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So schwarz ist die Welt

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12.07.2012
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So schwarz ist die Welt

Ich stand am Haus. Rauchte meine Zigarette vor dem Zubettgehen. Ich wähnte mich allein zu dieser späten Stunde, bevor das Mädchen in den Lichtkegel der Straßenlaterne trat. Orientierungslos wankte sie die Straße herüber, verharrte, sah zu mir, dann die Allee entlang. Taumelnd lief sie weiter, die Arme vor ihrer Brust verschränkt, eine Jacke trotz herbstlicher Frische um ihre Hüften gebunden. Ich fragte mich, wer sie wäre. Was sie wolle. Eine Zigarette? Ich hatte mir soeben die letzte angebrannt.
Sie weilte wortlos neben mir. Zu nahe dachte ich und wich ein Stück zur Seite. Panisch blickten ihre verweinten Augen. In alle Richtungen wandte sie ihren Kopf. Meine Gedanken wirbelten. Was war mit ihr geschehen? »Was gibt‘s?«, sprach ich sie an - völlig daneben - wurde es mir zu spät bewusst.
»Nichts. So schwarz ist die Welt«, antwortete sie, womit meine Verwunderung wuchs. Unsicherheit erdrückte mich. Meine Zigarette trat ich rasch aus. Ich öffnete die Tür und zog mich zurück in das Haus.

Gleichwohl sah ich sie durch das Fenster, wie sie über die Straße ging. Verängstigt und mutterseelenallein. Waren es Drogen oder Alkohol, die sie verwirrten? Sollte ich die Polizei alarmieren? Hemmungen erfassten und bannten mich zur Untätigkeit. Sie war allenfalls sechzehn. Was hielt mich zurück, sie zu fragen, was mit ihr sei. Ihr meine Hilfe anzubieten. Sie verschwand in die Nacht. Erleichterung entfuhr mir, denn sie war meiner Sorge entrückt.

Ich hörte von ihr. Tage später. Sie war fünfzehn und hieß Miriam Kramer. Ihre Eltern flehten öffentlich nach einem Lebenszeichen von ihr.

Ein Erdhügel im Wald. Unweit meines Hauses. Ja, ich kenne diese Stelle, gehe oft dorthin. Eine Brücke führt über den Bach. Die Ufer eingesäumt von kraftvollen Eichen. Heute zierte den Steg ein rot-weißes Absperrband. Es flatterte im Wind, übertönte das Rauschen der Laubkronen. Mein Hund hatte die zarte Mädchenhand am gestrigen Tag in der Erde entdeckt. Mir fielen Miriams Worte ein, hörte ihre verängstigte Stimme. So schwarz ist die Welt, sagte sie. Wieder und immer wieder in meinem Gewissen.

 

Vielleicht darf ich ja ab und an bei dir anklopfen?

Nix zu danken, gern geschehn, und was ist eine schönere Entschuldigung als Deine Frage,

liebe Nachtschatten?

Claro este, wie Belgia (Groendaele) sagen würde!

Gruß

Friedel

 

Hallo Nachtschatten,

schon viel wurde zu diesem Text geschrieben, dem ich nicht mehr viel hinzufügen kann. Er gefällt mir, zieht mich in seinen Bann, wirkt nach. Allerdings ist es bei mir nicht so sehr die moralische Aussage, sondern die Stimmung, die Du - meiner Ansicht nach - sehr gut erzeugst.

Es gibt ein paar Kleinigkeiten, die mir aufgefallen sind. Möglicherweise ist es etwas kleinkarriert ;), aber ich will die Punkte trotzdem kurz ansprechen:

Was hielt mich zurück, sie zu fragen, was mit ihr sei. Ihr meine Hilfe anzubieten.
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber müssten bei diesen Sätzen nicht jeweils ein "?" am Ende stehen? Außerdem finde ich, dass die beiden kurz hinter einander folgenden "Was" nicht so schön klingen.

Ich hörte von ihr. Tage später. Sie war fünfzehn und hieß Miriam Kramer. Ihre Eltern flehten öffentlich nach einem Lebenszeichen von ihr.
Der Stil, in dem die Geschichte geschrieben ist, gefällt mir wirklich. Er ist auf hohem Niveau, wie ich finde. Da fällt es mir besonders störend auf, wenn kurz hintereinander zwei Sätze mit dem gleichen Wort enden.

Wie Du siehst, ist es wirklich nur Kleinkram und möglicherweise auch eher eine Frage des Geschmacks.

Liebe Grüße

Andreas

 

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