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Still Leben

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07.02.2001
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Still Leben

1. überarbeitete Version


Er blickte vorsichtig nach links und rechts. An einem runden, hölzernen Tisch, auf dem sich 10 Bier- und 8 Schnapsgläser befanden, saßen also typische Jugendliche, die sich nach dem nun folgenden Alkoholgenuß auf dem Weg zur 'Disco' machen werden.
Aber im Moment saßen sie noch im Haus und hörten Musik.
Das Haus gehörte Markus oder vielmehr seinen Eltern, die ausgegangen waren. Markus kümmerte sich um die Getränke und um die Musik und war meistens deshalb beschäftigt.
Er beneidete ihn.

Er betrachtete nochmals intensiv die Gesichter seine Mitschüler. Viele hatten sich augenscheinlich Mühe gegeben, die richtige Kleidung für einen Disco-Abend zu wählen. Manche Mädchen waren sogar vorher noch beim Friseur gewesen.
"Was für eine Geldverschwendung", dachte er.

Er hob sein Glas mit Bier an und nippte vorsichtig daran. Eigentlich hasste er Alkohol, und Bier hasste er noch viel mehr.
So nahm er zaghaft ein paar Schlücke und setzte das Bierglas gleich wieder auf die Kante des hölzernden Tisches.

Es hingen Bilder an der Wand. Gemälde, Ölmalereien.
Ihn überraschte nicht, dass sie nur flüchtig wahrgenommen wurden. Niemand schien sich für blühenden Nelken, Rosen, Tulpen in einer Vase auf einem Küchentisch stehend zu interessieren.

Er fing an zu lachen, denn die anderen taten es auch. Tanja hatte gerade von ihren Erlebnissen mit ihren Cousins erzählt, welche irgendwie unglaublich uninteressant waren, aber natürlich war er froh, dass sie redete.

Doch das war jetzt vorbei und eine erneute Stille setzte ein. Er hasste die Stille. Solange es still war, musste irgendjemand die Stille brechen und von weiteren Erlebnissen erzählen.
Um die Stille damit dauerhaft verbannen zu können, mussten alle mitmachen. Alle. Er überlegte, ob er jetzt nicht vielleicht auch mal etwas sagen sollte.
Dummerweise musste es lustig sein, denn wenn es nicht lustig ist, ist es langweilig.

Es wurde mal wieder Zeit für einen Schluck Bier; das Gute daran war, je mehr man trank, desto besser schmeckte es.
Seine Gedanken wurden unterbrochen.

"Was hörst du eigentlich für Musik?", fragte Stefanie ihn.

Stefanie war ein schönes Mädchen, redselig und lebhaft.
Doch diese Frage ist kein Problem mehr für ihn. Er hatte sie schon oft genug beantworten müssen. Er wusste, welche Antworten 'falsch' und welche 'richtig' waren.

"Ähm. Blink 182 und sowas."
"Hey Markus, hast du eigentlich die neue CD von 'Blink 182' da?"

Sie hatte es geschafft, das Gespräch auf eine globale Eben zu heben. Je globaler die Gespräche, desto weiter wurde er entfernt.
Mehrere Stimmen kreuzten die Bahnen, die Runde erwachte zu neuem Leben, Vokale und Konsonanten, geformt zu Wörtern, die Sätze ergeben, manchmal mit Sinn, manchmal ohne Sinn, flogen durch den Raum.
Er wollte sich ducken, sie schienen ihn angreifen zu wollen. Auf einmal hatte jeder etwas zu sagen und alle darauf nur aus, ihn weiter zu isolieren.
Er war der einzige Schweiger. Wie kommt es eigentlich dazu, dass alle scheint´s ohne Probleme frei reden können und es immer wieder solche Ausnahme wie ihn gab?


Ihm fiel auf, dass alle Bilder in diesem Zimmer als Motiv in Vasen stehende Blumen hatten. Alle Blumen blühen, obwohl sie sich doch eigentlich so weit fern der Sonne in einem Raum befinden.
Ihm gefielen die Bilder, sie erzeugten eine wohlige, angenehme Stimmung.


Während er dachte, wechselte das Thema zu Kinofilmen. Man schenkte sich neu ein.

"Kinofilme", so dachte er, "alles, nur das nicht". Er war überhaupt kein Kinofreund und kannte sich mit den neuen Filmen nicht im Geringsten aus. So wandte er seine Augen auf den derzeitigen Sprecher.


Er überlegte sich, dass es verschiedene Menschentypen geben müsse. Von Anfang an werden zwei Arten von Menschen geboren.
Die geselligen, redseligen Menschen stellte er sich als herumfliegende Schlüssel vor.
Introvertierte Menschen waren dann eher Schlösser, stillstehend im Raume, darauf wartend, von den passenden Schlüssel geöffnet zu werden.

Eine kleine Pause wurde eingelegt, die jedoch nicht lange hielt. Jennifer berichtete von ihrem neuen Auto; bekanntermaßen bieten derartige Geschichten willkommende Anlässe zu Grundsatzdiskussionen bezüglich der mobilen Gefährten.

"Autos", so dachte er, "da kann ich wieder nicht mitreden."
Er war schon froh, überhaupt einen Führerschein zu besitzen. Doch kannte er den Unterschied zwischen einem Benziner und einem Diesel nicht. Seine Augen wechselten zu Jennifer.


Er stellte fest, dass der Künstler alles mögliche hätte malen können. Doch er entschied sich für gewöhnliche, blühende Blumen. Blumen, die auf ewig blühen werden.


Er muss wohl ein schwer zu knackendes Schloss sein oder aber der richtige Schlüssel ist einfach noch nicht vorbeigeflogen.
Er überlegte sich, wie es wohl sein würde, wenn er endlich geöffnet werde.
Wahrscheinlich würde er dann nicht mehr so viel denken, denn er wird gar nicht mehr denken müssen.

Sein Herz wird sprechen und sein Mund ihm lediglich als Artikulationsinstrument dienen.


Plötzlich erhaschte er einen Blick auf eine welke Blume; sie verfault, obwohl sie auf einer Wiese aufwächst; die Sonne scheint doch regelmäßig und verdursten muss sie auch nicht.


So muss wohl die Liebe funktionieren, so können sich die richtigen Partner finden.
Es passen nur Schlüssel und Schloß zusammen, und, um die Sache noch komplizierter zu machen, nur der richtige Schlüssel zum richtigen Schloß.
Er hatte schon oft gehörte, dass die Menschen heutzutage gar nicht mehr zuhören können.

"Wahrscheinlich existieren viel zu viele Schlüssel und viel zu wenige Schlösser", dachte er bei sich, "da ist es kein Wunder, dass soviele Beziehungen in die Brüche gehen".

Es war mitten in der Nacht, er war schon längst nach Hause gegangen und hatte einen merkwürdigen Traum: Er träumte von Bienen, die Blumen in einer Vase bestäuben.
Die welken Blumen, die sich draußen auf der Wiese befanden, mieden sie.

 

Schön, deine Gedanken....

ich gehöre auch eher zu den intovertierten Menschen, die lieber beobachten, statt selbst zu reden. Nicht freiwillig, oft beneide ich die anderen...hmmm, aber genauso oft bemitleide ich sie auch wegen ihrer Oberflächlichkeit.
Schloß und Schlüssel, dieser Vergleich hat mir gefallen.
Ich hätte dir gern noch eine Weile zugehört...

Gruß.....Ingrid

 

langweilig! nett!

erzählerisch verträglich.

ich bin eher der extrovertierte typ und ich glaube, daß es durchaus schlüssel gibt, die schlösser sein können, für dich und für jeden sonst.

von der idee her is mir das zu passiv:
bilder gucken, vom bier nippen und...

du willst wohl wenn nicht penetriert, so doch tangiert werden, oder?

deshalb: langweilig das.

 

Ich glaube hier übersehen manche das Bild mit der verwelkten Blume im Freien, und den Traum am Ende. Vielleicht ist es deshalb auch nicht gut passiv und introvertiert zu sein, sondern die Problematik liegt eher am Freundeskreis. Man braucht die richtigen Freunde, um mehr als nur oberflächlich in der Unterhaltung zu bleiben.
Alles in allem finde ich hat die Geschichte ein paar gute Ansätze, aber letztendlich bleibt sie ziemlich vage. Im Grunde erfahren wir nichts neues über den Zusammenhang zwischen intro/extrovertiert.

 

Jo, Hauke!

Die Geschichte hat mich umgehauen! Ich kenne deine anderen Geschichten nicht, aber die hier gefiel mir außerordentlich gut...
Ich gehe später noch mal näher drauf ein, was mir daran so gut gefiel, nu bin ich zu müde.

 

Menschen werden nicht so geboren, sie wachsen in diese "Typen" hinein!

Und da hat der Tpy einen Führerschein, und kennt nicht den Unterschied zwischen Benziner und Diesel?

Die Geschichte wechselt nach der Hälfte!

Im ersten Teil der Looser, dem keiner zuhört, der nicht den Mut hat, den Mund aufzumachen, um mitzureden oder allen mal gehörig die Meinung zu sagen.

Und dann kommen die Bilder ins Spiel...

Aus der anfänglich gängig beschriebenen Gruppe-in-der-Kneipe-Szenerie wird plötzlich ein Ich-bin-allein-Szenario... Gut, das kennt jeder, hat jeder selbst erlebt.

Nur...

Wie kommst du plötzlich auf Liebe? Auf Beziehungen? Ist der Protagonist nur deshalb so schweigsam, weil eine Beziehung in die Brüche gegangen ist? Kippt er sich deshalb die Birne zu, um seinen (Original von Itschy ;-)) bierseeligen Gemütszustand weiterhin (nicht) zu verarbeiten?

Sein Herz wird sprechen und sein Mund ihm lediglich als Artikulationsinstrument dienen.

Sehr interessant formuliert, aber ich denke, das beantwortet meine Frage, oder?

Wir haben es hier nicht mit einem Markus zu tun, der über Gott und die Welt sinniert, sonder schlicht und ergreifend... Liebeskummer hat. Und neidisch ist auf diese funktionierenden Schlösser und Schlüssel, weil es bei ihm eben nicht funktioniert hat.

Mit der Aussage...

Wahrscheinlich existieren viel zu viele Schlüssel und viel zu wenige Schlösser.

hast du recht. Anders könnte deines, meines und das der anderen Leben gar nicht funzen! Stell dir das mal vor? Gleiche Anzahl von Schlössern und Schlüsseln! Furchtbarer Gedanke!

Eine interessante Geschichte, die wenigstens nicht davon handelt, die Menscheit auszulöschen und die "Tiere" zur "verdienten" Herrschaft zu führen.

Es war mitten in der Nacht, er war schon längst nach Hause gegangen und hatte einen merkwürdigen Traum: Er träumte von Bienen, die Blumen in einer Vase bestäuben.
Die welken Blumen, die sich draußen auf der Wiese befanden, mieden sie.

Tja, muß Markus halt versuchen, wieder zu erblühen, nicht wahr?

Sodele!

Poncher

PS: Ist natürlich meine Interpretation. Aber... damit mußt du leben! Okay? Zumindest habe ich es versucht.

 

Eine interessante Geschichte, die wenigstens nicht davon handelt, die Menscheit auszulöschen und die "Tiere" zur "verdienten" Herrschaft zu führen.

Welche Geschichte tut das denn?

 

@ Ben Bin zu faul, den Link rauszusuchen. Diese eine Geschichte mit der anschließenden Diskussion zw. Ponch, stephy und mir, ob Menschen besser als Tiere sind, oder so.


Zur Story: Mir gefiel sie außerordentlich gut, da ich mich mit einigen Gedanken durchaus identifizieren kann. Ich bin nämlich auch eher introvertiert und hasse es, in Gesellschaft irgendwas beitragen zu sollen. Das Geräusch der Stille dröhnt schmerzlich in den Ohren! Ahem...

Dieses fast schon akademische Gerede um die Schlüssel/Schloss-Metapher kann ich nicht nachvollziehen, immerhin ist es nur ein symbolhafter Vergleich, oder?
Besser bekannt ist natürlich das "Für jeden Topf gibt´s nen passenden Deckel"-Gefasel. Kommt aufs gleiche raus.

Alles in allem eine schöne, "wahre" Geschichte. Kompliment, Kritiker!

PS: Die Mehrzahl von Schluck ist gleichfalls Schluck, nicht Schlücke. :D

 

@Ponch

Wieso hackst Du eigentlich immer drauf rum? Kannst Du das nicht einfach akzeptieren, daß es Menschen gibt, die halt anders denken als Du? Und welche Geschichte hat dieses Thema hier mal behandelt? Ups, die muß mir leider raus sein... :(

Zur Geschichte: Ich find sie auch ganz nett. Gut erzählt. Aber wirklich beeindruckt hat sie mich leider nicht.

Grizze
stephy

 

Ich find sie auch ganz nett. Gut erzählt. Aber wirklich beeindruckt hat sie mich leider nicht.
Und, weiter? Wieso hat sie Dich nicht beeindruckt? Was fehlt Dir an der Geschichte?
Bring mehr Tiefe in Deine Kritiken, sinnleeres Geblubber muß man sich morgens, auf der Fahrt mit der Bahn zur Arbeit, schon zur Genüge antun.

 

Original erstellt von stephy:
Zur Geschichte: Ich find sie auch ganz nett. Gut erzählt. Aber wirklich beeindruckt hat sie mich leider nicht.

Das ist wohl eine jener Geschichten, die man nur dann "gut finden" kann, wenn man die Gedanken nachvollziehen kann. Und das war bei mir absolut der Fall.

 

@Rainer:

Jo, oder wenn man solche Leute kennt. Ähem.

Ich selbst bin ja bekanntlich eher der Laberkopp.

 

@Webmaster
Dann will ich mein sinnloses Geblubber, das die Welt zu hören kriegt, mal fortsetzen; sie hat mich nicht sonderlich beeindruckt. Wie kann man das erklären? Ja, das ist die Frage, die beschäftigt! Ich weiß nicht, wie ich das erklären soll. Das ist eine Sache vom BAUCH HERAUS - hat ja jeder Mensch, nicht wahr? Und wie ich schon sagte; sie hat mir nicht so zugesagt, vielleicht, weil sie nicht so ganz meinem Interessengebiet entspricht? O, kommen wir weiter, das ist eine gute Frage. Vermutlich deshalb, o ja. Das könnte sein.
Ansonsten; logisch zu erklären ist das nicht. Die einen Geschichten sagen einem zu, die anderen nicht. Ich kann da nur subjektiv versuchen zu argumentieren, was mir eben konkret nicht gefallen hat. Aber hier gibt's nichts zu meckern, konkret: Der Stil ist doch in Ordnung. Auch die Geschichte ansich ist okay. Trotzdem hat sie mir nicht zugesagt. Hm. Ich weiß auch nicht wieso. Logisch begründen kann ich nicht, ich kann nur von mir und meinem Bauch ausgehen.

Dagegen hat mir jetzt skippis Geschichte in "Fantasy/Märchen" sehr gefallen. Jetzt warum? Naiv geschrieben, voller Rechtschreibfehler, nicht mal wörtliche Rede... Wieso gefällt mir das? Hm. Eine Frage, die wohl die Welt beschäftigt. Eine Frage, die wohl wirklich "sinnloses Geblubber" ist, das man sich jeden morgen anhören muß, wenn man mit dem Zug fährt.

Zufrieden?

stephy

 

stephy: wenn Du mich schon anmachst, dann lies die Beiträge richtig. Ich sagte sinnleer, nicht sinnlos.

 

Ich mach Dich doch nicht an! Ich hab damit nicht angefangen...

Was ist denn der Unterschied zwischen "sinnlos" und "sinnleer" ???

 

Sinnlos ist sinnwidrig.
Sinnleer ist unsinnig.

 

@Webmaster

Sinnlos ist sinnwidrig.
Sinnleer ist unsinnig.

Ist es nicht eher umgekehrt?
Jedenfalls sagt mir das mein Sprachgefühl.
Lügt es mich etwa an?

fragt eine verunsicherte Ingrid

 

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