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Strohhalm

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07.09.2014
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Strohhalm

Die Gummibärchen lagen auf dem Beifahrersitz. Emily sah sie sofort. Ihre Mutter auch.
„Das war anders abgesprochen.“
„Was?“ Ihr Vater warf Emilys Tasche in den Kofferraum.
„Kein Zucker, haben wir gesagt“, zischte ihre Mutter.
„Du hast das gesagt.“ Er wandte sich an Emily. „Steig schon mal ein, Mäuschen.“
Emily riss die Hintertür auf und Rico schoss heraus.
Ihr Vater stöhnte. „Lass doch den Hund im Auto. Ihr könnt heute noch den ganzen Tag toben.“ Aber Emily ließ sich von Rico umwerfen und mit der Schnauze ins Gesicht stupsen. „Rico!“, quietschte sie und vermied den Blick zu ihrer Mutter, die mit verschränkten Armen dabei stand.
„Was ist?!“ Ihr Vater ging einen Schritt auf ihre Mutter zu.
„Du stopfst sie wieder mit Süßigkeiten voll und ich hab ab Montag ein total hibbeliges Kind. Emily, du sollst dich schon mal reinsetzen, hat der Papa gesagt.“
„Guck mal, Mama, der Rico freut sich ganz doll!“
Doch ihre Eltern waren ein paar Schritte weiter gegangen. Ihre Mutter sprach von Abmachungen und ihr Vater von Weihnachten, dabei war es Sommer. Er trat nach einem Stein.
„Stell dir vor, meine Eltern würden sie auch gerne mal wieder Heiligabend dabei haben.“
„Vergiss es. Das lass ich nicht zu, dass du mit ihr Weihnachten durch halb Deutschland gurkst.“
Emily stürzte sich auf Rico und nahm ihn in der Schwitzkasten. Er bellte begeistert, und sie kugelte sich mit ihm auf dem Rasen, hörte ihre Mutter erst, als sie sie an den Schultern zu sich herumriss und ihr in die Augen sah. „Emily, jetzt ist mal gut! Ich möchte, dass du aufhörst so rumzuschreien.“ Ihr Vater schob Rico ins Auto. „Na, dann woll'n wir mal.“
„Emily.“ Jetzt zog ihre Mutter sie sanft an sich, küsste sie auf den Kopf und flüsterte ganz dicht an ihrem Ohr, “Hab ein schönes Wochenende mit Papa, ja? Und denk an die Kügelchen abends. Der Papa vergisst das bestimmt, aber denk du dran. Ja?“
„Ja, klar. Tschüss, Mama.“ Sie umarmte ihre Mutter so fest sie konnte, während ihr Vater sich ins Auto setzte und die Scheibe herunterließ. Dann stieg sie hinten ein, kletterte auf die Sitzerhöhung und schnallte sich an. Rico legte seinen Kopf auf ihren Schoß.
„Bis Sonntag!“, rief der Vater aus dem Fenster.
Was ihre Mutter antwortete, ging im Aufheulen des Motors unter.
„Jaja“, murmelte ihr Vater.
Er drehte sich zu ihr um und strahlte.
„Und, wie geht’s in der Schule?“
„Gut.“
„Super. Ich hab einen Mordshunger. Weißt du, was wir beide jetzt machen? Wir fahren zum Bäcker und gehen schön frühstücken. Was meinst du?“
„Können wir.“ Eigentlich hatte sie schon mit ihrer Mutter gefrühstückt.
„Danach muss ich noch ein halbes Stündchen an den Schreibtisch und dann ...“
„Och nee, nicht an den Schreibtisch.“
„Echt nur kurz. Ich hab so'n paar Sachen, die müssen heute noch raus. Und zwei Telefonate. Wir finden da schon was für dich. Und heute Nachmittag geht’s zu Tante Steffi.“
„Darf ich das Tablet haben, wenn du arbeitest?“
Es klingelte, und ihr Vater nahm sein Handy vom Beifahrersitz.
„Ja? … Andy! … Nee, ich hab Emily gerade abgeholt … ach komm, wie immer, Madam Borderline macht Zicken … nee, das ist noch nicht geklärt … war gestern auch wieder Post vom Anwalt, ich hab so ne Krawatte, das sag ich dir, aber lass uns später … ja, ist jetzt schlecht … ja, nächstes Wochenende kann ich wieder … Tschö.“
Er fuhr beim Bäcker vor.
„Also in der Schule geht’s gut?“
„Ja.“
„Oh Mist. Geschlossen.“ Ein Zettel hing an der Tür.
„Wir brauchen gar nicht auszusteigen. Betriebsferien. Na, die können sich das ja anscheinend leisten.“ Er setzte mit Schwung zurück. „Dann fahren wir halt zu Franzens. Wo wir früher immer waren. Nehmen wir die.“
Sie hatten mal alle zusammen mit Rico in einem Haus gewohnt. Da war sie noch ganz klein gewesen. Die Gegend kam ihr bekannt vor.
„Kann ich nachher auf den Spielplatz?“
„Wird heute ein bisschen knapp. Ein andermal. Guck mal, die haben auf. Die hatten immer diese leckeren Schokocroissants, mmh, und einen schönen Kaffee hatten die.“ Er machte schlürfende Geräusche und Emily lachte, während er ihr die Hintertür aufriss. Sie ließen Rico im Auto zurück und liefen die drei Stufen hinauf.
„Ist sogar noch dieselbe Frau wie damals. Kennst du die noch?“
Durch die Glastür sah sie die Bäckerin hinter dem Tresen stehen.
„Nein.“
Aber als sie eintraten, bimmelte die Ladenglocke so vertraut, dass Emily wie aufgezogen zur Kuchentheke lief und ein Knie auf die Umrandung schob. Ihr Vater hielt sie fest.
„Stopp Mäuschen, da stellen die Leute ihre Taschen drauf. Da bist du jetzt zu groß für.“
Ein Mann drängelte sich mit einer Tüte Brötchen in der Hand an ihnen vorbei.
„Einen schönen Tag noch!“ Die Bäckerin schob mit ihrem Bauch die Kasse zu, wischte sich mit einem Tuch über die Stirn und strahlte Emily an.
„Mensch, dich kenn ich doch noch. Soo groß bist du geworden. Wer hätte das gedacht! Du warst ja lange nicht hier.“
„Wir wohnen nicht mehr in der Gegend“, sagte ihr Vater.
„Och, das ist ja schade. Wo wohnen Sie denn jetzt?“
„Weiter weg.“ Er deutete mit der Hand Richtung Tür.
„Und du, gehst du schon zur Schule?“
„Ja. In die 1b.“
„Toll!“
Die Bäckerin griff nach einer Brötchentüte.
„Was darf's denn sein?“
„Wir setzen uns da an den Tisch“, sagte ihr Vater. „Ich nehme erst mal einen Kaffee und du ...“
Sein Handy klingelte. Er stöhnte, als er die Nummer sah.
„Passt grad nicht … nein, wir sind beim Bäcker … sie hatte aber noch Hunger … also was willst du? … “ Dann wandte er sich an Emily, „Such dir was aus.“ Machte der Bäckerin ein Zeichen, bevor er rausging. Die Tür schlug bimmelnd hinter ihm zu.
„Hui.“ Die Bäckerin legte die Tüte zurück. „Also ihr wollt heute hier frühstücken.“
„Ich nehme ein Schokocroissant.“ Emily zuckte zusammen, als ihr Vater draußen „Geht's noch?!“, brüllte.
„Dein Papa ist aber sauer.“
„Und eine Dose Fanta, bitte“, sagte Emily.
Jetzt lachte er, aber es klang nicht lustig. Dann wurde es leiser, weil er vor der Bäckerei auf und ab lief.
„Weißt du noch, als ihr das letzte Mal da wart?“, kicherte die Bäckerin plötzlich und Emily drehte sich wieder zu ihr um.
„Da warst du so wütend, weißt du das noch?“
„Nein.“
„Was warst du wütend! Du hast geschrien, meine Güte, dein Papa war nicht mehr zu verstehen. Unsere Fensterscheiben haben geklirrt. So eine kräftige Stimme! Und dann hat dein Papa dich ins Auto gebracht und ist wiedergekommen, und dann ist die Alarmanlage von eurem Auto angegangen, kannst dich echt nicht mehr erinnern?“
„Nein.“
„Naja, du warst auch noch ganz klein. Gott, was hast du geschrien!“
Emily sagte nichts, und die Bäckerin wurde auf einmal ganz ernst. „Und weißt du, warum du so geschrien hast?“
„Nein.“
„Aber ich weiß es noch!“
Wie ein Zauberer hielt die Bäckerin mit der einen Hand die Fanta und mit der anderen den Strohhalm in die Luft.
„Weil dein Papa ... den Strohhalm schon für dich abgeknickt hatte!“
Emily sah die Bäckerin an. Die begann wieder zu glucksen.
„Du wolltest ihn unbedingt selber abknicken und du wolltest auch keinen neuen. Du warst nicht zu beruhigen. Kannst du dir das vorstellen?“
„Nein.“
„Was hast du geschrien. Und getreten hast du, meine Güte! Hier bitte. Heute darfst du ganz alleine abknicken.“ Sie kicherte. Emily lachte nicht und die Bäckerin hörte auch auf zu lachen.
„Ich stell dir das Croissant auf den Tisch“, sagte sie und Emily nickte. „Danke.“
Ihr Vater kam zurück, atmete tief durch, fummelte an seiner Zigarettenschachtel und steckte sie wieder ein. Die Bäckerin drückte auf den Knopf an der Kaffeemaschine.
„Ich habe Ihrer Kleinen gerade erzählt, wie doll sie letztes Mal geschrien hat, wegen dem Strohhalm, aber sie kann sich gar nicht mehr erinnern.“
„Ja.“ Ihr Vater griff ihr in den Nacken. “Madämchen hat mächtig getrotzt. Mh, Schokocroissant!“
Sie zog die Schultern hoch.

Im Auto war ihr schlecht, und sie sprach nicht viel, als ihr Vater sie nach der Schule fragte.
„Ich mach mal Radio an“, sagte er. Es kam was über Amerika. Emily richtete sich auf.
„Der Trump ist ein Arschloch.“
Ihr Vater prustete.
„Nanana.“
Aber sie hatte ganz genau gehört, dass er gelacht hatte, und kicherte.
„Mama sagt das auch.“ Dann hielt sie die Luft an.
„Na“, murmelte er. „Wo sie recht hat ...“
Sie lachte so laut, dass sie Schluckauf bekam.
„Trump ist aber wirklich ein Arschloch, nicht Papa? Trump ist ein Arschloch.“
„So, jetzt ist mal gut.“
„Trump ist ein Arschloch!“, kicherte sie, und ihr Vater bremste scharf.
„Emily, hallo, es reicht, hörst du? Ich muss hier mal tanken.“
Jetzt sagten sie im Radio, dass ein Mann seine Exfrau mit einem Hammer erschlagen hatte. Und dass er bisher als unauffällig gegolten hatte.
„Bleib du solange im Auto“, sagte ihr Vater und stellte den Motor ab. “Das dauert nicht lang. Soll ich dir was mitbringen?“
„Ich will mit.“
„Komm, das geht wirklich schnell. Pass gut auf Rico auf, der fühlt sich sonst so alleine.“
Er sprang aus dem Auto, und sie kraulte Rico am Kopf, weil es im Auto jetzt nach Benzin stank und weil Hunde eine sehr feine Nase haben. Wieder zurück, reichte ihr Vater ein Milkyway nach hinten.
„Uli hat mir auch Milkyway gekauft“, sagte sie.
„Uli? Wer ist das denn?“
Sie überlegte. Seit Uli kam, trug ihre Mutter Hackenschuhe.
„Der hat Mamas Auto repariert.“
„Aha. Na, da hat er sicher noch mehr repariert bei Mama, was?“ Er lachte rau.
„Ja“, sagte sie. “Die Lampe im Flur.“
„Wie oft ist der denn bei euch, der Uli?“
„Wo soll ich das Papier von dem Milkyway hin tun?“
„Stopf es in den Aschenbecher.“
„Wann fahren wir denn zu Tante Steffi?“
„Wenn ich fertig bin. Jeden Tag?“
„Was?“
„Der Uli, kommt der jeden Tag?“
„Manchmal“, sagte sie leise.
Ihr Vater lachte und fuhr schneller.
„Na ist doch schön für Mama, dass sie jetzt einen Freund hat.“
Er suchte ihren Blick im Rückspiegel.
„Findste sicher auch. Kann der mal mit dir spielen. Bringt dir Milkyway mit. Ist doch schön.“
„Ja. Ist die Lena auch da?“
„Da geh ich mal von aus. Die freut sich sicher schon auf dich.“

Die Wände in Lenas Kinderzimmer waren bemalt mit Meereswellen, in denen Regenbogenfische, Delphine und Wale schwammen. Wellen, die sich durch den Flur zogen bis in Lukas' Zimmer, Lenas älterem Bruder, der sich U-Boote und Taucher ausgesucht hatte, und noch weiter um zwei Ecken bis in das Elternschlafzimmer, wo sich über dem Bett das Segel eines riesigen Schiffes im Wind blähte. Aus den Bullaugen schauten Tante Steffi und Onkel Christian, Lukas und Lena. Alles gemalt von Tante Steffi. Früher hatten ihre Mutter und Tante Steffi zusammen Emilys altes Kinderzimmer angemalt. Jetzt, in der neuen Wohnung, wollte Mama, dass die Wände weiß blieben, und Tante Steffi war noch nie zu Besuch gewesen.
„Was wollen wir sein?“, fragte Emily. Sie saßen auf Lenas Bett und kraulten Rico in ihrer Mitte, der träge mit dem Schwanz schlug.
Lena überlegte. „Ich weiß schon. Wir sind ... Emojis!“
„Die aus dem Handy?“
„Ja, die von dem Film.“
„Was machen die?“
„Die erleben ganz viele Abenteuer.“
„Au ja.“
Emily lief aus dem Zimmer und rief nach unten.
„Papa, wir sind Emojis!“
Er saß unten bei Tante Steffi in der Küche und trank Kaffee.
„Na toll! Geht mal raus, die Sonne scheint.“
Tante Steffi lachte, und Emily hörte, wie sie zu ihrem Vater sagte:
„Beim letzten Mal waren sie noch die Minions und wollten uns dienen.“
Er kicherte. „Ja, voll das Dream-Team, die beiden.“
„Jetzt lacht Emily auch wieder mehr.“
„Klar, die ist gut drauf.“
„Und schulisch läuft's auch gut?“
„Sag ich doch. Die macht das ganz prima. Sag mal, ist das okay für dich, wenn ich gleich mal kurz einkaufen fahre?“
Es war einen Moment still, dann sagte Tante Steffi:
„Meinetwegen. Aber bleib nicht wieder so lange. Wenn Christian und Lukas kommen, wollen wir auch noch mal los.“
„Ne halbe Stunde?“
„Ja, auch eine.“
„Super … danke.“ Ein Stuhl wurde gerückt.
„Emily!“, rief er hoch. “Ich bin mal kurz weg. Sei schön brav, ja?“
„Jaaaa.“
Lena zog sie zurück ins Zimmer.
„Was willst du denn nun für ein Emoji sein?“
„Weiß nicht.“
„Komm, sag. Du darfst dir was aussuchen. Erst sagst du, dann sag ich.“
„Ist mir egal.“ Emily steckte ihre Nase in Ricos Fell. Lena schnaufte ungeduldig.
„Du bist langweilig! Dann ich zuerst.“
„Gibt's auch Prinzessinnen-Emojis?“
„Alles, was du willst. Wir können sein, was wir wollen. Was wir uns ausdenken, das können wir einfach sein. Einfach alles.“
Mit aufgerissenen Augen lauschte Lena ihren eigenen Worten nach. Bis Emily sie schubste.
„Kann man auch der Kackhaufen sein?“
Lena schlug die Hände vor den Mund und beide prusteten los.

Als sie abends im Bett lag, musste sie an den Strohhalm denken und wie sie wohl geschrien hatte und dass die Alarmanlage angegangen war und auf einmal dachte sie, dass das genau dann gewesen war, als ihre Eltern angefangen hatten zu streiten, und ihr ganzer Körper wurde heiß, als ihr klar wurde, dass es bestimmt wegen ihr gewesen war, dass sie gestritten hatten, wegen dem Strohhalm und weil sie so bockig gewesen war, dass ihre Eltern sich nicht mehr vertragen konnten, und dass alle das wussten, die Verkäuferin, Tante Steffi, Mama, alle wussten, dass es wegen ihr war, und keiner sagte ihr das, und ihr Körper war heiß und brannte und juckte, sie schwitzte unter der Bettdecke, und da, wo Rico auf ihren Beinen lag, da waren ihre Beine hart und gelähmt, und sie dachte an ihren Vater, wie er im Auto gelacht hatte, und an ihre Mutter, wie sie sie gedrückt hatte zum Abschied, an ihren Blick. Morgen und für immer würde sie das beste Kind der Welt sein.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Chutney,

deine Geschichte zu lesen hat mich richtig hibbelig gemacht (vielleicht hatte ich auch zu viel Süßes über Weihnachten …), mit der ganzen Hektik und der unterschwelligen Aggressivität zwischen den Eltern, und wie sie nie richtig auf das Kind eingehen, sondern es nur zurechtweisen oder zur Ruhe bringen wollen, ob mit Süßkram oder Kügelchen oder einfach nur so, weil es gerade nervt.
Und es klappt für mich, dass ich diese Stimmung mit den Augen und mit dem Gefühl von Emily wahrnehmen kann - zunächst, ohne das groß zu werten, aber immer mit einem Sensor für die Bad Vibrations zwischen den Erwachsenen, zum Beispiel hier:

„Riiicoooo!“, quietschte sie und vermied den Blick zu ihrer Mutter

Ihre Mutter sprach knapp und schneidend von Abmachungen und ihr Vater von Weihnachten, dabei war es Sommer.

Er stöhnte, als er die Nummer sah.
„Passt grad nicht … nein, wir sind beim Bäcker … sie hatte aber noch Hunger … also was willst du?

Jetzt sagten sie im Radio, dass ein Mann seine Exfrau mit einem Hammer erschlagen hatte. Und dass er bisher als unauffällig gegolten hatte.

Das kommt alles so beiläufig im Text, aber Emily passt ganz genau auf – das ist gut gemacht.
Und immer nur das ewige Handygebimmel bei dem Vater – das nervt! Also mich, also Emily!


Der Absatz im Bäckerladen ist für meinen Geschmack etwas zu lang geraten, könnte ich mir auch etwas reduzierter, aufs Wesentliche beschränkt, gut vorstellen. Vielleicht willst du das aber auch extra, um die ständige Unruhe besser aufzuzeigen, die Emily umgibt.


Diese Szene hier finde ich total gut gemacht:

Es kam was über Amerika. Emily richtete sich auf.
„Der Tramp ist ein Arschloch.“ Ihr Vater prustete.
„Nanana.“ Aber sie hatte ganz genau gehört, dass er gelacht hatte, und kicherte.
„Mama sagt das auch.“ Dann hielt sie die Luft an.
„Na“, murmelte er. „Wo sie recht hat ...“
Sie lachte so laut, dass sie Schluckauf bekam.
„Tramp ist aber wirklich ein Arschloch, nicht Papa? Tramp ist ein Arschloch.“
„So, jetzt ist mal gut.“
„Tramp ist ein Arschloch!“ kicherte sie, und ihr Vater bremste scharf.
„Emily, hallo, es reicht, hörst du?

Hier freut sich Emily einerseits, dass der Vater eine Äußerung von ihr lustig findet, oder überhaupt mal richtig wahrnimmt, und als er dann auch noch indirekt ihrer Mutter recht gibt, dreht sie noch mehr auf, wahrscheinlich sieht sie hier auch den Strohhalm, an dem sie sich festhält mit ihrer Hoffnung, dass zwischen den Eltern vielleicht alles wieder normal werden könnte.

Im Haus ihrer Tante und mit ihrer Cousine erlebt sie dann den Gegensatz - wie harmonische Familien funktionieren können, und spürt auch die Aufmerksamkeit ihrer Tante, die sich richtig für sie interessiert.


Nur ein wenig Kleinkram zum Schluss: Ganz am Anfang habe ich nicht gleich kapiert wer was sagt. Das hat mir den Einstieg kurz erschwert.

Und hier:

Es klingelte, und ihr Vater nahm sein Handy vom Beifahrersitz.
„Ja? … Wolli! … Nee, ich hab Emily gerade abgeholt …
Vielleicht bin ich hier auf dem falschen Dampfer, ich habe eher gedacht, es wäre die Freundin des Vaters – aber Wolli? Wer ist das denn nu?

Der letzte Absatz hat mir dann richtig den Rest gegeben, er hat mich traurig und wütend gemacht,
und ich hoffe, dass Emily zeitig genug dahinter steigt, dass nicht sie etwas falsch gemacht hat!
Aber du, liebe Chutney, hast für mich mit dieser Geschichte jedenfalls vieles richtig gemacht!


Liebe Grüße von Raindog

 

Hallo Chutney,

ja, es ist traurig, wofür Kinder sich oft schuldig fühlen, wie hier z. B. in dieser Geschichte, wenn Kindermund Wahrheit kundtat. Raindog hat eigentlich schon alles gesagt, dass ich mich auf ein paar Flüseleien beschränken kann:

Was als erstes auffällt, sind die Pronomen,

... Emily sah sie sofort. Ihre Mutter auch.
„Das war anders abgesprochen.“
„Was?“
Ihr Vater warf Emilys Tasche in den Kofferraum.
„Kein Zucker, haben wir gesagt“, zischte ihre Mutter.
zumeist Possessivpronomen.

Gut, erzählte unsere kleine Heldin Emily die Geschichte, der Friedel schwiege. Es sind halt ihr Papa, ihre Mama. Aber Du erzählst und da könnte, so finde ich, gelegentlich das Possessivpronomen durch den Artikel ersetzt werden. Der Leser weiß ziemlich schnell, wessen Eltern und Elternteile da auftreten.

Da solltestu den ganzen Text nochmals durchgehen.

Und ab hier

Emily zuckte zusammen, als ihr Vater draußen „Geht's noch?!“[,] brüllte.
fällt mir das fehlende Komma zwischen der beendeten wörtl. Rede und dem übergeordneten Satz auf.

Da musstu auf jeden Fall noch mal durchsehen, denn kurz darauf heißt es

„Weißt du noch, als ihr das letzte Mal da wart?“[,] kicherte die Bäckerin ...
(für reine Aussagesätze in der wörtl. Rede setztu das Komma ... was ja auch richtig ist, nur eben auch bei Fragen und Ausrufen, zusätzlich, sonst müsste der übergeordnete Satz danach mit Großbuchstaben anfangen ... Kann sein, dass ich anfangs das eine oder andere übersehen hab.

Und verrat mal der Bäckersfrau, dass "wegen" nach dem Genitiv ruft. Sie will doch nicht dessen Mörder unterstützen, wäre ja Beihilfe ...

„Ich habe Ihrer Kleinen gerade erzählt, wie doll sie letztes Mal geschrien hat, wegen dem Strohhalm, aber sie kann sich gar nicht mehr erinnern.“
Aber so spricht halt manche/r.

„Ja“, Ihr Vater griff ihr in den Nacken, ...
Warum so viel Höflichkeit gegenüber dem Vater?

Jetzt sagten sie im Radio, dass ein Mann seine Exfrau mit einem Hammer erschlagen hatte. Und dass er bisher als unauffällig gegolten hatte.
Das zwote "haben" besser im Konjunktiv, nicht nur wegen der Abwechselung und Wiederholng ...

Gern gelesen vom

Friedel,
der noch einen guten Rutsch wünscht!

 

Hallo Chutney,

es ist krass, was Eltern alles in ihrem Kind durcheinander bringen, ohne es überhaupt zu merken. Eine Freundin von mir arbeitet in der Kinderpsychiatrie und erzählt auch oft, dass es oft Dinge sind, die den Erwachsenen gar nicht auffallen, die tiefe Spuren hinterlassen, Schuldgefühle oder Verlustängste hervorrufen.

Deine Geschichte hat mich berührt. Mir gefällt sehr, wieviel du mit Dialogen arbeitest und die sind richtig gut. Fühlen sich echt an, als wäre man direkt dabei und würde hinter einem Baum versteckt zuschauen. Oder vom Kofferraum aus mithören ;) Jedenfalls finde ich das sehr gut, wie du das gemacht hast. Erst die kurzen Sätze zwischen den Eltern. Die Uneinigkeit über kleine und große Dinge. Wie sie denken, die Kleine bekommt das Diskutieren nicht mit, weil sie mit dem Hund spielt. Dabei kriegt sie vermutlich alles mit.

„Der Tramp ist ein Arschloch.“ Ihr Vater prustete.
„Nanana.“ Aber sie hatte ganz genau gehört, dass er gelacht hatte, und kicherte.
„Mama sagt das auch.“ Dann hielt sie die Luft an.
„Na“, murmelte er. „Wo sie recht hat ...“
Sie lachte so laut, dass sie Schluckauf bekam.
„Tramp ist aber wirklich ein Arschloch, nicht Papa? Tramp ist ein Arschloch.“
„So, jetzt ist mal gut.“
„Tramp ist ein Arschloch!“ kicherte sie, und ihr Vater bremste scharf.
„Emily, hallo, es reicht, hörst du? Ich muss hier mal tanken.“
Das ist tragisch und traurig und lustig zugleich. Wie sie danach lechzt, ihren Vater zum Lachen zu bringen, ihn zu unterhalten. Oh man, da tut sie mir wirklich leid ...

„Uli hat mir auch Milkyway gekauft“, sagte sie.
„Uli? Wer ist das denn?“
Sie überlegte. Seit Uli kam, trug ihre Mutter Hackenschuhe.
Auch sehr gut gemacht. Damit ist alles klar.

„Aha. Na, da hat er sicher noch mehr repariert bei Mama, was?“ Er lachte rau.
„Ja“, sagte sie. “Die Lampe im Flur.“
Oh Gott, das ist auch wieder so tragisch-komisch.

Die Szene in der Bäckerei konnte ich erst nicht einordnen. Ich habe gespürt, wie unangenehm es Emily ist, diese Geschichte zu hören. Wie sie immer wortkarger wird. Aber ich wusste nicht, warum. Dann, am Ende, dachte ich, na klar, deshalb! Auch so eine Sache, die mir hier gut gefällt, wie sich am Schluss der Kreis schließt und wie der Strohhalm für alles steht, was gerade in der Kleinen vorgeht.

Sehr gerne gelesen!
RinaWu

 

Liebe Raindog,

wie schön, dass du mir schreibst. Die tollen Geschichten von dir und Friedrichard stehen auch noch auf meiner immer länger werdenden Liste.

deine Geschichte zu lesen hat mich richtig hibbelig gemacht (vielleicht hatte ich auch zu viel Süßes über Weihnachten …), mit der ganzen Hektik und der unterschwelligen Aggressivität zwischen den Eltern, und wie sie nie richtig auf das Kind eingehen, sondern es nur zurechtweisen oder zur Ruhe bringen wollen, ob mit Süßkram oder Kügelchen oder einfach nur so, weil es gerade nervt.

Das ist sehr interessant für mich, dass die Geschichte dich hibbelig gemacht hat. Ich war schon davon ausgegangen, dass sie nicht gerade glücklich macht, aber, dass sie unruhig macht, war mir nicht so klar und das passt ja ziemlich gut.

Und es klappt für mich, dass ich diese Stimmung mit den Augen und mit dem Gefühl von Emily wahrnehmen kann - zunächst, ohne das groß zu werten, aber immer mit einem Sensor für die Bad Vibrations zwischen den Erwachsenen, zum Beispiel hier:

Das kommt alles so beiläufig im Text, aber Emily passt ganz genau auf – das ist gut gemacht.
Und immer nur das ewige Handygebimmel bei dem Vater – das nervt! Also mich, also Emily!

Ehrlich gesagt, war ich mir bei dieser Geschichte lange unsicher, ob ich sie wirklich einstellen soll, weil sie mir so ein bisschen unraffiniert vorkam. Mein Ziel, dass man sich in Emily einfühlen, auch was man mit ihr mitfühlen soll, ist ja schon ziemlich deutlich, denke ich. Gleichzeitig war mir genau das eben ein Herzensanliegen. Und deshalb freue ich mich sehr, dass es auch so bei dir ankommt.

Der Absatz im Bäckerladen ist für meinen Geschmack etwas zu lang geraten, könnte ich mir auch etwas reduzierter, aufs Wesentliche beschränkt, gut vorstellen. Vielleicht willst du das aber auch extra, um die ständige Unruhe besser aufzuzeigen, die Emily umgibt.

Interessant. Den muss ich mir nochmal mit etwas Abstand ansehen. Es ist halt eine zentrale Szene, aber vielleicht könnte man sie kürzen.

Hier freut sich Emily einerseits, dass der Vater eine Äußerung von ihr lustig findet, oder überhaupt mal richtig wahrnimmt, und als er dann auch noch indirekt ihrer Mutter recht gibt, dreht sie noch mehr auf, wahrscheinlich sieht sie hier auch den Strohhalm, an dem sie sich festhält mit ihrer Hoffnung, dass zwischen den Eltern vielleicht alles wieder normal werden könnte.

Ja. Das ist mal eine kleine Atempause in der Not und lässt sie überreagieren.

Im Haus ihrer Tante und mit ihrer Cousine erlebt sie dann den Gegensatz - wie harmonische Familien funktionieren können, und spürt auch die Aufmerksamkeit ihrer Tante, die sich richtig für sie interessiert.

Ich hatte noch überlegt, ob ich da der Ausgewogenheit halber auch einen kleinen Konflikt einbaue, das dort auch nicht alles so ganz heil ist, aber ich wollte nah an Emily bleiben und ich denke, sie nimmt das so wahr.

Nur ein wenig Kleinkram zum Schluss: Ganz am Anfang habe ich nicht gleich kapiert wer was sagt. Das hat mir den Einstieg kurz erschwert.

Danke. Ich habe jetzt zwei Sätze zusammengerückt, vielleicht wird es so etwas klarer, wer spricht:

„Was?“ Ihr Vater warf Emilys Tasche in den Kofferraum.

Vielleicht bin ich hier auf dem falschen Dampfer, ich habe eher gedacht, es wäre die Freundin des Vaters – aber Wolli – hä? Wer ist das denn nu?

Und "Wolli" habe ich durch "Andy" ersetzt und hoffe, dass es jetzt noch klarer ist, dass es ein Freund ist.

Der letzte Absatz hat mir dann richtig den Rest gegeben, er hat mich traurig und wütend gemacht,
und ich hoffe, dass Emily zeitig genug dahinter steigt, dass nicht sie etwas falsch gemacht hat!
Aber du, liebe Chutney, hast für mich mit dieser Geschichte jedenfalls vieles richtig gemacht!

Der letzte Absatz ist mir ziemlich zugeflogen und wenn ich auch nicht Emilys Erfahrung machen musste, so kenne ich doch viele Kinder in der Situation und erinnere mich auch selbst noch an einige Dinge, die ich mir in dem Alter zurechtphantasiert habe.

Herzlichen Dank, liebe Raindog, ich habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut.

Einen guten Rutsch wünscht Chutney


Lieber Friedrichard,

auch dir ganz herzlichen Dank fürs Reinschauen und fürs "Flusen auflesen".

ja, es ist traurig, wofür Kinder sich oft schuldig fühlen, wie hier z. B. in dieser Geschichte, wenn Kindermund Wahrheit kundtat.

Ja, das ist es und es war mir ein Anliegen, so einem Kind mal eine Stimme zu geben.

Gut, erzählte unsere kleine Heldin Emily die Geschichte, der Friedel schwiege. Es sind halt ihr Papa, ihre Mama. Aber Du erzählst und da könnte, so finde ich, gelegentlich das Possessivpronomen durch den Artikel ersetzt werden. Der Leser weiß ziemlich schnell, wessen Eltern und Elternteile da auftreten.

Ja, die Possessivpronomen. Ich habe schwer überlegt. Du meinst statt "ihr Vater", "der Vater" z.B. Das klingt für mich aber irgendwie sehr distanziert, fast ein bisschen altertümlich. Ich schreibe zwar nicht in der "Ich"-Form, aber doch sehr aus ihrer Perspektive. Nee, da kann ich mich nicht so mit anfreunden.

Und ab hier
Emily zuckte zusammen, als ihr Vater draußen „Geht's noch?!“[,] brüllte.
fällt mir das fehlende Komma zwischen der beendeten wörtl. Rede und dem übergeordneten Satz auf.

Das Komma habe ich hinzugefügt, wirkt aber irgendwie komisch. Du bist ganz sicher?

Da musstu auf jeden Fall noch mal durchsehen, denn kurz darauf heißt es
„Weißt du noch, als ihr das letzte Mal da wart?“[,] kicherte die Bäckerin ...

Habe ich geändert, dankeschön!

Und verrat mal der Bäckersfrau, dass "wegen" nach dem Genitiv ruft. Sie will doch nicht dessen Mörder unterstützen, wäre ja Beihilfe ...
„Ich habe Ihrer Kleinen gerade erzählt, wie doll sie letztes Mal geschrien hat, wegen dem Strohhalm, aber sie kann sich gar nicht mehr erinnern.“
Aber so spricht halt manche/r.

Ja, ich finde, sie spricht so, aber ich schicke sie mal in einen Kurs. Vielleicht kann sie es in der nächsten Geschichte. ;)

„Ja“, Ihr Vater griff ihr in den Nacken, ...
Warum so viel Höflichkeit gegenüber dem Vater?

Da verstehe ich nicht, was du meinst. Wer ist höflich?

Jetzt sagten sie im Radio, dass ein Mann seine Exfrau mit einem Hammer erschlagen hatte. Und dass er bisher als unauffällig gegolten hatte.
Das zwote "haben" besser im Konjunktiv, nicht nur wegen der Abwechselung und Wiederholng ...

Und hier bin ich mir auch nicht sicher. Müssten nicht wenn, dann beide im Konjunktiv? :shy:

Gern gelesen vom

Friedel,
der noch einen guten Rutsch wünscht!


Lieber Friedel, vielen herzlichen Dank nochmal und dir ein glückliches neues Jahr mit uns Wortkriegern und schönen Spaziergängen mit deinem Enkel.

Chutney


Liebe RinaWu,

ich freu mich sehr, dass du bei mir reinschaust und über deinen schönen Kommentar.

es ist krass, was Eltern alles in ihrem Kind durcheinander bringen, ohne es überhaupt zu merken. Eine Freundin von mir arbeitet in der Kinderpsychiatrie und erzählt auch oft, dass es oft Dinge sind, die den Erwachsenen gar nicht auffallen, die tiefe Spuren hinterlassen, Schuldgefühle oder Verlustängste hervorrufen.

Ja, es ging mir auch darum, keine wirklich bösen Eltern darzustellen, sondern solche, die so sehr in ihrem eigenen Film gefangen sind, dass sie das Kind nicht mehr so richtig wahrnehmen. Kinder sind so unfassbar anfällig dafür, Schuld auf sich zu nehmen, auch die, denen man das nicht anmerkt. Ich glaube, in einer Trennungssituation einen vernünftigen Umgang miteinander, den Kindern zuliebe hinzubekommen, erfordert manchmal fast übermenschliche Fähigkeiten.

Deine Geschichte hat mich berührt. Mir gefällt sehr, wieviel du mit Dialogen arbeitest und die sind richtig gut. Fühlen sich echt an, als wäre man direkt dabei und würde hinter einem Baum versteckt zuschauen. Oder vom Kofferraum aus mithören Jedenfalls finde ich das sehr gut, wie du das gemacht hast. Erst die kurzen Sätze zwischen den Eltern. Die Uneinigkeit über kleine und große Dinge.

Danke schön!:)

Wie sie denken, die Kleine bekommt das Diskutieren nicht mit, weil sie mit dem Hund spielt. Dabei kriegt sie vermutlich alles mit.

Ja und vielleicht schreit sie auch extra laut mit dem Hund rum, weil sie es nicht hören will.

Die Szene in der Bäckerei konnte ich erst nicht einordnen. Ich habe gespürt, wie unangenehm es Emily ist, diese Geschichte zu hören. Wie sie immer wortkarger wird. Aber ich wusste nicht, warum. Dann, am Ende, dachte ich, na klar, deshalb! Auch so eine Sache, die mir hier gut gefällt, wie sich am Schluss der Kreis schließt und wie der Strohhalm für alles steht, was gerade in der Kleinen vorgeht.

Ja, so kleine Situationen können dann auf einmal so große Dimensionen annehmen.

Ich danke dir sehr, Rina und wünsche dir auch einen guten Rutsch ins neue Jahr!

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo Chutney,
Plot und Dialoge deiner Geschichte finde ich glaubhaft. Dein Ende mit Emilys Überlegung, dass sie an der Trennung der Eltern verantwortlich sein könnte ist auch nachvollziehbar, weil leider typisch, dadurch auch wenig überraschend für den Leser. Und dann ist die Geschichte zu Ende. Jetzt könnte der Gegenwind kommen. Emily könnte z.B. Pläne schmieden, ihre Eltern zu versöhnen, um ihre Schuld wieder gut zu machen. Sie will ab jetzt das beste Kind der Welt sein, ist mir zu schwammig. Die Gewichtung von Alltagsgeschehen zu ihrer plötzlichen Erkenntnis stimmt für mich nicht. Da hätte ich gern am Schluss etwas mehr. :shy:

Viele Grüße
wegen

 

Hallo Chutney
sehr gut beobachtet und aufgeschrieben. Das Verhalten der Eltern und Emilys Versuch die Geschehnisse einzuordnen, hast Du sehr mitreißend und glaubwürdig geschildert. Einzig den dramaturgischem Aufbau habe ich zu beanstanden. Ab einem Punkt werden nur noch Episoden aneinander gereiht. Da fehlt mir entweder die Steigerung oder inhaltliche Abwechslung. Auch die Innensicht Emilys kommt zu spät und zu plötzlich. Das hätte ein Höhepunkt werden können, wenn vorher schon darauf hin gearbeitet worden wäre. Oder aber wenn das Schuldgefühl der Tochter stärker in den Fokus geriete. Das könnte zu einem dramatischerem Ende führen. Vielleicht sogar zu einem hoffnungsvollen Ausblick, wenn den Eltern bewusst würde, dass ihr Kind unter ihrem Egoismus leidet. Dadurch, dass der Vater größtenteils präsent ist, rutscht er (unbeabsichtigt?) in die Rolle des Bösewichts. Die Mutter erscheint eher besorgt und verantwortungsbewusst. Falls das nicht so beabsichtigt war, sollte die Mutter etwas mehr Raum erhalten.

Trotz der Kritik: Ich habe es gern gelesen und es hat mich auch emotional erreicht.

Grüße!
Kellerkind

 

Hallo Chutney,

das ist wieder eine von diesen Geschichten, bei denen man (na ja, ich) die Protagonisten packen und durchschütteln möchte - oder noch ein bisschen mehr. "Hibbelig", schrieb Raindog; mich hat das einfach sauer gemacht. Und dass das so auf mich wirkt, liegt natürlich daran, wie lebensecht du das alles gezeichnet hast. Das ist ja das Fiese, dass so viele Erwachsene tatsächlich so ignorant gegenüber der Gefühlswelt von Kindern sind. Grauenhaft!

Interessant fand ich dabei, wie meine Abneigung von einer Person zur nächsten weiterwanderte. Am Anfang fiel mir natürlich die kontrollwütige Mutter auf, die null Vertrauen hat, dass es Emily auch beim Vater gutgehen könnte, ohne dass sie ihm pedantische Anweisungen gibt. Bloß keinen Zucker (außer von Uli, wie sich später andeutet) wegen der vermeintlichen Hyperaktivität; abends Placebo-Globuli gegen irgendeine andere eingebildete Krankheit. Ein paar Zeilen weiter outet sich natürlich der Vater - der mir zuerst noch als der entspanntere Elternteil erschien - als jemand, der sich nie ganz auf sein Kind einlässt, weil ständig irgendetwas anderes, v.a. der Beruf, dringender ist. Wenigstens wimmelt er den Andy am Telefon so halbwegs ab. Natürlich stopft er Emily auch mit Süßem voll, was m.E. weniger wegen des Zuckers bedenklich ist als deswegen, weil ihm offenbar wenig andere Wege einfallen, seine Zuneigung zu zeigen. Und dann ist auch noch die Bäckerin so unsensibel, Emily ihr Kleinkindverhalten haarklein nachzuerzählen, das für einen (außenstehenden) Erwachsenen zum Brüllen komisch sein mag, Kindern aber doch nur sterbenspeinlich sein kann, selbst ohne die Schuldgefühle, die Emily sich später noch deswegen macht. Man fragt sich, ob denn keiner von denen mehr weiß, dass er/sie selber mal Kind war und damals auch schon Gefühle hatte.

Und zwischendrin die arme Emily, die sich nach Kräften bemüht, es allen recht zu machen und "liebens-wert" zu sein. Mit all den falschen Signalen, die die Großen aussenden, kann sie daran ja nur scheitern, und ihr verquerer, aber erschreckend nachvollziehbarer Gedankengang am Ende treibt das auf die Spitze. Dass sie erwägt, von all den Emojis ausgerechnet der Kackhaufen zu sein, ist ja sicher auch kein Zufall.

Der Gegenentwurf unter den Erwachsenen scheint Tante Steffi zu sein. Anscheinend ist deren Familie noch intakt, es geht fröhlich zu, die Wände sind so bunt bemalt, wie sie es bei Emilys Familie früher auch mal waren (wenngleich nur mit Steffis Hilfe - was wurde damals wohl schon "übermalt"?). Steffi ist auch die einzige, die mal skeptisch wird, dass Emilys Vater an diesem Wochenende noch so viel anderes nebenbei zu erledigen hat.

Das mit Steffi & Familie ist so ein bisschen heile Welt, der Gegensatz vielleicht etwas plakativ. Überhaupt sind einige der Charaktere - Papa, Mama, Lover - gefährlich nah am Klischee. Ich sehe aber nicht, wie man das so richtig vermeiden sollte. Wenn ich mir vorstelle, wie man deren Vita umbauen könnte - vielleicht Papa als fürsorglicher, dafür Mama gestresster; oder Mama nachlässiger, dafür ihren Neuen netter - rutscht man vermutlich nur von einem Stereotyp ins nächste. Das ganze Thema Scheidung, Patchworkfamilie usw. ist halt schon ziemlich abgegrast, dazu hat man schon dutzende Fernsehfilme gesehen, die alle Konstellationen durchprobiert haben, sei es als Drama, als Komödie oder als Krimi.

Aber das mit dem Klischee sehe ich letztlich auch gar nicht als so problematisch. Bedauerlicherweise ist in diesem Bereich ja das Leben voller Abziehbilder - genau solche Eltern, Bäckerinnen etc. sieht man ja auch in echt immer wieder. Und so liegt die Stärke deiner Geschichte m.E. auch nicht in der Konstruktion der Handlung und der Charaktere, sondern in der Erzählweise und den feinen Details, die so echt und so eindringlich rüberkommen, dass sich mir beim Lesen die Nackenhaare aufgestellt haben. Dabei halte ich mich bei der Thematik eigentlich nicht gerade für ein leichtes Opfer.

Vielleicht deutet es sich zwischen meinen Zeilen an ;): Ich finde deine Geschichte sehr, sehr gut. Nicht wirklich schön angesichts des Inhalts, aber einfach klasse umgesetzt. Ich habe erst einen Bruchteil der Challenge-Geschichten gelesen, aber ich bin jetzt schon ziemlich sicher, dass diese auf meiner Shortlist bleiben wird.

Grüße vom Holg ...

 

Liebe Chutney,

das sind Dialoge, die man sehr aufmerksam lesen muss, um nicht über die sich in ihnen abspielende Tragik hinwegzulesen. Zum Schluss habe ich als Leserin einen Kloß im Hals und muss an die eigene Familie denken, in der sich gerade ein Scheidungskind neu sortieren muss und dabei versucht, zu retten, was zu retten ist. Obwohl ihr Verhalten zeigt, wie sehr sie ‚beschädigt’ sind, versuchen diese Kinder doch oft, sich eine halbwegs normale Welt zu erhalten, indem sie sich verzweifelt an das klammern, was ihnen allmählich entweicht. Und das ist die Liebe beider Elternteile und die damit verbundene Sicherheit. Und sie suchen nach Ursachen für den Verlust, und da sie gar keine Möglichkeit haben, das, was geschehen ist, einzuordnen, konstruieren sie einen Zusammenhang, den sie selber beeinflussen können: Vielleicht war ja ich schuld an allem und wenn ich mich jetzt nicht mehr schuldig mache, wird alles wieder gut. Die dahinter sich verbergende Hilflosigkeit rührt mich als Leser sehr. Eine starke Wirkung deines Textes.

Ein kleines Problem hatte ich mit einer gewissen Dialoglastigkeit deines Textes. Von der Idee her kann ich dir folgen: Mit den Dialogen führst du gekonnt zur Schlussfolgerung im letzten Absatz. Aber unterm Strich hätte ich mir auch zwischendurch schon ein wenig mehr Innenschau gewünscht. So nimmst du alles, was sich in Emily abspielt, als Resultat in diesen letzten Absatz. Ich bin mir nicht sicher, ob eine etwas frühere Hinführung nicht auch möglich gewesen wäre. Da geht es mir wohl wie Kellerkind.

Aber das ist nur ein Gedanke, der mir zum Schluss kam. Er ändert nichts daran, dass mich deine Geschichte sehr bewegt hat. Gute Idee – gut ausgeführt.

Noch eine Kleinigkeit am Rande:

Doch ihre Eltern waren ein paar Schritte weiter gegangen. Ihre Mutter sprach knapp und schneidend von Abmachungen und ihr Vater von Weihnachten, dabei war es Sommer. Er trat nach einem Stein.

Wenn man sie mit dieser vergleicht:

Jetzt lachte er, aber es klang nicht lustig. Dann wurde es leiser, weil er vor der Bäckerei auf und ab lief.

so sieht man, wie auch an vielen anderen Stellen, dass du die Wahrnehmungen Emilys darstellst. Und da bin ich mir nicht sicher, ob ein Kind Äußerungen als ‚knapp und schneidend’ wahrnimmt. Sie spürt sicher das Aggressive, aber ob sie es für sich als ‚schneidend’ bezeichnen würde, wage ich zu bezweifeln. Keine Ahnung, ob ich das so richtig sehe, aber beim Lesen stolperte ich immer wieder über diese Stelle.

Chutney, ein wirklich guter Beitrag zur Challenge.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Liebe Chutney,

ganz schön mutig, die Geschichte überwiegend über Dialoge geschehen zu lassen. Aber sehr gekonnt, nur muss man genau lesen. Ich dachte zuerst, das Kind hat ein ADHS-Syndrom, deshalb die Kügelchen und das Zuckerverbot. Dann, wenn ich die Erwachsenen näher ins Auge fasse, packt mich das kalte Grausen, wie die an dem Kind zerren, es für ihre (Macht-)Spielchen instrumentalisieren (borderline gegen workaholic). Da verstehe ich, wenn Emiliy am liebsten mit dem Hund herumtollen möchte. Da hat sie gradlinige Reaktionen ohne unterschwellige bedrohliche Reaktionen:

Guck mal, Mama, der Rico freut sich ganz doll

Sehr schön finde ich das Spiel mit den Emojis. Kein Psychologe könnte besser herausfinden, wie es Emily geht. Schuldgefühle und verzweifelte Hoffnung auf eine Wiedergutmachung. Prinzessin oder Kackhaufen, sehr plakativ.

Die Erzählperspektive aus der Sicht Emilys hast du meistens eingehalten. Ich finde allerdings auch, die Szene mit der Bäckersfrau ist etwas lang geraten. Da wolltest du halt eine weitere Facette zeigen, wie oft neugierige Nachbarn solche Familientragödien begleiten. Da ist nicht nur ehrliche Anteilnahme, wie sie so auf der alten Strohhalmgeschichte herumreitet. Aber den Titel in seiner doppelten Bedeutung hast du toll verankert.

Ein starkes Anschauungsstück aus dem RL. Leider heute alltäglich. Aber immer wieder berührend, weil man ja weiß, wie schwer die Wunden heilen. Wem sag ich das!

Sehr gerne gelesen und kommentiert.
Herzliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo wegen,

vielen Dank fürs Lesen und für deine Gedanken zu meinem Text.

Plot und Dialoge deiner Geschichte finde ich glaubhaft. Dein Ende mit Emilys Überlegung, dass sie an der Trennung der Eltern verantwortlich sein könnte ist auch nachvollziehbar, weil leider typisch, dadurch auch wenig überraschend für den Leser.

Das freut mich, dass du das Ganze als glaubhaft empfindest.

Das Ende hingegen empfindest du als unbefriedigend. Das kann ich verstehen, weil es ja auch letztlich keine Lösungsmöglichkeit bietet, sondern nur die Lösung zeigt, die Emily für sich entwickelt.

Jetzt könnte der Gegenwind kommen.

Für mich befindet sie sich eigentlich die ganze Zeit im Gegenwind.:hmm:

Emily könnte z.B. Pläne schmieden, ihre Eltern zu versöhnen, um ihre Schuld wieder gut zu machen. Sie will ab jetzt das beste Kind der Welt sein, ist mir zu schwammig.

Tatsächlich finde ich es realistisch, dass sie so schwammig denkt. Mir war beim Schreiben selbst noch das "bravste" oder das "fleissigste" zu differenziert. Sie hat nämlich gar keine wirkliche Vorstellung in meinen Augen. Sie will so sein, dass ihre Eltern sich so über sie freuen, dass sie sich wieder miteinander verstehen, weil sie so ein tolles Kind haben, dass sie so doll lieben, weil es eben einfach das beste Kind der Welt ist. Dieses Pläne schmieden, was du vorschlägst, wäre schon eine Stufe anders und hätte eher was vom "doppelten Lottchen" oder so.

Die Gewichtung von Alltagsgeschehen zu ihrer plötzlichen Erkenntnis stimmt für mich nicht. Da hätte ich gern am Schluss etwas mehr.

Den Punkt lasse ich nochmal sacken. Es war auch ein kleines Experiment, erst ganz am Schluss in ihren Kopf einzutauchen und zu sehen, was sie aus diesem Ganzen macht. Und durchaus beabsichtigt, den Leser mit diesem Gedanken allein zu lassen. Aber ich behalte diese Rückmeldung im Auge, zumal das ja auch nochmal so ähnlich kam.

Herzlichen Dank nochmal, wegen, das war wirklich interessant. Und einen guten Rutsch wünscht

Chutney


Hallo Kellerkind,

auch dir ganz herzlichen Dank für deine Ideen zu meiner Geschichte.

sehr gut beobachtet und aufgeschrieben. Das Verhalten der Eltern und Emilys Versuch die Geschehnisse einzuordnen, hast Du sehr mitreißend und glaubwürdig geschildert.

Danke schön!

Einzig den dramaturgischem Aufbau habe ich zu beanstanden. Ab einem Punkt werden nur noch Episoden aneinander gereiht. Da fehlt mir entweder die Steigerung oder inhaltliche Abwechslung.

Da muss ich ein bisschen überlegen, was du meinen könntest. Die Episoden wären so die vielen kleinen Verletzungen, die sie so erfährt und mit der inhaltlichen Abwechslung meinst du, das ich noch andere Themen hätte einbringen sollen? Tatsächlich hatte ich überlegt, die Geschichte zu verlängern, noch dies und das über sie zu erzählen um das Thema ein bisschen zu verschleiern. Stattdessen wären mir immer noch mehr solche Episoden eingefallen und so habe ich sie einfach so gelassen. Aber ich werde das im Auge behalten. Mit der Steigerung hast du recht. Der Strohhalm holte sie erst abends im Bett wieder ein, nachdem noch dies und das gewesen ist. Aber ich finde gerade auch das interessant. Und ich finde auch dieses Plötzliche realistisch. Der Zustand vor dem Einschlafen ist schon ein Besonderer, da kann sowas passieren.

Oder aber wenn das Schuldgefühl der Tochter stärker in den Fokus geriete. Das könnte zu einem dramatischerem Ende führen.

Für mich ist das Ende ziemlich dramatisch. Solche Entscheidungen können schon Auswirkungen auf ein Leben haben.

Dadurch, dass der Vater größtenteils präsent ist, rutscht er (unbeabsichtigt?) in die Rolle des Bösewichts. Die Mutter erscheint eher besorgt und verantwortungsbewusst. Falls das nicht so beabsichtigt war, sollte die Mutter etwas mehr Raum erhalten.

Tatsächlich finde ich das Verhalten der Mutter auch problematisch. Da bin ich mal faul und zitiere The Incredible Holg:

Am Anfang fiel mir natürlich die kontrollwütige Mutter auf, die null Vertrauen hat, dass es Emily auch beim Vater gutgehen könnte, ohne dass sie ihm pedantische Anweisungen gibt. Bloß keinen Zucker (außer von Uli, wie sich später andeutet) wegen der vermeintlichen Hyperaktivität; abends Placebo-Globuli gegen irgendeine andere eingebildete Krankheit.

Beide Eltern sind so verstrickt, dass ihnen ihr Ärger auch vor dem Kind aus allen Ritzen quillt. Es gibt so einen Punkt, da kann alles zur Munition werden, auch Verantwortungsgefühl.

Trotz der Kritik: Ich habe es gern gelesen und es hat mich auch emotional erreicht.

Darüber freue ich mich sehr. Vielen Dank, Kellerkind.

Ein frohes neues Jahr wünscht dir,

Chutney


Hallo The Incredible Holg,

über deinen Kommentar habe ich mich riesig gefreut, weil du noch einmal so genau wiedergegeben hast, was ich mit dieser Geschichte sagen wollte, aber auch die Punkte aufgezeigt hast, an denen ich mich abgearbeitet habe.

das ist wieder eine von diesen Geschichten, bei denen man (na ja, ich) die Protagonisten packen und durchschütteln möchte - oder noch ein bisschen mehr. "Hibbelig", schrieb @Raindog; mich hat das einfach sauer gemacht. Und dass das so auf mich wirkt, liegt natürlich daran, wie lebensecht du das alles gezeichnet hast. Das ist ja das Fiese, dass so viele Erwachsene tatsächlich so ignorant gegenüber der Gefühlswelt von Kindern sind. Grauenhaft!

Ja, wohin mit all der Wut und der Hilflosigkeit. Das ist vielleicht die Haupttriebfeder für mich gewesen, diese Geschichte zu schreiben.

Und zwischendrin die arme Emily, die sich nach Kräften bemüht, es allen recht zu machen und "liebens-wert" zu sein. Mit all den falschen Signalen, die die Großen aussenden, kann sie daran ja nur scheitern, und ihr verquerer, aber erschreckend nachvollziehbarer Gedankengang am Ende treibt das auf die Spitze. Dass sie erwägt, von all den Emojis ausgerechnet der Kackhaufen zu sein, ist ja sicher auch kein Zufall.

Außerdem wollte ich auch mal der Kleinen, Braven, Angepassten einen Platz in einer Geschichte geben. ;)

Der Gegenentwurf unter den Erwachsenen scheint Tante Steffi zu sein. Anscheinend ist deren Familie noch intakt, es geht fröhlich zu, die Wände sind so bunt bemalt, wie sie es bei Emilys Familie früher auch mal waren (wenngleich nur mit Steffis Hilfe - was wurde damals wohl schon "übermalt"?).

Ui, ein interessanter Gedanke, war mir gar nicht so bewußt. Danke!

Das mit Steffi & Familie ist so ein bisschen heile Welt, der Gegensatz vielleicht etwas plakativ. Überhaupt sind einige der Charaktere - Papa, Mama, Lover - gefährlich nah am Klischee. Ich sehe aber nicht, wie man das so richtig vermeiden sollte.

Ja, da sprichst du was an und deswegen war ich auch unsicher ob ich die Geschichte einstelle. Die Geschichte ist stellenweise sicherlich plakativ. Aber in mir war so ein "Scheißegal, dann ist sie das halt. Sie muss jetzt raus, sonst wird das so ein Rohrkrepierer." Beim nächsten Mal werde ich mich wieder bemühen subtiler zu sein und dem Leser keine Gefühle aufzudrängen. Aber hier wüsste ich nicht, wo ich anfangen sollte mich von Darlingen zu trennen. (Auch der Kackhaufen ist so einer, denke ich.)

Wenn ich mir vorstelle, wie man deren Vita umbauen könnte - vielleicht Papa als fürsorglicher, dafür Mama gestresster; oder Mama nachlässiger, dafür ihren Neuen netter - rutscht man vermutlich nur von einem Stereotyp ins nächste.

Danke!

Und so liegt die Stärke deiner Geschichte m.E. auch nicht in der Konstruktion der Handlung und der Charaktere, sondern in der Erzählweise und den feinen Details, die so echt und so eindringlich rüberkommen, dass sich mir beim Lesen die Nackenhaare aufgestellt haben. Dabei halte ich mich bei der Thematik eigentlich nicht gerade für ein leichtes Opfer.

Ach, das freut mich total, Holg.

Vielleicht deutet es sich zwischen meinen Zeilen an : Ich finde deine Geschichte sehr, sehr gut. Nicht wirklich schön angesichts des Inhalts, aber einfach klasse umgesetzt. Ich habe erst einen Bruchteil der Challenge-Geschichten gelesen, aber ich bin jetzt schon ziemlich sicher, dass diese auf meiner Shortlist bleiben wird.

Und auch das geht natürlich runter wie Öl. Ganz herzlichen Dank und ein schönes, neues Jahr wünscht

Chutney

wird fortgesetzt ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe barnhelm,


das sind Dialoge, die man sehr aufmerksam lesen muss, um nicht über die sich in ihnen abspielende Tragik hinwegzulesen.

Puh, da bin ich doch froh, dass es nicht zu plakativ rüberkommt.

Und sie suchen nach Ursachen für den Verlust, und da sie gar keine Möglichkeit haben, das, was geschehen ist, einzuordnen, konstruieren sie einen Zusammenhang, den sie selber beeinflussen können: Vielleicht war ja ich schuld an allem und wenn ich mich jetzt nicht mehr schuldig mache, wird alles wieder gut.

Ich danke dir sehr für deine klugen Worte und wie du das Dilemma der Trennungskinder noch einmal auf den Punkt gebracht hast. Das in der eigenen Familie zu erleben, tut weh und ich wünsche deinen Angehörigen, dass sie zu denen gehören, die es schliesslich ganz gut miteinander hinbekommen, so dass auch das Kind wieder zu seiner Sicherheit findet und die Liebe beider Elternteile spüren kann.

Ein kleines Problem hatte ich mit einer gewissen Dialoglastigkeit deines Textes.

Das ist mir beim erneuten Lesen auch aufgefallen und das macht ihn vielleicht auch unruhiger und verstärkt noch das Episodenartige, das Kellerkind gestört hat.


Aber unterm Strich hätte ich mir auch zwischendurch schon ein wenig mehr Innenschau gewünscht. So nimmst du alles, was sich in Emily abspielt, als Resultat in diesen letzten Absatz. Ich bin mir nicht sicher, ob eine etwas frühere Hinführung nicht auch möglich gewesen wäre. Da geht es mir wohl wie Kellerkind.

Im Moment finde ich es noch ganz interessant, den ganzen Verlauf der Geschichte mehr von aussen zu zeigen und erst ganz am Ende in Emilys Gedankenwelt einzutauchen. Man könnte natürlich schon vorher viel mehr ihre Gedanken zeigen. Oder umgekehrt, sie am Ende nur zeigen, wie sie sich im Bett wälzt. Mal schauen, ob es noch weitere Meinungen dazu gibt. Aber ich stelle es mir auch so vor, dass sie tagsüber versucht durchzukommen und einfach auf alles zu reagieren, was auf sie zukommt. Und erst wenn sie im Bett liegt, stürzen diese Gedanken auf sie ein.

... so sieht man, wie auch an vielen anderen Stellen, dass du die Wahrnehmungen Emilys darstellst. Und da bin ich mir nicht sicher, ob ein Kind Äußerungen als ‚knapp und schneidend’ wahrnimmt.

Oh ja, das leuchtet mir ein, das habe ich jetzt einfach weggelassen, vielen Dank, guter Punkt!

Chutney, ein wirklich guter Beitrag zur Challenge.

Danke schön, barnhelm, komm gut ins neue Jahr! :)

Liebe Grüße von Chutney


Liebe wieselmaus,

wie schön wieder von dir zu hören. (Und dich nächstes Jahr auch kennenzulernen! :))

ganz schön mutig, die Geschichte überwiegend über Dialoge geschehen zu lassen. Aber sehr gekonnt, nur muss man genau lesen.

Du nimmst es mir jedenfalls nicht übel.

(borderline gegen workaholic).

Ich bin sicher, die Mutter hat auch gegoogelt und eine narzisstische Störung gefunden.

Da verstehe ich, wenn Emiliy am liebsten mit dem Hund herumtollen möchte. Da hat sie gradlinige Reaktionen ohne unterschwellige bedrohliche Reaktionen:

Da sprichst du etwas an, was mir nur so halb bewusst war. Ja, mit Rico gibt es diese Fallstricke nicht.

Sehr schön finde ich das Spiel mit den Emojis. Kein Psychologe könnte besser herausfinden, wie es Emily geht. Schuldgefühle und verzweifelte Hoffnung auf eine Wiedergutmachung. Prinzessin oder Kackhaufen, sehr plakativ.

Ja, vielleicht schon fast zu plakativ, aber es sind ja diese Dinge, über die Kinder sich ausdrücken.

Ich finde allerdings auch, die Szene mit der Bäckersfrau ist etwas lang geraten.

Also lang im Sinne von "es wird langweilig"? Ob es wirklich was mit der Länge zu tun hat oder vielleicht doch mit der Ausgestaltung? :hmm: Ich überlege nochmal. Das ist aber was, was noch dauert, da bin ich jetzt zu nah dran.

Ein starkes Anschauungsstück aus dem RL. Leider heute alltäglich. Aber immer wieder berührend, weil man ja weiß, wie schwer die Wunden heilen. Wem sag ich das!

Wenigstens weiß ich jetzt dank Nichtgeburtstagskind was RL ist.:D Ja es ist Alltag und damit eine Erfahrung mit der so viele Menschen herumlaufen. Liebe Wieselmaus, ich habe mich sehr gefreut über deine Gedanken zu meiner Geschichte und wünsche dir einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hi Chutney

Der Strohhalm holte sie erst abends im Bett wieder ein, nachdem noch dies und das gewesen ist. Aber ich finde gerade auch das interessant. Und ich finde auch dieses Plötzliche realistisch. Der Zustand vor dem Einschlafen ist schon ein Besonderer, da kann sowas passieren.
Wenn das Deine Herangehensweise ist, dann ist das auch gut. Ich hatte ja nicht gemeint, dass die klassische Steigerung unbedingt nötig wäre. Die Geschichte funktioniert auf diese Weise auch.
Zur Rollenverteilung: Das kritikwürdige Verhalten der Mutter wird schon deutlich. Aber dadurch, dass sie nur kurz am Anfang erscheint, empfinde ich ein deutliches Übergewicht auf der Seite des Vaters. Im Grunde bestätigt er ja durch seinen oberflächlichlichen Umgang mit der Tochter die Vorwürfe der Mutter. Dass es unsensibel ist, diese Fragen in Gegenwart der Kleinen zu diskutieren steht noch mal auf einem anderen Blatt.
Ich sag nur, wie es auf mich wirkt.

Grüße
Kellerkind

 

Hallo Kellerkind,

danke dafür, dass du nochmal nachhakst. Wenn ich dich richtig verstehe, wünschst du dir, dass ich beiden Elternteilen gleich viel Schuld zuschreibe und empfindest den Vater ungerecht behandelt. Wir sind also mitten in dem Thema aller Rosenkriege: Wer ist der bessere Elternteil? Für Emily und ihr Empfinden und ihre Gedanken beim Einschlafen, also für meine Geschichte ist das eigentlich egal, denn sie leidet vor allem unter dem Streit an sich und manches uneinfühlsame Verhalten der Eltern ist sicherlich auch auf den Stress durch den Konflikt und die veränderte Lebenssituation zurückzuführen. Vielleicht wäre der Vater auch sonst eher ein Workaholic und die Mutter ein bisschen helikoptermäßig, aber die lieben ja ihr Kind schon und das Leid des Mädchens entsteht eigentlich aus dem Dauerstreit der Eltern. Dennoch gibt mir deine Kritik zu denken, denn es geht mir tatsächlich nicht darum den Vater als Buhmann zu zeigen.

Das kritikwürdige Verhalten der Mutter wird schon deutlich. Aber dadurch, dass sie nur kurz am Anfang erscheint, empfinde ich ein deutliches Übergewicht auf der Seite des Vaters.

Ich glaube nicht, dass es mit der Textlänge zu tun hat, was für ein Bild ich von jemandem habe. Ich kann in drei Sätzen jemanden als Schwein charakterisieren oder als Helden. Und ich würde der Mutter nicht mehr Raum geben, weil das Ganze eben am Vaterwochenende spielt.

Was ich mir schon mal überlegt hatte war, ihm noch eine Facette mehr zu geben, vor dem Einschlafen. Sowas wie: „Abends las ihr Vater ihr die besten Stellen aus dem Buch vor, wo die Olchis nicht ins Bett gehen wollen. Als er die Tür leise zugezogen hatte, war sie auf einmal ganz wach ...“ Wie fändest du das?

Liebe Grüße von Chutney

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Chutney, eine schöne Geschichte, gefällt mir gut. Ohne aufdringlich zu sein, erzählt der Text von den Schwierigkeiten eines Kindes, das eben in seiner eigenen kindgemäßen Welt lebt, von den Reibungszonen mit der ganz anders funktionierenden Welt der Erwachsenen. Bei dieser Stelle mit den Süßigkeiten musste ich sofort an das hier denken: LINK Wenn das schon in Comedy-Shows so thematisiert wird, liegt nahe, dass es sich hier bereits um Klischee handelt. Deshalb finde ich das Beispiel Süßigkeiten nicht so 100 Prozent gelungen, aber das sind Kleinigkeiten.

Die von Barnhelm erwähnte Tragik sehe ich hier allerdings nicht. Und wenn Holger (ja, Du Hulk) schon bei solchen Sachen wütend wird, möchte ich nicht neben ihm stehen, wenn das Leben die wirklichen Abgründe menschlichen Verhaltens offenbart. Ich meine, man sollte die Kirche im Dorf lassen. Die beiden Leute hier werden sicher nicht die Eltern des Jahres. Aber wenn ich die hier angelegten Maßstäbe ernst nehme, müssten Menschen wohl Pädagogen und oder Heilige sein, um als gute Eltern durchzugehen.

Emily wird von ihren Eltern geliebt. Ich sehe keine Formen von geistiger oder körperlicher Mißhandlung. Ja, beide sind in diesen Situationen unaufmerksam, zerstreut, abgelenkt. Aber keiner der Beiden handelt in irgendeiner Form feindselig gegenüber Emily.

Ich finde solche Deutungen des Textes total übertrieben. Wenn das so tragisch und grauenhaft ist, wie empfinden wir dann gegenüber Eltern, die ihre Kinder vergewaltigen, psychisch und physisch mißhandeln, sie verhungern, vergessen, beschimpfen und demütigen?

Vielleicht ist auch mal eine Überlegung wert zu fragen, ob es wirklich der erste Auftrag eines Vaters sein muss, sich in die Gefühlswelt seiner Kinder einzuschwingen. Jahrhundertelang hat man sich damit kaum befasst, doch die Welt ist deshalb nicht voller Monster.

Man muss ja nun nicht gleich in die Erziehungsmethoden Spartas zurückfallen, aber dieses Hypersensible geht in die falsche Richtung. Meine Elten haben mir immer ihre Liebe gezeigt. Ich hatte während meiner gesamten Kindheit nicht einmal das Gefühl, dass es irgendein Problem geben könnte, mit dem ich nicht zu meinen Eltern gehen kann. Ich hatte Vertrauen. Auch wenn meine Eltern mich oft nicht verstanden haben und umgekehrt.

Naja, so, wie ich Deine Kommentare verstehe, Chutney, hast Du es ja so (als Drama/ Tragödie) auch gar nicht gemeint. Ich fand es sensibel, gut beobachtet, nachdenklich machend und schön geschrieben. Vielen Dank dafür.

Gruß Achillus

 

Und wenn Holger (ja, Du Hulk) schon bei solchen Sachen wütend wird, möchte ich nicht neben ihm stehen, wenn das Leben die wirklichen Abgründe menschlichen Verhaltens offenbart.
Solltest du auch nicht! :D

Ich hoffe, wir kommen hier nicht zu weit off topic, aber ich denke, das hier gehört noch zur Deutung der Geschichte. Und wenn du mich schon direkt ansprichst, möchte ich doch kurz reagieren.

Vielleicht ist auch mal eine Überlegung wert zu fragen, ob es wirklich der erste Auftrag eines Vaters sein muss, sich in die Gefühlswelt seiner Kinder einzuschwingen. Jahrhundertelang hat man sich damit kaum befasst, doch die Welt ist deshalb nicht voller Monster.
Diese Aussage (die übrigens 1:1 vom Vater aus der Geschichte stammen könnte) klingt für mich gefährlich wie "mir hat's auch nicht geschadet", und das ist einer blödesten Nicht-Erziehungs-Sprüche überhaupt. Er suggeriert, dass man sich überhaupt keine Gedanken machen müsste, ob die Verhaltensweisen der Vergangenheit (ob in der Erziehung oder anderswo) nicht vielleicht verbesserungsfähig und -würdig sind. Er zeigt außerdem, dass sich Leute nicht bewusst sind, welche Verletzungen sie möglicherweise aus ihrer eigenen Kindheit davongetragen haben, womöglich weil sie sich selbst nicht ernsthaft reflektieren.

Jahrhundertelang hat man Jungs zu Kriegern und Mädchen zu Hausfrauen erzogen. Ist das deshalb richtig so? Jahrhundertelang hat man keinerlei Problem darin gesehen, Kinder (oder Ehefrauen) durch Schläge zu erziehen. Ist das deshalb okay? Und Monster gibt es m.E. durchaus mehr als genug in der Welt, vielen Dank.

Natürlich sagt keiner, dass kleine Nachlässigkeiten in der Erziehung gleich furchtbare Folgen haben müssen. Und es kommt ja auch immer auf die weiteren Umstände an, vom Charakter des einzelnen Kindes bis zum sonstigen sozialen Umfeld. Aber die bloße Tatsache, dass es immer noch schlimmer geht (körperliche Misshandlungen etc.), ist m.E. keine Entschuldigung dafür, sich über die kleineren, aber umso leichter vermeidbaren Fehler keine Gedanken zu machen. Das Wort "grauenhaft" mag zu hoch gegriffen sein. Aber solches Verhalten - vor allem, wenn es die Regel darstellt - ist dumm, nachlässig, ignorant, selbstsüchtig. Und es kann für das Kind schädlich sein.

Meine Elten haben mir immer ihre Liebe gezeigt. Ich hatte während meiner gesamten Kindheit nicht einmal das Gefühl, dass es irgendein Problem geben könnte, mit dem ich nicht zu meinen Eltern gehen kann. Ich hatte Vertrauen.
Das ist schön. Nur geht es beileibe nicht allen Kindern so. Und das betrifft eben nicht nur die, die aktiv misshandelt werden, sondern auch etliche von denen, deren Eltern sich einfach nicht genug auf ihre Kinder "einschwingen".

Grüße vom Holg ...

 

Hey Chutney,


eine gut geschriebene Dialog-Geschichte, keine Frage, aber, so hart das jetzt klingen mag, mir ist sie zu harmlos, zu alltäglich irgendwie. Zeiten der Trennung kommen hunderttausendfach vor, wird sich wohl in naher Zukunft kaum ändern, und die Zeiten sind dann eben turbulent. Betroffene Kinder haben es da mMn besser, als vor - sagen wir - 30 Jahren, wobei man natürlich immer den Einzelfall betrachten muss. Immerhin steht man ihnen zu, dass beide Elternteile für sie wichtig sind (und nicht nur die Mutter :)).

Ich kann auch nicht recht verstehen, warum das Verhalten der Eltern hier im Forum solche Wellen schlägt - ich sehe das, wenn ich Achillus richtig verstanden habe, ganz ähnlich wie er.
Natürlich ist das eine schwierige Situation für alle Beteiligten, das schwächste Glied dabei ist das Kind, ganz klar, ich würde aber jetzt nicht so weit gehen, gleich ein Kindheitstrauma zu prognostizieren.
Ich sehe hier weder Täter, noch - aus dem Text heraus - ein Opfer. Das wird sich erst zeigen, da muss schon mehr passieren, um einen Menschen nachhaltig Schaden zuzuführen; hier: dem Kind.
Du zeigst, wie die Welt der Erwachsenen mit der Kinderwelt korreliert - und diese Welten trennen eben Welten. So ist es halt. Mehr zeigst du ja nicht. Das Kind wird älter werden, die Eltern auch, die Beziehung zueinander unterliegt einem dynamischen Prozess, der immer geprägt sein wird zwischen Verständnis und Unverständnis, und das im wechselhaften Verhältnis. Idealerweise lernt man sich wieder und wieder neu kennen, und lässt sich auf sein gg ein, klar, das Kind wird es irgendwann auch einfordern können und werden. Die Geschichte gibt keinen Anlass, das nicht zu glauben.
Ich wage zudem die These, dass die Erfahrungen eines zerbrochenen Elternhauses durchaus eine wertvolle, gewinnbringende sein kann. Das klassische Familienmodell unterliegt ja einem Wandel, und, wenn kein Trauma gesetzt wird, können Kinder daraus lernen, etwas mitnehmen - es gibt ja auch positive Beispiele.

Was kann ich von deiner Geschichte mitnehmen? Das Scheidung für alle eine große Veränderung bedeutet, in die man sich erst mal einfinden muss? Dass man da nicht der einfühlsamste Mensch auf Erden sein wird? Dass das für Kinder erst mal schwierig ist? Dass man sie im Auge behalten muss?

Die Schuldfrage: Klar, ist tragisch, wenn ein Kind die Schuld bei sich sucht, natürlich, ist aber auch erst mal verständlich, es versucht ja, die Welt zu begreifen, stößt hier halt dann an Grenzen. Das wird sich ändern. Idealerweise spüren die Eltern das irgendwann und helfen bei der Beantwortung der offenen Fragen. Tragisch ist es, wenn Elternteile ganz klar den Kindern die Schuld geben - leider habe ich das in der Familie erleben müssen. Dann wird es kompliziert, dann droht auch Trauma und so. Aber Kinder sind oft stärker, als man zuweilen anzunehmen mag.
Im Text hier sehe ich nichts, dass mich übermäßig in Sorge um das Kind versetzen würde, dazu bräuchte es mehr, alles andere ist rein spekulativ, finde ich. Also, falls du so was in der Art intendiert haben solltest, müsstest du eine härtere Gangart wählen, um berührend auf mich einwirken zu können.

Als "Momentaufnahme" gefällt mir die Geschichte, das wirkt alles soweit glaubhaft und echt. Ist gut geschrieben, gut eingefangen, ganz klar. Falls das deine Absicht war, ist es dir jedenfalls gelungen.
Mehr gibt sie mir aber nicht her (für mich), sie wird wohl nicht lange in mir nachhallen.


Keine Ahnung, Chutney, ob dir meine etwas wirren Gedanken zu später Stunde ... ob du mit meinem Komm irgendwas anfangen kannst. Ist alles ein wenig unsortiert, ja, off-topic auch, ich lasse dich trotzdem mal dran teilhaben :).


Liebe Chutney, ich danke dir jedenfalls fürs Hochladen deiner gut geschriebenen Geschichte, wünsche dir einen feierlichen Rutsch und ein kreatives, traumafreies neues Jahr!


hell

 

Moin Chutney,

um Deine Geschichte schleiche ich nun seit Tagen herum, auch nach dreimaligem Lesen will mir das Kommentieren nicht gelingen. Und das liegt nicht an Dir oder Deiner tollen Geschichte. Ich bin einfach zu dicht dran, hab das Gefühl, auch oft die feinen Antennen der Kinder zu übersehen und vielleicht auch irgendwann so schlimm, wie diese Eltern zu reagieren.

Den Einstieg fand ich Klasse, sofort war ein Bild klar, die Situation eindeutig und man begann im Kopf, mitzuspielen. Ich fand es schön zu beobachten, wie Du die Wahrnehmung Emilys durch ihr Verhalten und das Verhalten der Eltern gespiegelt hast. Und auch die klassische Rollenverteilung empfand ich hier als okay und nicht klischeehaft. Das beide Schuld haben, versteht Klein-Emily leider erst, wenn sie sehr erwachsen ist und selbst liebt und verliert.

In der Geschichte wollte ich an vielen Stellen die Eltern schütteln, sehr realistisch und mit so wunderbar kleinen Nebensächlichkeiten gezeigt. Für mich war deine Geschichte eine gute Lehrstunde zum Thema "Dialoge" und "Infovermittlung" Dankeschön

Sorry, wenn es hier nicht für einen besseren Kommentar gereicht hat, die Geschichte ist mir sehr nahe gekommen, da ging nicht mehr.

Beste Wünsche für den Jahreswechsel
witch

 

Hallo Achillus, @Holg, hell und greenwitch,

Herzlichen Dank für eure Kommentare, die mich dazu gebracht haben, noch einmal genau zu überlegen und zu formulieren, was ich mit der Geschichte eigentlich will. Ich schreibe erst mal an euch alle und gehe dann noch auf jeden einzelnen ein.

Für mich ist es faszinierend, wenn Literatur mir einen Blick in einen fremden Kopf ermöglicht, ein Einfühlen in eine Person, die ganz anders ist, als ich, Literatur, die mir im Extremfall das Handeln eines Mörders, seine Beweggründe, verständlich macht.
Was mich hier interessiert hat, war, zu zeigen, was in so einer Trennungssituation auf ein Kind einprasseln kann, wie es die Eltern verändert und was das Kind unter Umständen daraus "bastelt". Wieviel dauerhafter Schaden daraus entsteht, bleibt offen, je nachdem, wie sich die Situation weiterentwickelt, was für Ressourcen Emily sonst noch so hat, da stimme ich hell zu. Dennoch glaube ich, dass viele solcher Momente einen Charakter formen, dass z.B. die Gefahr besteht, dass Emily in eine Spirale aus Selbstüberforderung und Anstrengung rutscht, dass sie möglicherweise eine Persönlichkeit wird, die sich damit aufreibt, es allen recht machen zu wollen und sich selbst eher zurücknimmt. Aber sie wird sich vermutlich nicht mehr an den Strohhalm erinnern, mit dem ich das Prinzip zeigen wollte, welche Wege das kindliche Denken nehmen kann.

Ich glaube, dass ein liebevolles Einfühlungsvermögen, ein Einschwingen, wie Achillus es nennt, gerade in dieser Situation besonders wichtig ist und zwar von beiden Eltern. Dass das Kind sich gesehen fühlt, dass die Eltern seine Not nicht bagatellisieren, dass sie z.B. wach dafür sind, was negative Bemerkungen über das andere Elternteil bei dem Kind anrichten. Im Streit ist es immer furchtbar schwer, fair zu bleiben und ich habe höchsten Respekt davor, wievielen Paaren es schließlich doch gelingt um der Kinder willen einen Weg miteinander zu finden. Aber ich bekomme eben auch diese Trennungen mit, die zu einer dauerhaften Feindseligkeit zwischen den Eltern führen. Diese Gefahr ist in der Familie in meinem Text auch gegeben. Das ist ein schweres Paket für ein Kind und nicht trivial.
Ich habe bewusst keine hochdramatische Situation gewählt. Und ich finde meine Geschichte bezieht ihre Relevanz gerade daraus, dass sie so alltäglich ist.

Hallo Achillus


Hallo Chutney, eine schöne Geschichte, gefällt mir gut. Ohne aufdringlich zu sein, erzählt der Text von den Schwierigkeiten eines Kindes, das eben in seiner eigenen kindgemäßen Welt lebt, von den Reibungszonen mit der ganz anders funktionierenden Welt der Erwachsenen.

Erst einmal war ich überrascht und hocherfreut, dass du dich so positiv zu meiner Geschichte geäußert hast. Herzlichen Dank!

Ja, die Süßigkeiten sind ein vielleicht ein Cliché, aber tatsächlich nach meiner Beobachtung ein sehr verbreiteter Streitpunkt. Wenn Emily ein Junge gewesen wäre, hätte ich das ewige "Starwars-Thema" gebracht, über dessen Kindgerechtheit die Meinungen bei getrennten Eltern schwer auseinander gehen.

Wie tragisch ich diese Situation einschätze, dazu habe ich ja oben schon etwas gesagt. Ich persönlich glaube, dass es gut ist sensibel zu sein, damit es gar nicht zu diesen immer krasseren Dingen kommt.

Ich glaube, dass die Väter eine enorme Rolle spielen im Leben der Kinder und dass es für das Selbstwertgefühl eines Kindes viel ausmacht, ob es vom Vater gesehen wird. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass Emily das Gefühl hat, sie könnte mit jedem Problem zum Vater kommen. Er signalisiert doch sehr stark, wie beschäftigt er ist, und im Gespräch mit der Tante wird auch deutlich, dass er es gar nicht hören wollte, wenn es Emily mit der Situation schlecht ginge. Soll alles prima sein bei ihr und genau das versucht sie dann auch zu liefern, um die Nähe zu ihm wieder herzustellen. Wobei ich auch glaube, dass er sie liebt, und möglicherweise hat dieses "Nicht-wissen-wollen" auch was damit zu tun, dass es ihm weh tun würde, ihre Not zu sehen.

Ich fand es sensibel, gut beobachtet, nachdenklich machend und schön geschrieben. Vielen Dank dafür.

Und ich danke dir, Achillus, auch für deine sehr persönlichen Gedanken zu dem Inhalt meiner Geschichte.

Ein schönes neues Jahr für dich!

Chutney


Hallo @Incredible Holg,

Dein Beitrag war ja vor allem eine Antwort auf Achillus. Deine Haltung dazu teile ich. (s.o.)

Herzlichen Dank!

und liebe Grüße von Chutney


Hallo hell,

Zeiten der Trennung kommen hunderttausendfach vor, wird sich wohl in naher Zukunft kaum ändern, und die Zeiten sind dann eben turbulent.

Ein gutes Argument für mich darüber zu schreiben.

Ich wage zudem die These, dass die Erfahrungen eines zerbrochenen Elternhauses durchaus eine wertvolle, gewinnbringende sein kann. Das klassische Familienmodell unterliegt ja einem Wandel, und, wenn kein Trauma gesetzt wird, können Kinder daraus lernen, etwas mitnehmen - es gibt ja auch positive Beispiele.

Das stimmt, so wie jede Krise auch Chancen bietet, aber dazu gehören bestimmte Bedingungen. Es kommt u.a. darauf an, wie die Trennung abläuft und auch die Fähigkeit der Erwachsenen sich in die Situation des Kindes einzufühlen, beeinflussen den Prozess.

Was kann ich von deiner Geschichte mitnehmen? Das Scheidung für alle eine große Veränderung bedeutet, in die man sich erst mal einfinden muss? Dass man da nicht der einfühlsamste Mensch auf Erden sein wird? Dass das für Kinder erst mal schwierig ist? Dass man sie im Auge behalten muss?

Ja, das wäre schon mal gut.

Aber Kinder sind oft stärker, als man zuweilen anzunehmen mag.

Manchmal auch stärker in Not, als man sich zugestehen mag. Aber ich stimme dir insofern zu, dass es genauso wichtig ist, auch die Stärken der Beteiligten wahrzunehmen und an eine konstruktive Bewältigung der Situation zu glauben. Das Gegenteil, sich als Erwachsene zu sehr von Schuldgefühlen dem Kind gegenüber bestimmen zu lassen, ist ja auch problematisch.

Als "Momentaufnahme" gefällt mir die Geschichte, das wirkt alles soweit glaubhaft und echt. Ist gut geschrieben, gut eingefangen, ganz klar. Falls das deine Absicht war, ist es dir jedenfalls gelungen.
Mehr gibt sie mir aber nicht her (für mich), sie wird wohl nicht lange in mir nachhallen.

Keine Ahnung, Chutney, ob dir meine etwas wirren Gedanken zu später Stunde ... ob du mit meinem Komm irgendwas anfangen kannst. Ist alles ein wenig unsortiert, ja, off-topic auch, ich lasse dich trotzdem mal dran teilhaben .

Herzlichen Dank, hell. Das ist ja immer wieder das Spannende hier im Forum, wie verschieden unsere Geschichten ankommen und auch, wie unterschiedlich stark sie berühren. Dass man das auch zurückgemeldet bekommt, das ist echt ein Geschenk.

Liebe Chutney, ich danke dir jedenfalls fürs Hochladen deiner gut geschriebenen Geschichte, wünsche dir einen feierlichen Rutsch und ein kreatives, traumafreies neues Jahr!

Genau das wünsche ich dir auch

Liebe Grüße von Chutney


Moin greenwitch
(du auch aus dem Norden?;)),

ich danke dir sehr für deine Worte und freue mich, dass meine Geschichte dich erreicht hat.

Ich bin einfach zu dicht dran, hab das Gefühl, auch oft die feinen Antennen der Kinder zu übersehen und vielleicht auch irgendwann so schlimm, wie diese Eltern zu reagieren.

Ich glaube, da sind wir alle nicht perfekt. Das ist halt immer ein Weg, sich selbst und andere wahrzunehmen. Ich denke, schädlich wird es, wenn sich solche Dinge verfestigen.

Den Einstieg fand ich Klasse, sofort war ein Bild klar, die Situation eindeutig und man begann im Kopf, mitzuspielen. Ich fand es schön zu beobachten, wie Du die Wahrnehmung Emilys durch ihr Verhalten und das Verhalten der Eltern gespiegelt hast.

Dankeschön!

Für mich war deine Geschichte eine gute Lehrstunde zum Thema "Dialoge" und "Infovermittlung" Dankeschön

Tatsächlich fallen mir Dialoge fast leichter als der Rest. Hier ist es von der Gewichtung her ziemlich viel geworden. Freut mich, wenn es für dich passt.

Sorry, wenn es hier nicht für einen besseren Kommentar gereicht hat, die Geschichte ist mir sehr nahe gekommen, da ging nicht mehr.

Das war für mich ein beglückender Kommentar, greenwitch. Was kann mir Besseres passieren, als das meine Geschichte nahe geht und das wird bei deinen Worten spürbar.

Herzlichen Dank und guten Rutsch!

Chutney

 

Hi Chutney!

Ich hatte nach ein paar Sätzen, als klar wurde, dass es sich bei Emily um ein Trennungskind (scheußliches Wort!) handelt, die Vermutung, der Titel "Strohhalm" bezieht sich auf Strohhalme, nach denen die Kleine greift, um Trost zu finden. Die Sache mit dem psychotischen Schub der Kleinen aufgrund des abgeknickten Trinkhalms war da eine Überraschung.

Insgesamt eine traurige Geschichte, die dem tag "Alltag" leider nur allzu gerecht wird. Ist ja offenbar heutzutage auch keine große Sache mehr, dass sich Eltern wie verliebte Teenies benehmen, zusammenkommen und sich dann auch mal wieder trennen, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, Verantwortung, Pflichten und Kolateralschäden, die sie anrichten. Da wird dann halt mal rumgevögelt und Kinder in die Welt gesetzt, und wenn's nicht passt, dann trennt man sich halt. Das Kind zwei mal im Monat fürs Wochenende ist sicher auch unterzubringen, solange es nicht bei der eigenen Lebens- und Freizeitplanung im Weg ist.

Die Geschichte ist gut und lebendig geschrieben, die Dialoge passend und die Handlung authentisch dargestellt.

Ein paar Textpassagen sind mir aufgefallen:

[...] ich hab so ne Krawatte, das sag ich dir,
Klassischer Fall von "Bedeutung durch Betonung". Das soll bestimmt heißen, dass er sehr wütend ist - das könnte man aber auch so lesen, dass er sagen will: "Ich habe da so eine Krawatte."

[...] während er ihr die Hintertür aufriss.
Ich würde das "ihr" rausnehmen und das "aufriss" durch "öffnete" ersetzen. Klingt gleich weitaus weniger doppeldeutig.;)

[...] und ihr Vater bremste scharf.
In diesem Kontext liest sich das so, als ob der Vater deshalb scharf bremsen würde, weil Emily wiederholt den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika beleidigt hatte. Im nächsten Satz jedoch sagt er, er müsse mal tanken. Das würde ich vielleicht etwas anders beschreiben.

[...] dann ist die Alarmanlage von eurem Auto angegangen
Wow! Soweit ich weiß, werden Autoalarmanlagen doch sicher erst aktiviert, wenn man den Schlüssel abzieht und den Wagen verschließt. Er hat seine Tochter also im Auto eingeschlossen? Nett.

Insgesamt eine traurige, bedrückende Geschichte.

Einen guten Rutsch in ein hoffentlich glückliches Jahr ohne traurige Ereignisse wünscht der EISENMANN

 

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