Stromaufwärts
Die Musik spielt immer noch am lautesten wenn sie vom Band kommt.
Ja was soll der ganze Scheiß denn dann?! Rauchen, den lieben langen Tag lang. Immer den Stengel vor sich hin quartzen und dem Nichtraucher vor dir die Nonkonformität ins Gesicht blasen. Aber nein! Scheiße! Alle tun das ja. „Verdammt, ich mach die Kippe aus und auch keine mehr an“, sinnt er nach, als er entspannt und nervenkrank die Glut weitertreibt.
Die Adern pumpen nur die allgemeine Meinung. Das Eigene muss schon erst einmal auffallen um ganz vielleicht auch gehört und gesehen zu werden. Erst einmal radikal und provokant mit aller Kraft dagegen halten. Wogegen, das ist fast, ja eigentlich schon ganz egal. Man muss der buntgeschminkte Clown inmitten der grauen Mäuse sein, nur um sich dann doch abzuschminken und immer noch gesehen zu werden.
Ein kalter Keller, voll von grauen Mänteln, und Schals und Parfüm. Alle stinken gleich. Doch einer steht da an der Mondlichtluke und der ist bunt, blutverschmiert und fröhlich. Er spricht mit sich selbst. Ziemlich laut sogar. Und sonst spricht niemand. Alle geben vor, ihm nicht zuhören zu wollen und selbst mit etwas viel Wichtigerem beschäftigt zu sein. Doch in Wirklichkeit hängen sie alle an jedem Wort. Sie werden jetzt sagen: Ach! Das Gewissen der Gruppe! Ein schon längst verblichenes Bildchen im Poesiealbum der Archivare. Aber dann wird er stumm und tauscht das Grelle gegen den grauen Mantel, setzt sich zu den Anderen und sinnt ,genauso wie sie es vorgeben zu tun, dies und jenem nach. Nach ein paar Minuten scheint die Erinnerung an den schwatzenden Paradiesvogel nur noch Spinnerei zu sein. Von Außen sind nun wieder alle gleich. Aber die Gruppe kennt ihn jetzt sehr genau. Sie sehen ihn und sie hören ihn. Die Gruppe UND ER sitzen nun da unten im Keller. Und ich würde Heller um Pfennig verwetten, dass die ersten Worte einer Unterhaltung an ihn gerichtet sein würden, da er als Einziger gezeigt hat, dass er dem Einheitsbrei entfliehen kann, wenn ihm der Sinn danach steht.
Manche werden jetzt sagen, jeder könnte das, alle sind gleich, alle haben die gleichen Voraussetzungen und Chancen.
Aber darauf kommt es nicht an. Es zählt ganz allein die Tatsache, dass man dies zum Ausdruck bringen muss, da man sonst nicht besser ist, als der grübelnde graue Rebell, der im hintersten Winkel an der Wand lehnt. Dieser nämlich könnte genauso alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ja vielleicht sogar den Ausweg aus der Misere verkünden. Aber er tut es nicht. Und warum? Weil er weiß, dass er es könnte, braucht er sich selber nichts zu beweisen. Allein ist man weniger dem Willen der Gruppe unterworfen wird gesagt. Aber wird nicht gerade dieser Zustand zum größten Teil von der Gruppe diktiert?
Man muss sich einmal ins wilde Wasser stürzen um dann wieder am Rand stehen zu können um spöttisch zu behaupten, wie seicht doch die Strömung ist. Die Wellen werden dann auf einmal kraftlos und lächerlich. Der reißende Strom verwandelt sich in ein Dahindümpeln, und dies zu betrachten lohnt nun wirklich nicht. Deshalb geh ich weiter.
Hinaus aus dem Keller und dem Dunkel in das grelle Scheinwerferlicht der großen Masse, die sich stetig dahinschlängelt. Am Rande die Viehtreiber mit eisigen blicken, verkaufen Zeitungen und verteilen Hiebe. Doch die Zeitungen scheinen alle nur das Gleiche zu berichten „Alles wird besser.“