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Serie Sternenkratzers Fantasy-Welt: Nebenwirkungen

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12.06.2002
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Sternenkratzers Fantasy-Welt: Nebenwirkungen

Es war eine dunkle Nacht. Wasserschwere Wolken zogen von Norden her auf und verdeckten die Sterne. Ein kühler Wind wehte.

Gato, der Krieger, fröstelte.

"Wenn sie uns nicht aus dem letzten Dorf verjagt hätten", brummte er verdrießlich, "dann könnten wir jetzt an einem warmen Feuer sitzen und wir hätten zu essen und zu trinken."

Er sah auf das neben ihm gehende Mädchen hinunter. Vor einem halben Jahr war Lissa ihm, im Sinne des Wortes, geradewegs in die Arme gelaufen. Eine aufgebrachte, mit Knüppeln und Mistgabeln bewaffnete Menge hatte sie verfolgt. Ohne nachzudenken hatte Gato sein Schwert gezückt und die Meute in die Flucht geschlagen. Seitdem klebte das vielleicht elf- oder zwölfjährige Mädchen an ihm wie eine Klette. Gato war sich nicht sicher, ob er sich darüber freuen sollte oder ob es sein ganz eigener Fluch war.

Lissa fühlte sich angegriffen. Sie fuhr auf: "Der Zauber hat gewirkt! Der Bauer wollte die größten und dicksten Rüben - er hat sie bekommen!"

Gato seufzte. "Ja - und dazu die größten, dicksten und vor allem die gefräßigsten Käfer, die es in den Ländern des Reiches jemals gegeben hat."

Die ersten Regentropfen fielen vom Himmel. Gato zeigte auf eine Scheune am Wegesrand. Lissa nickte und sie beschleunigten ihre Schritte. Sie betraten den Holzbau durch eine schmale, schräg in den Angeln hängende Seitentür.

Gato legte das Bündel mit ihrem gemeinsamen, wenigen Gepäck ab. Er streckte sich und lehnte sich neben der offenen Tür an die Bretterwand. Er sah hinaus. Der Wind wurde stärker und trieb den Regen vor sich her.

"Oder das Dorf davor", nahm er das Gespräch wieder auf. "Sie wollten nur einen neuen Brunnen bohren."

"Ich habe ihnen gesagt, wo sie das Wasser finden. Wie sie es wollten", erwiderte Lissa. Neugierig blickte sie sich um.

"Sie haben Wasser gefunden", stimmte der Mann zu. "Es hat das halbe Dorf weggeschwemmt."

"Woher sollte ich wissen, dass gerade dort ein unterirdischer Fluss war?"

Lissa kauerte nieder. Sie schob Streu und Holzstückchen zu einem Haufen zusammen. Sie hielt ihre Hände darüber und schloss die Augen.

"Brenne, kleines Feuer, brenne!", murmelte sie.

Gato runzelte die Stirn. Er erwartete das Schlimmste. Zu seiner Überraschung geschah überhaupt nichts.

"Ich weiß, dass es brennen wird", sagte Lissa bestimmt. "Ich spüre es."

Ein Geräusch von außerhalb ließ sie verstummen und lauschen. Durch die Lattenritze der Scheunenwand leuchtete die flackernde Flamme einer Fackel herein.

"Der Bauer", flüsterte Gato. Die Hand des Kriegers senkte sich auf den Knauf seines Schwertes.

Das Scheunentor öffnete sich knarrend.

Der Bauer tat ein, zwei Schritte, entdeckte die beiden Fremden und erschrak. Er stolperte zurück. Er verlor das Gleichgewicht. Er suchte nach Halt und die Fackel flog in einem Bogen durch die Scheune. Sie prallte auf einen Ballen Stroh und entzündete ihn.

Gato handelte ohne zu zögern. Er langte nach dem Gepäckbündel, schulterte es, fasste gleichzeitig mit dem anderen Arm das Mädchen unter und hob es hoch.

Ein Funken löste sich von dem brennenden Stroh. Die heiße Luft riss ihn empor. Er wirbelte durch den Raum und landete punktgenau auf Lissas einfacher Feuerstelle.

Gato rannte durch die Seitentür hinaus in die Dunkelheit. Nach ein paar Dutzend Metern stoppte er und sah zurück. Die Scheune brannte lichterloh. Hilflos und mit hängenden Schultern stand der Bauer vor den hochschlagenden Flammen.

"Siehst du!", triumphierte Lissa. "Ich wusste, dass der Zauber wirkt!"

Sie strampelte. Gato lockerte seinen Griff und setzte sie vorsichtig ab.

"Ja", antwortete er, "wie bei der Frau, der du einen Liebestrank gemischt hast."

"Sie wollte, dass die Männer sie beachten", sagte Lissa.

"Und das hast du erreicht", bestätigte der Krieger. "Der Trank hat sie so hässlich gemacht, dass niemand sie mehr übersehen konnte."

Der Regen hatte nachgelassen. Aber es war empfindlich kühl und feucht geworden. Gato kramte eine Decke aus dem Gepäckbündel hervor und legte sie Lissa um die Schultern. Sie lächelte dankbar zu ihm hoch.

Eine Zeitlang wanderten sie schweigend nebeneinander auf dem Weg.

"Oder", fing Gato schließlich wieder an, "wie bei dem Kaufmann, der reicher sein wollte als alle anderen Kaufleute der Stadt und der am Ende der einzige ..."

"Gato?", unterbrach ihn Lissa.

"Ja?"

"Halt den Mund!"

(c) by StarScratcher, Juni 2002

 

Hallo Klaus!

Beim Lesen dachte ich, wann hört er endlich mit dem immer gleichen Witz auf? Deshalb musste ich ein wenig lachen, als Lissa am Ende

"Halt den Mund!"
sagt. Ist ein gelungener Text. Der Leser leidet sozusagen mit Lissa. :thumbsup:

[ 23.06.2002, 14:28: Beitrag editiert von: Abraxas ]

 

Mir gefällt die Geschichte auch sehr gut.

Flüssig geschrieben und - soweit ich sehe - auch fehlerfrei. Wirklich angenehm zu lesen.

Sehr schön finde ich den zentralen Abschnitt, in dem Lissa das Feuer entzünden möchte. Schon bei den ersten Worten fing ich an zu überlegen, auf welche Weise die Sache wohl in die Hose gehen würde. :D

@Abraxas:

Ich habe sogar ein bißchen mit beiden gelitten.

:thumbsup:

 

Hallo,

danke - obwohl: positive Kritik macht mich immer etwas verlegen ... nicht, dass ich mich darüber beschweren möchte ;) (<g> macht ruhig weiter so.) Gut möglich, dass ich überkritisch bin. Ich behandle da meine eigenen Geschichten nicht anders als die anderer Autoren.

"Nebenwirkungen" ist ein "Abfallprodukt" einer anderen kurzen Geschichte, an die ich mich seit ein paar Monaten immer wieder mal dransetze, aber irgendwie nicht fertig kriege.

Klaus

 

"Nebenwirkungen" ist ein "Abfallprodukt" einer anderen kurzen Geschichte, an die ich mich seit ein paar Monaten immer wieder mal dransetze, aber irgendwie nicht fertig kriege.
*NEID* Solche Abfallprodukte wünsch ich mir auch... ;-)
Daniel

 

die geschichte ist klasse!!
richtig zum schmunzeln!! ;)
gefiehl mir

gruß julia

 
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Hi StarScratcher!

Sehr originelle und witzige Idee, aus der Du Deine Geschichte gestrickt hast. Ich musste schon schmunzeln, als Gato immer und immer wieder von den missglückt gelungenen Zaubern anfing, aber am Ende entkam mir ein echtes Kichern. Liebenswertes kleines und sehr mutiges Mädchen hast Du in der Story gezaubert.
Eine humorvolle Art, an Fantasy heranzugehen und wirklich gelungen.

Gato legte das Bündel mit ihrem gemeinsamen, wenigen Gepäck ab. Er streckte sich und lehnte sich neben der offenen Tür an die Bretterwand. Er sah hinaus. [...]
Der Bauer tat ein, zwei Schritte, entdeckte die beiden Fremden und erschrak. Er stolperte zurück. Er verlor das Gleichgewicht. Er suchte nach Halt und die Fackel flog in einem Bogen durch die Scheune. Sie prallte auf einen Ballen Stroh und entzündete ihn.
Gato handelte ohne zu zögern. Er langte nach dem Gepäckbündel, schulterte es,

Du siehst was ich meine.
Deine Satzanfänge sind sehr eintönig: Er, Der Bauer, Gato. Außerdem verfällst du somit einem sehr einfachen Satzbau, nämlich Subjekt, Prädikat, Objekt.

Da die Geschichte von den Dialogen lebt, könntest Du vielleicht auch versuchen, sie mehr in den Text einzubauen. So gehst du immer nach demselben Schema vor:

"...", flüsterte ..."..."
"...", triumphierte..."..."
...murmelte...
...stimmte zu...

Na ja, Du weißt sicher, was ich meine.

Eine humorvolle Geschichte, die mit einem letzten Schliff wirklich sehr gut wird.

Kitana

 

Hallo Sternenkratzer!

Vorweg: Ich habe deine Geschichte gerne gelesen, doch leider haben mir auch einige winzige Kleinigkeiten nicht so gefallen.

Ich sehe wieder eine Geschichte (wie so viele), die mit einem Wetterbericht beginnt. Ich kann dir leider nicht sagen, warum ich eine Aversion gegen diese Anfänge habe. Vielleicht liegt es daran, daß zu viele Geschichten so beginnen.

...im Sinne des Wortes...
Finde ich nicht so schön. Wie wäre es mit: "im wahrsten Sinne des Wortes"??
Ein Funken löste sich von dem brennenden Stroh. Die heiße Luft riss ihn empor. Er wirbelte durch den Raum und landete punktgenau auf Lissas einfacher Feuerstelle.
Ein Funke ist doch ziemlich leicht. Da mutet ein so starkes Verb wie "reißen" etwas hart an. Wie wäre es statt dessen mit einem weniger dramatischen Verb, wie "fliegen" oder "heben"? ;)

Alles in allem hat mir die Geschichte jedoch außerordentlich gut gefallen.

 

Hallo Mederia,

richtig zum schmunzeln
So war's gedacht. Danke.

Hallo Kitana,

Du weißt sicher, was ich meine.
Leider weiß ich genau, was du meinst. Wenn ich die beiden Hauptprobleme meiner Schreiberei nennen müsste, dann wären das zum einen mein miserabler aktiver Wortschatz und zum anderen die übermäßige Verwendung von SPO-Konstruktionen. Bei ersterem hilft zur Zeit der Thesaurus unter MS-Word, bei zweiterem ... hoffe ich noch, dass irgendwann der Knoten platzt.

Klaus

 

Bei dieser Geschichte stimmt für mich alles, ich fand sie einfach großartig, liebenswert, humorvoll und erfrischend.
Bei der Rubrik "Fantasy" schreckt mich oft die pathetische Sprache ab, die sich meist so gekünstelt anhört und die ich so schwer zu lesen finde.
Hier ist es ganz anders, der Text ist erheiternd und obwohl er so kurz ist sind mir die beiden Figuren vor Augen gewesen - von denen würde ich mir glatt noch mehr Geschichten wünschen. ;)

Gruß, Ginny

 

Eine süße Geschichte über Magie, die zwar funktioniert, aber nicht so, wie man das gerne hätte - wie im richtigen Leben halt... :D Lissa praktisch als eine Chaos-Theorie auf zwei Beinen - ich finde die Idee niedlich.

Das Lesen hat Spaß gemacht, es gab keine unangenehmen Schnitzer oder sowas, also alles in allem sehr gelungen und hat mir demzufolge die Mittagspause etwas verkurzweilt. Thanx for that! :thumbsup:

Gruß,
Horni

 

Hallo Ginnyrose,

obwohl er so kurz ist sind mir die beiden Figuren vor Augen gewesen

<g> Eigentlich bin ich ein ziemlich fieser Autor, denn ich nutze die Vorstellungen, die Erwartungen, ja: die Vorurteile des Lesers schamlos aus. Wie stellst du dir Gato und Lissa vor? Optisch und charakterlich? - Ich behaupte einfach mal, dass deine Vorstellungen sich zu einem großen Teil nicht in meinem Text belegen lassen. Denn ich charakterisiere meine Protagoinsten nur minimal, nur so weit es nötig ist. Der Rest wird von der Fantasie des Lesers erledigt. Dass das anscheinend ganz gut funktioniert, zeigen die obigen Kommentare.

Es gibt übrigens eine Geschichte von mir, in der ich die Erwartungshaltung des Lesers nicht nur voll ausnutze, sondern dann, für die Pointe, um 180 Grad negiere: Es ist "Nachsaison" hier im Fantasy-Bereich.


Hallo Horni,

Lissa praktisch als eine Chaos-Theorie auf zwei Beinen

<g> Damit bist du dichter an der Wahrheit dran als du vermutlich erwarten würdest ... Ich selbst verstehe mich in erster Linie als SF-Autor und als solchem ist mir so etwas Vages und nicht Fassbares wie "Magie" ein Greuel. Kurz: Eigentlich ist der obige Text eine SF-Storie mit einer von mir entwickelten, pseudo-wissenschaftlichen, teilweise esoterischen Begründung für "Magie". Und: ein Teil der Begründung greift tatsächlich auf die Chaos-Theorie zurück.

Klaus

 

Sternenkratzer schrieb:
Eigentlich ist der obige Text eine SF-Storie mit einer von mir entwickelten, pseudo-wissenschaftlichen, teilweise esoterischen Begründung für "Magie". Und: ein Teil der Begründung greift tatsächlich auf die Chaos-Theorie zurück.
Die Geister, die du riefst... :D
Wollte nur anmerken, dass ich ein solches Konzept höchst interessant finde (hatte selbst bereits ähnliche Ansätze) - als oller Chaostheorie-Fan bin ich für sowas natürlich immer zu haben. Irgendwie dachte ich mir sowas spätestens, nachdem die Scheune abgebrannt war. Wie ich schon sagte: Wie im richtigen Leben... :p
Gibt's bald noch mehr Geschichten zu dieser Theorie? Die lese ich dann nämlich auch! ;)

 

Hi Klaus,

Eigentlich bin ich ein ziemlich fieser Autor
Nee, nur ein gemeiner Kritiker. :D

Jep, ich hab Lissa und Gato vor Augen obwohl Du mir keine weiteren Hinweise über ihr Aussehen geliefert hast. Aus Deiner Story geht explizit hervor, dass Lissa ein etwa elfjähriges Mädchen mit Zauberkräften ist, deren Wirkungen in die falsche Richtung zu zielen pflegen und Gato ein erwachsener Krieger der sich des Mädchens vor einem halben Jahr angenommen hat. Viel mehr nicht.

Trotzdem ist für mich irgendwie klar, dass Lissa ziemlich klein, blond, mit leicht zerzausten Haaren die knapp auf die Schulter reichen, einer Stubsnase, ein paar Sommersprossen und einer trotzigen Miene ist. :D
Zumindest in meiner Vorstellung. :p

Gato ist groß, mit langen, kastanienbrauen Haaren die ziemlich verzottelt aussehen ... und rasieren könnte er sich auch mal wieder. :D

Lissa ist eine Nervensäge und ein Dickkopf, aber ganz schön mutig für ihr Alter ... und sie gerät zwar schnell ins Schmollen, aber das geht auch ebenso schnell wieder vorbei.
Gato ist manchmal eher schweigsam und denkt sich seinen Teil, verbirgt seinen weichen Kern auch gerne mal hinter einer rauhen Schale ... hach, beweisen kann ichs nicht, aber es muss so sein. :shy:

Ist ein netter Trick, alles bis auf die nötigen Informtaionen der Fantasie des Lesers zu überlassen ... man braucht nicht groß zu überlegen, die Bilder entstehen automatisch vor den Augen des Lesers - zumindest mir ging es so.

"Nachsaison" werd ich dann auch mal bald begutachten ... ;)

Gruß
Ginny

 

Ausser des es schon wieder eine Fantasy Story war die mit einer dunken, wolkentechnisch überladenen, Nacht begann ( da habe ich si fast wieder weggeklickt ) fand ich die Story toll. Kann mir das so richtig gut viorstellen, die Kleine will nur gutes tun was immer mit einem *ups - was ist jetzt schon wieder schiefgegangen* endet.

Armer Gato, er kann einem richtig leid schön tun, weil ihm seine Krieger Ehre bestimmt verbietet die kleine Nervensäge irgendwo auszusetzen :D

tschüü

Jaddi *die jetzt mal guckt was ie anderenzu der Story sagen...immer zu faul zum Komments lesen*

 

@Ginnyrose:
Hey, Du hattest die gleiche Vorstellung von den Charakteren wie ich.

 
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Ok - eigentlich wollte ich diese Frage nicht stellen, aber die Neugierde ... Habt ihr dabei bzgl. des Kriegers einen bestimmten Charakter im Auge? Ich habe die "Herr der Ringe"-Verfilmung nicht gesehen, aber kommt da nicht so ein Typus vor?

Ach ja - Der Anfang ... Eigentlich hieß es in der Urfassung "Es war eine dunkle und stürmische Nacht". (Versteht einer von euch jungen Leuten diese Anspielung?)

 
Zuletzt bearbeitet:

@ Sternenkratzer:

Was Gato angeht, hatte ich eigentlich permanent einen unrasierten, zerlumpten und völlig entnervten Rutger Hauer vor mir. Etwa so, wie er in diesem Film von Paul Verhoeven aufgetreten ist. Wie hieß dieser Film noch gleich? "Flesh and Blood"?

 

Hi,
sehr, sehr nette Geschichte!
Gato, den Krieger, fröstelte es (Frösteln erzwingt den Akkusativ und die Apposition steht dann zwangsweise im selben Kasus - oder so ähnlich)
Der Bauer trat ein (r vergessen)
Grüße von Emma

 

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