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Sommernachmittag

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31.01.2016
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Sommernachmittag

Er ist ein Arbeitskollege, im gleichen Alter wie sie. Beide sitzen im selben Raum, verrichten die gleiche Tätigkeit. Es bleibt dort wenig Zeit für eine Unterhaltung, sich kennenzulernen. Luc ist sympathisch, strahlt etwas Souveränes, Weltmännisches aus, spricht französisch und sieht auch nicht übel aus. Seine Mutter ist Französin, wie sie einmal während eines Telefonates aufgeschnappt hat. Auch dieser Umstand macht ihn für sie interessant.
Seit einiger Zeit spürt sie Unruhezustände. Nichts, das äußerlich sichtbar wäre, es ist auch nicht konkret, sie möchte dann schnell laufen, oder singen, schreien, in einen See springen, um sich eine Art emotionaler Abkühlung zu verschaffen.
Ist normal, sagt ihr Mann.

Da ist der Wunsch nach Veränderung in ihrem Leben. Erst gestern hat sie ihrem Mann erzählt, sie würde sich an der Volkhochschule für einen Französischkurs anmelden. Sie möchte ihre Sprachkenntnisse auffrischen.
„Wenn du unser Kind zweisprachig erziehen möchtest, habe ich nichts entgegenzusetzen", meinte er lapidar, ohne sie dabei anzusehen.
Dem Picknick letzten Sonntag hat er auch nur widerwillig zugestimmt.
„Einverstanden, tragen wir das Abendessen in den Park. Zu all den anderen Streunern", scherzte er augenzwinkernd. Sehr bald würde sich ohnehin Vieles ändern.
Wozu diese Umtriebigkeit? Ja, wozu?

Lucs Wohnung ist nicht besonders ansprechend. Düster, mit dunklen Holzmöbeln eingerichtet.
„Alles Zeug der Vermieterin. Bleib' ja nur bis zum Ende der Studienzeit hier", stellt Luc klar, bevor er in die Küche geht, als hätte er ihren Gedanken erraten. Er klingt gleichgültig, beinahe arrogant.
Es fällt wenig Licht durch die schweren Vorhänge an diesem heißen Sommernachmittag und das wenige auf eine Schwarz-Weiß-Fotografie in einem Silberrahmen. Um etwas zu tun, nimmt sie es auf und betrachtet die junge Frau darauf, die einen kleinen Jungen auf dem Arm hält. Sie ist nicht im eigentlichen Sinn schön, doch ihre dunklen Locken und der wehmütige Blick vorbei an der Kamera, geben ihr einen Ausdruck von Verlorenheit und man möchte sie an den Händen nehmen und sich mit ihr durch den Garten drehen, immer im Kreis herum, bis man einander nicht mehr festhalten kann und lachend ins Gras fällt. Es ist im Sommer aufgenommen worden. Die Hortensien blühen und im Hintergrund sieht man einen Baum, der Früchte trägt. Äpfel vielleicht oder aber Pfirsiche. Es ist, als könne sie es riechen, den Duft der Blüten und der reifen Früchte. Sie schließt für einen Moment die Augen.
In der Stadt sind die Sommertage unerträglich. Besonders im Augenblick. Sie stellt das Foto zurück und legt eine Hand auf ihren Bauch. Das Leben darin ist deutlich zu spüren. Es ist allgegenwärtig. Bestimmend. Dieses Kind ist ihr fremd, sie kennt es nicht, weiß nicht, wie es sein wird. Vielleicht hat es einen schlechten Charakter und sie kommt gar nicht mit ihm klar. Der leicht gewölbte Bauch ist kein geliebter Teil von ihr. Was, wenn sie das Kind ablehnt, keine Gefühle entwickeln kann, es am Ende nicht lieben wird?
Das wird schon, sagt ihr Mann.

Luc kommt mit einem Glas zurück und steht dicht vor ihr. So dicht, dass sein Atem die verschwitzte Haut an ihrem Hals kühlt. Ihre Hände sind nass, sie schluckt schwer und geht einen Schritt zurück, um sich von ihm wegzudrehen.
„Ist das deine Mutter auf dem Foto", beginnt sie ein wenig zu leise, und erhebt am Ende der Frage die Stimme, so dass der Satz unmelodisch klingt. Diese Unsicherheit kann ihm nicht entgangen sein. Sie reckt das Kinn nach oben und zieht die Augenbrauen etwas zusammen. „Und der Kleine? Das bist wohl du", fragt sie und es klingt viel zu trotzig.
Sein Rücken streckt sich und der Blick schweift zur Kommode mit der Aufnahme, wie vermutlich schon unzählige Male zuvor.
„Ich war fünf Jahre alt , als sie sich das Leben nahm. Es ist im Sommerhaus aufgenommen. In der Bretagne. Wir waren danach nie wieder dort." Er verzieht die Lippen zu einem Strich und lässt ein kurzes Geräusch heraus.
Etwas Ähnliches hat sie vermutet, steht doch kein einziges Foto der Frau aus heutiger Zeit daneben. Dennoch trifft es sie unvermittelt und ohne etwas sagen zu können, nippt sie verlegen am Wasserglas.
„Sie hatte Depressionen. Nach der Geburt meines Bruders stürzte sie sich von der Klippe."
Jetzt hat sie das Bedürfnis etwas Erfreuliches zu sagen. Die Stimmung war von Anfang an befremdlich? Sie finden nicht zueinander, wissen nicht, worüber sie reden sollen.
„Es wird ein Junge. So um Weihnachten herum", sagt sie dann und tätschelt ihren Bauch.
„Bis dahin habe ich mein 2. Staatsexamen. Ich gehe zurück in meine Heimat. Mein Vater erwartet mich", erwidert er daraufhin ohne weiter auf ihre Bemerkung einzugehen.
„Nach der Geburt werde ich auch nicht wieder zurück in dieses Büro gehen, um eintönige Telefonate zu führen. Ganz sicher nicht", verkündet sie eine Spur zu energisch. Er scheint es nicht zu bemerken und kommt erneut näher, berührt ihr Haar, das glatt auf ihre Schultern fällt.
„Mach keine Dummheiten." Dabei zwinkert er mit einem Auge, so dass sie ihm seine Besorgnis nicht abnimmt.
Sie schüttelt den Kopf, drückt etwas Luft aus dem Mund als Zeichen gespielter Empörtheit und denkt an den Vater ihres Kindes, der in diesem Augenblick wohl einiges für den Umzug in eine größere Wohnung organisiert, während sie den Nachmittag mit dem fremden Mann verbringt.

Keinen Augenblick möchte sie länger bleiben. Sie nimmt ihre kleine Tasche, die sie beim Hereinkommen auf einen Stuhl gelegt hatte. Nicht eilig, aber bestimmt.
Er begleitet sie zur Tür, ohne sie aufhalten zu wollen. Sie haben sich nichts zu sagen. Er hält ihre Hand zum Abschied einen Moment zu lange fest, so dass das kühle, unangenehme Gefühl für einen winzigen Augenblick zurück ist.
„Bis Morgen." Dabei schnalzt er mit der Zunge und schnippt mit zwei Fingern.
„Ja, bis Morgen," sagt sie.

Als sie aus dem Haus und auf den Gehweg tritt, steht die heiße Stadtluft wie eine Wand vor ihr. Sie bleibt kurz stehen und atmet länger aus, um dann bedächtig den Weg entlang der Platanen zu gehen. Dabei schaut sie ein letztes Mal zu seinem Fenster hinauf. Falls er ihr nachblickt, dann so, dass sie ihn nicht sehen kann.

Ein leichter Wind aus Osten weht ihr ins Gesicht, erfrischt sie. Es duftet nach Pfirsichen. Sie kann den Obsthändler an der Straßenecke schon sehen und kauft dann eine Tüte von diesen weichen, süßen Früchten. Ihre Schritte beschleunigen sich und sie geht vorbei an dem wundervollen Barockgarten mitten in der Stadt und vor ihrem inneren Auge sieht sie ein Haus aus Granit, bewachsen mit einer weißen Kletterhortensie, mit grünen Fensterläden, einem Garten von Lavendel und Ginster überwuchert, mit hüfthoch gewachsenen Hortensiensträuchern und einem alten Pfirsichbaum.
Erst jetzt bemerkt sie wie schnell sie läuft.
Später wird sie ihrem Mann noch für diesen Sommer eine Reise in die Bretagne vorschlagen.
Was er wohl sagen wird?

 

Hallo, leider bin ich technisch eine Null und habe versäumt, meine Vorstellung anzuhängen. Ich lese seit vier Tagen sehr gerne die Kurzgeschichten in diesem Portal.
Es ist mir sehr schwer gefallen, mich hier anzumelden und einzusenden. Es braucht Mut. Auch andere Geschichten zu kommentieren.
Dennoch freue ich mich, hier zu sein und zu lernen.

Liebe Grüße, Kanji

 
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Hey Kanji

Ja, ich habe auch recht gezittert, als ich das erste Mal eine Geschichte hier eingestellt habe. Aber alles halb so wild, willkommen bei den Wortkriegern! Und wegen dem Kommentieren: einfach Leseeindrücke schildern, sagen, falls du wo gestolpert bist, etc.

Auf alle Fälle war das eine gute Entscheidung. Ich sag’s mal so: Ich denke, du hast das Zeug, wirklich gute Geschichten zu schreiben. Klare Sprache, gut eingesetzt. Du schaffst so eine Stimmung, deutest an, lässt vieles unausgesprochen. Das passt. Aber ich denke, du bist zu weit gegangen. Ich finde die Art und Weise, wie du das erzählst, gut, so nach und nach, etwas fragmentiert. Aber ich musste das Ding zweimal lesen um folgenden Plot zu rekonstruieren: Schwangere Frau mit Kind verlässt den Vater des zukünftigen Kindes und brennt mit einem Arbeitskollegen durch – und zwar an einen Ort, der ihr vertraut ist. Richtig? Gibt es Hinweise darauf, weshalb sie das tut? Was ist mit dem Vater? Ringt sie mit sich? Liebt sie den Neuen? Welche Rolle spielt die tote Mutter des neuen Typen? Versteh‘ mich nicht falsch. Es geht nicht darum, dass du all diese Fragen eindeutig beantworten musst. Aber mir hat da einfach was gefehlt in diesem Plot. Da gibt’s diese Stimmung, aber das reicht mir noch nicht. Ich kriege kein Bild zusammen, ich seh den Konlikt nicht und sag mir am Ende: "So what?" Und ich suche auch nicht nach mehr. Ich meine, es gibt schon so Geschichten, wo nicht viel passiert und man weiss nicht so recht, worum es überhaupt geht und dennoch hat es einen gepackt. Das hat hier (bei mir) nicht geklappt. (Vielleicht hab' ich aber auch aus purer Doofheit die Hälfte nicht mitgekriegt).

Jedoch: Sprachduktus, Erzählweise, Stil: ich halte das für ein gelungenes Debut!

Details:

Was sie genau hierher getrieben hat, kann sie wieder einmal gar nicht sagen.

Ein Einstiegssatz sollte knackig sein, der hier ist es nicht.

Wenige Sonnenstrahlen fallen zwischen die schweren, dunklen Vorhänge, die nur einen winzigen Spalt geöffnet sind, auf das kleine, schäbige Schränkchen. Es ist das einzige Foto darauf.

Unklarer Bezug

Es ist Sommer, denn die Hortensien blühen

streichen

Er steht so nah, dass sein Atem die verschwitzte Haut auf ihrem Hals kühlt.

Eher: „an“. Und wieso nicht einfach: ihren verschwitzen Hals?

. "Wenn ich in drei Jahren nicht verheiratet bin, werde ich dich heiraten".

Hier ist nicht eindeutig, wer spricht.

Dann hebt er den Arm und löst ihre Haarspange, sodass die langen, glatten Haare auf ihre nackten Schultern fallen und ihr Gesicht jünger erscheinen lassen .

Perspektive! Du erzählst aus der Perspektive der Frau, und das kann sie nicht wissen – oder steht sie vor einem Spiegel?

Sie treibt in ihren Gefühlen, in ihrer Hoffnung, in ihren diffusen Wünschen.

Das würde ich streichen. Das ist so unspezifisches telling. Brauchst du nicht.

Bedächtig geht sie den Weg entlang der Platanen nach Hause, dabei blickt sie ein letztes Mal zu seinem Fenster hinauf. Falls er ihr nachsieht, dann so, dass sie ihn nicht sehen kann.

Simpel und stark.

"Im Sommer werde ich das Haus verkaufen". Sie nickt erneut und versteht sofort von welchem Haus er spricht.

Im Gegensatz zu mir.

Ich hoffe, du kannst was damit anfangen.

Gruss
Peeperkorn

 

Hej, das ging ja flott. Herzlichen Dank, Peeperkorn, auch für dein warmes Willkommen und die Anregung zu kommentieren. Du hast dir viel Mühe gemacht, deine Eindrücke zu schildern.

Ich fürchte, ich muss die ganze Geschichte insgesamt überarbeiten, denn offenbar kommt die Entwicklung der Protagonistin gar nicht rüber. Das ist kein gutes Zeichen und irritiert mich schon. Wahrscheinlich ist sie mir sehr vertraut geworden und dir musste sie fremd bleiben, sie ist ja in meinem Kopf. :lol:

Es geht nämlich gar nicht um Liebe zu dem einen oder dem anderen. Es sollte darum gehen, ihren eigenen Platz zu finden. Mist. Genauso blöd wie einen Witz erklären. :shy:

Es ärgert mich, dass der erste Satz unknackig ist, denn ich weiß sehr wohl um ihn generell (lese ich doch gerade ein Buch mit einem der besten ersten Sätze überhaupt ;) )

Ich nehme mal an, dass du mir "Welpenschutz" zusprichst, wenn du von deiner "Doofheit" sprichst, aber ich fürchte, es ist mir einfach nicht gelungen so sparsam artikuliert, den Plot aufzuzeigen. Wie du schon sagtest: so what - noch mal von vorne.

Hab lieben Dank für deine Zeit und Unterstützung , Kanji

 
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Hey Kanji


Wahrscheinlich ist sie mir sehr vertraut geworden und dir musste sie fremd bleiben, sie ist ja in meinem Kopf.

Das könnte der Schlüssel sein. :)

Es geht nämlich gar nicht um Liebe zu dem einen oder dem anderen. Es sollte darum gehen, ihren eigenen Platz zu finden.

Okay. Das habe ich schon auch gesehen, kam aber erst am Ende und etwas überraschend zum Tragen. Ich denke, du solltest da anders gewichten: Durch die Beschreibung des Fotos am Anfang der Geschichte lenkst du die Aufmerksamkeit des Lesers auf den Mann. Man fragt sich, was es wohl mit diesem Foto auf sich hat, was das für ein Typ ist. Sehr viel Text zu Beginn ist dieser Beziehung gewidmet. Die Erzählerin hingegen wird nicht verortet. Da weiss man nicht, wo die steht, bzw. ihre Nichtverortung, vielleicht eine Entwurzelung oder so, die wird zu wenig thematisch. Du hast da zwar zweimal den Begriff "getrieben" - im ersten Satz und dann noch mal. Aber ich habe das erst beim erneuten Durchlesen bewusst wahrgenommen, das bleibt zu abstrakt. Wenn du hier konkreter wirst, dann funktioniert das eventuell. Oder wenn du zum Beispiel mit einem Foto beginnst, auf dem die Protagonistin zu sehen ist, oder mit einer Erinnerung der Erzählerin (an den Garten, an den Pfirsichbaum), da kriegt die Geschichte zu Beginn einen anderen Fokus und du kannst die Entwicklung besser aufzeigen. (Nur so als Idee, welche Richtung du einschlagen könntest). Und Entwicklung des Protagonisten in einer Kurzgeschichte ist schon eine diffizile Angelegenheit. Ich denke, da brauchst du entweder Schlüsselereignisse, die sich (irgendwann) auch für den Leser als solche erschliessen lassen, oder mehr Innenansicht, Reflexion (wobei dann die Gefahr lauert, zu erklärend zu werden).
Vielleicht hilft das bei der Überarbeitung.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
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Hallo Kanji,

und herzlich Willkommen. Dein Einstand hat was, wenn es zwar auch einige Aber gibt.

Bei deiner Geschichte hatte ich ganz andere Vorstellungen, was das Alter von beiden Protagonisten betrifft. Du zeichnest am Anfang z.B. diese düstere Stimmung in dem Zimmer, die mich auf eine falsche Fährte lockt. Es gibt auch Ungereimtheiten, aber was für mich am unbefriedigsten war, dass ich einfach nichts von den Personen wusste.
Weder, wieso sie in seinem Zimmer war, wie es dazu kam, was mit denen schon war, wo es angefangen hat, obwohl sie doch einen Vater fürs Kind hat.
Und wieso war das Haus so wichtig in der Erzählung?

Vielleicht gehe ich das am besten anhand des Textes durch, dann kann ich dir das besser aufzeigen, wo meine Fragezeichen herumschwirren.

Was sie genau hierher getrieben hat, kann sie wieder einmal gar nicht sagen.
Der Eingangssatz wurde ja schon moniert. Und auch wieso denn: wieder einmal ? das bleibt in der Luft hängen.

Jedenfalls steht sie jetzt in diesem düsteren Raum und ihr Blick fällt auf das Foto in dem eleganten Silberrahmen. Es gibt keinen anderen Punkt im Zimmer, der ihren Blick einfängt.
Wortwiederholung
Dann willst du doch sicher sagen, dass das Foto das einzig interessante ist. Ich würde das auch eher in die Richtung formulieren, denn das mit dem Punkt im Zimmer ist etwas unpassend.

Wenige Sonnenstrahlen fallen zwischen die schweren, dunklen Vorhänge, die nur einen winzigen Spalt geöffnet sind, auf das kleine, schäbige Schränkchen. Es ist das einzige Foto darauf.
Da denke ich an das Wohnzimmer eines älteren Menschen. Was willst du mit der Beschreibung des Zimmers bezwecken? Schwermut, weil der arme Student ohne Mutter aufgewachsen ist? Oder einfach die Szenerie, dass er halt irgendwo möbliert billig zur Miete wohnt? Das kann ich aber anfangs überhaupt nicht in Zusammenhang bringen und so irritiert mich das eher.

Sie zögert, es in die Hand zu nehmen, nimmt es dann doch.
Bevor sie es in die Hand nimmt, zögert sie.


Die junge Frau auf dieser Schwarz-Weiß-Aufnahme hält einen kleinen Jungen auf dem Arm, der seine Finger in ihre Locken gesteckt hat und diese aufmerksam betrachtet. Die Frau blickt direkt in die Kamera. Ihrem Ausdruck nach zu urteilen, steht sie dem Fotografen sehr nahe. Es scheint, als stände nichts zwischen ihnen, nicht einmal die Kamera, als sähen sie sich direkt in die Augen. Sie stehen in einem Garten. Es ist Sommer, denn die Hortensien blühen und der Baum hinter ihnen trägt größere Früchte, vermutlich Äpfel oder aber Pfirsiche. Die Beine des Jungen sind nackt und er trägt keine Schuhe. Genau wie sie. Sie lächeln beide nicht.
Das finde ich zu langatmig. Der fettmarkierte Satz ist nicht besonders elegant. Was sind nackte Beine? Willst du damit sagen, dass er nur Windeln trägt? Oder eine kurze Hose? Dann schreibe das hin.
So etwa: Er trägt eine kurze Hose und ist barfuß, genau wie sie. Dann hat man ein viel besseres Bild.
Wobei ich, nebenbei gesagt, finde, dass das eh zuviel ist.

Ich würde kürzen, so dass das noch übrig ist:

Die junge Frau auf dieser Schwarz-Weiß-Aufnahme hält einen kleinen Jungen auf dem Arm. Sie blickt direkt in die Kamera. Ihrem Ausdruck nach zu urteilen steht sie dem Fotografen sehr nahe. Sie lächeln beide nicht.

Die Atmosphäre hier im Raum wirkt altmodisch und etwas bedrückend, beinahe traurig.

Das hast du schon mit: Wenige Sonnenstrahlen fallen zwischen die schweren, dunklen Vorhänge, die nur einen winzigen Spalt geöffnet sind, auf das kleine, schäbige Schränkchen
gezeigt. Mit dieser Erklärung traust du dem Leser nichts zu.

Das hat sie nicht erwartet. Er macht nicht den Eindruck eines Mannes, der in der Vergangenheit zu leben scheint. Seine Kleidung ist modern, seine Sprache auch.
Das bedeutet für mich: Er ist schon älter, macht aber durch sein Auftreten den Eindruck, jung zu wirken.
Sie stellt das Foto auf die Kommode zurück, tritt direkt ans Fenster, schiebt die Vorhänge etwas weiter auseinander und sieht auf die stark befahrene Straße hinab. Es ist ein sehr heißer Sommertag, das Fenster fest verschlossen und kein Geräusch dringt herein.

Bringt das die Geschichte weiter? Du dümpelst für mich als Leser am Anfang zu sehr rum, bevor es mal interessant wird.

Sie legt die Hände auf ihren Bauch und fühlt das Leben darin.
Zweimal Sie am Satzanfang.

Er steht hinter ihr und sie spürt seinen Atem in ihrem Nacken. Das hellbraune Haar trägt sie bei diesen Temperaturen hochgesteckt. Als sie sich zu ihm dreht, hält er ihr ein Glas Wasser entgegen. Sie nimmt es dankbar, nippt daran und sieht ihm ins Gesicht. Sie kann sein Alter darin nicht erkennen.
... und blickt ihm ins Gesicht. Sie kann darin sein Alter nicht erkennen.
Hier hilfst du dem Leser kein bisschen, ihn zu verorten, im Gegenteil, sie kann das Alter auch nicht erkennen.


Sie weiß nur seinen Namen, sie weiß auch nicht , ob er der kleine Junge auf dem Foto ist.
Das irritiert, weil du später schreibst, dass sie zusammen in einer Firma arbeiten. Also weiß sie doch mehr über ihn als nur den Namen. So, wie ich das hier lese, ist sie ihm quasi in die Arme gestolpert und er bringt sie mit in die Wohnung.

Die Stille im Zimmer bedrückt auch ihre Atmung.
Atmung bedrücken ?
drückt auf ihre Atmung wäre wohl besser, aber ich finde Atmung nicht besonders.
Mir würde z.B. besser gefallen: Die Stille im Zimmer lässt sie schwerer atmen.
Er hat sich noch immer nicht gerührt und hält den Blick weiter auf sie gerichtet, als würde er sich ihr Bild ins Gehirn brennen wollen.
das finde ich etwas heftig im Ausdruck, weil es bisher nicht zum Kontext passt. Ich weiß nicht die Bohne, wie er zu ihr steht und nun will er ihren Anblick sein Leben lang nicht vergessen. Ich stehe da als Leser im Regen, ich habe keinen Zusammenhang.

Er steht so nah, dass sein Atem die verschwitzte Haut auf ihrem Hals kühlt.
Das hatten wir schon sehr ähnlich mal mit:

Er steht hinter ihr und sie spürt seinen Atem in ihrem Nacken.
Vielleicht eine andere Wortwahl, dass das nicht so ähnlich klingt.

Dann hebt er den Arm und löst ihre Haarspange, sodass die langen, glatten Haare auf ihre nackten Schultern fallen und ihr Gesicht jünger erscheinen lassen.
Achtung: Ich weiß noch nicht, wie alt sie ist. Nun wirkt sie jedenfalls mit offenem Haar jünger, was auch immer das heißen mag. Aber ich gehe erstmal davon aus, dass sie älter ist. Wie auch immer.
Sie schluckt nur schwerer und hält sich mit beiden Händen am Wasserglas fest.
Schwerer als was? Hat sie vorher schon geschluckt, dass es nur schwerer geht?
Oder willst du sagen, dass sie nichts tut, außer schwerer zu schlucken? Das ist etwas ungünstig formuliert.

Sie weiß nichts zu tun und nichts zu sagen. Sie hat keine Vorstellung davon, worauf das alles hinausläuft.
Na, da haben die Protagonistin und der Leser eines gemeinsam :D

Sie treibt in ihren Gefühlen, in ihrer Hoffnung, in ihren diffusen Wünschen.
So, und wie soll ich wissen, welche Gefühle, Wünsche etc. das sind?

Er ist ruhig und leise, als löse sich alles in Luft auf, sobald er sich schneller bewegte.
Er ist ruhig und leise
wo ist da der Unterschied?
... als würde sich alles in Luft auflösen, sobald er sich schneller bewegen würde.
Vom Bild her fände ich besser: ... als würde alles verschwimmen und sich in Luft auflösen, sobald ...


Sie nickt:" Es wird ein Junge." Zu mehr reicht der Atem nicht aus. Wie viel Zeit verging , seit sie hier ist, weiß sie nicht zu sagen.
Ja, die Protagonistin weiß wieder etwas nicht, wobei sie dem Leser helfen könnte, würde sie etwas wissen. Wären es schon zwei Stunden gewesen, so wüsste man als Leser, dass irgend etwas gelaufen sein musste zwischen denen, sonst würde sie ihm nicht so indifferent gegenüber sein.


"Wenn alles so weiter läuft, werde ich vor Weihnachten das 2. Staatsexamen haben. Ich gehe dann zurück. Mein Vater erwartet mich."
Plopp. Ein Student! Noch keine 30, nehmen wir mal an.
Es ist alles so klar, seine Zukunft, er hat eine Perspektive, er weiß, wohin er gehört und dennoch wirkt er haltlos.
Was macht diese Haltlosigkeit aus? Ich spüre nichts davon.

Sie arbeiten beide in einer Firma. Er neben dem Studium, sie ganz und gar.
ganz und gar - mit Haut und Haar, der Firma verschrieben.
Achtung: ich weiß immer noch nicht, wie alt sie ist. Naja, wahrscheinlich nicht über 40, wenn sie schwanger ist, aber zwischen 20 und 40 ist alles möglich. Besonders, da sie ja Vollzeitkraft ist.
Es hatte sie dorthin getrieben, es war nicht bewusst gewählt, hatte sich so ergeben, ist passiert.
Hmm, was kann ich als Info damit anfangen? Getrieben, sich so ergeben, ist passiert. Worthülsen, die auch noch konträre Aussagen beinhalten. Getrieben sein ist anders als es hat sich so ergeben


Im Herbst wird sie dort aufhören zu arbeiten und sich auf die Geburt vorbereiten, was immer dann auch zu tun ist. Der Vater des Kindes bereitet derweil den Umzug in eine größere Wohnung vor, während sie hier bei diesem fremden Mann einen Sommernachmittag verbringt.

Warum gibst du dem Leser nicht mehr Informationen an die Hand? Ich finde nur einen Knochen ohne Fleisch. Wieso ist sie bei ihm? Was treibt sie um?

Sie beschließt zu gehen. Sie will nicht länger auf das warten, was kommen könnte.
Also muss da was sein, oder gewesen sein. Hmm ...

Sie stellt das halb gefüllte Glas neben den Silberrahmen und greift ihre kleine Handtasche, die sie beim Hereinkommen auf einen Stuhl gelegt hatte. Er steht auf und begleitet sie zur Tür, nimmt ihre Hand in seine Hände, hebt sie nicht.

"Wenn ich in drei Jahren nicht verheiratet bin, werde ich dich heiraten".
Wer sagt das? Und was ist das für eine hanebüchene Aussage? (sorry)
So quasi: Wenn ich bis in drei Jahren niemanden anderen gefunden habe, dann nehme ich halt in Gottes Namen dich. Das hat den ähnlichen Stellenwert, als ich 5 oder 6 war und meinem Vater sagte, ich würde ihn heiraten, wenn ich groß bin.

Erneut atmet sie tiefer ein. Er berührt noch einmal ihr Haar und sie steigt die durchgetretenen Holzstufen des Treppenhauses hinunter.
Das ist etwas ungelenkt mit dem tiefer atmen. Sie atmet tief durch fände ich gefälliger.
Dann bitte zwei Sätze machen aus: Er berührt noch einmal ihr Haar. Sie steigt die durchgetretenen Holzstufen des Treppenhauses hinunter.

Die heiße, schwere Luft der Stadt steht vor ihr wie eine Wand. Sie bleibt stehen und atmet lange aus.
Also mit dem Atem hast du es ja oft genug ;)

Falls er ihr nachsieht, dann so, dass sie ihn nicht sehen kann.
zweimal sehen - besser: falls er ihr nachblickt, ...

Als am Vormittag das Telefon läutet, hat sie gerade das Frühstück beendet, aufgeräumt und den kleinen Pfirsichbaum auf der Terrasse begutachtet.
Dieser neue Abschnitt beginnt in einer ganz anderen Zeit. Das habe ich überhaupt nicht kapiert. Ich habe das so interpretiert, dass es im gleichen Jahr passiert, aber Herbst geworden ist.

Es ist jetzt schon recht kühl und lange kann er dort nicht mehr bleiben. Dann wird sie ihn zum Überwintern in den Keller bringen müssen.
So will ich schon schreiben: Naja, hochschwanger noch so einen Topf tragen ... :D - dabei ist der Junge ja schon da. Aber das erfahre ich erst später. Zumal du noch von der Wärme im Bauch sprichst und ich sofort an den schwangeren Bauch denke.

Am anderen Ende der Leitung nimmt sie zuerst eine vertraute Stille wahr, dann hört sie seinen Atem und noch bevor sie seine Stimme hört, ist die Wärme in ihrem Bauch zu spüren.
Sie nimmt eine vertraute Stille wahr? Wie soll das gehen? Hört einen Atem und weiß nach Jahren sofort, dass es der Ex-Student ist?

Er wirkt sehr zart als er ihre Hand nimmt.
Da stelle ich mir einen kleinen, verhuschten Bub, schmal in Statur und mit scheuem Blick, vor. War das so gemeint? Oder wolltest du sagen, dass er sehr zärtlich war?

Genau wie sie.
Sie wirkte auch zart? Ich glaube, du meinst wirklich was anderes.
Ohne ihre Hand loszulassen KOMMA beugt er sich vor: "Gehen wir ein Eis kaufen?"
Gehen wir ein Eis essen? ist für mich geläufiger, besonders bei einem kleinen Knirps.

"Bist du zufrieden?", fragt er. Sie nickt und sieht ihn an. Ihre hellen Augen leuchten und er sieht, dass sie es ist.
Ich kann diese Frage und die Antwort wiederum nicht verorten. Meint er ihr Leben im allgemeinen oder die momentane Situation, weil er bei ihr sitzt?


"Im Sommer werde ich das Haus verkaufen". Sie nickt erneut und versteht sofort KOMMA von welchem Haus er spricht.

Wir verbrachten jeden Sommer im Haus in der Bretagne. Das könnte auch ein gemietetes Haus gewesen sein.

Der Bahnhof ist klein und nicht viele Menschen steigen mit Ihnen an diesem Nachmittag im Sommer aus dem Zug.
ihnen

Die Reise an die Côte d'Amor ist ein schöner Anfang, bevor sie das Studium für Landschaftsarchitektur in Rennes beginnt.
Sie beginnt zu studieren. Und das auch noch im Ausland. Wieso?

Der Duft von Lavendel durchzieht die frische Meeresluft auf eine ihr völlig unbekannte Weise. Sie legt kurz den Kopf zurück und blickt in den verhangenen Himmel, bevor sie auf das Geschäft zugeht.
Agentur wäre besser

Sie lässt erneut die reine Luft tief in die Lungen einfliessen
und nochmal Luft geholt ;)

Alles ist klar und einfach.

Mir leider nicht.


Jetzt ist es einiges geworden. Aber, liebe Kanji, bitte bedenke, dass ich mir die Mühe nur gemacht habe, weil ich davon ausgehe, dass du tatsächlich an dir und deinen Texten arbeiten willst und ich mir gut vorstellen kann, dass das bei dir fruchtet. Da dachte ich halt, ich zeige dir alles auf, was mir so auffällt. Bitte nicht frustriert sein, weil ich soviel angemerkt habe, einiges ist auch Geschmackssache, aber nur so lernt man ja was.

Liebe Grüße
bernadette

 

Hej bernadette, herzlichen Dank, dass du dir, zu später Stunde, solche Mühe gegeben hast. Ich schätze das und vermute, dass ich hier richtig bin.

Frustriert bin ich zum Glück nicht. Nur etwas ratlos. Ich habe nicht mit so viel Verwirrung gerechnet. Wie Peeperkorn anmahnte, habe ich wohl übertrieben. Zu viele Andeutungen und Offenhaltungen scheinen keinen Spaß zu machen.

Mal sehen, ob ich mit mehr noch eine Kurzgeschichte hinbekomme. :D

Wenn es üblich und erwünscht ist, werde ich natürlich zu jedem einzelnen Punkt deiner Kritik Stellung nehmen, aber da es nach meinem Empfinden vorrangig darum geht, zu verschroben und versponnen zu sein, macht es vielleicht mehr Sinn, es mit meinem Thema/ Anliegen ganz neu zu gestalten.

Gottogott, das kostet Zeit :lol:

Aber ich merke schon, die Lust am Schreiben, gepaart mit einem bisschen Ehrgeiz, wächst wieder.
Danke auch dafür.

Hab' einen schönen Tag, Kanji

 

Gutenh Morgen Kanji,


Ich schätze das und vermute, dass ich hier richtig bin.
Das siehst du richtig :D

Frustriert bin ich zum Glück nicht. Nur etwas ratlos. Ich habe nicht mit so viel Verwirrung gerechnet. Wie Peeperkorn anmahnte, habe ich wohl übertrieben. Zu viele Andeutungen und Offenhaltungen scheinen keinen Spaß zu machen.
Hast du auch immer wieder versucht, dich in den unwissenden Leser hineinzuversetzen? Hast du dir überlegt, was du an Informationen über die Protagonisten, die Handlung, das wie und wo herausgibst?

Wenn es üblich und erwünscht ist, werde ich natürlich zu jedem einzelnen Punkt deiner Kritik Stellung nehmen, aber da es nach meinem Empfinden vorrangig darum geht, zu verschroben und versponnen zu sein, macht es vielleicht mehr Sinn, es mit meinem Thema/ Anliegen ganz neu zu gestalten.

Da hast du Recht. Schon nach deiner Antwort auf Peeperkorns Kommentar war mir klar, dass da sicher einiges passieren wird. Aber auch gerade auf Grund dessen habe ich dir meine Sicht erklärt, damit du überhaupt weißt, wo der Hund begraben liegt. Mit Hilfe meiner konkreten Fragen und Anmerkungen bekommst du auch ein Gespür dafür, was von deiner Intention rüberkam und was nicht.

Wenn du den Text überarbeitet hast, kannst du ja zusammenfassend beschreiben, wie du dran gegangen bist und was du aufgrund der Kommentare geändert hast.
Im Übrigen ist es aber auch legitim, erst einmal mehrere Stimmen zu hören (lesen) und ein paar Tage abzuwarten. Das muss man dann auch aushalten können, aber bei der Antwort auf Nr. 1 oder 2 kann man einflechten, dass man gerne noch andere Stimmen hören würde. Dass sich gerade mit Pepperkorn und mir die Aussagen ähneln, muss nicht immer sein. Vielleicht kommt ein Dritter und sagt: Für mich ist das genau richtig, so wie das da steht. Aber hier in diesem Falle vermutlich eher nicht ;)

Gottogott, das kostet Zeit :lol:
Denke ich mir auch immer beim Kommentarschreiben :D

Aber ich merke schon, die Lust am Schreiben, gepaart mit einem bisschen Ehrgeiz, wächst wieder.
Danke auch dafür.
Na, dann hat sich die Arbeit für mich schon gelohnt :)

Liebe Grüße
bernadette

 
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Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Hej bernadette,

es ist mir tatsächlich nicht in den Sinn gekommen, mir über den armen Leser bezüglich deiner Fragen Gedanken zu machen:shy: Das kommt dann also dabei heraus: nichts als Fragen. Dabei wollte ich soviel wie möglich offen halten, Raum und Platz halten für Möglichkeiten, damit jeder seine eigene Sichtweise auf die beiden Protagonisten hat, mehr so laufen lassen.

Das hat ja dann nicht so funktioniert. :lol:

Eine Herausforderung umso mehr, denn ich möchte nach wie vor nicht alles ausdefinieren. Schau'n wir mal, dann seh'n wir schon. :D

Ich werde deinen Rat befolgen: abwarten und aushalten.

Herzlichst, Kanji


Hallo Peeperkorn ,

dein zweiter Kommentar zeigt gut auf, dass es mehr Verbindungen benötigt, um verständlich zu werden und passendere Gewichtungen. Mir war alles klar, ich "kenne" die Beiden ja

Ich fürchte, ich habe verstanden. Jetzt noch schnell umgesetzt (haha) und neu gestartet.

Einen schönen Mittwoch. Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Kanji schrieb:
es ist mir tatsächlich nicht in den Sinn gekommen, mir über den armen Leser […] Gedanken zu machen.
Ist das nun ein klassischer Anfängerlapsus oder schlicht Chuzpe? :D

Die Kommentare von Peeperkorn und bernadette sind ja wirklich sehr umfangreich und konstruktiv, Kanji, und im Grunde haben dir die beiden ja schon so ziemlich alles gezeigt, woran es deiner Geschichte mangelt. Und weil du obendrein ankündigst, an dem Text weiterarbeiten zu wollen, hat es wohl wenig Sinn, wenn ich das, was Peeperkorn und bernadette gesagt haben, nun mit anderen Worten wiederhole. Mein Leseeindruck gleicht dem ihren nämlich aufs Haar. (Zu vage, zu fragmentarisch, zu viel zwischen und hinter den Zeilen, zu viel ausschließlich in deinem Autorinnenkopf, usw.)
Auf jeden Fall aber will ich - weil ich weiß, dass man so was als Autor nicht oft genug hören kann - dir sagen, dass mir deine Erzählsprache über weite Strecken wirklich sehr gut gefallen hat. Also da erkennt man schon einen sehr bewussten und behutsamen Umgang mit der Sprache und den Worten.
Ja, schreiben kannst du offenbar.

Ich will ich dir jetzt trotzdem noch ein paar Sachen zeigen, die mir - über die Anmerkungen von Peeperkorn und bernadette hinaus - aufgefallen sind.
Auch wenn die folgenden Sätze bei einer Überarbeitung eventuell rausfliegen, kannst du ja vielleicht - in Zukunft - was damit anfangen. (Du weißt schon, fürs Leben lernen wir, nicht für die Schule. :D)

Wenige Sonnenstrahlen fallen zwischen die [besser: den] schweren, dunklen Vorhänge[n], […] auf das kleine, schäbige Schränkchen.
Zwar kann der Präposition zwischen sowohl ein Dativ als auch ein Akkusativ folgen, in diesem Fall allerdings fände ich den Dativ besser, weil die Sonnenstrahlen danach ja ihren Weg noch fortsetzen.
(So wie in diesem Beispiel:
Wir laufen zwischen die Bäume und setzen uns dort hin. (Akkusativ)
Wir laufen zwischen den Bäumen zum Teich. (Dativ)

Die Beine des Jungen sind nackt und er trägt keine Schuhe. Genau wie sie. Sie lächeln beide nicht.
So was finde ich nicht besonders elegant. Und überhaupt gefällt mir die Negation lächeln nicht hier nicht.
Eventuell: Genau wie sie. Beide blicken ernst/haben ein ernstes Gesicht/zeigen keine Spur eines Lächelns in ihren Gesichtern oder so ähnlich.

Sie stellt das Foto auf die Kommode zurück, tritt direkt ans Fenster,
Ich persönlich hasse dieses Wort finde dieses Wort in literarischen Texten schrecklich unattraktiv (genauso wie z.B. komplett). Obendrein ist es in den meisten Fällen vollkommen entbehrlich.

Die Stille im Zimmer bedrückt auch ihre Atmung.
Hm.
Dass du dermaßen oft das Atmen der Figuren erwähnst (ich glaube sieben- oder achtmal, so oft jedenfalls, dass ich als Leser schon versucht war, einen Hintersinn darin zu suchen), hat ja schon bernadette angesprochen.
Mir geht es hier allerdings nicht ums Atmen, sondern um das Verb bedrücken. Das passt mir hier einfach nicht.

… als würde er sich ihr Bild ins Gehirn brennen wollen.
Trau dich ruhig, den Konjunktiv II zu verwenden, der beißt nicht: … als wollte er sich ihr Bild ins Gehirn brennen.

Sie arbeiten beide in einer Firma. Er neben dem Studium, sie ganz und gar.
Das klingt mir zu uneindeutig. (Jeder in einer anderen Firma?)
Eventuell: Sie arbeiten in derselben Firma. (Dass von beiden die Rede ist, checkt der Leser sowieso.)

Sie stellt das halb gefüllte Glas neben den Silberrahmen und greift ihre kleine Handtasche, …
Das Verb greifen wird möglicherweise regional unterschiedlich verwendet. Meinem Sprachempfinden nach fehlt hier jedenfalls was.
Entweder: … sie ergreift ihre Handtasche
Oder: … sie greift nach ihrer Handtasche.

Sie hört seine Tür ins Schloss fallen, als sie die schwere Eichenholztür am Hauseingang öffnet
Viele Alternativen zu Tür gibt’s ja wirklich nicht. Hier allerdings könntest du das schreiben:
als sie das schwere Haustor öffnet. (Eichenholz? Esche? Pinie? Wen juckt’s.)

Der Bahnhof ist klein und nicht viele Menschen steigen mit Ihnen an diesem Nachmittag im Sommer aus dem Zug.
Auch wenn ich annehme, dass du das aufgrund stilistischer Erwägungen ganz bewusst so geschrieben hast, gefällt mir hier die Syntax einfach nicht.
Eventuell: Der Bahnhof ist klein und nur wenige Menschen steigen an diesem Sommernachmittag mit Ihnen aus dem Zug.

Der Duft von Lavendel durchzieht die frische Meeresluft auf eine ihr völlig unbekannte Weise.
Das kapier ich nicht. Ist ihr der Duft unbekannt, oder die Art, wie er die Luft durchzieht? (Tja, wer weiß schon, was so einem Duft durch den Kopf geht, wenn er sich herumtreibt …)

Der Mann einer [besser: von der] Autovermietung übergibt ihr die Schlüssel des Leihwagens und beschreibt ihr den Weg zum Haus, nachdem sie ihn danach gefragt hat.
Den Nebensatz braucht’s nicht. Der Mann wird ihr den Weg ja wohl kaum ungefragt erklären.

Sie lässt erneut die reine Luft tief in die Lungen einfliessen [einfließen]

Wenige Sonnenstrahlen fallen durch die schweren, dunklen Wolken auf die Zwei [zwei] im Garten.

Ich würde mich echt freuen, Kanji, wenn du dir die Geschichte noch einmal vornimmst. Für mein Gefühl ist sie es nämlich wirklich wert. Ich glaube, da könnte was richtig Gutes draus werden.

Willkommen hier.

offshore

 

Lieber offshore (ist jetzt hoffentlich nicht zu persönlich :shy:),

aber ich bin noch niemals auf derart charmante Art - und lustige- kritisiert worden. Hab dafür schon mal herzlichen Dank.

Zudem machst du dir ja wirklich enorme Mühe, mir behilflich zu sein. Bei den meisten deiner Einwände habe ich tatsächlich eine Weile gebastelt, um dann wohl doch die falsche Wahl zu treffen. :lol:

Bisschen wie in der Schule fühle ich mich schon, wenn du lobst und "aber" sagst. Dann habe ich trotzig das Gefühl, mich verteidigen zu müssen. Tu ich aber nicht, weil ich weiß, dass die Einwände ok sind.:D

Naja, ich werde noch etwas sammeln, falls sich noch jemand "traut" ;), um mir dann noch einmal diese junge Frau vorzuknöpfen.

Danke für deine Zeit. Ich wünsche dir einen schönen Abend. Kanji

 

Hallo Kanji, deine Sprache gefällt mir sehr. Auch ist es dir gelungen, schöne Szenen lebendig werden zu lassen. Doch eine Kurzgeschichte hast du nicht geschrieben, du hast dich zu sehr verzettelt.
In einer Kurzgeschichte solltest du dich möglichst auf eine einzige Szene konzentrieren. Die Kurzgeschichte erzählt nie ausschweifend, beleuchtet nicht mal diesen, mal jenen Aspekt eines Problems, sondern konzentriert sich auf einen bestimmten Moment, eine Handlung oder Begebenheit. Eine Kurzgeschichte sollte eingleisig angelegt sein und gradlinig auf das Ende zulaufen.

Wenn du diese Regeln beachtest, wird es dir mit Sicherheit gelingen, eine richtig gute Geschichte zu schreiben.

Viel Erfolg!
Amelie

 
Zuletzt bearbeitet:

Ach Amelie!
Jetzt reite doch nicht immer wieder áuf diesen engstirnigen, schulmeisterlichen Begriffsdefinitionen herum, die sich vermutlich irgendein Schlaumeier in den 1950ern hat einfallen lassen.
Würde man die Kurzgeschichten(sic) hier im Forum (und in der weiten Welt draußen) einzig an deinen Maßstäben messen, müsste man wohl 90% davon disqualifizieren. Warum sträubst du dich immer und immer wieder gegen kreative, innovative Vielfalt?

(Und nein, ich finde, mein Beitrag ist nicht offtopic.)

 
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Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Danke Amelie für's Lesen und deine Meinung dazu. Mir graut schon etwas vor der Überarbeitung. Kommt ja allerhand zusammen. Jetzt muss ich wohl direkt noch mal die Kriterien einer Kurzgeschichte nachschlagen, oder eben doch googlen :D

Mannmannmann, da hab ich mir ja hier was eingebrockt.

Hab einen schönen Abend. Kanji

Ich google trotzdem :lol:

 

Hallo Kanji

auch von mir ein kleiner Willkommenskommentar. :read:

Du hast eine interessante Art zu schreiben. Mit wenigen Worten eine Stimmung zu transportieren und mit kurzen Sätzen, die fast schon lakonisch sind. Gefällt mir persönlich gut.
An manchen Stellen fehlt der Rythmus, besonders dann, wenn du rein erzählerische Passagen hast. So eine melancholische Abwechslung mit Passagen, in den du von außen nach innen blickst, wäre vielleicht prägnanter. Du zoomst mit einem Kamerablick drauflos, blickst hierhin und dorthin. Literatur hat es dem Film voraus auch die Gefühle direkt beleuchten zu können.

bisschen was zum Text:

Wenige Sonnenstrahlen fallen zwischen die schweren, dunklen Vorhänge, die nur einen winzigen Spalt geöffnet sind, auf das kleine, schäbige Schränkchen.
du schreibst schon schränkchen, klein ist entbehrlich

Sie stehen in einem Garten. Es ist Sommer, denn die Hortensien blühen und der Baum hinter ihnen trägt größere Früchte, vermutlich Äpfel oder aber Pfirsiche. Die Beine des Jungen sind nackt und er trägt keine Schuhe. Genau wie sie. Sie lächeln beide nicht.
erinnert mich an Bildbeschreibungen in einem kunsthistorischen Seminar...

Sie nimmt es dankbar,
ich nehme nie ein Glas dankbar an :)

Er steht so nah, dass sein Atem die verschwitzte Haut auf ihrem Hals kühlt.
das ist super geschrieben

sodass die langen, glatten Haare auf ihre nackten Schultern fallen und ihr Gesicht jünger erscheinen lassen.
das grässlich, zu viele adjektive und scheinen ist nicht sehen... würde ich generell vermeiden...

Sie arbeiten beide in einer Firma. Er neben dem Studium, sie ganz und gar. Es hatte sie dorthin getrieben, es war nicht bewusst gewählt, hatte sich so ergeben, ist passiert. Im Herbst wird sie dort aufhören zu arbeiten und sich auf die Geburt vorbereiten, was immer dann auch zu tun ist. Der Vater des Kindes bereitet derweil den Umzug in eine größere Wohnung vor, während sie hier bei diesem fremden Mann einen Sommernachmittag verbringt.
hier klingt es zu erzählerisch, als wolltest du halt viele Infos unetrbringen, schulaufsatzmäßig; die meisten infos brauchst du hier nicht, müsstest du reduzieren...

Sie erkennt den Garten sofort wieder. Es ist ein Pfirsichbaum und der verholzte Lavendel überwuchert mit den Hortensien und dem Ginster gemeinsam das Grundstück. Das kleine, mit einer Kletterhortensie bewachsene Haus aus Granitstein und den grünen Fensterläden wirkt einladend und gar nicht verlassen. Der Junge läuft fröhlich umher. Die Wolkendecke reißt auf.
Sie reckt die Arme in die Luft und dreht sich um sich selbst, greift das Kind und dreht sich weiter mit dem juchzenden Jungen. Immer weiter, immer schneller. Alles ist klar und einfach. Wenige Sonnenstrahlen fallen durch die schweren, dunklen Wolken auf die Zwei im Garten.
sehr schön :)

Arbeite daran, lohnt sich. Sage ich aus eigener Erfahrung, mach es, du lernst daraus mehr als einfach eine neue Geschichte schreiben...

liebe Grüße
Isegrims

 

Guten Morgen Isegrims,

nett von dir, mir behilflich zu sein. Danke.
Dein Kommentar ist nicht nur hilfreich, sondern beruhigend.
Ich muss mich sicher erst mehrere Male der Kritik hier aussetzen, um zu verstehen wie es gemeint ist, denn ich habe mich dabei erwischt, wie ich versucht bin, es recht zu machen, eure Fragen zu erklären.

Ich bin nicht sicher, ob ich sie umschreiben kann, ohne einen komplett anderen Stil aufzuzeigen, die Stimmung zu verändern. Das würde mich ziemlich deprimieren.

Der Vergleich mit der Kamera stimmt. Auch die Bemerkung mit dem Schulaufsatz und der Bildbeschreibung (ist das schlimm? Ich wollte das Bild ja auch beschreiben :hmm:) Das funktioniert offenbar nicht. Mal sehen, ob ich das Werkzeug dafür finde, verständlicher zu werden.

Uiuiui. Aber gut. Ich komme der Sache theoretisch näher und werde es versuchen, auch wenn's nicht besser werden sollte (habe hier davon gelesen, was überarbeitete Geschichten anbetrifft).

Einen schönen Freitag für dich. Kanji

 

Hej , in die Runde,

mit viel Vergnügen habe ich mir meine beiden "Freunde" noch mal zur Brust genommen. Dabei habe ich versucht, die freundlichen Hinweise von Peeperkorn, bernadette, Isegrims und ernst offshore zu berücksichtigen, die ich verstanden, größtenteils eingesehen, aber nicht immer umzusetzen verstand. :D
Peeperkorn
Aus einem Satz wurden häufig zwei. "Es ist Sommer. Die Hortensien blühen".
"Der Atem kühlt die verschwitzte Haut an ihrem Hals", weil er nur eine Stelle kühlte, nicht den ganzen Hals :D
Desweiteren habe ich versucht, bei ihr zu bleiben, sie zu "verorten", nicht abstrakt zu sein. Den Kerl habe ich reduziert (er hat's verdient) .
Die meisten der Korrekturen fielen der Kürzung zum Opfer. ;)
bernadette
Anfangs wusste ich nicht, wie ich Verwirrung meiden sollte, habe dann aber Schritt für Schritt ausgelassen, was eine "falsche Fährte" legen könnte, mich weniger an Bildlichem festgehalten.
Herrgott, was hab' ich sie atmen lassen. :lol: (bin etwas Yoga-geschädigt)
Ich habe versucht, mich in den Leser zu versetzen - warum das schwer fiel, weiß ich nicht, bin ich doch selbst die meiste Zeit einer :hmm:
@ Isegrims
Du hast mich dazu gebracht, über jedes Adjektiv eine gefühlte Ewigkeit nachzudenken. Ich sorgte mich um die Stimmung, habe aber trotzdem radikal vermieden :D
ernst offshore
Nachdem ich ja so massiv ausgemistet habe, blieb mir nur dein Lob im Hirn - auch schön.

Ein schönes Wochenende für euch. Kanji

 

Hallo Kanji, du warst fleißig, die Adjektive sind weg, das bekommt deinem Text ausgesprochen gut.

Mit dem Inhalt komme ich nur schwer zurecht. Du malst wunderschöne Bilder, Stimmungen, eine Bühne, auf der sich Figuren bewegen. Doch mir fehlt die Handlung. Irgendetwas sollte passieren. Deine Protagonistin bewegt sich von A nach B. Der Leser darf sie begleiten.

Es wäre hilfreich für mich, du würdest mir eine Inhaltsangabe schreiben. Was genau passiert in dieser Geschichte. Ich bleibe dran!


Liebe Grüße!
Amelie

 

Guten Abend, Amelie,

oje, wenn ich für diese kleine Geschichte eine Inhaltsangabe schreiben muss, dann ist wohl was schief gelaufen.
Du hast sehr recht, es passiert nicht viel. Es gibt keine Action, alles geschieht mit der Protagonistin. Durch diesen heißen Sommernachmittag kommt sie sich und ihren Bedürfnissen auf die Schliche. Nix Weltbewegendes, eine kleine Entwickung, die offenbar nicht durchscheint. :hmm:

Tut mir leid. Hab einen schönen Samstagabend. Kanji

 

Nein, Kanji, so schnell lass ich dich nicht los. Du musst doch eine Idee haben, was du in dieser Geschichte erzählen willst. Irgendetwas. ????????????

Lg

 

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