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Spätherbst
Es war ein regnerischer Nachmittag im verdammten Oktober, dem Monat der endgültig und ohne auch nur ein einziges menschliches Widerwort zu dulden dem Winter den Weg bereitet. Durchnäßt von den Tränen des Oktober, der wohl mit seiner Rolle als Überbringer der alles lähmenden Kälte äußerst unglücklich ist, hetze Ich durch Berlin, fliege meinem nächsten Termin entgegen. Welche Kraft treibt mich an, welches Ideal jage Ich eigentlich um es mir zu eigen zu machen? Es dürften wohl kaum die Vorzeigeworkaholics aus dem Managermagazin sein, von denen mich mehr trennt als Israel von Palästina. Aber was ist es dann? Viele Stunden habe Ich darüber nachgedacht ohne mir auch nur ansatzweise eine Antwort präsentieren zu können. Nicht mal eine halbwegs anständige Lüge konnte Ich mir liefern, ohne überheblich zu klingen hätte mein Intellekt eine solche wahrheitswidrige Erklärung auch nicht geschluckt. Ja so brause Ich durch die Stadt, ratlos, rastlos. Aus unerfindlichen Gründen bleibe Ich urplötzlich stehen, wie von fremder Hand gesteuert, will ausbrechen aus der Hetze des Lebens, scheiß auf die Typen aus dem Managermagazin, glücklich sieht anders aus. Und wie Ich da so stehe und grübele warum Ich überhaupt Halt gemacht habe, steht sie urplötzlich vor mir, keine Ahnung wo sie herkam, sicher ist nur das Ich, obwohl sie mir völlig unbekannt war, froh war sie wiederzusehen. Bilder rannten durch meinen Kopf als wenn ein imaginärer Ordnungshüter mir unaufhaltsam Fahndungsfotos vorlegen würde. Nach langem Zögern war Ich mir sicher diese Frau nie zuvor getroffen zu haben. Aber warum versuchte mir dann mein Hirn Informationen unterzuschieben, daß dies ein Wiedersehen sei? Ich kam nicht drauf, was mir ein Gefühl von größter Unsicherheit bescherte. Da Ich dieses Gefühl gern vermeide, und sollte es mich doch einmal ereilen sofort auf Angriff umschalte damit mein Gegenüber ein verzerrtes Bild von mir erhält, sprach Ich sie an. „Hallo schönes Wetter heute ;-)“ ... Stop mal, hatte Ich das gerade wirklich laut gesagt? Das konnte nicht mein Ernst sein triefnaß wie Ich da stand, das dachte sie sich wohl auch und lächelte mich breit an. Dieses Lächeln bohrte sich tief in meinen Körper, der Zielbahnhof war mir schon klar, nächster Halt Labschie´s Herz, aber da hatte sie sich verrechnet, denn Ich hatte schon vor einiger Zeit nach einer Serie schlechter Erfahrungen meine Blutpumpe mit einer Firewall versehen. Als Ich dann wieder die Kontrolle über meine Stimmbänder hatte wollte Ich diese seltsame Begegnung ergründen um so die Fragezeichen in meinem Kopf zu tilgen. „Haben wir uns schonmal irgendwo gesehen?“ kam es mir über die Lippen. „Nein“ erwiderte sie „wenn es so wäre könnte Ich mich garantiert an Dich erinnern“. Verdammt nun auch noch Süßholzraspeln, solchen Belastungen war meine Firewall noch nie ausgesetzt.......... Ich hätte auf meinen virtuellen Hausarzt hören sollen, der mir schon vor Wochen zum alljährlichen Herbstantivirenupdate geraten hatte. Mögen Sie einen wie mich sonst im Internet als Kassensurfer auch schlechter behandeln, als einen der Privatsurfer, in diesem einen Fall hatte der Mann völlig Recht. Bei dieser Gelegenheit hätte auch gleich die Firewall auf den neuesten Stand gebracht werden können.......Na gut weiter in der Geschichte; Ich steh also da, sie schaut mich an, und sie tut es auf eine Art das mir Angst und Bange wird. Hoffentlich hackt sie nicht meine sowieso schon dürftigen Sicherheitsvorkehrungen. Und sie steht einfach da, scheint sich noch zu laben an meiner Unsicherheit, die Ich schon als „Vorhof zur Panik“ bezeichnen würde. Mit jeder verstreichenden Sekunde türmen sich neue Fragen in meinem Kopf, Fragen wie: Würde dir Weichei so eine Frau überhaupt gutes tun können, die augenscheinlich Spaß daran hat dich zu verunsichern? Ob die bei Plus diese Woche noch das Schweinehack im Angebot haben? War Ich in letzter Zeit vielleicht doch auf einer exzessiven Party (die Ich so liebe) und der „inhalierte“ Alkohol raubte mir am nächsten Morgen wie gehabt die Erinnerung? Nein kein Alkohol der Welt würde es schaffen so einen Teufel mit Heiligenschein aus meinem Gedächtnis zu tilgen. Angesichts des Typen der sich laut Artikel der Bildzeitung letztens zu Tode gegrübelt hat, drängte Ich jetzt auf schnelle Aufklärung: „Kann es sein, daß wir letztens gemeinsam wild den Mond angestöhnt haben? Vielleicht könntest Du mir ja eine kurze Keuchprobe in meinen Gehörgang trichtern?“
Sie servierte mir daraufhin ihren bösesten Gesichtsausdruck, mit Sicherheit. Wie ein PS- schwangerer Porsche nahm sie Fahrt auf und brauste an mir vorbei. Ich hatte das Gefühl, das mir hervorgerufen durch ihre Beschleunigung ein eiskalter Windzug ins Gesicht schlug, und meine Haare ihr wild hinterherwinkten. Sie rannte förmlich davon, was entweder daran lag, daß Ich damals zu früh kam oder nie etwas zwischen uns gelaufen war. Tja wieder eine unbeantwortete Frage mehr, nein STOP Ich erinnere mich wieder. Sie war die Frau die mich mehrfach durch die Nacht brachte, sie war die Frau aus meinen Träumen, sie war weg für immer.
Marcel Labsch
Liebe ist das perfekt austarierte Anziehen und Abstoßen, nur winzigste Ausschläge in eine der beiden Richtungen führt dazu, daß die Sache nach dem Schema „außer Kontrolle“ gegen die Wand fährt.