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Sterbehilfe (neu)

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23.02.2002
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Sterbehilfe (neu)

Da saß ich also, bald würde es soweit sein. Wie ein Priester hielt ich die Hand des jungen Mannes, der vor mir kraftlos in einem großen Bett lag, in meiner. Das Licht habe ich auf seinen stummen Wunsch hin abgedreht, nur der beinahe volle Mond beleuchtete durch ein Fenster schwach den Raum, das Licht diffus reflektiert am frischen weißen Bettzeug.

Es war das erste Mal, dass ich jemanden auf seinen letzten Weg begleite. Still lag er vor mir, seine Hand kühl und schweißnass, mit jedem Luftzug wurde sein Atem flacher, ich sein letzter Vertrauter, sein letzter Freund in dieser kalten Welt. Eine tiefe Traurigkeit umgab uns, zurückgehalten nur von der Wärme, die von der Berührung unserer Handflächen ausging, wie ein fremdes Licht das die trüben Schatten um uns vertrieb. Langsam, beinahe ein wenig verschlafen, schlug der Mann seine Augen auf und sah mich in einer Art an, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Ein Blick von einer unfassbaren Schönheit. Er hatte begriffen, dass es zu Ende ging. Er wußte es und er bedauerte es nicht länger, er hatte mit seinem Leben abgeschlossen. Eine Reinheit, eine unendliche Weisheit lag in diesen Augen und ich beneidete ihn darum. Keine Zweifel, keine Sorgen und kein Leid war darin zu sehen, nur eine große Güte und ewige Dankbarkeit.

Plötzlich spürte auch ich, dass es gleich passieren wird, und mir wurde bewusst, dass der erste wahrlich bedeutende Moment meines Lebens kurz bevor stand, es war der letzte Moment eines anderen. Um mich verschwamm alles, eine Sekunde der Wahrheit kündigte sich an. Der Brustkorb des Mannes hob sich langsam, und wir beide wussten, dass er sich nur noch ein einziges Mal senken würde; dann tat das Herz seinen letzten Schlag. Ein Wunder geschah. Für einen zeitlosen Augenblick war alles klar, unsere Welt war nicht weiter von Belang, Leben und Tod fügten sich wie selbstverständlich zu einem Ganzen. Ein tiefes Verständnis, eine bisher unbemerkte Liebe durchflutete mich und ich verstand. Mein Leben hatte von nun an einen Sinn, eine Bedeutung. Eine höhere Ordnung tat sich auf, nahm etwas mit, berührte mich dabei und ließ mich zufrieden lächeln.

Dann ging ein Zucken durch den Mann, ein schwaches Aufbäumen, eine letzte mechanische Regung der fleischlichen Hülle. Die am Ende krampfhaft zurückgehaltene Atemluft verließ wie ein sanfter Windhauch die Lunge und der Körper erschlaffte endlich.
Er war tot.

Ich saß noch einige Minuten gedankenversunken neben dem Bett und versuchte zumindest kleine Teile des gerade Geschehenen zu fassen, zu behalten, aber mein Geist schien zu klein dafür. Die Realität holte mich langsam wieder ein.

Ich musste die Leiche noch rechtzeitig loswerden.


War ich ein Mörder!? Nein. Aber das Anderen anschaulich zu machen, wäre ein Ding der Unmöglichkeit, sie würden nichts verstehen, nichts begreifen. Nicht, dass ich mich für etwas Besseres hielt als den Rest der Menschheit, nein; ich war nur nicht so mit Blindheit geschlagen wie sie. Blind waren sie. Alle. Mit verschlossen Augen, die Hände gegen die Ohren gepresst, rennen sie durch ihr Leben, verachten die Schönheit die sie umgibt, schaden ihr, vernichten sie. Unfähig auch nur zu erahnen, welche Geschenke ihnen gegeben wurden, ihr Verstand zu klein, um Buntes von Farbe zu unterscheiden. Bunt treiben sie es, aber geben nichts eine Farbe, fristen ihr klägliches Dasein mit sinnloser Arbeit; fressen, saufen, und ficken sich durch die Weltgeschichte, mit billigem Vergnügen betäuben sie ihre Sinne, verkleben und verstopfen sie, verweigern sich einfacher Erkenntnisse, schalten ihr Hirn und ihr Gefühl ab, wenn die Gefahr besteht, dass ihr Innerstes berührt wird. Sie streben nach wertlosen Werten, nach Größe und langem Leben, nach Stärke, Macht und Geld. Sie suchen nach Zielen ohne Vorstellung davon, wo die Anfänge sind.
Das, was sie Leben nennen, ist in Wahrheit nichts anderes als ein langer, qualvoller Tod. Das was sie Freiheit nennen, ein Käfig, den sie selbst versperren. Das, was sie Wille nennen, ihre eigene Dummheit, die sich verselbstständigt hat. Das, was sie Schönheit nennen, abgrundtief häßlich in dem Licht, das sie nicht sehen. Das, was sie Tod nennen, der vollendende Teil dessen, das sie nicht verstehen. Ihre Intelligenz messen sie daran, wie schnell sie Schönheit durch Berechnung und Erklärung zerstören können. Ihre Ordnungen sind Chaos, ihre Leistungen Zerstörung, ihr Sinn Unsinn, die Zeit ihr größter Feind. Der Mensch ist die Fleisch gewordene Verneinung der Wahrheit.

Aber die Frage, ob ich den Menschen hasse, muss ich verneinen. Ich hasse ihn nicht. Ich hasse, was er ist, aber ich liebe, was er sein könnte. Ich liebe die Unschuld, die er in jungen Jahren besitzt und ich liebe die Kraft in seinen alten Augen, kurz vor dem Tod. Aber was ich hasse, das bin ich. Ich hasse mich wegen meines bisherigen Unvermögens, Augen zu öffnen, Zuhörer verstehen zu lassen, Wahrheiten aufzuzeigen. Oh, was habe ich alles versucht, um sie aufzurütteln, was habe ich getan, um ihnen zu helfen. Ich habe jahrelang gegrübelt, geforscht, natürliche Ordnungen offengelegt, ihr Leben vereinfacht. In der Hoffnung, sie würden verstehen, ihre Sinne öffnen. Aber sie gaben mir keine Möglichkeit dazu, meine Errungenschaften, all meine Weisheiten, die Geist und Natur verbinden hätten können, wurden oberflächlich ausgeschlachtet, um mit dem finanziellen Gewinn weiteren geistigen Verlust zu ermöglichen. Mein Ruf, meine Anerkennung als Genius, wurde gegen mich verwendet, um nicht zuhören zu müssen. Die kleine Angst, mir nicht folgen zu können, war ihre geheuchelte Entschuldigung dafür, Ohren und Herzen zu verschliessen; die große Frucht, doch zu verstehen, der wahre Grund.

Aber das ist Vergangenheit, ab heute wird alles anders.
Ich habe etwas bewirkt, ich habe einem verlorenen Menschen etwas geschenkt, die letzte große Erkenntnis. Ich habe etwas erreicht, ich war nicht weiter klein und unwichtig, ich habe geholfen. Ich hasste mich nicht länger, der Anfang war gefunden, ein Beginn, ein Weg, der sich zu lohnen schien.

Ich konnte endlich etwas schaffen, aber ein großes Werk lag noch vor mir.

[Beitrag editiert von: franzl am 30.03.2002 um 11:35]

 

Hallo franzl,

also das hab' ich ja wirklich gern. Erst einem den Mund wässern von wegen Psycho-Thriller und dann... ätsche-bätsche war wohl nix.

Eine Bitte hab' ich noch: Da ich eine absolute Computer-Null bin, kannst du mich bitte aufklären, was ein "strg + c / strg + v - Name" ist??? <img src="confused.gif" border="0">

 

@arc: du brauchst dich nicht bei mir bedanken, wenn du dir selbst ein erfolgerlebnis beschert hast ;) trotzdem gern geschehn!

@Pipilasovskaya: :D ....das heißt, dass ich deinen namen nicht selbst schreibe, sondern bei anderen mit der cut&paste funktion ausschneide und dann hier reinkopiere, weil er mir zu kompliziert ist ;)

und es hat einen grund, warum ich den text nicht weiter hier veröffentliche: ich halte den bisherigen spannungsbogen für sehr gelungen, und wenn ich einen weiteren teil poste, sollte deine neugier noch größer werden. (vielleicht täusche ich mich aber auch)

aber wenn du unbedingt willst, poste ich die nächste seite gerne, aber nur, wenn du nachher verstehst, dass ich nicht den ganzen roman hier absetzte. habe nicht vor, eine serie hier zu eröffnen. also wenn du willst, stell ich den inneren monolog auch noch rein, aber du trägst die verantwortung dafür, dass es für einige wieder kein zufriedenstellendes ende ist. ist das ein angebot?

liebe grüße,
franzl

 

so bitte sehr....

ich hoffe, ich habe es nicht zu sehr gekürzt, ich hoffe, dieser teil reicht aus um einen kleinen einblick in die seele des protagonisten zu geben.

liebe grüße,
franzl

 

Hi franzl,

vielen Dank für die prompte Bedienung. Den Service merk' ich mir :D !

Ich bin soeben Zeuge einer Geburt geworden; der Geburt eines Serienkillers. Der um so gefährlicher ist, als er sein Verbrechen gar nicht als solches sieht, sondern meint, den Opfern einen Gefallen zu tun. Frustriert darüber, dass die Welt nicht so ist, wie sie ihrem Potenzial nach sein könnte, führt er seine Opfer zur Erkenntnis, indem er sie mit dem Tod konfrontiert. Intelligent, hochsensibel. Jemand, der an der Welt "leidet" und sich berufen fühlt, andere von demselben Leid zu erlösen.

Dem letzten Satz habe ich entnommen, dass er sich nach seiner ersten Tat auf seinem Weg bestätigt fühlt und dass dieser Mord (Verzeihung: diese Erlösung) erst der Anfang war. Deshalb "Serienkiller".

Ein unverstandener Esoteriker oder jemand, der in einem übertrieben religiösen Hause groß geworden ist?

*spekuliernachdenkbrüt*

Das werde ich wohl erst erfahren, wenn der gesamte Roman steht, stimmt's? Hoffentlich wird das bald der Fall sein.

Kommt das so ungefähr hin, oder habe ich mich verspekuliert?

Pip

 

teilweise schon, aber ein punkt soll im verlaufe des romans den vordergrund bilden: er ist wahrlich intelligenter als wir und sieht wirklich dinge die wir nicht verstehen. und wenn ichs ganz gut mache, dann versteht man ihn und auch seine taten.

mit religion hats nur am rande etwas zu tun, er ist einfach ein genie.

es soll rauskommen, dass mit dem was er tut recht hat....bis dahin ist aber noch ein stück zu schreiben ;)

achja: stilistisch alles in ordnung? lust auf mehr bekommen oder wie hats auf dich gewirkt?!

liebe grüße,
franzl

[Beitrag editiert von: franzl am 28.03.2002 um 16:52]

 

so ich meld mich jetzt auch mal mit kritik!
ist schön erzählt die ganze sache liest sich streckenweise klasse, dann kommt ein wort, dass den lesefluss zerstört, dann liest es sich wieder gut weiter (aufgefallen bei dem wort "ficken! in den obersten zeilen).
der inhalt ist ganz gut, trotzdem kommt manches bissl konfus.
ist glaub ich hier geschmackssache, aber auf den roman wäre ich trotzdem gespannt, denn das potenzial haste allemal!

[Beitrag editiert von: ['instin(c)t] am 30.03.2002 um 09:28]

 

@lakita: thx für das kompliment....wenns mal ein buch geben sollte -was äußerst zu bezweifeln ist- verspreche ich dir hiermit eines der freiexemplare zukommen zu lassen ;)

@instinct: danke für die positive kritik, diese hätte das potential zu einer konstruktiven ( :D ), wenn du mir sagen würdest, was ein wenig konfus kommt....bei dem 'ficken' (das übrigens klein geschrieben gehört sehe ich gerade) werd ich zusehen, dass ich die kurzzeitig aufkommende wut des protagonisten für den leser etwas verdeutlichen kann.

achja, vielleicht kann man konfusion auch daher stammen, dass ich hier einige teile weggelassen habe (z.b: verwischung der spuren, beschreibung des tatvorganges), deswegen würde es mir sehr helfen, wenn du deine konfusion etwas detailierter angeben könntest ;)

liebe grüße,
franzl

 

Hallo Franzl!

Deine Geschichte hat mir an sich ganz gut gefallen.

Sehr verwundert war ich erst über die Kritiken. Ich sah zwar, daß Du editiert hast, aber bei so großen Veränderungen wäre es vielleicht doch ganz gut, wenn Du das unten, am Ende der Geschichte hinschreibst. Bis ich die ganzen Postings gelesen hatte und erfuhr, daß es ja um einen ganz anderen Satz als den jetzigen Schlußsatz geht und überhaupt die halbe Geschichte erst dazugekommen ist, hatte ich Kopfweh vor lauter Selbstzweifeln bezüglich meines Verständnisses.

Ich nehme an, der ursprüngliche Schlußsatz war
"Ich musste die Leiche noch rechtzeitig loswerden."?

Wenn man das durch einen Hinweis weiß, steht man nicht so ratlos vor den Kommentaren, wie ich.
Wenngleich auch im Titel steht "(neu)", so denkt doch niemand an sowas....

Hoffe, Du bist mir jetzt nicht böse.... ;)

Soll sich die Kernaussage in Deinem Krimi eigentlich gegen Sterbehilfe richten oder dafür? Da Du den Typen ja so negativ darstellst, muß ich das mal fragen...

Alles liebe
Susi

 

tja häferl, da hast du sicher recht.....ein fehler meinerseits...der hinweis wird gleich eingefügt (aber im ersten kommentar von mir, nicht am ende der stroy, das mag ich nicht).

was den vorherigen letzten satz angeht, so hast du richtiges gespür bewiesen ;) ; tut mir leid, dir kopfschmerzen und selbstzweifel verschafft zu haben, das war nicht meine absicht.... :(
und wieso sollte ich dir BÖSE sein?!! dankebar ist wohl da richtige wort dafür...also danke für den hinweis!

was den negativen typen angeht; er 'sterbehilft' ja nicht im eigentlichen sinne, sondern mordet. schade, dass dir der typ negativ erschien, denn eigentlich soll man das gefühl bekommen, dass seine taten irgendwo richtig sind...natzürlich in der kürze der KG nicht leicht zu machen. zumindest er dir nicht 'böse' vorkam, befinde ich mich auf dem richtigen weg.

wie gesagt, eigentlich gehts hier nicht um sterbehilfe im eigentlichen sinne, deswegen gibts auch keine kernaussage diesbezüglich. meine persönliche meinung dazu ist eher 'pro', aber wirklich nur eher......

so, werd jetzt einen hinweis einfügen!

liebe grüße,
franzl

[Beitrag editiert von: franzl am 31.03.2002 um 15:33]

 

hach, endlich wieder am Computer!

NATÜRLICH habe ich Lust auf mehr bekommen und würde ebenfalls am liebsten das Buch direkt bestellen.

Hm, also im Verlauf der Geschichte wird sich herauskristallisieren, dass der Mörder Recht hat mit dem, was er tut? Und er ist ein Genie???

Das lässt jetzt schon wieder Raum für Grübelei und Spekulationen.

Und du hast Recht: So negativ stellt sich dein Protagonist gar nicht dar. Ebenso wie er habe ich auch schon mal über meine lieben Mitmenschen gedacht/gesprochen, zugegebenermaßen war ich da ziemlich mies drauf. Bei mir gipftelte es, glaube ich, in der Aussage, dass der haarlose Affe Homo sapiens mammonensis ein Irrtum der Natur sei und ausgerottet gehöre. Insofern machen die Äußerungen des Killers
ihn mir eigentlich nicht unsympathisch, eher im Gegenteil: Er scheint seelenverwandt.

Wie lange möchtest du uns denn schmoren lassen? Bisher hast du nur angedeutet, wann der Roman NICHT fertig sein wird. Wann wird er denn...?

Gruss
P.

 

BUCH HER, BUCH HER, ODER ICH.... :gunfire:

An Kommentaren ist eigentlich alles gesagt. Was bleibt, ist die Lust auf mehr. Ich liebe geniale Psychopathen, die kriminalistisch thrillern und meucheln. :)

Gruß vom querkopp

 

@querkopp:

Wenn ich die vorherigen Postings und die Aussagen des Autors richtig interpretiert habe, müssen wir da wohl noch länger schmoren. Obwohl es hier auch eine Rubrik für Serien und Fortsetzungen gibt, WILL er einfach nicht. Warum, mag ich nicht fragen. Man kann keinen Autor zum Veröffentlichen zwingen. Leider!!!

 

@pip: tut mir leid, aber es hat seine gründe, warum ich hier nicht den weiteren fortgang veröffentliche......

und wann der roman fertig sein wird?! keine ahnung, wirklich. ;) im moment bin ich gerade bei mordopfer nr. 4, was noch nicht sehr weit ist. trotzdem kann ich euch versprechen, dass ihr dann und wann einen kleinen weiteren auszug zu lesen bekommt (halt als abgeschlossene KGs abgewandelt), aber ich habe wie gesagt nicht vor, einen ganzen roman hier abzuladen, ich hoffe, ihr versteht das ;)

falls es dich näher interessieren sollte: ich mache das aus dem grund, weil ich mit dem weiteren verlauf sehr zufrieden bin, und bisher habe ich nur jene KGs veröffentlicht, bei denen ich mir nicht ganz sicher war, oder etwas unschlüssig, wie sie wohl auf leute wirken mögen; kurz gesagt, jene mit denen ich nicht völlig zufrieden war.

daneben gibt es einige KGs, die ich selbst für sehr gelungen halte, diese veröffentliche ich nicht, seis, weil ich sie bei wettbewerben einreiche, oder, weil ich gar nicht wissen will, was andere dazu sagen.....trocken gesagt, aber so ist es nunmal :D

achja @querkopp: freut mich, dass das interesse geweckt wurde...aber an der lsut auf mehr, ist pip schuld...ich wollte ja nicht mehr veröffentlichen ....geht auf ihre kappe :p

liebe grüße,
franzl

 

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