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Staub zu Staub

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23.11.2016
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Staub zu Staub

Nein! Nicht schon wieder. Will nicht sehen. Nicht das. Nein! Diese Bilder. Tod. Überall. Schreiben. Ich muss das aufschreiben!

Es war ungewöhnlich heiß für Anfang Oktober. Die Luft stand. Babette und Xaver atmeten eine Mischung aus Kuhmistgestank und Staub ein, während sie Werkzeug, Farbeimer und Tapetenrollen in ihr neues Haus schleppten, ein typisches altes Bauernhaus im bayerischen Alpenvorland am Rande eines kleinen Dorfes.
»Wenn die Fenster sauber sind, alles frisch gestrichen ist, dann wird das super schön «, sagte Xaver.
»Schaffst du das bis Dezember?«, fragte Babette.
Xaver legte seine Hand zärtlich auf Babettes Bauch: »Nicola ist aber aktiv!«
»Johanna«, sagt Babette und strahlte ihn an.

Zwei Wochen später war das Untergeschoss fertig. Xaver war im Schlafzimmer und stand mit einem Stückchen Karton in der Hand vor dem Bauernschrank.
»Schatz! Hilf mal mit dem alten Ding!«
Xaver hörte die Stufen knarzen und lachte, als Babette schnaufend wie nach einer Bergtour ankam.
»Lach … nur. Trag … du mal … Medizinball … herum.«
Gemeinsam schoben sie den Schrank zur Seite. Statt der erwarteten Wand kam eine Türe zum Vorschein.
Babette stemmte die Hände in die Seiten und Xaver rüttelte an der Klinke. Dann warf er sich dagegen.
»Ich hol mal einen Schraubenzieher.«
»Willst Du das etwa aufmachen? Oh Gott, das ist bestimmt kein gutes Omen.«
»Ach, du und dein Aberglaube!«
Nach einem kräftigen Ruck am Schraubenzieher gab das Schloss nach. Ein Lichtkeil fiel in den dahinterliegenden Flur und beleuchtete dichten Staub auf dem Boden, zerfaserte Spinnweben, ein paar zerknüllte Papierblätter und zwei gegenüberliegende Türstöcke. Feuchtkalte Luft schlug ihnen entgegen.
»Klasse«, sagte Xaver. Er ging einen Schritt in den Flur. Eine Staubwolke waberte um seine Beine. »Da sind zwei Zimmer. Mist, seh‘ nichts.« Er stürmte an Babette vorbei und kam mit einer Taschenlampe zurück. »Was schaust du so?«.
»Es stinkt!« Babette verschränkte die Arme. »Außerdem gibt es bestimmt einen Grund …«
»Ach quatsch!« Er schaltete die Taschenlampe an und stampfte mit angespanntem Oberkörper in den Gang. Nach wenigen Schritten war der Flur zu Ende. »Das sieht aus wie ein Durchgang!«
»Komm raus da!«
»Linke oder rechte Tür zuerst?«
»Dass du nie tust, was ich sage. Rechts!«
»Dein Wunsch ist mir Befehl!« Es quietschte. Nach einem Stück blockierte die Tür. »Da liegt was!« Xaver schob mit aller Kraft, dann krachte es und er stolperte in den Raum. »Ich werd‘ verrückt! Ein Badezimmer. Das ist ja super.«
»Hm.« Babette streckte den Kopf in den Gang. »Und auf der andern Seite?«
Xaver drehte sich um und drückte die verrostete Klinke. Türkisfarbene Farbreste klebten an der Kassette und tiefe, lange Risse hatten sie im Laufe der Zeit brüchig gemacht. »Gib mal den Schraubenzieher!«.
»Da geh ich nicht rein.«
Xaver sah sie an: »Dann eben nicht!« Mit einem kräftigen Tritt zerbarst das Innere der Tür. Er jaulte auf und kam humpelnd nach draußen.
Babette nahm ihm am Arm.
»Lass. Nicht schlimm!« Xaver zog das rechte Hosenbein nach oben und legte einen fingerlangen Riss am Unterschenkel frei.
»Toller Supermann. Ich habe unten Verbandszeug.« Babette kam nach einer Weile wieder und verarztete die Wunde.
»Komm schon!« Xaver zog Babette zur zerbrochenen Tür, die in der Mitte eine Öffnung wie ein Haifischmaul hatte, nur mit Holzsplittern statt Zähnen. Er entfernte die Reste und leuchtete in ein kleines Zimmer. Gegenüber war ein zugemauertes Fenster, davor ein Holzschreibtisch. Seine Platte war bedeckt mit fingerdickem Staub, durchbrochen von einem Stückchen Kreide. An der linken Wand stand ein Bettrahmen. Xaver leuchtete nach rechts, wo ein Loch im Putz klaffte, das rote Ziegel freigab.
»Was ist das«, sagte Xaver.
»ENDE 2016 WIRD«, riefen Xaver und Babette im Chor, blickten sich an und dann wieder zurück zu den Worten an der Wand, die in weißer Kreide prangten, mit kraftvollen Strichen geschrieben, als ob jemand sichergehen wollte, dass die Zeit sie nicht auslöschen würde.
Babette legte die Hände auf den Mund: »Was wird Ende 2016 …?«
»Nichts. Das ist bestimmt nur ein Streich. Vielleicht vom Vorbesitzer?« Xaver leuchtete das Zimmer ab.
»Hier war jahrzehntelang keiner drin«, sagte Babette und sah Xaver von der Seite an. Er ignorierte diesen Blick, der immer kam, wenn er im Unrecht war.
»Egal. Das ist super. Hier können wir ein Kinder…«
»Kinderzimmer? Bist Du verrückt? Mit dem da an der Wand?« Babette schleuderte ihren Arm in Richtung Putzloch, drehte sich um und stürmte raus.
»Warte! Nur wegen drei Kreidewörtern an der Wand … jetzt warte doch!«
»Nein!«
»Das ist nicht dein Ernst!«
»Doch!«
»Selbst die Fensterstürze sind noch da!«
Im Schlafzimmer hatte er sie eingefangen und spürte, wie sich ihr Brustkorb hob und senkte. Seine Lippen waren dicht an ihrem Ohr. Ihre Haare kitzelten die Nase.
»Wir müssen nur die Ziegel raushauen, neue Fenster rein, ein wenig verputzen, frische Farbe an die Wand. Das wird super. Versprochen.«

Fünf Wochen später hatte Xaver sein Versprechen wahrgemacht und die Zimmer waren frisch renoviert. Xaver duschte sich gerade, sang ein Lied und strahlte durch die Glaskabine Babette an, die ein Lavendelbad nahm.
»Ist das herrlich«, sagte Xaver. »Sobald wir fertig sind, zeige ich dir das Kinderzimmer. Bärentapete, Bärenlampe, Fahrzeugteppich, Bärengardinen. Egal, ob Junge oder Mädchen. Unser Baby wird in einem Bärenland wohnen!«
»Morgen will ich in den Gottesdienst!«
»Muss das sein? Dieser Weihrauch, die lange Predigt, das Gesinge …«
»Du hast es mir versprochen. Außerdem ist danach Kirchenkaffee. Ich möchte unter Leute.«
»Na gut, aber ich singe nicht mit!«

Xaver dachte die ganze Predigt darüber nach, was er noch tun wollte, wunderte sich kurz über den Brauch, zwischendurch zu knien und wachte erst wieder aus seinen Gedanken auf, als das Lied Großer Gott erklang, das er lauthals mitsang, nachdem Babette ihm einen harten Rippenstoß verabreicht hatte. Der Kirchenkaffee war weniger schlimm, als erwartet. Es gab jede Menge Kuchen. Junge, Alte, Wichtige, Unwichtige und Familien mit Kindern verteilten sich um kleine Tische im Pfarrsaal, der gefüllt war mit Kaffeeduft, Klatsch und Tratsch des Dorfes und ein paar wuselnden Kindergartenzwergen, die um die Wette aßen.
»Ihr seids also die Neuen vom Huberhof?«, fragte plötzlich eine alte Frau, die ihnen gegenübersaß. Sie trug einen schwarzen Rock, eine weiße Bluse mit großen Rüschen an der Knopfleiste, einen grauen Dutt und eine große Goldrandbrille. Ihre Finger waren dick und voller Schwielen.
»Huberhof? Nein, der Vorbesitzer hieß Müller«, antworte Xaver.
»Ja, schon. Aber wisst‘s, die alten Höfe ham Hausnamen. Euer Haus hat der Huber gebaut. Des ist scho über hundert Jahr her.«
»Achso«, sagte Babette. »Kannten Sie ihn?«
»Freilich. War ein Netter. Als mir jung waren, ham wir immer im Stadl heimlich geraucht.« Die alte Frau blickte in die Ferne.
»Wir haben beim Renovieren zwei Räume gefunden …«, sagte Xaver.
»Des hat er verschwiegen? Kein Wunder net. Der arme Hansi hat Alzheimer gehabt. War ganz wirr zum Schluss. Ich weiß schon was.« Die alte Frau steckte ein großes Stück Apfelkuchen in den Mund und rückte näher an den Tisch.
»Damals, so in den fünfziger Jahren, da wohnte ein Hellseher …«
Babette rutschte mit dem Stuhl nach vorne: »Ein Hellseher?«
»Ja, ein Hellseher, der Irlbacher Sepp. Komischer Vogel. Hat immer was vom dritten Weltkrieg gefaselt. Unheimlich war der, richtig gruselig!«
»Maria, lass die oiden Gschichten!«, krächzte eine weißhaarige Frau mit tiefen Falten zwei Plätze weiter. »Du machst dene Jungen no Angst. Der Irlbacher war harmlos. I bin übrigens die Elsbeth!« Sie winkte und zeigte unten drei und oben zwei Zähne.
»Is ja gut«, sagte Maria. »War net dabei. Als der Hansi des erzählt hat, war der Irlbacher schon tot.« Maria beugte sich weit nach vorne. »Ich glaub‘, der ist da gestorben.«
Xaver sah Babette von der Seite an und ahnte, was nun folgen würde. Babette hatte schon immer einen Hang zum Aberglauben. Vor fünf Jahren, kurz bevor sie geheiratet haben, musste er mit ihr sogar zu einer Hellseherin gehen, die dann etwas von einer glücklichen Zukunft erzählt hat. Damals war er sehr froh darüber, denn er war sich nicht sicher, ob sie sonst geheiratet hätten. Er beobachtete, wie sie Maria mit großen Augen anstierte, nach vorne gebeugt, so als ob sie die Informationen wie ein Vampir aus ihr raussaugen könnte.
»Gestorben? Oh mein Gott, wie furchtbar!«, sagte Babette.
»Was ist furchtbar?«, brummte der Pfarrer hinter ihnen. »Werden hier etwa wieder Geschichten vom Irlbacher erzählt?«
»Finde das sehr spannend«, sagte Babette.
»Ich kannte ihn nicht«, sagte der Pfarrer, »aber so, wie ich die Menschen hier kenne, ist das bestimmt alles die Wahrheit, die reine Wahrheit!«, sagte der Pfarrer, zwinkerte Babette zu und ging weiter.
Damit war das Thema Irlbacher gestorben und Maria, Elsbeth und die anderen am Tisch sprachen über das zu warme Wetter und die schlechte, staubgefüllte Luft in letzter Zeit.
»Das Kinderzimmer muss woanders hin!«, war das Erste, was Babette sagte, kaum, dass Xaver die Haustür geschlossen hatte.
»Ach komm! Nur wegen des alten Dorfklatsches? Sogar der Pfarrer hat süffisant die Wahrheit dazu gesagt.«
»Er ist dort gestorben, verstehst du? Gestorben!«
Xaver seufzte und fiel gegen die Flurwand. Er hatte sich so gefreut, dass endlich alles fertig war. Jede Tapetenbahn im Kinderzimmer saß millimetergenau an der richtigen Stelle.
»Vielleicht war das seine letzte Vision«, sagte Babette. »Ich sehe es vor mir. Das Grauen vor Augen. Mit letzter Kraft schrieb er die Worte und fiel tot um.«
Xaver schüttelte den Kopf und schaute an die Decke. »Es sind nur Geschichten. Wie am Lagerfeuer. Da haben wir uns auch Gruselmärchen …«
»Märchen? Was für Märchen?« Babette stellte sich vor ihn, die Hände in die Hüften gestemmt und sah ihm in die Augen.
Xaver spürte die Kälte der Flurwand an den Schulterblättern. »Das kann nur ein Scherz sein!«
»Mit sowas spaßt man nicht. Und hier schon dreimal nicht!«
»Das Zimmer bleibt!« Xaver schüttelte den Kopf und ging nach oben.
»Wie Du meinst!« Babette stapfte ins Wohnzimmer.

Sie war noch lange sauer und abends gab sie ihm nicht einmal einen Kuss vorm Einschlafen. Zwei Wochen später kam Xaver nach Hause und fand Internetausdrucke über Sepp Irlbacher auf dem Wohnzimmertisch. Er ist 1959 gestorben und hatte seine seherischen Fähigkeiten, seit er im ersten Weltkrieg mehrere Tage in einem Schützengraben verschüttet war. Einige Geschichten gaben Xaver zu denken. Dass der dritte Weltkrieg bevorstünde, konnte und wollte sich Xaver nicht vorstellen. Aber der Irlbacher hatte sogar einen Gerichtsprozess wegen Gaukelei gewonnen, weil er in der Verhandlung ›sehen‹ konnte, dass die Frau des Richters gerade im roten Kleid mit einem Herrn im weißen Anzug zusammen sei. Nachdem eine Überprüfung gezeigt hatte, dass das zutreffend war, konnte der Richter nicht anders, als ihn freisprechen.
»Interessant?«, riss Babette ihn aus dem Studium der Unterlagen. »Märchen, was? Tolle Märchen sind das. Bist du eigentlich sicher, dass da nicht mehr stand?«
»Ganz sicher. Da war nichts«, sagte Xaver in die Unterlagen vertieft.
Es klopfte an der Tür.
»Grüß Gott«, sagte eine Frau in einer blauen Kittelschürze, olivgrünen Gummistiefeln.
»Grüß Gott«, sagte Babette, drückte sich neben Xaver in den Türeingang.
»Tschuldigens die Störung. Ich bin die Nachbarin. Die Schmidt Annemarie. Mei, der Bub, der hat beim Ackern Ihren Zaun kaputt gemacht. Des bringen mir natürlich in Ordnung.«
Xaver atmete tief durch.
»Kommen Sie doch bitte rein. Ich bin übrigens die Babette und das ist mein Mann Xaver. Jetzt sind wir schon so lange hier und haben uns noch nie gesehen.«
»Ach, schee habt ihr des hergerichtet. Sieht ganz anderst aus«, sagte Frau Schmidt und zeigte ein zahnloses Grinsen.
»Wissen Sie vielleicht was über den Irlbacher?«, platzte es aus Babette heraus.
»Ach, der Irlbacher. Mei der war hier a Zeitlang, bevor er dann nach Freilassing is, wo er gestorben is«, antwortete Frau Schmidt.
»Also nicht hier im Haus gestorben? Das ist ja super!«, rief Xaver dazwischen und hob kurz die Hände, als ob er zwei Siegesfäuste machen wollte.
»Na, net da herin!«
»Setzen Sie sich doch und erzählen noch ein wenig über den Irlbacher«, sagte Babette.
»Entschuldigen Sie, aber meine Frau interessiert das brennend«, sagte Xaver.
»Mei, was wollt ihr wissen?«, fragte Frau Schmidt.

Babette löcherte Frau Schmidt so lange mit Fragen, bis der Sohn kam und fragte, ob alles in Ordnung sei und sie zum Mittagessen mitnahm. Babette und Xaver erfuhren, dass es Alois war, Hansis Vater, der die Zimmer verschlossen hatte, um das Andenken an den Irlbacher zu bewahren. Alois meinte, dass derjenige, der das Gekritzel an der Wand wegmacht, sterben würde, was Babette leichenblass werden ließ. Außerdem erzählte Frau Schmidt, dass der Irlbacher jemanden richtig vorhergesagt hatte, dass er in drei Wochen sterben werde. Zu der Prophezeiung im Zimmer konnte Frau Schmidt nichts sagen. Aber sie erzählte eine Geschichte von ihrer besten Freundin Heidi, die verschwunden war. Heidis Eltern haben dann den Irlbacher gefragt, der sie mit großen Pupillen ansah, stocksteif wurde und so etwas sagte wie: »Gelbes Haus. Josef. Ich sehe einen Stall, Heu. Sie lebt. Hat gebrochenes Bein.« Heidi fand man dann tatsächlich beim Josef, dem Bruder von Heidis Vater. Sie war beim Spielen im Stall vom Heuboden gefallen und hatte sich dabei das Bein gebrochen.
Xaver und Babette sprachen lange nur über den Irlbacher und die Prophezeiungen, die sie gehört hatten, wobei Babette fasziniert war und Xaver sich schon ein neues Kinderzimmer herrichten sah. Später, am Nachmittag, gingen sie in den Garten, um sich den kaputten Zaun anzusehen. Frau Schmidt war auch draußen, winkte und kam näher.

»I hob vorhin was vergessen«, sagte sie. »Heidis Eltern haben ein Kreuz hingestellt. Bei Maria Eck, da bei den schwarzen Franziskanern.«
»Was für ein Kreuz?«, fragte Babette.
»So ein Kreuz, mit Rad drin.«
»Und was hat es damit auf sich?«, fragte Xaver.
»Ach, die Heidi hat erzählt, der Irlbacher hätt‘ eine Prophezeiung immer wiederholt. Die hat er in das Kreuz geritzt, als Heidi ihm des zeigt hat.«
»Dann steht die Prophezeiung vielleicht da drauf!« Babette sah Xaver an.
»Ko sein. Wenige Tage drauf ist der Irlbacher dann nach Freilassing. I muss jetzt.«

Babette wollte sofort aufbrechen, aber es wurde schon dunkel. Xaver verspürte keine Lust, diesem Hirngespinst nachzujagen. Andererseits wollte er die Sache endlich zu Ende bringen. Er versprach, den Montag freizunehmen und, das war die Voraussetzung, nach einem gemütlichen Frühstück nach Maria Eck zu fahren.
An diesem Abend bekam Xaver wieder einen Kuss, seit langem. Er hatte einen Alptraum, von Kreuzen, die nachts ins Haus eindringen, von außerirdischen Botschaften und von einer Hellseherrasse, die kleine Kinder fraß. Daran konnte er sich noch erinnern, als er morgens aufwachte. Er ärgerte sich über diesen Traum, der so absurd war, dass er lächelte, auch wenn die Aussicht darauf, das Sonnenkreuz und die Prophezeiung darauf zu finden, eine für ihn unerklärliche Nervosität erzeugte.

»Du hast wohl zu viel gefrühstückt«, schnaufte Babette, als sie den kleinen Weg vom Kloster zur Wallfahrtskirche nach oben stürmte, wo die Kreuze waren.
»Und du bist unter die Rennkugeln gegangen, oder?«
Als sie die Hinterseite der Wallfahrtskirche erreichten schlug Xaver die Hände über den Kopf zusammen: »Wie sollen wir es finden? Das sind hunderte! Dran komm ich auch nicht. Kann ja schlecht über die Absperrung steigen.«
Nach einer Weile stellten sie fest, dass es nur drei Sonnenkreuze gab, wovon eines viel zu alt war und das andere zu klein. Xaver und Babette blickten sich verstohlen um, aber am Montagvormittag waren kaum Gläubige unterwegs. Auch von den Mönchen war nichts zu sehen.
»Kommst du dran?«, fragte Babette.
»Nein, siehst Du doch!« Xaver hob das Absperrband an, glitt drunter hindurch und zog es vorsichtig unter vier anderen hervor.
»Lass mal sehen«, sagte Babette, riss es Xaver aus der Hand und drehte es herum. Auf der Rückseite war auf dem Sonnenkreis deutlich eingeritzt:
ENDE 2016 WIRD DER STAUBTOD KOMMEN
Sie sahen sich an und Xaver erspähte aus dem Augenwinkel eine Person den Weg hochlaufen, stellte das Sonnenkreuz schnell zurück, machte Babette mit einem Kopfnicken auf den Besucher aufmerksam und sie eilten von der Kirche weg, wie zwei Kinder, die etwas ausgefressen hatten.
Außer Atem stiegen sie ins Auto ein. Babette erinnerte sich an eine der Prophezeiungen Irlbachers über eine Umweltkatastrophe. Danach sollte Staub vom Himmel regnen und den Tod bringen. Er hatte geraten, Fenster und Türen für mehrere Tage zu verschließen. Xaver hielt ihr einen langen Vortrag über Aberglauben und Umwelthysterie, bis Babette ihre Fingernägel in Xavers Arm krallte:
»Meine Hose ist nass!«
»Wie, nass? Wieso?«
»Johanna kommt.«
»Oh mein Gott!«
Xaver trat aufs Gas. Staub wirbelte auf. Die ganze Autobahnfahrt stützte sich Babette am Armaturenbrett ab. Über der Stadt lag eine Dunstglocke.
Am nächsten Morgen eilte Xaver die Krankenhaustreppe herunter. Babette war endlich von der Kaiserschnittoperation zurück im Zimmer und hatte Johanna gerade das erste Mal gestillt. Nachts war er schon fast verzweifelt. Zehn Stunden waren sie über Krankenhausflure spaziert, um die Wehen in Gang zu bringen, bis Babette endlich einem Kaiserschnitt zugestimmt hatte. Es war der glücklichste Tag in seinem Leben. Xaver blickte aus dem Fenster, in der kleinen Cafeteria, in der er sich gerade eine Semmel geholt und einen Kaffee bestellt hatte. Komisches Wetter. So dunstig, staubig, ging es ihm durch den Kopf. Im Vorübergehen erhaschte er die Schlagzeile einer Tageszeitung, die ihm den Appetit verdarb:

FEINSTAUBALARM

 
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Hallo Geschichtenwerker,

zu Deiner KG gibt es eine ganze Menge zu sagen. Ich werde mich auf ein paar Punkte beschränken, die meinem Empfinden nach besonders hervorstechen. Alles ohne Reihenfolge, quasi einfach drauf los.

Die Idee der Geschichte, dass da zwei versteckte, unheimliche Zimmer in einem Haus von den neuen Besitzern gefunden werden, hat Potenzial. Die Prophezeiung an der Wand, bzw. das Fragment dieser Prophezeiung ist schon ein bisschen schwieriger dramaturgisch umzusetzen, scheint mir. Denn dafür ist der Ort, an dem die Prophezeiung gefunden wird, zu trivial.

Prophezeiungen in alten Klöstern oder Maya-Tempeln, das sind Orte, denen man so etwas abnimmt, aber einfach nur ein Zimmer in einem alten Haus finde ich da zunächst mal zu wenig. Du gibst der Prophezeiung dann mehr Gewicht durch ein bisschen Hintergrundstory zum Irlbacher Sepp, aber das kommt alles etwas spät und schafft für mein Empfinden nicht genug Gänsehaut.

Der Weg bis zu diesem Punkt ist ein wenig zäh geraten. Ich denke, da wird der eine oder andere Leser aussteigen, weil das recht behäbig erzählt wird.

Es kommt dann zu der Auflösung, dass die vollständige Botschaft bzw. Prophezeiung aufgedeckt und von den Protagonisten als Unsinn verworfen wird. An diesem Punkt ist mir die Reaktion von Babette und Xaver nicht ganz nachvollziehbar, denn ich finde die Prophezeiung ENDE 2016 WIRD DER STAUBTOD KOMMEN nicht sonderlich lustig, sondern eher befremdlich.

Die Pointe ist dann der Feinstaub-Alarm, aber für meine Begriffe zündet das nicht so richtig. Ist mir zu konstruiert und zu sehr um die Ecke gedacht. Von der Gesamtanlage her finde ich das Ganze also ein bisschen zu gewollt. Du hast da zwar Wendungen drin, die Spannung erzeugen, weil sie rätselhaft erscheinen, aber das Tempo der Auflösung reicht nicht, um das Interesse wachzuhalten und die Auflösung selbst erscheint mir zu weit hergeholt, zu konstruiert.

Das sind nur meine subjektiven Eindrücke, bin gespannt, was die anderen dazu sagen.

Ich finde trotzdem nicht, dass die Geschichte misslungen ist, denn Du machst vieles richtig, glaube ich. Du zeichnest die Charaktere deutlich, man kann sich vorstellen, wie die ungefähr ticken. Du beschreibst die verschiedenen Motivationen und Ausgangsbedingungen (Xaver ist pragmatisch, Babette neigt zum Übersinnlichen) und man begreift auch, wie es in dem Dorf zugeht. Und vom Sprachlichen liest es sich über Strecken wirklich gut und solide.

Zu diesem Punkt ist aber noch etwas wichtig. Du neigst dazu, überflüssige Charakterisierungen in den Text zu flechten.

»Na komm Superman. Ich brauche dringend etwas zu essen«, lachte Babette zuversichtlich ... »Ich gehe da nicht rein«, antwortete Babette zögerlich ... »Nichts. Das ist bestimmt nur ein dummer Streich. Vielleicht vom Vorbesitzer?«, sagte Xaver laut.

Oder hier:

»Hm«, flüsterte Babette ... »Toller Supermann«, schimpfte Babette ... »Was wird Ende 2016 passieren?«, wisperte Babette.

Bei diesen Beschreibungen nimmst Du es dem Leser ab, selbst zu erkennen, dass hier geschimpft, geflüstert, gezögert wird. Ich verstehe, dass Du es gern so genau wie möglich beschreiben willst, und in der Regel ist das Konkretisieren eine gute Sache beim Schreiben. Wenn man es damit aber übertreibt, führt das dazu, dass der Leser in seiner Imagination gehemmt wird, weil der Autor alles haarklein ausbreitet.

Wenn Babette sagt: »Toller Supermann!« ergibt sich aus dem Kontext, dass es sarkastisch gemeint ist. Nimm dem Leser das nicht ab.

In der Summe tendiert der Text von der Machart und von den Dialogen ein bisschen in Richtung Lindenstraße. Das ist nicht schlimm. Kann man schnell korrigieren, in dem man Überflüssiges rauswirft. Du musst es nicht umschreiben, sondern nur entschlacken. In der Lindenstraße reden die Figuren auch komplett unnatürlich. Sie formulieren längere, fehlerfreie Sätze, verhaspeln sich selten, nuscheln nicht. Die TV-Zuschauer haben gelernt, dass TV-Figuren so sprechen, weil das jahrelang der Standard in Kino, Film und Literatur war. Doch mittlerweile sieht man es anders:

Figuren brechen in moderner Literatur mitten im Satz ab, versprechen sich, reden kurz, verschlucken redundante Worte, verbiegen die Sprache. Die Wirkung auf den Leser ist, dass die Verwendung von Umgangssprache bei Unterhaltungen das Ganze viel plastischer und realistischer erscheinen lässt. Du hast ja die Geschichte von Jimmy gelesen, da kannst Du viel von der Gestaltung der wörtlichen Rede abgucken, selbst wenn Du keinen Lokaldialekt reinnehmen willst.

Soviel erst mal von mir.

Gruß Achillus

 

Hallo Achillus,

vielen Dank für Deine ausführlichen Kommentare, mit denen Du mir einiges zum Nachdenken auf den Weg gegeben hast. Es ist meine zweite Geschichte, die ich hier verfasst habe und dies im Wesentlichen gestern unter Hochdruck, um noch einen Beitrag für die Challenge zu haben. Ich hatte also wenig Zeit für eine Überarbeitung.

Insofern freue ich mich sehr, dass sie sich sprachlich über Strecken gut und solide liest und nicht vollständig misslungen ist. Das nehme ich als Ansporn, an den anderen Kritikpunkten zu arbeiten. Und alleine dafür danke ich Dir.

Du schreibst

Es kommt dann zu der Auflösung, dass die vollständige Botschaft bzw. Prophezeiung aufgedeckt und von den Protagonisten als Unsinn verworfen wird. An diesem Punkt ist mir die Reaktion von Babette und Xaver nicht ganz nachvollziehbar, denn ich finde die Prophezeiung ENDE 2016 WIRD DER STAUBTOD KOMMEN nicht sonderlich lustig, sondern eher befremdlich.

Hier sollte eigentlich klar werden, dass diese Prophezeiung selbst für Babette zu unwahrscheinlich ist, um wahr zu sein. Das Lachen der beiden ist dann die Reaktion darauf, dass sie sich von ein paar Worten in dem Zimmer aus der Ruhe haben bringen lassen und wochenlang hinter der Auflösung her waren. Also mehr ein Lachen über sich selbst und nicht über die Prophezeiung.

Hier muss ich also auch noch nachbessern, damit das deutlich wird.

Zu den Dialogen. Ich habe versucht durch die Wortwahl und die Satzgestaltung den Lokalkolorit nachzuempfinden, was aber natürlich, wenn man Jimmys Dialoge danebenhält, dann sehr farblos wird. Hier werde ich nachbessern. Ich bin selbst gespannt, ob ich damit mehr Farbe reinbringe oder nur die Lesbarkeit verschlechtere.

Schade, dass die Pointe am Ende zu sehr um die Ecke gedacht wirkt. Wenn ich das ändere, muss ich aber wahrscheinlich eine neue Geschichte schreiben. Insofern werde ich daran wohl festhalten. Oder ich breche die Geschichte früher und anders ab (was die Geschichte auch stark verändern würde). Darüber muss ich noch nachdenken.

Die überflüssigen Charakterisierungen sehe ich jetzt auch. Ich habe diese extra eingefügt, da ich bei meiner ersten Geschichte die Kritik hatte, dass ich nur immer "sagte" schrieb. Das war jetzt hier eindeutig zu viel des Guten.

Ich werde versuchen, die ganze Geschichte zu straffen, damit sie schneller vorankommt.
Das wird aber ein wenig Zeit benötigen. Also habe bitte ein wenig Geduld mit mir.

Hierzu eine kleine Frage. Kann man die Geschichte offline überarbeiten und dann einfach komplett neu hochladen? Oder sieht das dann so aus, als hätte man eine neue Geschichte hochgeladen? Die Offlineüberarbeitung scheint mir einfacher zu sein, als in dem Texteditor die Änderungen vorzunehmen.

Nochmals vielen Dank für Deine Kommentare, das war wirklich hilfreich.

Grüße

Geschichtenwerker

 

Hallo Geschichtenwerker,

ich habe deine Geschichte gerne gelesen. Das liegt zum einen daran, dass ich selbst jemand bin, der für solche Geschichten, die mit bestimmten Orten verknüpft sind oder auch "Dorflegenden", sehr empfänglich ist. Erstmal ist das gut aufgebaut mit dem Paar, das ein Kind erwartet und auf einen alten Hof zieht. Das bietet schon einmal Stoff für allerlei Aberglauben. Die Entdeckung der Tür hinter dem Schrank ist ein Klassiker, funktioniert bei mir aber nach wie vor. Verborgene Räume üben auf mich immer wieder eine gewisse Faszination aus.

Als dann herauskommt, was es mit den Räumen auf sich hat, da kann ich Babette gut verstehen. Es ist verrückt, ich bin eigentlich ein sehr rationaler Mensch, aber was ich wirklich schon selbst erlebt habe und woran ich glaube, ist, dass Häuser, Räume, Orte eine unangenehme Energie haben können. Und dass sie gerade in dieses Zimmer, in dem eine seltsame Prophezeiung steht, nicht ihr Kind legen will, kann ich voll und ganz nachvollziehen :shy:

Nach der Entdeckung zieht sich die Geschichte ein wenig, finde ich. Es wäre vielleicht durchaus eine Option, nach den Gesprächen in der Kirche und mit der Nachbarin, die beiden gleich das Kreuz finden zu lassen, ohne den Umweg über die Klosterbrüder. Dann wäre mehr Tempo drin.

Das Ende fand ich gut, hier hätte ich nur den Vorschlag, es vielleicht vager zu gestalten, nämlich nach Xavers Gedanken: "Komischer Wetter. So dunstig." aufzuhören. Die Schlagzeile in der Tageszeitung ist mir zu erklärend, ich finde, wenn du früher rausgehen würdest, läge da ein besseres Schlussflimmern in der Luft.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Hallo Geschichtenwerker!

Hierzu eine kleine Frage. Kann man die Geschichte offline überarbeiten und dann einfach komplett neu hochladen? Oder sieht das dann so aus, als hätte man eine neue Geschichte hochgeladen? Die Offlineüberarbeitung scheint mir einfacher zu sein, als in dem Texteditor die Änderungen vorzunehmen.

Kleinere Korrekturen kann man zwar online machen, aber ich fertige grundsätzliche Überarbeitungen immer offline an und kopiere es dann im Bearbeiten-Modus ins Forum. Das macht für mich mehr Sinn. Du überschreibst so den alten Text.

Natürlich gibt es Leser im Forum, die gern den alten Text mit dem neuen vergleichen würden, aber das wäre für mein Empfinden ein großes Durcheinander.

Gruß Achillus

 

Hallo RinaWu,

vielen Dank für Deinen Kommentar und die vielen positiven Anmerkungen, über die ich mich natürlich sehr freue und die mich motivieren, weiter an der Geschichte zu arbeiten.

Schön auch, dass Dir der Aufbau mit dem Paar gefällt und Du Babetts Unbehagen nachvollziehen kannst, das Prophezeiungszimmer zum Kinderzimmer zu machen.

Über die Kürzungen denke ich in der Tat seit gestern nach, bin aber noch zu keinem wirklichen Ergebnis bekommen. Mal sehen, von welchen Szenen ich mich verabschieden kann. Vielleicht streiche ich die erste Mönchsszene.

Was ich besonders spannend finde, ist Dein Kommentar zu dem Schluss. Achillus war das, wenn ich ihn richtig verstanden habe, zu um die Ecke gedacht und für Dich ist es so einleuchtend, dass Du die Schlagzeile gar nicht brauchst, wobei mir die Idee gut gefällt, tatsächlich mit der Empfindung von Xaver aufzuhören, der sich offensichtlich doch ein wenig hat anstecken lassen vom Aberglauben.

Sobald ich eine größere Überarbeitung vorgenommen habe, weise ich darauf hin.

Nochmals vielen Dank für Deine Kommentierung.

Gruß

Geschichtenwerker

 

Hallo Achillus,

danke für den Hinweis, dass Du es auch für sinnvoll hältst, den Text offline zu bearbeiten und dann den Onlinetext vollständig durch die bearbeitete Variante zu ersetzen.

Gruß

Geschichtenwerker

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Geschichtenwerker,

ich habe deine Geschichte samt den Kommentaren verfolgt und werde deine Bearbeitung abwarten. Denn sonst müsste ich schreiben, was du sowieso schon weißt, vor allem kürzen ... Also lass es mich wissen, wenn du soweit bist.

Aber doch noch etwas zum Dialoge Schreiben. Am Anfang glaubt man, es sei schlau, Informationen in den Dialog zu packen. Immer schielt man über die Schulter, ob der Leser ja alles mitkriegt. Und so werden die Sätze immer länger, manchmal arten sie regelrecht zu Monologen, bzw. Vorträgen aus. Das kann funktionieren, wenn man dadurch die Protagonisten charakterisieren will, zum Beispiel als Pedanten, Besserwisser o.Ä.

Im Alltag wird meist in unvollständigen Sätzen geredet. Es gibt sicher auch Menschen, die druckreif sprechen. In deiner Geschichte aber ist das eher unwahrscheinlich, außer beim Pfarrer, wenn er von der Kanzel aus predigt.:lol:
Gerade Paare brauchen oft keinen ausführlichen Erklärungen. Da passiert Verständigung auch durch Gesten oder über Konnotationen.

Soviel fürs erste.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,

vielen Dank für Deinen Zwischenstand, Deine Tipps und Deine Bereitschaft, die Geschichte nach meiner Überarbeitung anzusehen.

Ich gebe Bescheid, wenn es so weit ist, was sich aber ein paar Tage hinziehen kann.

Die freundlichen Grüße erwidere ich gerne

Geschichtenwerker

 

Hallo wieselmaus, liebe Alle,

meine überarbeitete Variante der Geschichte ist online. Ich habe sie um ca. 30 % gekürzt und nun doch sogar Umgangssprache in die Dialoge mit aufgenommen, auch um es mal zu probieren. Aus meiner Sicht hat die Geschichte dadurch gewonnen und die Dialoge sind deutlich realistischer. Jetzt bin ich gespannt auf Kommentare.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo Geschichtenwerker,

Ich mag seltsame, mysteriöse Geschichten, von daher hast du mich schon gefangen. :thumbsup:

Ich finde, gerade am Anfang beschreibst du viel zu viel bzw. steckst zu viele Informationen hinein.
Z.B. dieser Teil hier:

Xaver war im Schlafzimmer und stand neben einem Farbeimer mit einem Stück Umzugskarton in der Hand. An den Wänden waren Einlegeböden und mit Blumen verzierte Türen des alten Bauernschranks verteilt, den der Vorbesitzer im Haus gelassen hatte und den Babette unbedingt behalten wollte, weil sie glaubte, dass er ihnen Glück bringen werde.
Schlafzimmer, Farbeimer, Stück Umzugskarton, Wände, Einlegeböden, blumenverzierte Türen, alter Bauernschrank, Vorbesitzer.
Puh, das stockt den Lesefluss gewaltig.
Schaue mal, ob alle Infos überhaupt notwendig sind („blumenverziert“ z.B.) oder mache daraus mehrere Sätze.

Hier wird m.E. zu viel wiederholt:

Xaver hörte die Stufen knarzen und lachte, als Babette schnaufend wie nach einer Bergtour mit einer Hand am Bauch im Türstock erschien.
»Lach … nur. Trag … du mal … Medizinball … herum.«
Er drückte ihr das Stück Karton in die Hand und nachdem alle Schrankfüße auf Pappe standen, schoben sie ihn gemeinsam zur Seite. Statt der erwarteten Wand kam ein großes Loch mit Türe zum Vorschein.
Babette stemmte die Hände in die Seiten und Xaver rüttelte an der Türklinke. Dann warf er sich dagegen.
»Ich hol mal einen Schraubenzieher.«
»Willst Du das etwa aufmachen? Oh Gott, das ist bestimmt kein gutes Omen.«
»Ach, du und dein Aberglaube!«
Nach einem kräftigen Ruck am Schraubenzieher sprang die Tür aus dem Schloss. Ein Lichtkeil fiel in den dahinterliegenden Flur und beleuchtete dicken Staub, zerfaserte Spinnweben, ein paar zerknüllte Papierblätter und zwei gegenüberliegende Türstöcke.
„Türstock“ ist in meinen Breitengeraden nicht geläufig. Wir sagen Zarge.
Wenn du z.B. die 2 x Türstock gegen Zarge austauscht und Türklinke gegen Klinke, sind die Wortwiederholungen weg. :D

Er drückte ihr das Stück Karton in die Hand und nachdem alle Schrankfüße auf Pappe standen, schoben sie ihn gemeinsam zur Seite.
Kann mir nicht vorstellen, dass sie ein paar Wochen vor der Entbindung mithilft, einen Bauernschrank zu verschieben.

Einiges Textliches:

Mit letzter Kraft schrieb er die Worte und viel tot um.
fiel tot um

mit Blick auf Babetts Bauch.
Babettes Bauch

Ich kann es kaum erwarten«, antwortet Babette.
antwortete

Einmal schreibst du Superman, dann mal Supermann.

»Wann ist es denn so weit?«, fragte Bruder Barton mit Blick auf Babetts Bauch.
»Nicht mehr ganz drei Wochen. Ich kann es kaum erwarten«, antwortetE Babette.
»Aus einer schwangeren Frau sieht man immer den Herrgott leuchten«, sagte Bruder Barton.
»Danke, das ist lieb von Ihnen«, strahlte Babette.
»Suchen Sie ein bestimmtes Kreuz?«, fragte Bruder Barton.
»Wir suchen das Kreuz von einer Heidi Brauer«, sagte Babette. »Sie hat es hier ungefähr im Jahr 1959 abgestellt. Wollte für ihre Rettung danken.«
»Das war dann lange vor meiner Zeit«, sagte Bruder Barton. »Die älteren Kreuze sind eher da hinten in der Ecke. Viel Glück bei der Suche!«
»Danke, dann sehen wir dort mal nach«, antwortete Xaver.
Die Redebegleitsätze stehen immer an derselben Stelle. Das ist nicht abwechslungsreich.
Ich würde einige Sätze zwischendurch umstellen.
Z.B.:
Bruder Barton blickte auf Babettes Bauch. »Wann ist es denn so weit?«
...
Babette strahlte. »Danke, das ist lieb von Ihnen. «

Die Mundartszenen gefallen mir sehr gut. Konnte mir ein gutes Bild von den alten Damen machen. :thumbsup:

Den letzten Absatz finde ich viel zu kurz. Da wird im Schnelldurchlauf von der Geburt und vom Wetter berichtet. Da hätte ich mir mehr gewünscht. Einen Spannungsaufbau zum Beisplel. So scheint es, als ob du schnell fertig werden wolltest. :Pfeif:

Hat mir gefallen. Gerne gelesen.

Liebe Grüße,
GoMusic

 

Hallo GoMusic,

Du hast mir gerade den Tag versüßt mit Deinem Kommentar. Schön, dass Dir die Geschichte gefallen hat und vor allem auch, dass wohl die Überarbeitung der Dialoge etwas gebracht hat.

Die Tippfehler habe ich schnell korrigiert.

Das mit "Superman" und "Supermann" war Absicht.

Leider habe ich gerade keine Zeit, mehr zu schreiben, aber ich melde mich nochmal ausführlicher!

Nochmals vielen Dank und Gruß

Geschichtenwerker

 

Hallo Geschichtenwerker,

du hast also ordentlich gekürzt und dir die Ratschläge zu den Dialogen zu Herzen genommen. Da bist du auf dem richtigen Weg. Ein bisschen dialoglastig finde ich den Plot immer noch. Den Bruder Barton finde ich unnötig. An der Stelle sollte die Geschichte richtig Fahrt aufnehmen. Babette könnte z. B. über das Kreuz stürzen und müsste sofort zur Entbindung in die Klinik. Und hier bloß keine Dialoge mehr! Action! Emergency room!

Eine weitere Überlegung zum Plot.

Danach sollte der der dritte Weltkrieg den Staubtod bringen.

Nirgends im Text wird diese Verbindung thematisiert. So wie der Schluss jetzt formuliert ist, könnte es sich auch um eine Naturkatastrophe, einen Meteoriteinschlag o. Ä. handeln.
Xaver könnte aber nach der Notentbindung am nächsten Tag in der Cafeteria sitzen, sich über die glückliche Geburt freuen und Zeitung lesen. Zum Beispiel eine Schlagzeile:

Neu gewählter US-Präsident plant Neuauflage des Atomwaffenprogramms.

Und beim Blick aus dem Fenster sieht er das dunstige, staubige Wetter als Vorboten ...

Übrigens: Kurzzeitig war er schon verzweifelt, ob das Baby jemals auf die Welt käme.

Das kommt es auf jeden Fall. Tot oder lebendig:D

Freundliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo wieselmaus,

bin heute leider zu eingespannt für lange Antworten. Aber schon mal vorab vielen Dank für Deinen Kommentar.

Du hast mich mit der Idee eines anderen Endes und zusammen mit dem Kommentar von GoMusic auf ein größeres Problem meiner Geschichte gestoßen. Offensichtlich wabert sie noch zwischen Beziehungskiste, Übernatürlichem und Actiongeschichte. Für eines muss ich mich wohl entscheiden, darauf den Fokus legen und sie dann entsprechend überarbeiten. Naja, aller Anfang ist eben schwer.

Vielen Dank und bald kommt mehr.

Gruß
Geschichtenwerker

 

Grüß Gott Geschichtenwerker,

wusst’ ich ’s doch: In der Kürze liegt die Würze.
Hatte vor Tagen deine KG schon mal flüchtig quer gelesen und bin angenehm überrascht, wie schnell und wirkungsvoll du sie überholt hast (wobei Streichungen immer gehen) :lol:.

Richtig erleichtert bin ich auch, dass diese Szene mit dem dementen Bruder verschwunden ist, die war recht unglaubwürdig für mich (zusammenhangloses Gebrabbel, aber genau die passenden Antworten, um zu einer Lösung zu kommen).

Die wörtliche Rede im (entschärften) Dialekt ist gut zu lesen und zu begreifen. Macht die gesamte Szenerie noch authentischer und passt gut zu deiner Idee, wie du Tratsch und Klatsch der Dorfgemeinde einsetzt, um das Geheimnis des Hauses zu lüften.
Ein paar Kleinigkeiten:

»Schatz! Hilf mal mit der Klapperkiste!«
Ist das bei euch Umgangssprache für Schrank?

Statt der erwarteten Wand kam ein großes Loch mit Türe zum Vorschein.
umständliche Formulierung, tut sich ein seltsames Bild auf,

Zehn Stunden waren sie über Krankenhausgänge spaziert, um die Wehen in Gang zu bringen, bis …
besser: über Krankenhausflure

Und nun noch eine Anmerkung, um mir meine Sporen als Meckertante redlich zu verdienen.
Wenn ein Wohnhaus zwei Zimmer hat, die von außen nicht zu erkennen sind, dann muss es wohl riesig und total verschachtelt bzw. die Zimmer winzig sein. Oder die Besitzer haben keinen Blick für die Diskrepanz zwischen außen und innen.
Vor wenigen Monaten haben wir ein Haus gekauft. Vorher gab es natürlich eine intensive Recherche und Besichtigungen und ich behaupte, versteckte Zimmer wären uns aufgefallen.
Es ist durchaus möglich, dass meine Beobachtung im Gesamtwerk der KG nicht relevant ist, ich wollt ’s trotzdem anmerken. Vielleicht war es ja ein überstürzter Kauf deines Pärchens und die entdeckten Zimmer sind wirklich nur Zimmerchen.

Noch eine schöne Zeit bei uns und liebe Grüße von peregrina

 
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Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Hallo GoMusic,

wie angekündigt zu den restlichen Punkten etwas ausführlicher:

Schlafzimmer, Farbeimer, Stück Umzugskarton, Wände, Einlegeböden, blumenverzierte Türen, alter Bauernschrank, Vorbesitzer.
Puh, das stockt den Lesefluss gewaltig.
Schaue mal, ob alle Infos überhaupt notwendig sind („blumenverziert“ z.B.) oder mache daraus mehrere Sätze.

Vielleicht muss ich da noch einmal kürzen. Ich wollte ein wenig in die Geschichte einführen. Man könnte natürlich auch gleich bei der Szene starten, wo sie die Tür finden und dann mehr in Rückblenden erzählen. Das muss ich mal ausprobieren.

„Türstock“ ist in meinen Breitengeraden nicht geläufig. Wir sagen Zarge.
Wenn du z.B. die 2 x Türstock gegen Zarge austauscht und Türklinke gegen Klinke, sind die Wortwiederholungen weg.

Es ist immer wieder interessant, wie unterschiedlich die Sprachgewohnheiten sind. Bei Türzarge runzle ich die Stirn. Aber es ist eine gute Möglichkeit, die Wiederholungen zu tilgen. Danke, für die Idee.

Kann mir nicht vorstellen, dass sie ein paar Wochen vor der Entbindung mithilft, einen Bauernschrank zu verschieben.

Verstehe ich. Aber zu dem Zeitpunkt sind es noch gut zwei Monate und so alte Schränke sind oftmals nicht schwer. Das alte Holz ist sehr trocken und die Wände sind dünn. Insofern ist der Schrank eher leicht. Aber dann könnte ihn Xaver auch alleine schieben. Ich hatte vor Augen, dass Babette eher symbolisch mitschiebt. Hatte das aber nicht ausgeführt, weil es mir an der Stelle die Geschichte zu sehr verzögert hätte. Ich denke noch einmal nach. Unterm Strich ist es für die Geschichte nicht wichtig, dass sie mitschiebt.

Wie auch schon in dem anderem Kommentar geschrieben, war das mit Superman, einmal mit einem und dann mit zwei "n" Absicht. Das sollte an der zweiten Stelle den Sarkasmus unterstreichen.

Die Redebegleitsätze stehen immer an derselben Stelle. Das ist nicht abwechslungsreich.
Ich würde einige Sätze zwischendurch umstellen.

Danke für den Tipp. Das probiere ich mal aus, bevor ich es reinstelle. Nach meinem Geschmack kann das auch schnell mal den Lesefluss stören und dann erreicht man das Gegenteil.

Die Mundartszenen gefallen mir sehr gut. Konnte mir ein gutes Bild von den alten Damen machen.

Darüber habe ich mich besonders gefreut, vor allem, weil meine Dialoge in der ersten Version wirklich sehr hölzern waren.

Den letzten Absatz finde ich viel zu kurz. Da wird im Schnelldurchlauf von der Geburt und vom Wetter berichtet. Da hätte ich mir mehr gewünscht. Einen Spannungsaufbau zum Beisplel. So scheint es, als ob du schnell fertig werden wolltest.

Also das erste Ende war anders, insofern hängt das auch mit der Überarbeitung zusammen. Du bist nicht der einzige der das kritisiert. Ich hatte heute eine Idee für ein völlig anderes Ende. Das muss ich aber erst einmal ein wenig reifen lassen.

Hat mir gefallen. Gerne gelesen.

Das freut mich wirklich. Danke nochmal für die Kommentare.

Hallo wieselmaus,

nun meine ausführliche Antwort:

du hast also ordentlich gekürzt und dir die Ratschläge zu den Dialogen zu Herzen genommen. Da bist du auf dem richtigen Weg.
Klar nehme ich mir die Ratschläge zu Herzen. Dafür bin ich hier und ich freue mich über jede Kritik und es freut mich, dass Du mich auf dem richtigen Weg siehst.

Ein bisschen dialoglastig finde ich den Plot immer noch. Den Bruder Barton finde ich unnötig. An der Stelle sollte die Geschichte richtig Fahrt aufnehmen. Babette könnte z. B. über das Kreuz stürzen und müsste sofort zur Entbindung in die Klinik. Und hier bloß keine Dialoge mehr! Action! Emergency room!
Ok - ich werde nochmal kürzen. Und die Action, dazu habe ich gerade auch bei GoMusic geschrieben. Es gibt da noch eine Idee für den Schluss. Darüber möchte ich aber noch ein wenig grübeln.

Danach sollte der der dritte Weltkrieg den Staubtod bringen.

Nirgends im Text wird diese Verbindung thematisiert. So wie der Schluss jetzt formuliert ist, könnte es sich auch um eine Naturkatastrophe, einen Meteoriteinschlag o. Ä. handeln.
Ja, in der ersten Variante hat Xaver die Schlagzeile "Feinstaubalarm" gelesen. Meine Idee war, dass der Staubtod nicht durch einen Atomkrieg kommt, sondern durch die Umweltverschmutzung. Achillus war das zu um die Ecke gedacht. RinaWu hingegen war es zu konkret. Das jetzige Ende ist ein Versuch, aber ich weiß, was Du meinst. Wie gesagt, ich denke darüber nach.

Übrigens: Kurzzeitig war er schon verzweifelt, ob das Baby jemals auf die Welt käme.

Das kommt es auf jeden Fall. Tot oder lebendig
Das stimmt wohl. Bei dem Einwand spielt, denke ich, die Erzählperspektive eine Rolle. Xaver als Ich-Erzähler würde man das abnehmen. Der Satz ist eigentlich aus Xavers Sicht geschrieben, was vielleicht an der Stelle zu dicht dran war. Auch darüber muss ich nachdenken (ich hatte sowieso die Idee, für mich und ggf. auch für das Forum, die Geschichte einmal aus der Perspektive Xavers und einem aus Babettes Perspektive zu schreiben).

Dir auch noch einmal vielen Dank für die Kommentare.


Hallo peregrina,

vielen Dank für Deinen Kommentar und auch für das Lob. Und wenn Du immer so meckerst, dann meckere bitte ganz viel.

Hatte vor Tagen deine KG schon mal flüchtig quer gelesen und bin angenehm überrascht, wie schnell und wirkungsvoll du sie überholt hast (wobei Streichungen immer gehen)

Solche Überraschungen mache ich gerne, kann aber nicht garantieren, dass das immer funktioniert. Die nächste Überarbeitung wird auch etwas dauern, befürchte ich.

Richtig erleichtert bin ich auch, dass diese Szene mit dem dementen Bruder verschwunden ist, die war recht unglaubwürdig für mich (zusammenhangloses Gebrabbel, aber genau die passenden Antworten, um zu einer Lösung zu kommen).

Das dachte ich mir dann auch ...

Die wörtliche Rede im (entschärften) Dialekt ist gut zu lesen und zu begreifen. Macht die gesamte Szenerie noch authentischer und passt gut zu deiner Idee, wie du Tratsch und Klatsch der Dorfgemeinde einsetzt, um das Geheimnis des Hauses zu lüften.

Schön, dass es Dir gefällt. Nachdem ich meine Skepsis über Bord geworfen hatte, machte es richtig Spaß, die Dialoge zu schreiben.

»Schatz! Hilf mal mit der Klapperkiste!«
Ist das bei euch Umgangssprache für Schrank?

Nein, aber das ist Xavers Wort für alles, was er nicht mag. Leider fehlt mir der Platz in einer KG, das alles unterzubringen.

Statt der erwarteten Wand kam ein großes Loch mit Türe zum Vorschein.
umständliche Formulierung, tut sich ein seltsames Bild auf,

Darüber mache ich mich auch bei der nächsten Überarbeitung her. Danke für die Rückmeldung. Das klingt wirklich in dem Zusammenhang etwas merkwürdig.

besser: über Krankenhausflure

Schiebe ich auch in die nächste Überarbeitung. Vielleicht fällt die gesamte Szene anders aus.

Wenn ein Wohnhaus zwei Zimmer hat, die von außen nicht zu erkennen sind, dann muss es wohl riesig und total verschachtelt bzw. die Zimmer winzig sein. Oder die Besitzer haben keinen Blick für die Diskrepanz zwischen außen und innen.

Ich hatte in einer Offline-Variante eine Szene dazu drin, wie Xaver ums Haus rennt und feststellt, dass der Abstand vom letzten Fenster zum Hausende durch die Holzfassade schwer zu schätzen ist. Aber das ist ein Punkt, der aber wohl nicht so unlogisch ist, dass man als Leser da gleich aussteigt.

Also nochmals vielen Danke und bitte gerne wieder meckern!

Gruß

Geschichtenwerker

 

Alois meinte, dass derjenige, der das Gekritzel an der Wand wegmacht, sterben würde, was Babette leichenblass werden ließ
Aber, aber, liebe Babette, auf jeden Fall wird der, der das Gekritzel beseitigt hat, sterben wie auch der, der da gekritzelt hat, und nicht nur der - auch Alois wird‘s erwischen, wie leider auch Dich, arme Babette, Xaver und das Kind. Ja, unglaublich, selbst ich armes Schwein bin alles andere als unsterblich!

Nunja, nach Nostradamus gäbe es nach dem Nachfolger des „weißblauen Papstes“ nur noch vier Päpste, was einem, der den Papst zu Wittenberg im nächsten Jahr mit-feiern wird, nicht besonders beunruhigen wird, sieht der fünftletzte, derzeitige Petrusnachfolger doch noch ganz rüstig aus,

lieber Geschichtenwerker,

aber es ist an der Zeit, in Deine gute Stube hineinzuschauen, sind wir uns doch bisher nur eher zufällig über den Weg gelaufen.

Nun ja, nach der ellipsoiden Einleitung fürchtete (oder hoffte) ich schon eine Geschichte wie von einem Brandbeschleuniger angeschoben oder doch zumindest im Sauseschritt daherkommend – als eine Art von landschaftlich geprägter, gut gemachter Beschaulichkeit den allem Abergläubischen abholden Gast umfing. Bis zum letzten Drittel glaubte der sogar, es gäbe keine Flusen aufzulesen, dass er sich an Kleinigkeiten festhalten müsse, wie etwa hier

... stand neben einem Farbeimer mit einem Stück Umzugskarton in der Hand
was sich dann beim Möbelrücken als ein Stück Karton von einem der zerfledderten Umzugkartons aufklärte.

Aber kann Staub „dick“ sein? Wie dicke Luft etwa?

und beleuchtete dicken Staub, zerfaserte Spinnweben, …
Staub, der in feinen Teilen durch die Luft schwebt und sich dann auf Oberflächen legt, um dort - gelegentlich - in schmaler Schicht zur Ruhe zu begeben und zu Erde zu werden, wenn nicht die züchtige Hausfrau/der tüchtige Hausmann sie hinwegfegt /wischt/wegsaugt.

Oder auch "im" mir große Sorge bereitendem Riss

und legte einen fingerlangen Riss im Unterschenkel frei.

Ein Kratzer in der Haut, kein Muskelfaserriss (vllt. besser „am“ statt „im“ Unterschenkel), Gott sei es gepfiffen und gedankt!, bis erste Flüchtigkeit - nix schlimmes und eher harmlos, auftaucht
»Hilf mir mal aus der Wanne[,] du Bär«, sagte Babette.

»Ich kannte ihn nicht«, sagte der Pfarrer, »aber so[,] wie ich die Menschen hier kenne, ist das bestimmt alles die Wahrheit, die reine Wahrheit!«, …

Hier hätt' ich es auch belassen können, eben, weil ichÄs auch gerad der maria gelassen hab
»Nur wegen dem alten Dorfklatsch?
"Wegen" ruft nach dem Genitiv. Nun ja – man spricht halt so, sterben wird keiner daran.

Dass der dritte Weltkrieg bevorstand, konnte und wollte sich Xaver nicht vorstellen.
Besser im Konjunktiv, bevorstehe, … Evtl. auch "bestünde", also die alte Form, in der dann auch noch das "Stündchen" mitschlüge ...

Wenn man halt so will, tobt er ja schon lange im Kongo tobt in den Kriegen eines neuen 30-jährigen Krieges, vordergründig um seltene Erden, tatsächlich aber auch, um verhassten Ethnien Kummer zu bereiten. Wie im 17. Jh. auch von Privatarmeen (westl. Prägung) und ihren Söldnern.

Später[,] am Nachmittag[,] gingen sie in den Garten, um sich …

Und dann so was wie ein Einbruch der Konzentration
Xaver verspürte keine Lust[,] diesem Hirngespinst nachzujagen. Andererseits wollte er die Sache endlich zu Ende bringen. Er versprach, den Montag frei zunehmen und, das war die Voraussetzung, nach einem gemütlichen Frühstück nach Maria Eck zu fahren.
Das ist a nicht nur das Komma vor der Inifinitivgruppe , denn „zunehmen“ ist was anderes, quasi gewichtigeres, als der Infinitiv vom Verb „freinehmen“, dessen Infinitiv mit zu wie der Nominativ zusammengeschrieben wird.

»Du hast wohl zu[...]viel gefrühstückt«, schnaufte Babette, als …
»Wie sollen wir das nur finden?«, sagte Xaver[,] als sie die Hinterseite der Wallfahrtskirche erreichten.
..., ertönte eine Bassstimme hinter[…] ihnen.

Wie gesagt, abergläubisches Zeug ist nicht mein Ding. Aber eines ist gewiss, von E. T. A, Hoffmann kann man sich aufgrund langer, beschwerlicher Fahrten einige abergläubische Dinge erwarten - und doch hab ich diese Texte nie zu Ende gelesen (werd es auch wohl nicht mehr), den Text hier schon. Vielleicht schafft ja der moderne (Nicht-)Straßenbau, dass ich eines Tages selbst ...

Naja -

interessiert gelesen vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedrichard,

Deine Kritik habe ich so eben gelesen und ich finde sie so wunderbar, dass ich meine Arbeit kurz liegen lasse, um gleich darauf zu reagieren.

Willkommen in meiner Stube und hoffentlich war das nicht ein einmaliger Besuch!

Vielen Dank für die vielen kleinen und auch größeren Fehler, auf die Du mich hingewiesen hast. Es ist immer wieder erschreckend für mich, wie betriebsblind ich gegenüber meinen eigenen Texten bin. Eigentlich dürfte man nichts veröffentlichen, was nicht einige Woche in einer Schublade geschlummert hat und dann noch einmal gelesen wurde. Leider ist das im Alltag eher ein frommer Wunsch, den ich vielleicht bei meinem nächsten Versuch einer Geschichte umsetzen kann.

Ich weiß, der Geschichte fehlt noch der Zug, umso mehr sehe ich es als Hoffnungsschimmer, dass Du diese Geschichte bis zum Ende, nun ja, durchgehalten hast. Das verwerte ich als kleinen Erfolg. Vor allem, weil es weder ein literarisch noch intellektuell anspruchsvoller Text ist und Du, soweit ich das beurteilen kann, Dich in dieser Hinsicht eher gerne am oberen Ende der Skala aufhältst.

Wie könnte es anders sein, Deine Korrekturvorschläge sind alle richtig.

Nur hier

"Wegen" ruft nach dem Genitiv. Nun ja – man spricht halt so, sterben wird keiner daran.

möchte ich mich verteidigen. Der Dativ klänge wohl natürlicher, dacht' ich mir und verwandt ihn hier. Mich schüttelt es auch bei jedem Lesen. Vielleicht ändere ich es wieder zurück und pfeif auf die Natürlichkeit.

Ich freue mich, dass Du zu Ende gelesen hast. Und gebe gerne noch ein paar kleine Informationen, die Dich vielleicht interessieren könnten. Inspiriert ist diese Geschichte von einer Anekdote über einen "Alois Irlmaier", der tatsächlich Hellseher war und ungefähr in der Gegend wohnte, in die ich die Geschichte verortet habe. Das eine oder andere Detail seiner Voraussagen findet sich auch in meiner Geschichte wieder.

Nochmals vielen Dank für Deinen Kommentar, der mir bei der nächsten Überarbeitung, hilft weitere Fehler zu tilgen.

Gruß

Geschichtenwerker

 

Nix zu danken,

lieber Geschichtenwerker,

aber Fehler machen wir alle. Die Redaktion, in der ich bis zum Ende des vergangenen Jahrtausends migewirkt habe, hatte das Unvermeidbare im Impressum - nun nicht gerade als Verrantwortlichen i. S. des Presserechts, aber doch als Redaktinsmitglied als "Fehlerteufel" mit aufgeführt. Das ist die Macht des Faktischen selbst im Fiktiven.

Ich weiß, der Geschichte fehlt noch der Zug, umso mehr sehe ich es als Hoffnungsschimmer, dass Du diese Geschichte bis zum Ende, nun ja, durchgehalten hast
.
Ja, meine Sturheit kann Menschen auch aus der Fassung bringen ...

Was den Genitiv infolge eines "wegen" betrifft, so muss man abwägen, ob Grammatik oder Authentizität, oder nennen wir's einfach Realismus bis zum Naturalismus der gelebten Sprache sich durchsetzen. Als Ruhrgebiet(l)er weiß ich ja, dass die Vereinfacher am Werk sind. Das Ruhrlatein arbeitet in Kooperation mit dem Akkusativ am Ende des Dativs (Der bekannteste Beleg:"Mir und mich verwechsel ich nich, dat kommt bei mich nich vor, ich hab nen kleinen Mann im Ohr, der sacht mich allet vor.")

Auf mein"'Wegen' ruft nach dem Genitiv. Nun ja – man spricht halt so, sterben wird keiner daran.
antwortestu
möchte ich mich verteidigen. Der Dativ klänge wohl natürlicher, dacht' ich mir und verwandt ihn hier. Mich schüttelt es auch bei jedem Lesen. Vielleicht ändere ich es wieder zurück und pfeif auf die Natürlichkeit.
Da spricht der Realist, der auch weiß, dass ein Foto von einer Frau eben nicht seine Frau selber ist, sondern bloße Abbildung. Und Literatur ist selten die Wirkichkeit, bestenfalls eine Annäherung an sie, sehn wir mal ab von dem Autoren/Leser, der sich voll damit identifiziert. Aber das ist ein anderes Thema. Die Entscheidung, ob wörtl. Rede nun "dem Genitiv sein' Tod" verwendet, oder der üblichen Rede des Todes vom/des Genitiv/s widersteht, obliegt dem Autor.

Den Hinweis af Deine Anregung werd ich auf jeden Fall nutzen.

Tschüss

Friedel,
der vorsorglich ein schönes Wochenende wünscht!

 

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