verdiente seinen Lebensunterhalt als Pilot, Pratchett war Pressesprecher eines Atomkraftwerkes usw. Hingegen kenne ich bisher nur wenige Bücher von "Diplom-Schriftstellern" (eigentlich gar keins, wenn ich so drüber nachdenke...). Da sehe ich eben das Problem. Ein Schreiner mit guten Abschluß hat gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt. Ein Schriftsteller mit gutem Abschluß eben noch nicht. Hier zählt einzig sein Werk. Und die Abhängigkeit des Erfolges von Modeströmungen etc.
Deshalb noch einmal mein Hinweis an Steffi in Langform:
Jeder soll seine Träume leben. Das denke ich auch. Aber ich bin damit auch schon böse auf die Schnauze gefallen und habe wertvolle Zeit verschenkt, die mir nun fehlt. Manchmal führt eben nicht der offensichtlichste Weg zum Ziel. Und es ist manchmal nicht verkehrt, die Realitäten im Hinterkopf zu behalten.
Ein Gedicht und eine Seite Text am Tag - cool! Bleib dabei! Steiger es, wenn Du kannst! Aber mach Dir bitte auch bewusst: Mit Lyrik lässt sich kein Geld verdienen. Und aus der einen Seite müssen 10-20 werden, jeden Tag, egal, wie Du Dich fühlst, oft gefüllt mit Dingen, die andere gerne darauf lesen wollen. Kann Dein kreativer Geist das verkraften? Den Stress und die Frustration von Lohnschreiberei und langen Durststrecken? Wie kompromissbereit bist Du? Wie belastbar? Wie gehst Du mit einer Schreibblockade um? usw.
Beantworte Dir diese Fragen besser vorher. Das wäre mein Ratschlag, den ich Dir aus eigener Erfahrung geben möchte. Kommt am Ende für Dich ein "Ja" heraus: Sehr gut! Viel Glück auf Deinem Weg! (Ernsthaft!) Ich musste leider nach viel hin und her einen anderen einschlagen - der mir mittlerweile allerdings auch nicht mehr als großes Unglück dünkt. Es ist schon okay so.
Deshalb mein sehr kurzes Fazit: Es geht durchaus auch ohne. Aber wer sich mit beiden Beinen in das Haifischbecken begibt, sollte das m.E. sehr bewußt tun und sich über die Folgen informieren.
So, das reicht jetzt aber...
Gruß,
Horni
PS: Das Zitat (ich hab jetzt eine Stunde danach gesucht... ) stammt übrigens von Hanif Kureishi, bezieht sich ursprünglich auf das Schreiben von Drehbüchern und lautet korrekt:
"Die sogenannten 'Regeln' sind in einer Stunde erlernbar. Aber die Essenz eines anständigen Drehbuchs, Charaktere, Story, Stimmung, Tempo, kann nur einer kultivierten Phantasie entspringen."
Ersetzen wir "Drehbuch" durch "Geschichte", was ich absolut legitim finde, und wir haben in etwa das, was mein Gedächtnis ausgegraben hatte. Bzw. die "kultivierte Phantasie" beinhaltet wohl sowohl handwerkliche Souverenität als auch Dinge wie Kreativität, Allgemeinbildung, geistige Beweglichkeit etc.... (Kureishi bezog sich auf die Tatsache, warum es Sinn macht, Drehbücher von "echten" Schriftstellern verfassen zu lassen - mein Gedächtnis hat mir insofern einen kleinen Streich gespielt, als ich diese Aussage ursprünglich von William Goldmann bezgl. der Technik des Erzählens wähnte. Ich glaube, er hat aber mal was ähnliches gesagt.)