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Spurensuche

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08.07.2012
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Spurensuche

Es ist keine gute Idee, in der Nähe eines Totempfahls zu lagern. Aber heute gehe ich nicht weiter. Ich bin erledigt. Brauche Ruhe. Nicht in zwei Stunden, nicht später irgendwann, sondern jetzt. Sofort.
Ich setze die Tasche ab, schaue mich um. Im Westen glüht die Sonne in tiefem Orange über den Wäldern. Ausläufer der morastigen Ebene, die sich im Osten bis zum Horizont erstreckt, sinken bereits in das Zwielicht der anbrechenden Nacht. Eine sonderbare Stille liegt über allem, die Kronen der Ulmen, Fichten und Douglasien um mich her ragen bewegungslos in die Leere des Himmels.
Ich rolle das Karibufell aus. Die Versuchung, mich jetzt einfach hinzulegen und zu schlafen, ist so mächtig, dass ich die Fäuste balle, durchatme und mich zwinge, das gesammelte Brennholz zu einem Tipifeuer zu schichten.
Die Nacht kommt rasch. Ich sitze am Feuer, das alte Henry-Gewehr auf den Knien, kaue Trockenfleisch, starre in die Flammen. Er könnte das Feuer bemerken. Seine Spuren heute Mittag waren frisch. Er ist in der Nähe. Aber mir fehlt die Kraft, das Lager zu tarnen. Risiko.
Immer wieder blicke ich hinüber zu dem verrotteten Pfahl. Vogelaugen starren zurück. Eine Sippe Krähen lebte hier viele Jahre lang. Mein Vater hat es mir erzählt. Damals zogen nicht nur ihre Späher und Krieger durchs Land. Ganze Familien bevölkerten die Niederungen am Fluss. Vielleicht war das eine glücklichere Zeit, eine Zeit, in der sie uns nicht als Feinde betrachteten.

Bei Sonnenaufgang fegt ein eisiger Wind über die Taiga. Wenn die Tage im Herbst so übel beginnen, ist der Winter nah. In meine Decke gehüllt, richte ich die Glut des Feuers für das Kaffeekochen. Ich habe nicht von ihr geträumt. Wie war es gestern? Ich kann es nicht sagen. Überhaupt – schwierig, Erinnerungen und Träume auseinander zu halten. Der zerschmetterte Schädel, war das real? Das Blut auf den schmutzigen Dielen, das Büschel ausgerissenen Haars?
Ich setze den Becher an die Lippen, schlürfe den heißen Kaffee. Der Wind flaut ab. Vielleicht habe ich Glück mit dem Wetter.
Über mir im Blattwerk des Hickorybaums flattert ein Waldsänger von Zweig zu Zweig. Sein goldenes Gefieder strahlt metallisch im Glanz der Morgensonne. Ich schaue ihm eine Weile zu. Die Wildnis kennt keinen Schmerz. Ob wir Menschen schreien, bluten oder sterben, es spielt keine Rolle, macht keinen Unterschied.

Am Nachmittag entdecke ich seine Spuren im feuchten Kies des Flussbettes. Ihm geht der Proviant aus, und zum Jagen fehlt ihm die Zeit. Ich könnte abwarten. Die Taiga wird ihn erledigen. Oder ein Pfeil zerfetzt ihm die Brust.
Während ich der Fährte folge, sehe ich ihr Gesicht vor mir. Ich sehe es im Glitzern des Wassers, in den Wolken, die über meinem Kopf dahin ziehen, im Geröll des Ufers. Irgendwann bleibe ich stehen. »Geh fort!«, sage ich. »Bitte. Lass mich allein.«
Ich lege die Kleider ab und tauche in das dunkle Wasser des Flusses. Die Strömung zerrt an mir. Mag sie alles wegspülen, all diese Gedanken, Bilder, Gefühle. Doch als ich aus dem Wasser steige, rieche ich wieder den Duft ihres Haars. Ich sehe das Schimmern ihrer Haut, höre den Klang ihrer Stimme.

Die Dämmerung legt sich über das Land. Ich hocke in der Schwarzbärenschlucht und betrachte den Abdruck seiner Stiefel. Hier stand er. Ich sehe ihn vor mir, wie er innehält und dort hinüber starrt. Dorthin, wo sich Hemlock-Tannen und Rot-Zedern an die Felsen der Klamm schmiegen. Was hat er dort gesehen?
Im letzten Licht des Tages untersuche ich den Boden unter den Tannen. Es ist nicht mehr als ein Gefühl, dennoch bin ich sicher. Die Späher der Krähen greifen nur selten an. Manchmal zeigen sie sich, um uns zu erschrecken, in die Irre zu führen.
Später am Feuer, dessen Flammen an den Rundungen der Erdmulde lecken, denke ich an meinen Vater und daran, wie er mich Tag für Tag an der Fährtenkiste unterrichtete. Mit einem Zweig hatte er Spuren in den Sand gezeichnet, und nun schauten wir dabei zu, wie sie vom Regen aufgeweicht, von der Sonne getrocknet, vom Wind davongetragen wurden. Wir beobachteten, wie sie alterten und irgendwann verschwunden waren. Die Fährtenkiste war eine Erfindung der Krähen, einer ihrer Krieger zeigte meinem Vater den Trick.
Das war, bevor eine Siedlerin und ihre Tochter von zwei jungen Krähen überfallen und vergewaltigt wurden. Bevor die Siedler begannen, Krähen zu jagen und zu töten. Die Siedler töteten jede Krähe, die ihnen in die Hände fiel. Jede Krähe, ohne Ausnahme, gleich ob Krieger, Greis, Frau oder Kind.
Der Schrei einer Eule lässt mich zusammenfahren. So ist es jetzt. Seit diesem Tag, seit ihrem Tod. Diese Welt will mein Ende. Nichts dagegen einzuwenden.

Seine Augen betrachten mich mit einem Blick, in dem es keine Hoffnung gibt. An den Stamm einer Sitka-Fichte gelehnt, die Beine von sich gestreckt, sitzt er da, als heiße er das Unvermeidliche willkommen.
Er leckt sich über die rissigen Lippen und sagt: »Ich wollte nicht …«
Ich setze die Tasche ab und schaue mich um, das Henry-Gewehr in den Händen.
»Hätte nicht gedacht … « Er hustet, spuckt, wischt sich mit dem Ärmel über den Mund. »Also, dass du mir über den Schwarzstein-Pass ohne dein Pferd folgen würdest ...«
»Deine Waffe?«, frage ich.
Er schüttelt den Kopf. »Hab keine Munition mehr.«
»Trotzdem«, sage ich. »Wirf sie rüber.«
Er lächelt matt, deutet mit einer Bewegung des Kinns auf seine Satteltasche, die ein paar Schritte entfernt unter Ginstersträuchern liegt.
»Da musst du dich selbst bemühen.«
Ich bewege mich nicht.
»Also«, sagt er und schluckt. »Ich wollte nicht, dass es so weit kommt.«
Ich schaue ihn an. Über seinem Kopf bewegen sich die Fichtenzweige im Wind. Vom Fluss her ist das Rauschen des Wassers zu hören.
»Sie hat es provoziert. So, wie sie mich angesehen hat. Ich wollte nur … Wollte nur …«
Als ich die Waffe auf ihn richte, wird sein Blick hart.
»Scheiße«, sagt er kalt. »Sie war doch nur eine verdammte Krähe
Ich feuere, lade in einer schnellen Bewegung durch und feuere erneut.
Das Krachen der beiden Schüsse hallt eine Zeitlang nach. Dann ist da nur noch das Geräusch von Wind und Wasser.
Ich nehme meine Tasche auf und sehe sie – drei Krähen. Krieger. Bewegungslos stehen sie da, kaum zwanzig Schritte entfernt. Ich betrachte die Zeichen auf ihren nackten Leibern und warte darauf, dass sie ihre Waffen heben. Die drei Männer starren mich an.
Ich schultere mein Gewehr, drehe mich um und gehe los. Der Wind flaut ab. Vielleicht habe ich Glück mit dem Wetter.

 
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@Achillus,

was mich sofort anspringt, ist der geänderte Stil. Kurze, straighte Sätze, Ellipsen, für deine Verhältnisse beinahe minimalistisch. Das sperrig Formulierte, der subjektiv nicht vorhandene Flow, das für mich nicht Nachempfindbare, das ich in deinen letzten Texten kritisierte, ist hier nicht vorhanden. Ein guter, dynamischer Text. Schon beim ersten Lesen fielen mir Stellen auf mit weiterem Kürzungspotential, einfach um den Text noch näher, direkter, schneller zu gestalten.

Es ist Keine gute Idee, in der Nähe eines Totempfahls zu lagern
Durch die Streichung kommst du aus dem Allgemeinen direkt in die Gedanken deines Protas. Auch die folgenden Sätze könnten mMn durch Ellipsen gewinnen.
Aber heute gehe ich nicht weiter. Ich bin erledigt. Brauche Ruhe. Nicht in zwei Stunden, nicht später irgendwann, sondern jetzt. Sofort.

Eine sonderbare Stille liegt über allem, die Kronen der Ulmen, Fichten und Douglasien um mich her ragen bewegungslos in die Leere des Himmels.
Knapper finde ich besser.

Die Versuchung, mich jetzt einfach hinzulegen und zu schlafen, ist so mächtig, dass ich die Fäuste balle, durchatme und mich zwinge, das gesammelte Brennholz zu einem Tipifeuer zu schichten.
Würde ich auf zwei Sätze aufteilen.
"Die Versuchung, mich jetzt einfach hinzulegen und zu schlafen, ist mächtig. Ich balle die Fäuste, bis es schmerzt und zwinge mich, das gesammelte Brennholz aufzuschichten."
Tipifeuer lese ich zum ersten Mal, ich kenne das als Indianerfeuer. Finde ich aber eher unwichtig.

Aber mir fehlt die Kraft, das Lager zu tarnen. Risiko.
Hier stört mich das Risiko, weil es aus dem Duktus fällt. Vllt so:
"Er ist in der Nähe. Ich weiß um die Gefahr, aber mir fehlt die Kraft, das Lager zu tarnen."

Ganze Familien bevölkerten die Niederungen am Fluss.
Flussauen?

Vielleicht war das eine glücklichere Zeit, eine Zeit, in der sie (wir?) uns nicht als Feinde betrachteten.
Warum stellt der Prota das in Frage?

Wenn die Tage im Herbst so übel beginnen, ist der Winter nah.
Das bräuchte ich nicht. Der Winter naht würde mir reichen.

In meine Decke gehüllt, richte ich die Glut des Feuers für das Kaffeekochen
Für mein Sprachempfinden etwas hochgestochen.
"In meine Decke gehüllt stochere ich in der Glut, setze Kaffee auf."

Das Blut auf den schmutzigen Dielen, das Büschel ausgerissenen Haars?
das ausgerissene Haarbüschel rutscht besser.

Der Wind flaut ab. Vielleicht habe ich Glück mit dem Wetter.
Mit Glück klart es auf.

Über mir im Blattwerk des Hickorybaums flattert ein Waldsänger von Zweig zu Zweig.
Das Wichtige ist mMn der Vogel, den er hört.

Ob wir Menschen schreien, bluten oder sterben, es spielt keine Rolle, macht keinen Unterschied.

Er ist am Ende. Ihm geht der Proviant aus, und zum Jagen fehlt ihm die Zeit. Ich könnte abwarten. Die Taiga wird ihn erledigen.
Den ersten Satz würde ich streichen, das gleiche sagst du mit dem fetten Satz prägnanter.

Oder ein Pfeil zerfetzt ihm die Brust.
Wo soll der herkommen? Von den Krähen?

Die Strömung zerrt an mir. Mag sie alles wegspülen, all diese Gedanken, Bilder, Gefühle. Doch als ich aus dem Wasser steige, rieche ich wieder den Duft ihres Haars.
Würde ich noch straighter erzählen: "Die Strömung zerrt an mir, spült alles weg, Gedanken, Bilder, Gefühle. Als ich aus dem Wasser steige, rieche ich wieder den Duft ihres Haars, sehe das Schimmern ihrer Haut, höre den Klang ihrer Stimme."

Dorthin, wo sich Hemlock-Tannen und Rot-Zedern an die Felsen der Klamm schmiegen
Ist glaub ich nur für Forstwirte und BUNDler wichtig (sag ich als Tischler …). ;) auch Sitka-Fichte, das lenkt mich vom Geschehen ab.

wie er mich Tag für Tag an der Fährtenkiste unterrichtete
Was ist eine Fährtenkiste, so was wie eine Beziehungskiste?

Mit einem Zweig hatte er Spuren in den Sand gezeichnet, und nun schauten wir ihnen dabei zu,
… , wir schauten dabei zu, ...

Jede Krähe, ohne Ausnahme, gleich ob Krieger, Greis, Frau oder Kind.
ja schon klar, jede Krähe halt. Hat eine gewisse Redundanz.

Seine Augen betrachten mich mit einem Blick, in dem es keine Hoffnung gibt.
bissl pathetisch, warum nicht leerer Blick?

Sie hat es provoziert. Das musst du mir glauben.
Das klingt etwas dümmlich, lass ihn etwas behaupten wie zB: So wie sie mich angeschaut hat ...

Diese Welt will mein Ende. Nichts dagegen einzuwenden.
Das würde ich auf die Welt beziehen: Diese Welt will mein Ende, doch sie muss noch warten.

Ich lese sowas gerne, die Dynamik erinnert mich an Rache-Western, an das Unausweichliche der finalen Szene im Glanzrappen, wo der Verfolger über den Berg kommt und die Dinge ihren Gang gehen müssen.
Mal ein anderer Text von dir, dem die bleischwere Komplexität fehlt, die mich zB. bei deinem Challengebeitrag abschreckte. Gerne gelesen.

Peace, linktofink

 

Hallo @Achillus ,
schöner Text, wirklich. Ich mag die Balance zwischen der erbarmungslosen Jagd (nie zornig, sondern eher folgerichtig) und der Gefühle des Protagonisten. In vielen Actionstreifen wird dem Helden ja ein Motiv gegeben (Frau, Kind und/oder Hund abgeschlachtet) und dann sehe ich ihm 75 Min. dabei zu, wie er sich seinen Weg zum vermeintlichen Seelenfrieden schnetzelt. Vielleicht noch mit einer 30 sekündigen rührseligen Szene, wo er ein verknittertes Foto anschaut vor dem letzten Akt.
Hier hast du für mich eine ausgewogene Mischung aus Setting, Handlung, Motiv und Rückschau gefunden.

Es ist keine gute Idee, in der Nähe eines Totempfahls zu lagern.
Ein toller erster Satz :)
Ich verorte mich im wilden Westen und ich erahne, dass ich nicht auf der Seite der Indianer stehe.

Würde mir reichen. Aber dann kommen:

Karibufell
Tipifeuer
das alte Henry-Gewehr
Hemlock-Tannen und Rot-Zedern
Sitka-Fichte
das Henry-Gewehr in den Händen.

Blattwerk des Hickorybaums flattert ein Waldsänger von Zweig zu Zweig
und da habe ich beim Lesen das Gefühl gehabt ein Stück aus einem Drehbuch zu lesen, wo das Setting für die Requisite beschrieben wird. Dabei bin ich doch allein durch deinen ersten Satz schon mitten im kalten Sand.
Ich frag mich, ob der Protagonist sich tatsächlich über die Art seines Felles Gedanken macht. Die Baumsorten charakterisieren eventuell seine Fähigkeit die Wildnis zu lesen, aber das zeigst du mir auch durch andere Punkte. So sind es nur fremde Namen, die mir nicht viel geben. Auch das Gewehr, das fühlt sich an, wie ein Insider, den ich nur nicht versteh, weil ich kein Experte auf dem Gebiet bin.
Den genauen Blick auf den Waldsänger vom letzten Zitat fand ich wieder gut, weil er eine Brücke schlägt zu den Gedanken um die unerbittliche Natur danach.

Die Fährtenkiste fand ich total spannend und in diesem Text ein literarisches Multifunktionskit ;)

Ok, ich muss hier mal aufhören, mir ist die Zeit abhanden gekommen.
Morgen kommt noch was zur Stelle, die bei der Fährtenkiste anfängt (Dazu brauch ich aber nen wachen Kopf).

War schön und bis bald

man liest sich
huxley

 

Hallo! @Achillus

Wieder ein sehr lesenswerter Text von Dir.
Das Setting erinnert mich an Jack London Stories, die ich früher gelesen habe. Große Naturbilder, die meist die Popeligkeit der Menschen verdeutlicht, die sie durchstreifen. So sehr ich die Naturbeschreibungen genieße, dringt mir doch an einigen Stellen die Erzählerstimme zu deutlich durch. Das betrifft vor allem die konkrete Benennung der Baumarten, des "Henry-Gewehrs" und das Caribou-Fell. Das sind sehr Kopf-lastige Beschreibungen, denen ich eine sinnliche Erfahrbarkeit vorziehe. Ich meine: dunkles Grün der Baukronen, struppiges Fell, verbeulte Knarre und so was. Sicher eine Geschmacksfrage.
Die Handlung: Es gibt zwar eine zünftigen Rache-Background, aber ich empfinde das während (!) des Lesens nur als ein Rauschen innerhalb der übermächtigen Umgebung. Die seelische Qual des Helden erschließt sich aus Handlungselementen und kruzen Innenblicken. Das ist so ein richtiger Clint Eastwood; verbittert, schweigsam aber unter der wettergegerbten Haut ein Vulkan.
Die Spannung bleibt ein wenig auf der Strecke. Der Held verfolgt den Mörder seiner Liebsten und tötet ihn. Das ist, mit Verlaub, etwas spannungsarm und nicht geeignet, um mich in die Geschichte zu reißen. Aufgewertet wird die simple Handlung aber gegen Ende, durch eine sozialkritische Komponente. Die rassistische Sicht des Mörders wird der ungewöhnlichen Verbindung des Helden zu einer der "Krähen" gegenübergestellt. Und es wird klar, dass es bei diesem Mord und der Rache um mehr als einen persönlichen Konflikt geht.
Denn hier prallen auch zwei gegensätzliche Weltanschauungen aufeinander. Zutiefst menschenverachtender Rassismus trifft auf das Gegenteil: Die intime Verbindung zweier Kulturen auf Basis der Liebe. Und je länger ich nachdenke und einzelne Stellen wiederholt lese, dämmern mir noch mehr Gleichnisse. Ist es ein Zufall, dass die Vergewaltigung der weißen Mädchen durch zwei Krähen zum Anlass der Verfolgung eines ganzen Volkes wurde? Und soll mir die erbarmungslose Antwort des Helden auf die widerliche Rechtfertigung des Mörders noch mehr sagen, als dass er stinksauer ist? Wenn ja, dann finde ich das gut gemacht.
Hast Du eigentlich die deutsche Bezeichnung "Krähen" statt der üblichen englischen "Crow" mit einer bestimmten Absicht verwendet?

Schöne Grüße!
Kellerkind

 

Es ist keine gute Idee, in der Nähe eines Totempfahls zu lagern.
...
Eine Sippe Krähen lebte hier viele Jahre lang. Mein Vater hat es mir erzählt. Damals zogen nicht nur ihre Späher und Krieger durchs Land.

Wa lakota,

Achillus,

ich fall mal gleich mit der Tür ins Haus, denn Totempfähle und „Crows“ (eigentlich Absaroka - „Kinder des Vogels mit dem großen Schnabel“), ein Volksstamm der großen Sprachfamilie der „Sioux“, ein Prairie-Stamm, passen nicht zusammen. Totempfähle wurden an der Nordwestküste (die „Kwaitkutl“ sind wohl der bekannteste Stamm, allein schon weil seinerzeit Thorstein Veblen seine „Theorie der feinen Leute“ aus Studien zum verschwenderischen Verhalten der Ureinwohner des nordwestlichen Nordamerikas entwickelte, das vollständig im Gegensatz zu unseren heutigen verschwenderischen Konsumgewohnheiten steht, denn (ver)„Schenken“ war die Grundlage dieser Art von Verschwendung – jetzt so aus‘m Gedächtnis, ist fast ein halbes Jahrhundert her, dass ich Veblen gelesen hab), so muss ich schon fast – als mir der Henrystutzen auffällt, an Karl May denken, den ich zuletzt mit 13 gelesen hab und die Filme – Schatz im Silbersee und einer der Winnetou Filme - gaben mir dann den Rest, weil mir früh klar wurde, dass Apachen - im 19. Jh. eines der primitivsten, aber widerstandsfähigsten Völker überhaupt - keine Pueblos bauten.

… was nix über Deine Sprachkultur sagt, denn die ist wie immer souverän und - auch das aus dem Gedächtnis heraus - der Karl M.s überlegen und außer dem Grundsätzlichen gibt's da nix zu maulen, hier mal ein kleiner Vertipper

Ich sehe ihn vor mir, wir er innehält und dort hinüber starrt.
hier zwo Zusammenschreibungen
Mit einem Zweig hatte er Spuren in den Sand gezeichnet, und nun schauten wir ihnen dabei zu, wie sie vom Regen aufgeweicht, von der Sonne getrocknet, vom Wind davon getragen wurden.
Hier „davontragen“, also auch sein Partizip ein Wort, wie auch hier „zusammenfahren"
Der Schrei einer Eule lässt mich zusammen fahren.

Tschüss

Fiedel

 

Hallo @Achillus ,

Jack London ist auch einer meiner Lieblings-Schriftsteller. Und ein Buch mit diesem Tonfall würde ich sofort lesen. Es ist unglaublich spannend und sehr nah am Leser.
Auch mir waren es eine Spur zu viele Details bei der Benennung von Pflanzenarten und Tieren. Ich würde, wenn ich am Lagerfeuer sitze, zum Beispiel nicht die einzelnen Baumarten identifizieren.

Ein Detail hat mich innehalten lassen. Ich habe gegoogelt.

Bei Sonnenaufgang fegt ein eisiger Wind über die Taiga.
Den Begriff Taiga verbinde ich gedanklich mit Sibirien, und Wikipedia sagt, dass die Bezeichnung dem Mongolischen entlehnt ist. Ich weiß dann zwar, welche Art von Landschaft gemeint ist, denke aber, dass man die Landschaft in Amerika nicht so bezeichnet hätte.
Kann mich aber auch irren.

Sehr gerne gelesen.

 

Hi @Achillus

ist für mich die erste Geschichte, die ich von dir lese.
Wenn du mal was von mir gelesen hast, weißt du, dass ich viel auf kurze und knappe Beschreibungen setze und Ellipsen eigentlich Standardcharakteristika meiner Texte sind. Von dem her hat deine Geschichte mir sprachlich sehr gut gefallen.

An manchen Stellen waren es dann zu viel Baumnamen und zu viel Detail, hat mich beim Lesen mehr gestört, als Bilder erzeugt. Aber im Großen und Ganzen habe ich deine Geschichte gern gelesen.

Wie gesagt. Wenn du schon auf ellipsenartige Beschreibungen und Bilder setzt, dann würde ich mir bei den Baumarten und Gattungen gar nicht so die Gedanken mehr machen. Oder ist der Prota so ein Baumartenfetischist?

Die Baumwipfel hätten auch gereicht :)

Gern gelesen.

Viele Grüße
Napier

 

Den Begriff Taiga verbinde ich gedanklich mit Sibirien, und Wikipedia sagt, dass die Bezeichnung dem Mongolischen entlehnt ist. Ich weiß dann zwar, welche Art von Landschaft gemeint ist, denke aber, dass man die Landschaft in Amerika nicht so bezeichnet hätte.
Ging mir auch so, hatte auch leichte Unsicherheiten bei der Verortung, auch weil du nicht Crows schreibst und ich mich fragte, warum du eine eindeutige Platzierung in Nordamerika meidest.

 

Hallo linktofink, vielen Dank für Deine Rückmeldung zum Text. Hat mich sehr gefreut, von Dir zu lesen.

was mich sofort anspringt, ist der geänderte Stil. Kurze, straighte Sätze, Ellipsen, für deine Verhältnisse beinahe minimalistisch. Das sperrig Formulierte, der subjektiv nicht vorhandene Flow, das für mich nicht Nachempfindbare, das ich in deinen letzten Texten kritisierte, ist hier nicht vorhanden.

Tatsächlich ist mir dieser Stil mit kurzen Sätzen gar nicht so fremd. Ich hatte damit bereits in früheren Geschichten experimentiert. Ich denke, das bietet sich bei Erzählungen aus der Ich-Perspektive manchmal an, wenn es darum geht, die Schnelligkeit und Unmittelbarkeit von Gedanken darzustellen. Literarisch ist es deshalb aber trotzdem kein Allheilmittel und eine Vorliebe für solche Kurzsatz-Texte könnte (nicht bei Dir) auch mit Sprachfaulheit zusammenhängen. Sperrig sollte ein Text wahrscheinlich nie sein, aber auch Geschichten mit komplexen Satzstrukturen können fließen. Ich denke da an »Die Korrekturen« von Franzen.

Ein guter, dynamischer Text. Schon beim ersten Lesen fielen mir Stellen auf mit weiterem Kürzungspotential, einfach um den Text noch näher, direkter, schneller zu gestalten.

Danke für das Lob und die Kürzungsvorschläge. Davon werde ich sicher einiges umsetzen. Schaue ich mir in den nächsten Tagen genauer an.

Ich lese sowas gerne, die Dynamik erinnert mich an Rache-Western, an das Unausweichliche der finalen Szene im Glanzrappen, wo der Verfolger über den Berg kommt und die Dinge ihren Gang gehen müssen.

Ja, die Idee war, eine recht simple Ereigniskette in der Darstellung auf das Minimum zu reduzieren und dabei trotzdem noch so etwas wie eine komplette Geschichte raus zu kriegen. Und das hat auch ganz gut geklappt, glaube ich. Vielen Dank für Deine Hinweise, linktofink.

Gruß Achillus

Hallo Huxley, vielen Dank für Deinen Kommentar, war schön, das zu lesen.

Ich mag die Balance zwischen der erbarmungslosen Jagd (nie zornig, sondern eher folgerichtig) und der Gefühle des Protagonisten. In vielen Actionstreifen wird dem Helden ja ein Motiv gegeben (Frau, Kind und/oder Hund abgeschlachtet) und dann sehe ich ihm 75 Min. dabei zu, wie er sich seinen Weg zum vermeintlichen Seelenfrieden schnetzelt. Vielleicht noch mit einer 30 sekündigen rührseligen Szene, wo er ein verknittertes Foto anschaut vor dem letzten Akt.

Es ist nie ganz leicht, die Motivation des Helden angemessen darzustellen, finde ich. Man landet schnell im Rührseligen, so wie Du schreibst. Andererseits will man es auch nicht lediglich formal abhandeln, sondern will ja nachvollziehbare Emotionen zeigen.

Hier hast du für mich eine ausgewogene Mischung aus Setting, Handlung, Motiv und Rückschau gefunden.

Danke, das freut mich.

Ich frag mich, ob der Protagonist sich tatsächlich über die Art seines Felles Gedanken macht. Die Baumsorten charakterisieren eventuell seine Fähigkeit die Wildnis zu lesen, aber das zeigst du mir auch durch andere Punkte. So sind es nur fremde Namen, die mir nicht viel geben. Auch das Gewehr, das fühlt sich an, wie ein Insider, den ich nur nicht versteh, weil ich kein Experte auf dem Gebiet bin.

Den Punkt haben auch andere Kommentatoren angesprochen. Werde ich drüber nachdenken. Zunächst einmal denke ich, dass Autoren gut daran tun, Dinge konkret und präzise zu benennen. In einem urbanen Krimi würde sich niemand wundern, wenn der Erzähler statt von Auto von Ford Focus oder Audi TT spricht. Aber wenn es darum geht, eine Pappel von einer Buche zu unterscheiden, wird es schwierig. Das hängt auch von den Interessen und dem Wissen des Lesers ab.

Was das Henry-Gewehr betrifft, so ist das ein Wink in Richtung Karl May dessen Old Shatterhand mit einem »Henrystutzen« durch die Wildnis zog. So eine Waffe gab und gibt es gar nicht. Sie war eine reine Erfindung, aber das Henry-Rifle ist eine historische Waffe.

Die Fährtenkiste fand ich total spannend und in diesem Text ein literarisches Multifunktionskit

Die Fährtenkiste ist angeblich eine indianische Erfindung. Sie dient dem systematischen Training des Fährtenlesens. Ich habe das hier in der Geschichte nur angedeutet. In der Praxis lernt man mit der Fährtenkiste, das Altern von Trittsiegeln einzuschätzen. Auch Witterungseinflüsse, Spuren auf unterschiedlichen Böden können so beobachtet werden. Das ist viel effektiver, als es lediglich anhand realer Spuren zu lernen.

Ich danke Dir für Deine Hinweise, Huxley

Gruß Achillus


Wird fortgesetzt …

 

Hallo Kellerkind, vielen Dank für Deine Hinweise zum Text.

Wieder ein sehr lesenswerter Text von Dir. Das Setting erinnert mich an Jack London Stories, die ich früher gelesen habe. Große Naturbilder, die meist die Popeligkeit der Menschen verdeutlicht, die sie durchstreifen.

Vielen Dank. Ich habe Jack London Stories auch geliebt, wie überhaupt Jagd- und Wildnisgeschichten.

So sehr ich die Naturbeschreibungen genieße, dringt mir doch an einigen Stellen die Erzählerstimme zu deutlich durch. Das betrifft vor allem die konkrete Benennung der Baumarten, des "Henry-Gewehrs" und das Caribou-Fell. Das sind sehr Kopf-lastige Beschreibungen, denen ich eine sinnliche Erfahrbarkeit vorziehe. Ich meine: dunkles Grün der Baukronen, struppiges Fell, verbeulte Knarre und so was. Sicher eine Geschmacksfrage.

Das haben auch einige andere Kommentatoren angemerkt. Vielleicht werde ich da ein bisschen reduzieren, wenn ich den Text überarbeite.

Die Handlung: Es gibt zwar eine zünftigen Rache-Background, aber ich empfinde das während (!) des Lesens nur als ein Rauschen innerhalb der übermächtigen Umgebung. Die seelische Qual des Helden erschließt sich aus Handlungselementen und kruzen Innenblicken. Das ist so ein richtiger Clint Eastwood; verbittert, schweigsam aber unter der wettergegerbten Haut ein Vulkan.

Ich mag in Filmen Männerfiguren, die gedämpft agieren. Das sind in Hollywood-Filmen so Typen wie Robert Redford oder Eastwood. Seitdem die Menschen Dramen nicht mehr ausschließlich im Theater anschauen, müssen die Schauspieler auch nicht mehr in Gestik und Mimik so übertreiben, damit auch die Leute in der letzten Reihe, mitbekommen, dass sie gerade trauern. In der Literatur finde ich Sparsamkeit in dieser Hinsicht auch meist ansprechender.

Um so elementare Leidenserfahrungen wie den Verlust eines geliebten Menschen authentisch zu schildern, fehlen mir ohnehin die Worte. Da belasse ich es lieber bei Andeutungen.

Die Spannung bleibt ein wenig auf der Strecke. Der Held verfolgt den Mörder seiner Liebsten und tötet ihn. Das ist, mit Verlaub, etwas spannungsarm und nicht geeignet, um mich in die Geschichte zu reißen.

Mir ist bewusst, dass man es so empfinden kann. Aber ich setze da auf die Qualität der Geschichte als Gesamtpaket und hoffe, dass das für ein wenig fehlende Spannung entschädigt.

Aufgewertet wird die simple Handlung aber gegen Ende, durch eine sozialkritische Komponente. Die rassistische Sicht des Mörders wird der ungewöhnlichen Verbindung des Helden zu einer der "Krähen" gegenübergestellt. Und es wird klar, dass es bei diesem Mord und der Rache um mehr als einen persönlichen Konflikt geht.

Ja, das lädt ein, die Geschichte noch einmal mit diesem neuen Wissen zu betrachten. So ganz neben der Kultur der Krähen ist der Held jetzt plötzlich nicht mehr. Zunächst empfindet man ihn beim Lesen als jemanden, der die Krähen als Weißer von außen betrachtet, aber jetzt bekommt das Ganze noch mal eine neue Färbung.

Denn hier prallen auch zwei gegensätzliche Weltanschauungen aufeinander. Zutiefst menschenverachtender Rassismus trifft auf das Gegenteil: Die intime Verbindung zweier Kulturen auf Basis der Liebe. Und je länger ich nachdenke und einzelne Stellen wiederholt lese, dämmern mir noch mehr Gleichnisse.

Freut mich. Ich hatte bei der Stelle, die besagt, dass der Vater den Trick mit der Fährtenkiste von einem Indianer gelernt hat, bereits andeuten wollen, dass es einmal engere Kontakte zwischen Weiß und Rot gab.

Ist es ein Zufall, dass die Vergewaltigung der weißen Mädchen durch zwei Krähen zum Anlass der Verfolgung eines ganzen Volkes wurde? Und soll mir die erbarmungslose Antwort des Helden auf die widerliche Rechtfertigung des Mörders noch mehr sagen, als dass er stinksauer ist? Wenn ja, dann finde ich das gut gemacht.

Nein, das ist kein Zufall. Die Geschichte spielt ja überhaupt mit der philosophischen Dimension von Vergeltung. Die Siedler vergelten die Vergewaltigung von weißen Frauen, der Held rächt sich für den Tod seiner Krähen-Frau. Kann man das gleichsetzen? Wohin führt dieser Weg usw.

Hast Du eigentlich die deutsche Bezeichnung "Krähen" statt der üblichen englischen "Crow" mit einer bestimmten Absicht verwendet?.

Ja, ich wollte nicht über die Crow/ Apsáalooke schreiben, denn das hätte sich dann historisch korrekt einordnen lassen müssen. Ich wollte auch offen lassen, in welcher Zeit das Ganze überhaupt spielt. Von der beschriebenen Flora her könnte man auf Kanada schließen, und so hatte ich es auch im Sinn.

Vielen Dank für Deine Hinweise und Gedanken, Kellerkind.

Gruß Achillus

Hallo Friedrichard, vielen Dank für Deine Hinweise zum Text. Hab mich sehr gefreut, von Dir zu lesen.

… ich fall mal gleich mit der Tür ins Haus, denn Totempfähle und „Crows“ … passen nicht zusammen.

Das wusste ich nicht. Darüber habe ich mir beim Schreiben keine Gedanken gemacht, denn ich meinte nicht die »Crow-Indianer«, sondern einfach ein »wildes Volk«, das alle als »Krähen« bezeichnen. Ich wollte dabei offen lassen, ob sich das in erster Linie auf den Totemismus der Indianer bezieht oder despektierlich gemeint ist, also eine abfällige Bezeichnung durch die Weißen ist.

Der Hintergrund war, dass sich viele indigene Völker als Nachfahren von Tieren betrachten/ betrachteten, Krähenmenschen, Bärenmenschen, Adlermenschen usw.

so muss ich schon fast – als mir der Henrystutzen auffällt, an Karl May denken,

Ja, der Wink in Richtung Karl May war beabsichtigt. Aber im Gegensatz zum »Henrystutzen« gab es das Henry-Gewehr wirklich. Dieser Unterhebelrepetierer war eine verbreitete Waffe und spielte im amerikanischen Bürgerkrieg eine bedeutende Rolle.

was nix über Deine Sprachkultur sagt, denn die ist wie immer souverän und - auch das aus dem Gedächtnis heraus - der Karl M.s überlegen und außer dem Grundsätzlichen gibt's da nix zu maulen,

Vielen Dank, Friedrichard, für das Lob und auch die Fehler-Hinweise. Da setze ich mich ran.

Gruß Achillus

Hallo Sveit, vielen Dank für Deine Hinweise. Schön, dass Du geschrieben hast.

Jack London ist auch einer meiner Lieblings-Schriftsteller. Und ein Buch mit diesem Tonfall würde ich sofort lesen. Es ist unglaublich spannend und sehr nah am Leser.

Freut mich, dass Du es so empfindest.

Auch mir waren es eine Spur zu viele Details bei der Benennung von Pflanzenarten und Tieren. Ich würde, wenn ich am Lagerfeuer sitze, zum Beispiel nicht die einzelnen Baumarten identifizieren.

Ein Gedanke war, dass so ein Trapper, Ranger, Fährtenleser wie der Held der Geschichte, die Tiere und Pflanzen der Gegend bestimmt genau kennt.

Den Begriff Taiga verbinde ich gedanklich mit Sibirien, und Wikipedia sagt, dass die Bezeichnung dem Mongolischen entlehnt ist. Ich weiß dann zwar, welche Art von Landschaft gemeint ist, denke aber, dass man die Landschaft in Amerika nicht so bezeichnet hätte. Kann mich aber auch irren.

Ging mir auch so, hatte auch leichte Unsicherheiten bei der Verortung, auch weil du nicht Crows schreibst und ich mich fragte, warum du eine eindeutige Platzierung in Nordamerika meidest.

Der Begriff »Taiga« bezeichnet den Landschaftstyp des borealen Nadelwaldes. Taigas gibt es in Alaska, Kanada, Nordeuropa, Sibirien und der Mongolei. Diese Waldformationen/ Waldtypen sind die nördlichsten der Erde.

Du hast aber sicher recht, dass ein Amerikaner des 19.Jahrhunderts nicht von »Taiga« gesprochen hätte. Beim Schreiben hatte ich keine historische Epoche vor Augen. Ich habe deshalb auch nicht von den Crow-Indianern gesprochen, weil ich die genaue Einordnung umgehen wollte.

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren, Sveit.

Gruß Achillus

Hallo Napier, habe mich über Deinen Kommentar gefreut, vielen Dank dafür.

ist für mich die erste Geschichte, die ich von dir lese.

Wenn du mal was von mir gelesen hast, weißt du, dass ich viel auf kurze und knappe Beschreibungen setze und Ellipsen eigentlich Standardcharakteristika meiner Texte sind. Von dem her hat deine Geschichte mir sprachlich sehr gut gefallen.


Höre ich gern, vielen Dank.

An manchen Stellen waren es dann zu viel Baumnamen und zu viel Detail, hat mich beim Lesen mehr gestört, als Bilder erzeugt. Aber im Großen und Ganzen habe ich deine Geschichte gern gelesen.

Das hatten auch andere Leser angemerkt, das schaue ich mir noch mal an.

Wie gesagt. Wenn du schon auf ellipsenartige Beschreibungen und Bilder setzt, dann würde ich mir bei den Baumarten und Gattungen gar nicht so die Gedanken mehr machen. Oder ist der Prota so ein Baumartenfetischist?

Der Protagonist lebt in dieser Wildnis. Für ihn ist es völlig natürlich, die Tiere und Pflanzen bei ihren Namen zu nennen. Das würdest Du auch. Ungewöhnlich ist das für Dich nur deshalb, weil Du diese Welt nicht kennst. Wenn Du einmal gelernt hast, einen Specht von einer Amsel zu unterscheiden, sagst Du auch nicht mehr: »Schau mal, der Vogel da!«

Aber ich verstehe, was Du meinst.

Vielen Dank für Deine Hinweise, Napier!

Gruß Achillus

 

Das wusste ich nicht. Darüber habe ich mir beim Schreiben keine Gedanken gemacht, denn ich meinte nicht die »Crow-Indianer«, sondern einfach ein »wildes Volk«, das alle als »Krähen« bezeichnen. Ich wollte dabei offen lassen, ob sich das in erster Linie auf den Totemismus der Indianer bezieht oder despektierlich gemeint ist, also eine abfällige Bezeichnung durch die Weißen ist.

Ich noch mal, wenn ich darf,

Achillus,

bräche da nicht die Moderne (und sei‘s das 19. Jh.) mit dem Gewehr ein, könnte sich die kleine Erzählung auf den längsten Zeitraum des Anthtopozän beziehen, die Namen Prärie oder Taiga wurscht als Ort des Geschehens, die sozialen Einheiten klein und überschaubar.

Totemismus – in welcher Form auch immer – gab‘s überall und die Totempfähle des Amerikanischen Nordwestens kannstu getrost vergleichen z. B. mit den Wappen, wie wir sie aus unserer eigenen Geschichte (von der kleinsten Gruppe, dem Paar, bis hinauf zu den Völkern und Bündnissen kennen.

Das beliebteste Wappentier ist m E. neben dem Pferd der Adler, weil er nicht nur gelegentlich doppelköpfig daherkommt, sondern oft auf seinem Vogelkörper eben keinen entsprechenden Kopf trägt (sondern „Phönix“, Wolf u. a. zB). Das bekloppteste, von dem ich weiß, ist das Wappen“tier“ von Lubin, Niederschlesien – auf dem Adlerrumpf sieht man die Jungfrau mit Kind (Lubin – Wikipedia), von ihrem Ursprung her die ägyptische Isis mit Kind (Horus, Sohn des durch Brudermord hingestreckten Osiris - was sich im Nordlicht im Baldr/Loki Schicksal widerspiegelt).

Es muss einen Urmythos geben, der mit den Wanderungen und Generationswechseln zu immer neuen Variationen über ein und dasselbe Thema führt. Im Namen des Bären (ahd. bero, mhd. ber, die Zusammensetzung Berserker, eigentlich der Braune, hält die alte Form noch ein). Nicht nur die Dudenredaktion vermutet die Namensgebung aus der Furcht heraus, das Tier bei Nennung des wahren Namens zu reizen (vgl. Duden Bd. 7. Das Herkunftswörterbuch, 7. Aufl., Mannheim 2006, S. 69 f.) Wundert es da, dass der Freistaat "Bruno" (den Braunen) unbedingt ausstopfen wollte?

Wäre die Zeitebene der kleinen Erzählung halt vor der Kupferzeit, sie wäre nahe bei @linktofink s "Scharfstein"
https://www.wortkrieger.de/index.php?threads/scharfstein.64537/
Hoffe, nicht gelangweilt zu haben

Friedel

 

Hallo @Achillus,
mir gefällt sehr gut, wie du die Empfindungen und Gedanken der Figur beschreibst. Das wirkt sehr authentisch, und ich kann mir gut vorstellen, dass jemand, der alleine durch die Wildnis zieht, genau so fühlt und denkt. Auch die Darstellung der Umgebung und Atmosphäre haben mir sehr gut gefallen. Da wirkt nichts gekünstelt oder aufgesetzt auf mich, auch die genauen Bezeichnungen der Bäume und Tiere haben mich nicht gestört. Auf mich wirkte es nicht so, als ob jemand in dieser Situation an den Namen eines Baumes denkt, sondern, dass er sie eben kennt und mir der Erzähler hier ein klareres Bild vermittelt, was genau ihn umgibt. Auch passt es für mich zu deiner Figur. Um in der Wildnis zu überleben, muss man jedem Detail besondere Aufmerksamkeit schenken, die Bezeichnung der Pflanzen&Tiere passen für mich hier also zu seinem Charakter. Auch mehr Ellipsen braucht es für meinen Geschmack nicht, das würde deinem Prota sowas Gehetztes geben, was für mich hier nicht passen würde. Ich sehe ihn eher ruhig und gelassen vor mir.

Die Spannung bleibt aber leider etwas auf der Strecke für mich. Nachdem du mich so gut in diese Wildnis mitgenommen hast, ging der Showdown ziemlich schnell, da hätte ich mir mehr Komplikationen gewünscht, vielleicht schon früher das Gefühl haben müssen, er fühlt sich beobachtet, wird evtl. sogar angegriffen. Dieses Gefühl kam für mich nicht rüber, sondern eben in erster Linie die Charakterisierung eines Mannes, der in der Wildnis überlebt, alleine mit seinem Verlust klar kommen muss und Rachegedanken hat. Für mich hätte es diesen Showdown nicht gebraucht.


Es ist keine gute Idee, in der Nähe eines Totempfahls zu lagern.
Schöner Einführungssatz. Macht mich gleich neugierig.

Diese Welt will mein Ende. Nichts dagegen einzuwenden.
Ich finde, das muss unbedingt so bleiben, macht es doch auch nochmal diesen Gedanken klar:

Ob wir Menschen schreien, bluten oder sterben, es spielt keine Rolle, macht keinen Unterschied.

Dein Prota scheint sich mehr mit der Wildnis verbunden zu fühlen als mit den Menschen. Auch hilft ihm diese Einstellung, nicht durchzudrehen, einen kühlen Kopf zu bewahren. Nach dem Tod seiner Frau scheint ihm der eigene Tod auch weitestgehend egal zu sein. Er braucht diese Einstellung, um zu überleben. Und auch, wenn er mit den Feinden lieber die Friedenspfeife rauchen würde ( nicht nach dem Tod der Frau natürlich, aber generell), weiß er, dass er nicht drum herum kommt, seinen Teil zu diesem Krieg beizutragen.
Für mich ist das ein interessantes Psychogramm, das ich gerne gelesen habe.

Viele Grüße,
Chai

 

Hallo @Achillus!

Ein paar Gedanken zu deinem schönen Text.

Vielleicht ist das jetzt schwer verständlich, aber die Stärke von Texten, die in der Wildnis spielen, sehe ich im Auflösen der Grenze zwischen Mensch und Natur. Die Wildnis handelt mit und gegen den Protagonisten, das ist dieses irre Spannungsfeld, aus dem Texte der Wildnis ihre Faszination schöpfen können. Oder auch nicht. Dir ist das sehr gut gelungen.

Leider hat die allgemeine Unterhaltungsindustrie den Indianer in Tipis an Totempfahle in karge Wüstenlandschaften versetzt. Manchmal sticht ein Kaktus. Und die Dampflok wird immer-immer-immer mit Holz beheizt. Schon klar. Du schlägst eine andere Klimazone ein, die boreale, das gefiel mir außerordentlich gut.

Ich bin ganz vorsichtig, aber irgendwie weigere ich mich, zwischen Setting und Protagonisten, selbst zu Analysezwecken oder Beschreibungszwecken, aufzufrimeln. Ja, ich weiß, das ist nur ein Hilfsmittel, aber Karten sind auch Hilfsmittel und haben eine enorme subjektive Wirkung zur Konstitutierung der eigenen Weltwahrnehmung. Aber das ist nur meine Meinung. Dein Protagonist ist Angehöriger einer indigenen Ethnie Nordamerikas, er wird nichts mit einer Trennung zwischen Natur und Kultur anfangen können.

Aus diesem Grund finde ich, anders als die sehr erfahrenen Vorkommentatoren wie @Huxley es erwähnt haben, die Erwähnung der Baumtypen und der Vegetation außerordentlich wichtig, da sie die Vielfalt der subjektiven Erfahrungen des Protagonisten reflektieren könnte. Mit einer Sitka-Fichte oder einer Hemlock-Tanne kann man jedoch nicht viel anfangen. Vielleicht wären "sinnlichere" Baumtypen passender, @Kellerkind hat das ja schon erwähnt, Schwarz-Erlen, die aus Morast und Totholz wurzeln, so etwas vielleicht. Aber das bleibt eine Geschmacksfrage. Mehr nicht.

Ich hoffe, du konntest etwas damit anfangen.

kiroly

 

Hallo Friedrichard, vielen Dank, dass Du noch mal reingeschaut hast.

Hoffe, nicht gelangweilt zu haben

Ganz und gar nicht, danke für diese Ausführungen. Mir erscheint der Totemismus auch wie eine frühe Form des Evolutionsgedankens, also die Annahme, dass der Mensch nicht als fertiges Wesen in die Welt gesetzt wurde, sondern eine Abstammungslinie aus dem Animalischen besitzt. Jedenfalls ein spannendes Thema.

Gruß Achillus

Hallo Chai, danke fürs Kommentieren, hat mich sehr gefreut.

mir gefällt sehr gut, wie du die Empfindungen und Gedanken der Figur beschreibst. Das wirkt sehr authentisch, und ich kann mir gut vorstellen, dass jemand, der alleine durch die Wildnis zieht, genau so fühlt und denkt. Auch die Darstellung der Umgebung und Atmosphäre haben mir sehr gut gefallen. Da wirkt nichts gekünstelt oder aufgesetzt auf mich, auch die genauen Bezeichnungen der Bäume und Tiere haben mich nicht gestört.

Schön, dass es für Dein Empfinden funktioniert hat.

Auf mich wirkte es nicht so, als ob jemand in dieser Situation an den Namen eines Baumes denkt, sondern, dass er sie eben kennt und mir der Erzähler hier ein klareres Bild vermittelt, was genau ihn umgibt. Auch passt es für mich zu deiner Figur.

Ja, das war die Idee dahinter. Das Problem ist jetzt, wie sich zeigt, dass manche Leser mit diesen Namen nicht viel anfangen können und sie als Fremdkörper empfinden, die den Lesefluss stören. Ich muss mal nachdenken, ob sich da ein Kompromiss finden lässt.

Um in der Wildnis zu überleben, muss man jedem Detail besondere Aufmerksamkeit schenken, die Bezeichnung der Pflanzen&Tiere passen für mich hier also zu seinem Charakter. Auch mehr Ellipsen braucht es für meinen Geschmack nicht, das würde deinem Prota sowas Gehetztes geben, was für mich hier nicht passen würde. Ich sehe ihn eher ruhig und gelassen vor mir.

Sehe ich auch so.

Die Spannung bleibt aber leider etwas auf der Strecke für mich. Nachdem du mich so gut in diese Wildnis mitgenommen hast, ging der Showdown ziemlich schnell, da hätte ich mir mehr Komplikationen gewünscht, vielleicht schon früher das Gefühl haben müssen, er fühlt sich beobachtet, wird evtl. sogar angegriffen. Dieses Gefühl kam für mich nicht rüber, sondern eben in erster Linie die Charakterisierung eines Mannes, der in der Wildnis überlebt, alleine mit seinem Verlust klar kommen muss und Rachegedanken hat. Für mich hätte es diesen Showdown nicht gebraucht.

Das kann ich gut nachvollziehen. Es ist keine Geschichte, die auf Hindernissen zum Ziel führt. Das rollt alles recht komplikationsfrei ab. Vielleicht sollte ich den Spannungstag rausnehmen. In diesem Fall war für mich die Natur, die düstere Hintergrundgeschichte und der Marsch durch die Wildnis das Entscheidende. Mir war klar, dass das nicht gerade nervenzerfetzend spannend wird.

Für mich ist das ein interessantes Psychogramm, das ich gerne gelesen habe.

Danke, Chai, war schön, Deine Gedanken zur Geschichte zu hören.

Gruß Achillus

Hallo Kiroly, vielen Dank für Deine Hinweise. Hat mich sehr gefreut.

Vielleicht ist das jetzt schwer verständlich, aber die Stärke von Texten, die in der Wildnis spielen, sehe ich im Auflösen der Grenze zwischen Mensch und Natur. Die Wildnis handelt mit und gegen den Protagonisten, das ist dieses irre Spannungsfeld, aus dem Texte der Wildnis ihre Faszination schöpfen können. Oder auch nicht. Dir ist das sehr gut gelungen.

Ich sehe es auch so, dass Natur, insbesondere in ihrer Erscheinung als Wildnis, eine elementare menschliche Erfahrung ist, die ganz besondere Aussagekraft besitzt. Einerseits ist sie Sehnsuchtsbereich und Projektionsfläche, andererseits kann sie als hart und unversöhnlich empfunden werden. Das Überleben in einer Welt, wie sie hier in der Geschichte beschrieben wird, ist sicher keine simple Angelegenheit.

Leider hat die allgemeine Unterhaltungsindustrie den Indianer in Tipis an Totempfahle in karge Wüstenlandschaften versetzt. Manchmal sticht ein Kaktus. Und die Dampflok wird immer-immer-immer mit Holz beheizt. Schon klar. Du schlägst eine andere Klimazone ein, die boreale, das gefiel mir außerordentlich gut.

Friedrichard hatte ja schon das durch Karl May vermittelte Zerrbild angesprochen. Ich sehe das auch, aber ich sehe es nicht ganz so kritisch. Natürlich werden da keine historisch exakten Bilder gezeichnet. Im Film wurden die First Nations zunächst als primitiv und blutrünstig gezeichnet, später kam dann die Wende zum »edlen Wilden«. Irgendwie steht bei diesen Betrachtungen auch immer die Frage im Raum, ob Indianer uns nun etwas voraus haben (eine intimere Beziehung zur Natur beispielsweise) oder umgekehrt wir die zivilisierteren und deshalb »besseren« Menschen sind.

Ich habe mich ziemlich eingehend mit dieser Frage beschäftigt. An der Brutalität von Jäger- und Kriegergemeinschaften kann kaum Zweifel bestehen. Wir würden es heute manchmal gern anders sehen, als eine Alternative zur modernen Zivilisation vielleicht, aber die zwischenmenschliche Gewalt in diesen Gemeinschaften war/ ist unglaublich hoch. Anthropologischen Studien zufolge, die ich gelesen habe, lag die Quote der Gewaltopfer bei bis zu 500 pro 100.000 Menschen pro Jahr. Zum Vergleich: In den westlichen Staaten Europas liegt sie bei unter 1. Das nur als Gedanke nebenbei.

Ich bin ganz vorsichtig, aber irgendwie weigere ich mich, zwischen Setting und Protagonisten, selbst zu Analysezwecken oder Beschreibungszwecken, aufzufrimeln. Ja, ich weiß, das ist nur ein Hilfsmittel, aber Karten sind auch Hilfsmittel und haben eine enorme subjektive Wirkung zur Konstitutierung der eigenen Weltwahrnehmung. Aber das ist nur meine Meinung. Dein Protagonist ist Angehöriger einer indigenen Ethnie Nordamerikas, er wird nichts mit einer Trennung zwischen Natur und Kultur anfangen können.

Der Gedanke, dass die Wildnis selbst ein Protagonist der Geschichte ist, kam mir auch schon bei früheren Texten, die ich geschrieben habe.

Aus diesem Grund finde ich, anders als die sehr erfahrenen Vorkommentatoren wie @Huxley es erwähnt haben, die Erwähnung der Baumtypen und der Vegetation außerordentlich wichtig, da sie die Vielfalt der subjektiven Erfahrungen des Protagonisten reflektieren könnte. Mit einer Sitka-Fichte oder einer Hemlock-Tanne kann man jedoch nicht viel anfangen. Vielleicht wären "sinnlichere" Baumtypen passender, @Kellerkind hat das ja schon erwähnt, Schwarz-Erlen, die aus Morast und Totholz wurzeln, so etwas vielleicht. Aber das bleibt eine Geschmacksfrage. Mehr nicht.

Ja, das sehe ich ähnlich. Ein problematischer Aspekt ist ja auch, dass in dem Text naturwissenschaftliche Bezeichnungen (Sitka-Fichte) verwendet werden, die sicher nicht die Namen darstellen, die von Trappern, Rangern und Indianern verwendet werden/wurden.

Vielen Dank, Kiroly, für Deine Anmerkungen. Haben mich inspiriert.

Gruß Achillus

 

Hallo Achillus,

ich hatte mir von dem Plot mehr erwartet und war am Ende deiner Geschichte ein wenig enttäuscht.
Aber ich zolle dir gern meinen ganzen Respekt, es gelingt dir aus dem mageren Sachverhalt eine runde in sich sogar mit Spannungsbogen versehene Geschichte zu machen.
Das soll dir mal jemand nachmachen, denn du hattest wenig Material zur Verfügung.

Ja, Jack London lässt ein bisschen grüßen, bei ihm war natürlich mehr Plot drin in seinen Stories und mehr Erzählung, du verdichtest die Sache auf das Wesentliche, nämlich die Gefühle, Gedanken des Verfolgers, gibst selbst dem Verfolgten nur wenige Momente, insoweit bleibst du erstaunlich stimmig in dieser Geschichte.
Sie bleibe für mich dennoch eher eine kleine Einheit, du schreibst sonst wuchtiger komplexer, herausfordernder und bitte vergib mir, aber gerade deswegen, weil ich anderes von dir gewöhnt bin, bin ich nicht zufrieden mit deinem Unterhaltungsangebot.

Meine Vorkritiker haben schon diesen einen Punkt aufgegriffen gehabt, der mich auch sehr gestört hatte, nämlich die zweimalige Erwähnung des Wortes "Taiga".
Definitionen hin oder her. Ich fühlte mich jedes Mal bei diesem Wort rausgerissen und innerer Widerspruch ploppte hoch, weil ich Taiga eben mit DER Taiga in Russland verbinde.
Vielleicht solltest du, auch wenn natürlich du den Begriff korrekt verwendet hast, nicht so viel bei deinen Lesern voraussetzen, was den Begriff "Taiga" anbelangt.

An manchen Stellen, aber auch das wurde bereits gesagt, fand ich dich in der Verwendung von Wiederholungen, die den Fluss der Geschichte hemmten. Da wiederum kannst du eher beherzter mit dem Verstehen des Lesers umgehen. Es bedarf nicht dieser Pointierungen durch Wiederholung.

Lieben Gruß
lakita

 

"Cliff-dwellings", aus vorkolumbianischer Zeit, hunderte von Einzelräumen, die zu großen, schwer zugänglichen Baukomplexen zusammengefasst dem vom Erdboden verschwundenen Volk der Anasazi Sicherheit geben sollten.
Weil man nicht weiß, wie sie sich selber nannten, hat man die Bezeichnung von den Diné – dem größten Stamm Nordamerikas – übernommen: „Anasazi“ bedeutet in der Sprache der Diné „Die ältesten Leute“. Und obwohl man weiß, wie die aus dem Norden eingedrungenen Stämme von Jägern und Sammlern sich selbst nennen, kennt man heute die sesshaft gewordenen Diné unter der Bezeichnung, welche sie von den spanischen Eroberern erhielten: „Navajo“.
Und inmitten des Reservats mit 170.000 Diné findet sich ein Reservat mit Pueblos der 6.000 Hopi, immer schon sesshafte Pflanzer. Weil die Hopi aber das geschriebene Wort ablehnen, sind sie auf mündliche Überlieferung bis hin zu einem eigenen Schöpfungsmythos angewiesen – wie schon ihre mutmaßlichen Vorfahren in den Cliff-dwellings.

Am Prophecy Rock - Dearh Valley - findet sich eine Höhle, in der uralte Zeremonien abgehalten werden und in der ein Piktogramm und „Drei Figuren mit einer Art Wagen, zwei Figuren lassen sich auf einer Schlangenlinie zu ihnen herunter … Denis meinte, die Prophezeiung dieser Zeichnung werde sich erfüllen: Zwei Krieger, die miteinander kämpften. Dieser Krieg werde noch stattfinden. Zwischen wem? Fragten wir. Zwischen den Hopi und den Navajo? Nein, sagte Denis und lachte.“ [aus Christa Wolf: Stadt der Engel oder The Overcoat of Dr. Freud, 2010, S. 397]

Ah, der noch mal, mag die eine oder der andere denken, warum gräbt der diesen kleinen, vielleicht schon abgehakten Text noch mal aus,

lieber Achillus,

weil der Text so offen ist, dass er tatsächlich in Sibirien oder – wie ich, die „Taiga“ ausblendend, aufgrund des Totempfahls und der „Krähen“ -in Nordamerika gestrandet bin.

Gestern – war schon ziemlich spät, hab ich mir aus der Mediathek eine Doku über „Cahokia“ am Mississipi angeschaut, eine Stadt, „größer als London oder Paris“ zu ihrer Zeit, die um das Jahr 1.000 unserer Zeitrechnung ein religiöses Zentrum für Nordamerika war mit Verbindungen nach Mittelamerika.
Schon immer hatte sich der weiße Mann gefragt, was die „Mounds“, keineswegs natürliche Erhebungen, in Cahokia gekrönt von Tempeln, bedeuteten, wo sie herkämen - aber vor den ersten Konquistadoren verschwanden die Bauten, die Mounds bildeten eine menschenleere Hügellandschaft, die sich die Natur wieder zurückholte.

Inzwischen weiß man, dass dort geschehen ist, was uns bevorsteht: Auf Dürreperioden und Hunger folgten nicht beherrschbare Überflutungen des Mississippi und einen Hauch davon haben wir am Fernseher vor wenigen Jahren anschauen können, als der Wasserpegel in Baton Rouge bis zu neun Meter über Normal lag. So hat Nordamerika einige Male gezeigt, dass ein je erreichter kultureller Zustand jederzeit zurückgeworfen werden kann. Lange nach dem Untergang der Mississipi-Kultur und noch länger nach den Anasazi sind einige Ackerbaunationen durch die „Rückkehr des Pferdes!“ wieder zu Jägern und Sammlern geworden … Und tatsächlich ist es ein bloßes Gerücht (das vielleicht mit den Lederstrumpfromanen oder auch real durch den Shawnee Tecumseh aufgekommen ist, eine Art Arminius der Ostküste, vom „edlen Wilden“, der die Natur schone.)

Das Pferd ist mit den Eroberern nach Amerika zurückgekommen. Taiga hin, Taiga her – der Kreis schließt sich, wie andere Hochkulturen untergingen halt ich es für SF (F als Fantasy), unsere Kultur werde alle selbsterzeugte Unbill überstehen. Warum sollten sonst Ideen nicht nur im Silicon Valley von schwimmenden Städten aufkommen.

Ja, ich weiß, jenseits der 12-Meilen-Zone lebt man frei von Steuern ... und derweil wird der Festländler zum Troglodyten oder Frosch ...

Tschüss und schönes Wochenende

Friedel

 

Hallo AVM, vielen Dank für Deinen Kommentar, freut mich sehr, dass Du reingeschaut hast.

ich habe deine Geschichte am Erscheinungstag gelesen und meine Anmerkungen da verfasst. Entschuldige bitte, falls du Sachen davon mittlerweile schon geändert haben solltest.

Kein Problem, ich finde Deine Hinweise so oder so hilfreich.

Finde den ersten Satz sehr gut. Da steckt schon viel drin und ich will weiterlesen.

Hm, ich dachte mir, das würde neugierig machen. Schön, dass es für Dich funktioniert.

Das ist mir überbetont und trotzdem verfehlt es seine Wirkung. Es zeigt mir nicht wie außergewöhnlich es ist, dass er trotzdem da rastet, weil es dafür zu nüchtern vorgetragen ist. Sowas kann man auch denken, wenn man nach nem harten Arbeitstag heimkommt.

Ja, gerade bei einem relativ sparsamen Text fällt es auf, wenn überbetont wird. Nehme ich vielleicht raus.

Würde den Satz entschlacken. Der ist grundsätzlich schön, aber da passiert mir zu viel und es verwirrt mich beim ersten Lesen. Da ist zu viel Bewegung drin. Die Ausläufer einer Ebene, die sich erstreckt und dann das sinkende Licht einer anbrechenden Nacht.

Sehe ich auch so.

Die Leere des Himmels" stimmt ja nicht. Davor lese ich vom Orange der Sonne etc.

Die »Leere« meint hier die metaphysische Leere, das Nichts des Himmels, die Leere und Weite des unendlichen Raums.

Die Wildnis kennt ja sehr wohl Schmerz, vor allem, da du das ja direkt auf physischen Schmerz beziehst: schreien, bluten und sterben müssen auch Tiere.

Mit »Wildnis« sind hier nicht einzelne Tiere oder Pflanzen gemeint, sondern eher das größere Ganze, die Natur, die Evolution, das Abrollen des großen Kreislaufs, dem schreien, bluten und sterben ganz egal ist.

Auch hier bisschen zu überbetont. Der Mittelsatz kann für mich weg.

Ja, fällt mir auch auf, werde ich ausdünnen.

Insgesamt eine knackige, atmosphärische Geschichte. Hat mir gut gefallen.

Danke AWM, war schön, von Dir zu lesen!

Gruß Achillus

Wird fortgesetzt …

 

Hallo Lakita, vielen Dank für Deine Rückmeldung zum Text. Ich schätze Deine Kommentare sehr, toll, dass Du mir geschrieben hast.

ich hatte mir von dem Plot mehr erwartet und war am Ende deiner Geschichte ein wenig enttäuscht.

Das war insgesamt eine recht simpel gestrickte Geschichte. Ich hatte ja früher nicht selten das Feedback bekommen, meine Geschichten seien zu verwickelt. Komplexität kann ein Spannungskiller sein, wenn der Leser mehr damit zu tun, die Ereignisse zu verstehen, als ihrem Gang zu folgen. Und bei dieser Geschichte wurde bislang ja auch gelobt, dass sie ziemlich geradlinig zum Ziel führt. Trotzdem kann ich Deine Bedenken nachvollziehen.

Sie bleibe für mich dennoch eher eine kleine Einheit, du schreibst sonst wuchtiger komplexer, herausfordernder und bitte vergib mir, aber gerade deswegen, weil ich anderes von dir gewöhnt bin, bin ich nicht zufrieden mit deinem Unterhaltungsangebot.

Das ist auf jeden Fall wahr. Und ich werde mich auch wieder an umfangreichere, komplexere Geschichten wagen.

Meine Vorkritiker haben schon diesen einen Punkt aufgegriffen gehabt, der mich auch sehr gestört hatte, nämlich die zweimalige Erwähnung des Wortes "Taiga".

Definitionen hin oder her. Ich fühlte mich jedes Mal bei diesem Wort rausgerissen und innerer Widerspruch ploppte hoch, weil ich Taiga eben mit DER Taiga in Russland verbinde.


Die Taiga gibt auf der gesamten Nordhalbkugel, aber ich verstehe, was Du meinst.

An manchen Stellen, aber auch das wurde bereits gesagt, fand ich dich in der Verwendung von Wiederholungen, die den Fluss der Geschichte hemmten. Da wiederum kannst du eher beherzter mit dem Verstehen des Lesers umgehen. Es bedarf nicht dieser Pointierungen durch Wiederholung.

Ja, das sehe ich auch. Danke auch für diesen Hinweis, Lakita!

Gruß Achillus


Hallo Friedrichard, schön, dass Du noch mal reinschaust!

weil der Text so offen ist, dass er tatsächlich in Sibirien oder – wie ich, die „Taiga“ ausblendend, aufgrund des Totempfahls und der „Krähen“ -in Nordamerika gestrandet bin.

Grundsätzlich war das zunächst wirklich die Idee, den historischen Rahmen nur anzudeuten bzw. eine alternative Historik zu bemühen, so wie das in Science Fiction und Fantasy ja oft gemacht wird.

So hat Nordamerika einige Male gezeigt, dass ein je erreichter kultureller Zustand jederzeit zurückgeworfen werden kann.

Dieser Gedanke beschäftigt mich seit längerer Zeit. In den letzten Wochen und Monaten merkt man ja auch in den deutschen Medien, dass kulturelle Errungenschaften aufgeweicht werden können. Ob es um die Relativierung deutscher Verbrechen im zweiten Weltkrieg geht, um die Leugnung des menschengemachten Klimawandels oder sogar um die Behauptung, die Erde sei doch eine Scheibe - wir sehen deutliche Zeichen geistig-kultureller Verarmung.

Vielen Dank für Deine Reflexionen, Friedrichard!

Gruß Achillus

 

Hallo @Achillus,

nachdem ich mich bei Roth auch auf diesen Text bezogen habe, wollte ich Dir wenigstens noch einen etwas ausführlicheren Kommentar hierlassen.

Der Text gefällt mir einerseits gut, weil die schnörkellose Sprache zum Plot passt. Ich nenne das mal "straight" - sowohl die Sprache also auch der Plot.

Allerdings habe ich eine größeres "Verortungsproblem".

Der Text ist aus der Ich-Perspektive und im Präsens geschrieben, sodass ich davon ausgehe, sozusagen live die Gedanken des Ich-Erzählers mitzuerleben.

Soweit, so gut.

Da frage ich mich natürlich, wer ist das denn, der da erzählt. Wo ist er und in welcher Zeit? Was für ein Typ ist er?

Und hier fangen meine Schwierigkeiten an.

Das Henry-Gewehr deutet auf Ende des 19. Jh., der Totempfahl auf Indianerumfeld. Naja, die Taiga wurde da oft als irreführend kritisiert (das hat mich weniger gestört (ausreichend oft meine Kinder in Erkunde abgefragt)).

Wie auch immer, hier kommt mein Problem: ich verstehe einfach nicht, wer der Ich-Erzähler ist. Ein Siedler, der die vergewaltigten Siedlerinnen rächt? Ein Indianer von einem anderen Stamm, der Jagd auf den Vergewaltiger macht (vielleicht gegen Geld oder aus anderen Gründen)? Ein Gesetzeshüter? Kopfgeldjäger? Oder sogar einer von den Krähen, der vielleicht abtrünnig geworden ist?

Da ich das nicht verstehe, habe ich Schwierigkeiten, die Erzählung richtig einzuordnen; genauer die Details, die er erwähnt, die Emotionen, die Motivation, etc.

Das einzige, was ich sicher über den Ich-Erzähler sagen kann ist, dass er die Natur in der er jagt sehr gut kennt und wohl eher nüchtern seine Jagd vollzieht, was darauf hindeutet, dass er keine emotionale Beziehung zu seinem Jagdziel hat.

Vielleicht habe ich auch nur zu oberflächlich gelesen und den entscheidenden Hinweis verpasst.

Jedenfalls fehlen mir die Details, um mir ein genaueres Bild vom Ich-Erzähler zu machen, was mir dann helfen würde, die Beschreibungen der Natur, der Emotionen, etc. richtig einzuordnen. So ergibt sich für mich nur ein wirres, diffuses Bild des Ich-Erzählers und dadurch kann ich mich nicht richtig mit ihm identifizieren, sondern lässt mich den Text mit einer großen Distanz erfahren, was gerade bei der Kombination aus Ich-Perspektive + Präsenz wohl eher nicht beabsichtigt ist.

Ich befürchte, dass Dir dieser Kommentar nicht viel hilft, aber Du kannst das schon richtig einordnen und nimmst Dir, was Du brauchen kannst.

Lieber Gruß
Geschichtenwerker

 

Hallo Geschichtenwerker, vielen Dank für Dein Feedback und entschuldige die späte Antwort – bin gerade stark mit anderen Dingen beschäftigt.

Der Text gefällt mir einerseits gut, weil die schnörkellose Sprache zum Plot passt. Ich nenne das mal "straight" - sowohl die Sprache also auch der Plot.

Ja, das sehe ich auch so. Ich versuche seit einiger Zeit, die Sprache zu »reduzieren«. Das hat ja irgendwann mit dem Einsparen überflüssiger Adjektive begonnen (eine Problematik, an der ich noch immer arbeite) und ging dann weiter mit dem Reduzieren von Bildern/ Metaphern/ Symbolen/ Vergleichen. Ich bin kein Freund von all zu simplen Satzkonstruktionen, jedenfalls nicht dauerhaft, aber ich suche die Balance zwischen langen und kurzen Sätzen.

Allerdings habe ich eine größeres "Verortungsproblem". Der Text ist aus der Ich-Perspektive und im Präsens geschrieben, sodass ich davon ausgehe, sozusagen live die Gedanken des Ich-Erzählers mitzuerleben. Soweit, so gut. Da frage ich mich natürlich, wer ist das denn, der da erzählt. Wo ist er und in welcher Zeit? Was für ein Typ ist er?

Der »Clou« der Geschichte ist ja die Wende am Schluss. Der Anfang wird so erzählt, dass die Krähen ein Volk sind, mit dem die Figur im Grunde nur flüchtigen Kontakt hat. Dass sich am Ende herausstellt, dass eine Krähe seine Frau war, ist ein wichtiges Detail zur Deutung der Geschichte.

Jedenfalls fehlen mir die Details, um mir ein genaueres Bild vom Ich-Erzähler zu machen, was mir dann helfen würde, die Beschreibungen der Natur, der Emotionen, etc. richtig einzuordnen. So ergibt sich für mich nur ein wirres, diffuses Bild des Ich-Erzählers und dadurch kann ich mich nicht richtig mit ihm identifizieren, sondern lässt mich den Text mit einer großen Distanz erfahren, was gerade bei der Kombination aus Ich-Perspektive + Präsenz wohl eher nicht beabsichtigt ist.

Hm, schwierig. Ich hatte bei den anderen Kommentaren nicht den Eindruck, dass das ein Problem des Textes ist. Die Perspektive ist die eines Weißen. Das wird klar, wenn die Figur von den Krähen spricht. Wären die Krähen sein eigenes Volk würde das wohl anders klingen. Und wer dieser Mann ist spielt für die Geschichte weniger eine Rolle als das, was er tut. Er rächt den Tod seiner Frau.

Ich befürchte, dass Dir dieser Kommentar nicht viel hilft, aber Du kannst das schon richtig einordnen und nimmst Dir, was Du brauchen kannst.

Ich finde es auf jeden Fall hilfreich, dass Du den Text in dieser Hinsicht unkonkret fandest. Hätte ich nicht gedacht. Vielen Dank für Deinen Hinweis.

Ich freue mich, dass Du bei der Challenge teilnimmst und schau demnächst in Deine Geschichte rein!

Gruß Achillus

 

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