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- 19.06.2001
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Spieglein, Spieglein an der Wand...
SPIEGLEIN, SPIEGLEIN AN DER WAND...
Ring Ring... Ring Ring... Ring Ring...
Das Telefon klingelte. Seit Minuten. Ohne Unterlaß. „Das gibt es doch nicht!“ Wütend stieg er aus dem Bett. „Ah... kalt!“ fluchte er, als seine nackten Füße den Boden berührten. Erneut klingelte das Telefon. „Ja, ist ja gut...“ Endlich hatte er den Apparat erreicht. Er nahm den Hörer ab. „Weißt du Arschloch eigentlich, wie...“ Aufgelegt. „Scheiße!“ Wilbur legte wieder auf und sah in den kleinen Spiegel, der vor ihm an der Wand hing. Ein Geschenk seiner Frau aus längst vergessenen Tagen. Er betrachtete kurz die Initialen, die in der linken unteren Ecke eingraviert waren. „Janet...“ murmelte Wilbur leise. Für einen kleinen Augenblick dachte er zurück an die Zeit, als sie noch bei ihm war, ihn noch geliebt hatte. „Janet, ich...“ Wilbur schüttelte den Kopf. Vergiß es, Kumpel. Aus und vorbei. Sei froh, daß du das Miststück endlich los bist. Er betrachtete sich im Spiegel. „Man...“ Langsam fuhr er sich durch sein fettiges Haar. Kurz erinnerte er sich daran, wie kräftig und glänzend es einmal gewesen war. Und heute? „Hm... Siehst Scheiße aus.“ sagte er zu sich selbst.
„Ja, du siehst wirklich Scheiße aus!“ sagte sein Spiegelbild zu ihm.
Verblüfft starrte Wilbur den Spiegel an. Doch schon Sekunden später faßte er sich wieder und lächelte. Nur Einbildung, alles in Ordnung! Dennoch konnte er es nicht verhindern, daß seine Hände zitterten. Du brauchst jetzt einen Schluck, sagte er sich. Nur einen kleinen... nicht viel, nur einen winzig kleinen. Wilbur ging in die Küche und holte die Flasche aus dem Schrank. Schnell schraubte er den Verschluß ab und setzte an. Hastig trank er drei Schluck. Seine Hände zitterten immer noch. Und als ob er es geahnt hätte...
„Wilbur!“ schrie der kleine Spiegel an der Wand über dem Telefon. „Wilbur!“ Ein krächzender, gedehnter Schrei. „Willllllbbuuurrrrrrr!“
„Alles in Ordnung!“ flüsterte Wilbur und trank erneut. Eine halbe Stunde später rollte die leere Flasche über den schmutzigen Küchentisch und fiel auf den Boden. Das Geräusch des Aufpralls und das Splittern des Glases, das in Hunderte kleiner Scherben zersprang, bekam Willbur nicht mehr mit. Er saß nach hinten gebeugt auf dem Stuhl. Seine Arme hingen schlaff herunter. Speichel lief aus seinem offenen Mund. Wilbur hatte sich etwas Zeit verschafft, seinem kommenden, ganz persönlichen Alptraum für eine kleine Weile zu entfliehen.
Ring Ring... Ring Ring... Ring Ring...
Er hörte ein schrilles Geräusch. Zuerst weit weg, dann immer näher und schließlich so laut, daß Wilbur aufwachte. „Oh Gott, was...“ Sein Kopf schien vor Schmerzen zu platzen. Er stöhnte. Ihm tat alles weh. Mit einem tiefen Ächzen gelang es ihm, vom Stuhl aufzustehen. „Scheiße.“ Wilbur sah den Scherbenhaufen auf dem Boden und preßte seine Hände gegen den Kopf. Nie mehr! Nie wieder! Aber wie oft hatte er sich das schon geschworen. Das Telefon... „Hm.“ Wilbur mußte sich kurz am Tisch festhalten, um nicht zusammenzubrechen. Das Klingeln hörte nicht auf. Ganz im Gegenteil, für Wilbur hörte es sich an, als ob es immer lauter, immer in kürzeren Abständen klingelte, um letztendlich ein einziger Ton zu werden, der Wilburs Kopf von innen heraus sprengen wollte. „Ja!“ schrie Wilbur und wankte in den Flur. Kaum hatte er das Telefon erreicht, hörte das Klingeln plötzlich auf. Seine Schläfen pochten und sein Herz begann, sich dem unregelmäßigem Rhythmus des Pochens anzuschließen.
„Guten Morgen, Wilbur.“ sagte das Spiegelbild.
Entsetzt ging er einen Schritt zurück und stolperte über die leeren Kartons, die er im Flur gestapelt hatte. Als er zu Boden fiel, stieß er mit seinem Hinterkopf an die Wand, doch zu seinem Bedauern blieb er wach, anstatt in die wohltuende Dunkelheit zu entkommen. Wilbur stöhnte vor Schmerzen auf. „Argh...“ Etwas benommen rappelte er sich wieder auf und sah zu dem Spiegel. Zu seinem Spiegelbild, das ihn freundlich anlächelte. „Geh weg! Laß mich in Ruhe!“
„Du bist ja richtig witzig. Gefällt mit. Gefällt mir sogar außerordentlich. Weißt du, Wilbur...“
Wilbur stand zitternd an der Wand und mußte mit ansehen, wie sein eigenes Spiegelbild mit ihm sprach, ohne daß er selbst den Mund aufmachte. Er war unfähig sich zu bewegen. „Ein Traum...“ stammelte er. Ihm fiel der Scherbenhaufen in der Küche ein. „Ja... nur ein Traum!“
„Nicht doch!“ Das Spiegelbild hob mahnend den Finger. „Als du mich gestern gehört hast, warst du nüchtern. Du erinnerst dich? Hm?“ Plötzlich verdüsterte sich der Hintergrund im Spiegel. „Es war übrigens nicht nett, mich einfach stehen zu lassen!“ schrie das Spiegelbild mit schriller und gedehnter Stimme. „Niiiccchhht neeet!“
Wilbur begann, immer noch nicht in der Lage auch nur einen winzigen Schritt zu tun, hysterisch zu lachen. „Das... Unmöglich!“ brüllte er sein Spiegelbild an. „Du bist nicht echt!“
„Aber Wilbur. Wie kannst du das behaupten? Deinem eigenen Ich sagen, daß es nicht echt sei? Hm?“ Der Hintergrund im Spiegel wurde wieder etwas heller. „Ich bin so real wie die Flasche Whiskey, die du gestern getrunken hast.“
„Nein!“ flüsterte Willbur. „Nein... nein... nein...“
„Beruhig dich. Es wird Zeit, daß wir beide uns unterhalten. Ich möchte dir etwas vorschlagen.“ sagte Wilburs Spiegelbild mit einem teuflischen Grinsen im Gesicht. „Na los, komm mal ein bißchen näher!“
„Ich will nicht!“ schluchzte Wilbur. Zwecklos. Langsam ging er auf den kleinen Spiegel an der Wand über dem Telefon zu. Gegen seinen Willen, dennoch unfähig, sich dagegen zu wehren. Das Telefon begann zu klingeln...
Ring Ring... Ring Ring... Ring Ring...
„Er nimmt nicht ab.“ sagte Floyd Bowens und legte auf. „Er wird doch wohl nicht krepiert sein?“
„Unsinn. Höchstens besoffen, der Wichser. Scheiße!“ Juri Antonow stand auf und ging zum Fenster. „Crums schuldet mir drei Monatsmieten. Und nicht nur das! Fünftausend Dollar! Fünftausend kommen noch dazu. Alles mein Geld, verdammt! Vielleicht...“ Er drehte sich zu Bowens um und sagte leicht gereizt: „Vielleicht solltest du unserem Freund Wilbur einen Besuch abstatten. Nicht, daß er wirklich an seiner eigenen Kotze erstickt ist.“
Bowens lächelte. „Ich werde sofort losfahren.“
„Ja.“ sagte Antonow und lächelte. „Macht ihm klar, daß ich mir das nicht gefallen lasse. Mich kann er nicht verarschen, der Scheißkerl!“
„Sollen wir ihn am Leben lassen?“
Antonow verschränkte die Arme und starrte an Bowens vorbei auf das umrahmte Poster von Greta Garbo. Die Göttliche, die von ihm verehrte Schauspielerin. „Ja.“ sagte er leise. „Bearbeitet ihn... aber tötet ihn nicht.“
„Alles klar.“ Bowens nickte kurz und verließ dann den Raum.
Antonow ging zu dem Poster und berührte es sanft. „Muß ich dich woanders hinhängen, damit ich nicht immer so sentimental reagiere? Hm?“ Dann lachte er laut und widmete sich wieder seinen Geschäften.
„Also nur ein paar Mal in die Fresse? Arm brechen und so?“ fragte Cracker.
Bowens nickte. „Er soll schon noch am Leben bleiben, ja. Der Boss will es so!“
„Wo bleibt da der Spaß?“ Gelangweilt spuckte Trigger aus dem Fenster. „Wo bleibt da der Spaß?“
„Halt die Klappe und sieh nach vorn. Achte auf den Verkehr, okay?“ Bowens schüttelte verärgert den Kopf. Es gefiel ihm nicht, daß dumme Leute wie Cracker und Trigger ihm widersprachen. Er selbst hatte eine klare Anweisung von Antonow bekommen. Die hatte er auch weitergegeben. Und trotzdem... „Ich hab euch doch gesagt, wie es abläuft. Crums bleibt am Leben, klar!“ Er erhielt keine Antwort, bemerkte aber den Blickkontakt zwischen Cracker und Trigger. Das sind Typen, die man kontrollieren muß, dachte er. Wenn es nach ihm ginge, würde er nicht solche Leute beschäftigen. Aber, dachte Bowens etwas wehmütig, es ging ja nicht nach ihm. Antonow hatte das Sagen. Dieser knallharte russische Mistkerl...
„Wie sind gleich da.“ bemerkte Trigger beiläufig und suchte nach einer Parkmöglichkeit.
Als Cracker unter dem Sitz eine Pistole hervorkramte, packte ihn Bowens am Arm. „Nein, das Ding bleibt hier.“
„Oh man! Beruhig dich, Bowens!“ zischte Cracker und legte sichtlich verärgert die Waffe zurück unter den Sitz. „War ja nur als Sicherheit gedacht, falls der Nigger Dummheiten anstellt.“
„Das wird er schon nicht.“ sagte Bowens. Hoffentlich nicht...
Ring Ring... Ring Ring... Ring Ring...
Das schrille Klingeln des Telefons störte ihn, aber es war im Moment unwichtig. Als Wilbur das Klopfen an der Tür gehört hatte, ging er in sein Schlafzimmer und holte den Baseballschläger aus dem Schrank. Es fühlte sich gut an. Kaltes Aluminium. Wieder klopfte es an der Tür. „Ja. Gleich!“ rief er. Leise schlich er sich auf den Flur. Das Telefon klingelte immer noch. Blödes Telefon, dachte Wilbur. Du kannst mich mal. Dann hatte er die Tür erreicht und sah durch den Spion. Ah... es waren drei. Einen kannte er. Floyd Bowens. Willbur lächelte. Der Arschkriecher höchstpersönlich. Antonow mußte wohl ziemlich sauer auf ihn sein. Klar, dachte Wilbur. Drei Monatsmieten und diese verfluchten fünftausend Dollar. Aber das war in diesem Moment absolut irrelevant. „Wer ist da?“ fragte er.
„Machen Sie auf, Crums!“ sagte Bowens, während Cracker einen Gummiknüppel unter seinem Mantel hervorholte, um ihn in dem Moment, wenn Crums die Tür öffnete, ihm in den Bauch zu rammen.
„Ja, Moment...“ sagte Wilbur und trat einen Schritt zurück. Dann faßte er den Türknauf und drehte ihn langsam nach links. Er hörte ein leises Klicken. „Moment noch...“ rief er. Als das Telefon aufhörte zu klingeln, riß er die Tür auf...
Floyd Bowens hielt sich seine gebrochene Hand und mußte fassungslos mitansehen, wie Crums immer und immer wieder auf Trigger einschlug. Großer Gott, dachte er. Was... Scheiße.
„Weißt du...“ flüsterte Wilbur zu Trigger. „Das war nicht klug von dir. Weißt du denn nicht, wann dein Glückstag ist? Hm?“ Er lächelte und schlug mit voller Kraft zu. „Ah... Klingt gut.“ sagte Wilbur fröhlich und sah kurz zu Bowens. „Oder etwa nicht?“
Bowens konnte immer nocht nicht begreifen, wie Wilbur Crums es geschafft hatte, sie alle drei zu überraschen und auch noch zu überwältigen. Jetzt lag er an der Wand angelehnt auf dem Boden. Mußte zusehen, wie Crums Trigger den Kopf zertrümmerte und mit langsamen Schritten auf den stöhnenden Cracker zuging. „Crums... Großer Gott! Hören Sie auf!“ flüsterte er.
„Schnauze, Bowens! Zu dir komme ich gleich. Erst muß ich den Nigger hier...“ Wilbur hielt inne und schwang den Schläger hin und her. „Na, Nigger? Alles klar bei dir?“
Cracker hob zitternd die Hände nach oben und stotterte: „Mi.. Mister.. Bi.. Bitt... Bitte nicht! Bitte nicht!“
„Was denn? Hättest denn du mich etwa verschont? Hm?“ fragte Wilbur und schüttelte den Kopf. „Deine Sorte kenne ich. Du bist so einer von den... weißt du, von den... so von den Scheißtypen. Genau. So ein kleiner beschissener Scheißtyp! Nicht mehr und nicht weniger. Und was macht man mit kleinen beschissenen Scheißtypen?“ Er hob den Schläger.
„Oh nein, Mister. Bitte!“
„Nein. Kein Mister Bitte Bitte!“ Wilbur grinste und schlug zu.
Bowens mußte sich fast übergeben, als er das Blut spritzen sah. „Oh Gott.“ Gleich wird er mich umbringen... Das Telefon begann zu klingeln.
Ring Ring... Ring Ring... Ring Ring...
„Weiß du, Bowens.“ Wilbur ging in die Hocke und stützte sich auf dem blutverschmierten Baseballschläger ab. „Ständig klingelt dieses Telefon. Und jedes Mal, wenn ich den Hörer abnehme, dann ist da niemand. Nichts. Gar nichts. Findest du das nicht auch... sagen wir mal... nervend?“
„Wilbur...“
„Ich hab dir nicht erlaubt, mich Wilbur zu nennen!“
„Mr. Crums, ich...“
„Es ist doch zum Kotzen, oder?“ Wilbur stand auf. „Ich meine, ständig klingelt das Telefon und wenn du rangehst, dann ist da keiner. Das ist doch absurd!“ Er stand vor der Triggers Leiche. „Scheiße. Wie entsorge ich euch drei Wichser denn nacher?“ Er fuhr sich durchs Haar. „Wie läßt Antonow eigentlich die Leichen entsorgen?“
„Was?“
Wilbur winkte ab. „Unwichtig. Mir wird schon was einfallen.“
„Hören Sie, ich...“ Bowens sah sich um. Irgendwas... Unmöglich, dachte er. Das konnte nicht der Wilbur Crums sein, den er bisher gekannt hatte. „Was ist mit Ihnen passiert?“
„Hm?“ Wilbur drehte sich zu ihm um. „Was soll denn mit mir passiert sein?“ Erstaunt sah er Bowens an. „Aber warte mal kurz.“ Er ging zum Telefon und nahm den Hörer ab. „Hallo?“
Er ist verrückt geworden, dachte Bowens. Und du wirst gleich sterben. Scheiße...
„Hallo! Hallo? Ich... Fuck!“ schrie Wilbur und legte auf. Dann kam er zurück in das Wohnzimmer und hockte sich wieder vor Bowens. „Genau das meine ich. Das Telefon klingelt, du gehst ran und... Und? Und nichts weiter! Scheiße!“
„Crums, hören Sie mir zu! Wir sind nicht gekommen, um Ihnen... Wir sind gekommen, um eine Regelung zu finden.“sagte Bowens. Deine letzte Chance, sagte er sich. Es ist deine...
„Wow, Bowens. Ich bin beeindruckt. Eine Regelung finden, hm? Na klar!“ Wilbur lachte laut.
Das ist nicht sein übliches Lachen, dachte Floyd. Es ist fast so, als würde da nicht Wilbur Crums vor dir sitzen... Gott! Du bist in einem Alptraum, Floyd... Großer Gott!
„Da fällt mir...“ sagte Wilbur leise. „Hast du...“ Er schluckte. „Hast du schon mal mit deinem Spiegelbild gesprochen?“
„Was?“
„Wenn du in den Spiegel schaust. Wenn du selbst erkennen mußt, was für eine häßliche Fratze dir da entgegenblickt. Sprichst du dann manchmal mit dem Spiegel? Mit dir selbst?“
Bowens hustete. Gott, der Schmerz seiner gebrochenen Hand. „Ich weiß nicht, was Sie meinen.“
„Hm...“ Wilbur nickte. „Weißt du... vor kurzer Zeit hab ich angefangen, mit meinen Ich hier draußen zu reden. Ich war es einfach leid.“ Er betrachtete den Schläger. „Mein Ich hat sich gehen lassen. Alles versaut. Alles vermasselt. Ich konnte doch nicht tatenlos zusehen. Konnte ich doch nicht!“ Er zwinkerte Bowens zu. „Nun... Da habe ich angefangen zu reden. Mit meinem Ich... hier draußen... Und ihm einen Tausch vorgeschlagen! Ein guter Tausch, wie ich finde.“ Er stand auf und ging auf Bowens zu.
„Nein!“ kreischte Bowens. „Wenn Sie mich töten...“
„Was dann? Hm? Kommt Antonow etwa persönlich vorbei?“ fragte Wilbur und kicherte. „Sieh dich an, Arschloch! Du drohst mir?“ Dann holte er aus und schlug mit aller Kraft zu. „Ah...“ Das Gefühl, das er empfand, als die Knochen zersplitterten, das Stöhnen von Bowens... „Ah...“ Er warf den Schläger weg. „Gefällt mir.“ sagte er zufrieden und ging ins Bad. Er entledigte sich seiner Sachen und stellte sich unter die schmutzige Dusche. „Ja....“ Fasziniert sah er, wie das Blut durch das Wasser abgespült wurde. Das ist also Wasser, dachte er. Warm... Und es fühlt sich so gut an.
Ring Ring... Ring Ring... Ring Ring...
„Nein!“ schrie das Spiegelbild. „Tu das nicht!“
„Warum?“ sagte Wilbur mit einem verächtlichen Lächeln und riß das Telefonkabel aus der Wand. Das schrille Klingeln hörte abrupt auf. „Du glaubst ja gar nicht, wie sehr mich das genervt hat. Und da du ja nie rangegangen bist...“ Er grinste sein Spiegelbild spöttisch an. „Was regst du dich auf? Hm? Du wirst schon früh genug wieder hier sein.“ Das wirst du...
„Warum nicht jetzt? Du wolltest nur eine kurze Zeit!“
„Das stimmt. Ich hatte dir vorgeschlagen, für eine kurze Zeit die Seiten zu tauschen. Und ja, ich habe dir gar keine andere Wahl gelassen. Ich fand es satt, dich so zu sehen. So faul, so klein, so unwichtig. Es kotzte mich einfach an. He, Wilbur? Ein paar Stunden noch....“
Das Spiegelbild schloß die Augen und brüllte: „Ich will hier raus! Ich will hier raus! Raus, verdammt!“
„Bald.“ sagte Wilbur. „Bald. Nur noch eine Sache.“
„Was?“
„Du bist verschuldet.“
„Antonow...“
„Ja.“
„Was um Gottes Willen hast du vor?“
„Ein kurzer Besuch. Dann tauschen wir wieder.“
„Ein kurzer Besuch? Was hast du vor?“
Wilbur antwortete nicht. Er nahm den kleinen Spiegel von der Wand und legte ihn neben das Telefon. „Bald. Ein paar Stunden.“
„Ich...“
„Ruhe!“ sagte Wilbur barsch und drehte den Spiegel um. Er ging zurück ins Wohnzimmer und sah zu den drei Leichen. Sah das Blut am Boden, auf den Wänden. Er zuckte mit den Schultern. „Das wird nicht mein Problem sein.“ sagte er leise. Fast bedauerte er es, daß es bald vorbei sein würde. Aber trotzdem... „Das tat gut.“ flüsterte er. Nur noch eine Sache galt es zu erledigen. Antonow. Klar, dachte er. Es wird nicht so einfach wie bei den drei Wichsern werden, aber... Zur Not konnte er jederzeit den Tausch rückgängig machen. Immerhin gibt es überall Spiegel! Überall gibt es Spiegel! An jedem Ort! „Spieglein, Spieglein an der Wand...“ murmelte Wilbur. Er ging zu Triggers Leichnam, kniete sich hin und krempelte ihm die Hose hoch. „Ah...“ Er steckte die Waffe ein und ging zurück zum Flur. Wilbur nahm den Spiegel und sagte: „Nur noch diese eine Sache. Ein paar Stunden Spaß, das ist alles!“ Ohne eine Antwort abzuwarten legte er den Spiegel wieder neben das Telefon und verließ die Wohnung.
ENDE
copyright by Poncher (SV)
13.04.2002