Stalker
Ich sehe dich, beobachte dich, doch gestatte dir keinen Blick zu mir. Wie du dort sitzt im Kaffee und dich unbemerkt fühlst, ist für mich das größte Glück. Du kannst dir nicht vorstellen, welche Mühen ich täglich auf mich nehme, um dir auf meine Weise nah und doch fern zu sein. Kostüme, Perrücken, Brillen gehören zu meinem Repertoir und ich bereue weder ihre Anschaffung noch ihre Benutzung. Ich will nicht, dass du von mir weißt, denn bis jetzt lebst du in deiner Welt und lässt mich nur zugucken und mich ergötzen an deiner wunderschönen Gestalt. Manchmal glaube ich, dass ich der einzige sein kann, der dich wirklich liebt, denn egal wie sehr du dich bemühst, dir gelingt es nicht, dich nicht zu verstellen, wenn jemand bei dir ist. Man betrachte nur die Situation in dem Kaffee. Du beißt auf einen Kern und du spuckst ihn schnell zu Boden, anstatt ihn in die Servierte zu legen, wie du es tun würdest, wenn du Gesellschaft hättest. Diese Situationen zeigen mir, dass du nur allein du selbst bist und diese Situationen sind zahlreich. Ich könnte niemals zu dir gehen und dich ansprechen, denn meine Illusion deiner Perfektion würde zusammenbrechen, wie morsches Holz. Also bleibt mir nur die Ferne und die Hoffnung, dass du für immer so schön und unantastbar bleibst.
Am Abend gehst du in eine Bar und ich bin nicht weit hinter dir. Du pilgerst herum, triffst zufällig Bekannte und unterhältst dich mit ihnen, während ich mir vorstelle, dass ihre Leben weit weniger interessant sind als das deine.
Die Stunden verstreichen, du hast viel gelacht und getrunken. Ich nicht, denn dein Anblick zieht mich in seinen Bann, wie es eine Motte zum Licht zieht, und schlimmer noch scheine ich kein Essen, kein Getränk und vielleicht nicht einmal Luft zu brauchen, wenn ich dich sehe. Du bist alles was ich brauche. Du verlässt die Bar und kürzt den Weg zu den Taxis durch Seitenstraßen ab. Ich sehe, wie dir zwei Gestalten folgen und versuche eine bessere Perspektive zu bekommen.
Kaum im Schatten beginnen sie dich zu schubsen und zu schlagen, deine Handtasche zu durchwühlen und dir letztendlich die Kleidung vom Leib zu reißen in blindem Verlangen nach Anarchie und Überlegenheit. Du hast keine Chance, doch denke ich keine Sekunde daran, dir zu helfen, denn das würde mich offenbaren und meine Illusion deiner Perfektion zerstören. Nein ich bleibe der Beobachter, der Zuschauer, der Stalker.