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Siebenhundert Quadratmeter Ruhe

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24.01.2009
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Siebenhundert Quadratmeter Ruhe

Heute kommt der stille Karl. Heute ist Mittwoch. Karl kommt jeden Mittwoch und Samstag, seit er mich hergebracht hat, auf das Grundstück seiner Eltern, die mir hier Zuflucht gewähren. Vor der Stadt, vor den Menschen. Ruhe, hatte die Ärztin gesagt, ich brauche vor allem Ruhe. Dabei hat sie mich angeschaut, wie ein Hauptmann seine Soldaten, bevor er sie ins Feld schickt, viel Glück und passt auf euch auf. Mein Schlachtfeld ist überschaubar. Ein siebenhundert Quadratmeter großer Flecken Grün, zwischen anderen siebenhundert Quadratmetern mit Zäunen drumrum, darin Ameisen, Blumen, Bungalows, Disteln, Efeu, Geräteschuppen, Grünfinken, Komposthaufen, Korb- und Plastikmöbel, Löwenzahn, Obstbäume, Tomaten und Wühlmäuse. Auf dem Nachbargrundstück ein Teich mit Goldfischen. Jeden Morgen wirft der graue Mann eine Handvoll Futter hinein, nickt mir zu und verschwindet in die Schattenhälfte, wo er sich hinter einer Hecke vor meinen Blicken versteckt.
Ich sitze auf der Terrasse unter einem Wellblechdach. Neben mir auf dem Tisch eine Schüssel, voll mit Wasser, ein Rasierer, ein Handtuch und Gel. Karl hat mich gebeten, den Rasen zu sprengen und die Blumen zu gießen. Seit einer Woche sitze ich hier, schaue dabei zu, wie die Sonne alles verbrennt, wie sie Grün zu Gelb zu Braun färbt. Wie das Unkraut überlebt. Gestern Abend habe ich in die Brenneseln gefasst, wollte wissen, ob ich den Schmerz spüre. Hitze, Kälte, Schmerz, Hunger, Durst empfinde ich. Sonst bin ich leer. Meine Hülle sitzt auf einem Korbsessel, meine Finger zupfen an den Haaren auf den Beinen. Ich warte auf Karl. Auf sein Auto, die Musik, die aus dem Radio herüberweht, bis er alles mit dem Zündschlüssel abwürgt und der aufgewühlte Staub sich wieder legt. Dann bringt er die Einkäufe in die Küche, verpackt sie im Kühlschrank, schneidet Obst auf und stellt es mir auf den Tisch. Ich widme mich der Tüte mit den Mitbringseln aus meiner Wohnung, die ich auf einen Zettel notiert hatte. CDs, Klamotten, Zeitschriften, Absatzschuhe. Wenn der stille Karl am Abend wieder fort ist, werde ich hineinschlüpfen, über die drei mal vier Meter Terrasse stöckeln, das Klacken aufsaugen, das mir das Gefühl vorgaukelt, Frau zu sein.
Ich benetze meine Beine mit Wasser, reibe das Gel zu Schaum, ziehe Streifen neben Streifen den Rasierer aufwärts, spüle ihn im Wasser aus, setze erneut an. Erst das linke, dann das rechte Bein. Mit meinen Fingerspitzen streiche ich über die glatte Haut, freue mich auf Karl. Er wird mich in den Arm nehmen, mich an sich drücken, mir übers Haar streichen, einen Kuss auf die Wange hauchen. Mir wird es zu eng, zu warm, in seinen Armen werden. Der Gedanke, seine Nähe nicht zu ertragen, deprimiert mich. Ich würde mich gern wohl in seiner Nähe fühlen, ihm all das zurückgeben können, was er gibt, ihn glücklich machen. Er ist gut zu mir, er sorgt für mich, er erträgt mich. Auch jetzt, wo ich Stunde um Stunde nichts tue, mich nicht in der Lage fühle, etwas zu tun.

Im Mai begannen die Proben mit Schönberg. Endlich Schönberg, auf den ich so lange gewartet hatte. Mein Regie-Idol und wenn ich so ticken würde, hätte ich einen Schrein für ihn zu Hause. Ticke aber nicht so, habe keinen Schrein, investierte stattdessen Geld in Fahrkarten und Hotels, um seinen Inszenierungen hinterherzureisen. Er ging mir ans Herz, rüttelte mich wach, ließ mich aufmerken, sensibel filterte er das Menschliche heraus. Das bewunderte ich an ihm.
Seine Regieassistentin zu sein, erfüllte mich mit Stolz. Von ihm lernen, auf die Finger schauen, sein Handwerk nicht nur theoretisch aufzuspüren, sondern dabei sein, erleben.
Mein Dreijahresvertrag lief aus, Schönberg meine letzte Arbeit, mein Höhepunkt. „Die Ratten“ mein Abschied und danach, nach Aufträgen suchen, nach Menschen, die mir welche geben können. Gemeinsam mit Tausend an Türen zu klopfen, hinter der sich die Chance verbirgt, meinen Namen unter den Titel eines Stückes zu setzen.
Es gab viele Geschichten um Schönberg, ich kannte einige, aber ich hatte sie unterschätzt, die Pointen, auf die sie endeten. Schönberg war nicht schön. Nicht als Mensch. Er war hässlich. Vielleicht hatte er in den Jahren alles Mensch auf die Bühne gestellt, so dass ihm nichts mehr geblieben war.

Karl winkt, bevor er die Tüten und Taschen aus dem Kofferraum holt. Ich winke zurück, warte, bis er bei mir ist, mich in den Arm nimmt, fragt: „Wie geht es dir?“ Er hat den verbrannten Rasen gesehen, auf dem Weg vom Auto zur Terrasse.
„Besser“, lüge ich, weil ich ihm eine Freude bereiten will, löse mich aus seiner Umarmung. Karl lächelt, lügt auch mich an: „Ich seh's. Du hast Farbe bekommen. Steht dir gut.“ Dann bringt er die Tüten mit Nahrungsmitteln hinein, ruft: „Ich habe diesmal keine Fertigsachen gekauft. Alles frisch.“
Gemüse schälen, Fleisch braten, Kräuter hacken, abschmecken, nicht anbrennen lassen. Kochen, wenn ich Hunger habe, nicht aufwärmen. Verantwortung übernehmen, in kleinen Schritten.
Aus dem Privat-Beutel hole ich meine Schuhe, Hörbücher, weil ich mich auf gedruckte Buchstaben nicht konzentrieren kann. Als würden die Buchstaben sich unter meinen Bemühungen, sie zu Wörtern zusammenzusetzen, langweilen, beginnen sie zu tanzen, ich kann sie nicht zwingen, stillzuhalten. Hörbücher gehen. Eine monotone Stimme. Nichts Anstrengendes, überschaubare Figurenanzahl, einfach gestrickte Handlung, normale Sätze.
Karl stellt mir einen Teller mit Melone hin, in Stücken aufgeschnitten. Er geht zum Wasserhahn, dreht den Rasensprenger auf, setzt sich zu mir. Ich packe weiter aus. Ein „Malen nach Zahlen“ Bild. Fragend schaue ich Karl an.
„Musst ja nicht. Dachte vielleicht, naja, um die Zeit totzuschlagen, etwas tun, musst nicht.“
Mein Kopf nickt, ich suche nach einer Meinung, finde keine, lege das Bild mit dem Leuchtturm zur Seite, vor dem sich die See aufbäumt und hinter dem der Morgen graut.
„Sie fragen nach dir am Theater, machen sich Sorgen um dich“, sagt Karl. Ich sehe die Kollegen im Raucherhof, sehe das Foyer, den Saal, die Bühne, die Künstlergarderoben, all die Menschen darin. Meine Gedanken summen, mein Magen krampft, mir wird schwindlig. Ich fixiere die Gänseblümchen, versuche, die Bilder aus meinem Kopf auf den Boden zu streuen.
„Tut mir leid mit dem Rasen“, sage ich nach einer Weile. „Ich werde mich bessern. Versprochen.“
„Schon gut“, flüstert Karl. „Geht eben noch nicht.“ Dann schweigt er und sieht traurig aus, so traurig, dass ich zu ihm rutsche, ganz nah, lehne meinen Kopf gegen seine Schultern und schaue dabei zu, wie seine Hände eine Zigarette drehen.

Schönberg betrat die Probebühne. Ich musste ihm sagen, das Grethas Kind krank war, sie auf ihre Mutter wartete, die sich um den Vierjährigen kümmern würde, erst dann von zu Hause loskäme. Schönberg schrie mich an, seine Spucketropfen klatschten in mein Gesicht, wirkten wie Säure, verätzten mein Heldenbild. Ich wischte sie mit dem Blusenärmel fort, schlug ihm vor, mit einer Szene zu beginnen, in der Gretha nicht mitspielte, die Technik hätte bereits das Bild für Szene vier eingerichtet, wir könnten sofort beginnen. Wieder schrie er mich an, was ich mir erlaube zu entscheiden, was er wann zu proben hätte. Ich kam mir so dumm vor. Wir begannen mit Szene vier. Zu Probenende hatte er sich durch alle Gewerke geschrien, Technik, Ton, Beleuchtung, Ankleider und Requisite, alles Amateure, Stümper, Idioten. Die Schauspieler unfähige Kohlköpfe, höchstens als Pins in einer Bowlingbahn zu gebrauchen. Er ging nach Hause, ich fuhr von der Probebühne ins Theater, seine Streichungen im Textbuch einarbeiten, es kopieren, die nächsten Probentermine vorbesprechen. Danach Abendregie, für eines der anderen Stücke, die ich als Assistentin betreut hatte. Als ich meine Schlüssel beim Pförtner abgab, fuhren keine Busse mehr. Ich lief nach Hause, eine dreiviertel Stunde, meine dreiviertel Stunde. In mir schrie die Wut Schönberg an, verfluchte ihn, rotzte ihm all seine Hässlichkeit vor die Füße, wälzte mich im Bett und wartete auf den Wecker, damit er mich hochzerrte, um mich in einen weiteren erniedrigenden Tag zu stoßen.
Eine Woche später, entsorgten Techniker Teile des Bühnenbildes in Container. Tagelange Arbeit wurde zu Sperrmüll. „Schönberg hat sich entschieden, es minimalistischer anzugehen“, sagte die Bühnenbildassistentin, als ich fragte, was los wäre. Schniefend saß sie auf der Rampe, ich gab ihr ein Taschentuch, setzte mich neben sie, legte einen Arm über ihre zitternden Schultern. Der stille Karl brachte uns zwei Tassen Kaffee. „Nicht persönlich nehmen“, sagte er zu Bea und zu mir: „Pass auf dich auf.“ Ich mochte Karl, Karl von der Requisite. Auf der Spielzeitabschlussparty im letzten Jahr hatten wir uns betrunken, sind mit dem ersten Vogelzwitschern zum Märchenbrunnen gewankt, haben die Hosenbeine hochgekrempelt, die Schuhe ausgezogen und besuchten die Helden unserer Kindheit. Seit dieser Nacht weiß ich, Karl wartet auf mich, wartet wie ich darauf, dass der Samen keimt, den er am Tag darauf in mir ließ, Schmetterlinge daraus erwachsen, die meine Welt rosa färben.
Ich blieb neben Bea sitzen, schaute mit ihr, wie Wand um Wand verschwand, hatte gehofft, heute, wo wir endlich auf die große Bühne zogen, würde Schönberg milder werden. Mit den Wänden zerbrachen meine Hoffnungen. Das Einleuchten wurde ein Desaster. Zu hell, zu dunkel, zu blau, zu weiß, nicht auf den Punkt, zu zerstreut, die Umbauten nicht schnell genug, ich neben Schönberg, sein Schreien in meinen Ohren, seine Arroganz wie Blei an meinen Nerven. Noch eine Woche bis zur Premiere.
Auf der zweiten Hauptprobe mit Pressefotografen lag ich abends in einer der Künstlergarderoben. Magenkrämpfe, Schwindel. Karl fuhr mich in die Notaufnahme. Ohne Befund wurde ich zwei Stunden später nach Hause geschickt, am nächsten Tag zum Hausarzt. Ich ging nicht zum Arzt. Generalprobe und morgen die Premiere, ich schaffe das, bringe es zu Ende und dann noch vier Wochen bis zu den Theaterferien, vier Wochen ohne Schönberg, nur Abendregie, ein Klacks.
Je näher ich dem Theater kam, desto größer wurde der Schwindel, desto aktiver die Magensäure, mein Blick irrlichterte durch die Menschenmenge. An der Bushaltestelle sank ich auf die Wartebank, rief Karl an, ließ mich von ihm abholen, zum Hausarzt bringen, auf das Grundstück seiner Eltern. Den stürmischen Beifall verpasste ich ebenso wie Schönbergs Dankesworte an das Team, das überschäumende Lob nach dem letzten Vorhang, den Menschen Schönberg, den es scheinbar noch gab.

Karl ist fort. Ich tupfe rote Farbe auf die Felder mit der Ziffer acht, blau auf vier und mische grau für eins/zwei. Es gefällt mir. Meine Füße stecken in den Pumps, um das Wandlicht schwirren Nachtfalter, Mücken bohren sich durch meine Haut. Die Luft riecht nach feuchtem Boden und über mir reiben sich Wolken zu Donner. Das Haus ist warm, aufgeheizt von der Tageshitze, die hineingekrochen ist. Meine Post liegt auf dem Tisch, Karl hat sie aus meinem Briefkasten mitgebracht. Eine Mahnung von der Bibliothek und ein Brief von Schönberg. Die Adresse von Hand geschrieben auf einem weißen Umschlag. Ich muss mich setzen, atme tief durch und schließe die Augen, während ich den Brief öffne. Es strengt mich an, den Buchstaben zu folgen, sie festzuhalten, bis ich sie zu Worten zusammengesetzt habe, draußen der Donner, das blitzende Zucken des Himmels. Schönberg bedankt sich. Bietet mir sein Haus in der Toscana an, um mich zu erholen, ich solle ihn anrufen, diesen Sommer verbringt er in Polen, er inszeniert. Das Papier gleitet mir aus den Händen, schwebt zu Boden, vor meine Füße.
Vielleicht, denke ich im Bett, vielleicht fahre ich mit Karl in die Toscana, wenn auch für ihn die Spielzeit zu Ende ist, der Urlaub beginnt, in drei Wochen. Vielleicht wachsen dort Schmetterlinge aus Karls Samen und färben meine Welt rosa. Ich wünsche mir, seit der ersten Nacht, Karl lieben zu können, wie er mich liebt. Es muss doch möglich sein, einen Mann wie Karl zu lieben, um den mich viele Frauen beneiden würden, gern einen Karl hätten. Vielleicht bleiben wir auch hier, grillen abends und zünden ein Feuer an. Karl soll es entscheiden.

 
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Liebe Fliege,

das sind sie, die Zeitgenossen, die anders sind als sie dogmatisch glauben, oder eben die Rolle spielen, die ihr Umfeld ihnen aufoktroyiert, bis es irgendwann nicht mehr geht, bis es heißt burn-out, game over, rien ne va plus. Ein/e Regieassistent/-in, die, ich begebe mich jetzt einfach mal ganz mutig aus Jux auf das Glatteis politisch-korrekter Begrifflichkeiten: transgender empfindet, dies ihm-ihr anscheinend erst jetzt in Einsamkeit so richtig voll bewusst wird, weil dies gerade der Keim seines-ihres Ichs ist, der jetzt aus der gefallenen Arbeitsamkeitskulisse hervorbricht und es an ihm ist, eine gewaltige Leere auszufüllen, ...

Mein voriger Satz ist genauso unvollständig wie ich auch diese Geschichte halb unvollständig finde, ich meine, da fehlt etwas, vielleicht – muss einfach ein anderes Theater her, der Anschluss an eine toskanischen Tanztheatergruppe oder so, irgendetwas optimistisch-positives, das den Gegenpol bildet zum durchaus larmoyant-tragischen Anfang. Es geht also um einen transsexuellen Regieassistenten, dessen »Seele« die Notbremse gezogen hat. Und am Ende stehen Hoffnungen auf einen Urlaub mit seinem-ihrem Karl. Dazwischen ist Leere, vielleicht ja die Leere der Depression, war es so beabsichtigt, ist das eine Übertragung der inhaltlichen auf die narrative Ebene? Und selbst wenn, kannst du dir mal Gedanken darüber machen, denn wenn ein Leser fragt »War das so beabsichtigt?« liegt, glaube ich, möglicherweise etwas im Argen.

Zum Stil kann ich sagen: Er gefällt mir nicht. Larmoyant hab ich ja schon gesagt. Erinnert mich an den Stil, den der SPIEGEL oder der Feuilleton irgendeiner seriös etablierten Tageszeitung an den Tag legt, wenn zum Beispiel von Soldaten in Afghanistan »hautnah« berichtet wird. Journalistisch berichtend und betont nüchtern im Asthmaatemstakkato. Kannst ja mal den Text durchschauen nach konsekutiven Teilsätzen [EDIT: mehreren gleichartigen Teilsätzen in Folge]. Da mach nen Punkt und aus dem folgenden einen richtigen Satz.
Natürlich nur, wenn der Stil nicht beabsichtigt war.

Ich rege an, auch noch mal zu überlegen, ob die Perspektive richtig gewählt ist. Deine Figur ist depressiv. Wenn sie etwas fühlt, dann ist das mit einer großen Wahrscheinlichkeit eine Leere. Die Leere des Pakets mit der Aufschrift »Leben«, das im Korridor liegend schon Staub ansetzt und das man nicht auspackt, weil man ja weiß, er ist entweder leer oder es hopst allenfalls ein blindes, farbverlaufenes Clowngesicht heraus, angebracht an einer Sprungfeder. Also nicht wirklich die ideale Verfassung, um von sich selbst im Präsens zu erzählen. Probier mal, ob sich die Geschichte nicht um »die Hülle« drehen könnte, aus Er/Sie-Perspektive.


Viele Grüße,
-- floritiv

 
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Hallo liebe Fliege und hallohuch, lieber Floritiv,
du hast mich eben total verwirrt mit deiner Deutung, dass die Frau der Geschichte ein Transgender ist. Ich habe zwar auch die Stellen gelesen, wo sie sich die Beine rasiert, aber das machen Frauen doch auch. Und dass sie an einer Stelle sagt, die Schuhe gaukelten ihr vor, Frau zu sein, das habe ich so gelesen, dass sie durch das burnout sich selbst gar nicht mehr fühlt. Oh je, ich komm mir grad total blöd vor.

Wenn es wirklich so sein sollte, dass Floritiv Recht hat, dann finde ich, dass das Thema in deiner Geschichte zu kurz vorkommt. Ich wüsste gar nicht, was das Transgenderthema hier so am Rande behandelt mit dem Thema des burnouts oder der Hoffnung auf eine aufkeimende Liebe zu dem stillen Karl zu tun haben soll. Es käm mir dann einfach stiefmütterlich behandelt vor. Und der Karl müsste mehr mit rein. Aber schön finde ich die Geschichte dann auch, nur noch ein bisschen unausgegoren oder falsch gewichtet.
Wenn Floritiv nicht Recht hat, finde ich die Geschichte auch schön, schöneer sogar, weil stimmiger. Aber auch dann wüsste ich nicht so ganz genau, was in deinem Fokus sein soll. Das Verhältnis zu Schöneberg? Das Verhältnis zu dem Karl? Ihre eigene Befindlichkeit? Oder alles? Vielleicht labere ich aber hier auch gerade vor mich hin, wei ich immer noch so verwirrt bin von dem Transgenderkram, also halt ich diesbezüglich jetzt einfach mal die Klappe.

Die Geschichte ist für mich ein kleiner Abschnitt in dem Leben einer Frau, die durch ihren Arbeitseinsatz und die Anforderungen, die an sie gestellt wurden, in die Knie gegangen ist.
Ich finde es echt gut, dass dieses Thema mal als Geschichte behandelt wird, du kannst dir sicherlich vorstellen, warum.
Und ganz zum Schluss, wenn sie den Brief von Schöneberg gelesen hat, und da im warmen Haus sitzt beim Malen, die Mücken stechen sie, und schwirren um das Wandlicht, da sieht man das alles so schön und sie nimmt die Umgebung wieder anders wahr (ein ganz wunderschöner Absatz ist das). Da scheint es, als knüpfe sie ganz leicht wieder an dem Zutrauen zu sich selbst an, wenn sie sagt, sie fahre mit Karl in die Toscana oder bleibe mit ihm im Garten, um zu grillen.
Wäre da nicht der letzte Satz, der lässt mich wieder gruseln. Weil der Karl entscheiden soll.
Larmoyant fand ich persönlich die Geschichte nicht. Vielleicht ist das Geschmackssache. Ich fand wie gesagt das Ende sowieso auch ein bisschen versöhnlich. Und besinnlich. Und das finde ich sehr passend, wenn man in so einer Situation ist wie sie. Und die Gefühle, die sie hat, was das ausgebrannt sein betrifft, fand ich anschaulich dargestellt, den aufzählenden Stil hab ich als Stilmittel empfunden. Sie fühlt sich so getaktet durch die Arbeit, gehetzt und getrieben, diese Gefühle kann sie wohl immer noch nicht ablegen, da zählt sie die Requisiten des Gartens auf wie die Requisite in der Arbeit mit ihrem despotischen Künstlerchef. Ich hab das also so verstanden, dass du das sprachlich darstellen wolltest. Der letzte Abschnitt ist dann ja auch wieder ganz anders mit seinen feinen atmosphärischen Beobachtungen.
Aber jetzt wart ich erst mal ab und meld mich lieber später noch mal.
Jedenfalls hat mir deine Geschichte, sowieso schon mal sehr gut gefallen.
Lieben Gruß Novak

 

Hej Fliege,

ich habe es ganz anders interpretiert. Die Stöckelschuhe, glattrasierte Beine und das Gefühl, Frau zu sein, waren für mich etwas, was mit der Depression/ dem Burn out abhanden gekommen ist und nun wieder zum Leben erweckt werden soll.

Ich hab zum Schluss den Schönberg nicht als Auslöser sondern als Ursache für den Zusammenbruch wahrgenommen, irgendwie hat mir da das Verhältnis nicht gestimmt, zuviel von ihm und zu wenig von der Erzählerin. Und wie kommt es, dass jemand, der mit einem vermeintlich "großen" Künstler arbeitet (also keine Anfängerin, sondern jemand mit Erfahrung) sich keine Strategie erarbeitet hat, um solche Situationen zu meistern?

„Ich habe diesmal keine Dosen, Gläser, Pappschachteln eingekauft.
Das würd ich kürzen. Klingt als versuchte sich der stille Karl als Thesaurus.

Weil die Rettungsmaßnahmen vor allem in Äußerlichkeiten bestehen, wirkt mir dieser Zusammenbruch nur wie ein ganz kleiner, was jetzt blöd klingt, weil man das ja nicht messen kann oder sollte, aber die Dramatik, die so etwas für den/die Betroffene/n hat, die kommt dadurch nur bedingt rüber. Vllt ließe sich mehr von Innenleben der Erzählerin einarbeiten, was nicht Schönberg betrifft.

Interessantes Thema, da ließe sich bestimmt noch einiges ausgraben,

LG
Ane

 
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Liebe Novak,

ups. Nein, nicht du musst dir blöd vorkommen. Ich habs wohl reingelesen. Wohl, weil die Beinhaarrasur in meinem Weltbild eher mit Transsexuellen assoziiert ist (Fernsehdokumentationen zum Dank), und ich von der Beinhaarrasur bei Frauen geschickterweise immer nur das rumliegende Werkzeug mitbekomme. Tja, kommt vor. Dafür habe ich mir die Geschichte noch interessanter gemacht, als sie ohnehin schon war, sonst hätte ich sie vielleicht gar nicht kritisiert, wer weiß? :p

EDIT: Ach so, hab noch mal oben nach gesehen und bin erleichtert, dass ich die für meine Transgendervermutung ausschlaggebende Stelle gefunden habe:

Wenn der stille Karl am Abend wieder fort ist, werde ich hineinschlüpfen, über die drei mal vier Meter Terrasse stöckeln, das Klacken aufsaugen, das mir das Gefühl vorgaukelt, Frau zu sein.

 

Hi Fliege,

sachma, wieso bist du denn so ekelhaft nett zu deiner Protagonistin? Da ist soooo viel ungenutztes Potential in dem Text, so viele Probleme, die die Protagonistin NICHT bekommt mit ihrer Umwelt, da wird das Thema Erschöpfungsdepression doch regelrecht verharmlost. Wenn man in so einer heilen Welt wohnt wie die Prota, da wird man auf alle Fälle wieder gesund. Ich mach mir als Leser gar keine Sorgen um die, die wird treu umsorgt von einem Arbeitskollegen, der ein wahrer Engel sein muss, von dem sie noch dazu geliebt wird, die Kollegen am Theater fragen nach ihr, also dürfte es da besorgte Sympathien geben. Selbst der gemeine Schönberger macht eine große Geste und stellt ihr ein Haus in der Toscana zur Verfügung – hm, es gibt sicherlich unzählige Chefs, die sich so cholerisch und unangenehm verhalten wie Schönberger in dieser Geschichte, und keiner von denen gibt ein Haus in der Toscana als Entschädigung her. Ähnlich mysteriös auch die Gartenidylle, die Klaus‘ Eltern ihr einfach mal so zur Verfügung stellen. Das ist doch so gestrickt wie „was ist der bestmögliche Fall für jemanden, der eine Erschöpfungsdepression / burn-out bekommt, wie macht man es dem so leicht wie möglich?“
Warum ist dieser Text denn so rosarot?
Warum muss es denn einen Karl geben, der die Prota liebt, komplett versorgt und absolutes Verständnis hat?

Ruhe, hatte die Ärztin gesagt, ich brauche vor allem Ruhe.
Wo ist denn die Ärztin, die erstmal versucht irgendwelche Symptome zu behandeln und Medikamente mit fiesen Nebenwirkungen verschreibt? Oder die Ärztin, die mit den Schulter zuckt und sagt „ich kann nichts feststellen, ich schreibe sie bis morgen krank wenn es sein muss, aber ansonsten … tja, ich könnte sie mal an einen [Facharztbezeichnung einsetzen] überweisen“? Oder die Ärztin, die sagt „ich kann nichts feststellen, Sie simulieren doch nur“?
„Tut mir leid mit dem Rasen“, sage ich nach einer Weile. „Ich werde mich bessern. Versprochen.“
„Schon gut“, flüstert Karl. „Geht eben noch nicht.“ Dann schweigt er und sieht traurig aus, so traurig,
Wo werden denn solche Engel wie Karl gebacken? Komm schon, wenigstens ein bisschen unausgesprochener Vorwurf, ein bisschen „nichtmal DAS hast du hinbekommen“, ein bisschen „stell dich doch nicht so an“, ein bisschen „andere Leute können mit Stress auch umgehen“, ein bisschen „du warst doch jetzt x Wochen hier draußen, langsam ist es aber mal wieder gut“? Also diese ganzen Sachen, die sich Leute mit Depressionen / burn-out sicherlich mal anhören dürfen – deine Prota bleibt davon verschont. Deine Prota hat einen Karl, der einfach zu gut ist, um wahr zu sein.

Textkram:
Obstbäume minus „N“

„Ich habe diesmal keine Dosen, Gläser, Pappschachteln eingekauft. Alles frisch.“
Wer redet denn mit so Aufzählungen??

Je näher ich dem Theater kam, je größer wurde der Schwindel, je aktiver die Magensäure,
desto größer, desto aktiver

Im Mai begannen die Proben mit Schönberg. Endlich Schönberg, auf den ich so lange gewartet hatte. Mein Regie-Idol und wenn ich so ticken würde, hätte ich einen Schrein für ihn zu Hause. Ticke aber nicht so, habe keinen Schrein, investierte stattdessen Geld in Fahrkarten und Hotels, um seinen Inszenierungen hinterherzureisen. Er geht mir ans Herz, rüttelt mich wach, lässt mich aufmerken, sensibel filtert er das Menschliche heraus. Das bewunderte ich an ihm, die Schauspieler nicht Spieler, sondern Menschen.
„ICH ticke aber nicht so“ – klingt besser, finde ich.
Und die Zeiten geraten dir hier durcheinander, da stehen Sachen im Präsens, die zur Erzählzeit schon nicht mehr gelten. Vielleicht:
„Im Mai begannen die Proben mit Schönberg. Endlich Schönberg, auf den ich so lange gewartet hatte. Mein Regie-Idol und wenn ich so ticken würde, hätte ich einen Schrein für ihn zu Hause [gehabt]. Ticke aber nicht so, habe [hatte] keinen Schrein, investierte stattdessen Geld in Fahrkarten und Hotels, um seinen Inszenierungen hinterherzureisen. Er geht [ging] mir ans Herz, rüttelt [rüttelte] mich wach, lässt [ließ] mich aufmerken, [so] sensibel filtert er das Menschliche heraus. Das bewunderte ich an ihm, die Schauspieler nicht Spieler, sondern Menschen.“
Wobei ich den Absatz auch sonst stilistisch fragwürdig finde, vor allem diese Verknüpfungen „Mein Regie-Idol und wenn ich so ticken würde“ und „Das bewunderte ich an ihm, die Schauspieler nicht Spieler sondern Menschen“.

Schönberg selbst war nicht schön. Nicht als Mensch. Er war hässlich. Vielleicht hatte er in den Jahren alles Mensch auf die Bühne gestellt, so dass ihm nichts mehr geblieben war.
Seine Regieassistentin zu sein, erfüllte mich mit Stolz. Von ihm lernen, auf die Finger schauen, sein Handwerk nicht nur theoretisch aufzuspüren, sondern dabei sein, erleben.
Dass Schönberg als Mensch hässlich war, das meinst du nicht auf Äußerlichkeiten bezogen, richtig? Das heißt, die Prota wusste schon, dass der Mann ein Arsch ist, und trotzdem erfüllte es sie mit Stolz, seine Assistentin zu sein. Also, wenn du es so schreibst, dann liest es sich so, als hätte sie es von vornherein gewusst. Wenn es so rüberkommen soll, dass er sich erst bei der gemeinsamen Arbeit als Arsch entpuppt, dann steht die Info da oben an der falschen Stelle, die ist dann zu früh.

Mein drei Jahresvertrag lief aus, Schönberg meine letzte Arbeit, mein Höhepunkt. „Die Ratten“ mein Abschied und danach die Freiheit. Nach Aufträgen suchen, nach Menschen, die mir welche geben können, gemeinsam mit so vielen anderen auf die Chance warten, meinen Namen unter den Titel eines Stückes zu setzen.
Hier, ihr Vertrag läuft ohnehin aus, das heißt, die kann nichtmal Probleme mit dem Job kriegen durch ihre Erkrankung. Kein Bangen, was der Chef über eine längere Krankschreibung sagen wird (soll ja Rauswürfe unter Vorwand geben in solchen Fällen), kein Bangen, ob sie eine Vertragsverlängerung bekommt, die Option scheint es ohnehin nie gegeben zu haben. Kein neuer Job, den sie in der nächsten Saison hätte anfangen sollen bei einem anderen Theater (ihr winkender Traumjob vielleicht, der jetzt entschwindet) … Wiederum: schönstmöglicher Fall für die Prota, die versaut sich nichts. Ihre Karriere wäre im Moment wohl sowieso unterbrochen worden, also gibt es hier keine zusätzlichen Stressfaktoren.

In mir schrie die Wut Schönberg an, verfluchte ihn, rotzte ihm all seine Hässlichkeit vor die Füße, bis sie sich beruhigte und mich schlafen ließ, der Wecker mich hochzerrte, um mich in einen weiteren erniedrigenden Tag zu stoßen.
Hm, solange die immer noch schlafen kann … wäre das meine Geschichte, hätte die kein Auge zugetan! So als Bauchgefühl: „Wut“ auf Schönberg ist doch eine gesunde Reaktion in ihrer Situation, das klingt nach funktionierendem Selbstschutzmechanismus … ich hätte sie leiden lassen wie einen Hund, sich selbst alle Schuld geben, alle Fehler bei sich suchen (denn der geniale Schönberg ist sicher über jeden Zweifel erhaben! Der ist ein Held!), sich selbst fertig machen …
Naja, ist dein Text. Aber du merkst ja, ich hätte mir dringend gewünscht, dass du viel grausamer bist zu der Figur.

Das ist mein Fazit. Die Figur hat zu wenig Probleme, für die ist alles zu bequem, weil ihr Umfeld perfekt reagiert.
Und, da geb ich Ane Recht, es wirkt irgendwie so, als wäre Schönberg Ursache des ganzen Übels – und das ist doch ungewöhnlich, solche nichts-geht-mehr-Situationen brauen sich über längere Zeiträume zusammen. Hier wirkt es so, als hätte die Prota ein Idol verloren und wäre während einiger Wochen (wie lange dauert die Arbeit an einem Stück?) mit einem unangenehmen Chef bestraft und würde dadurch komplett zusammenklappen. Da frag ich mich auch: wie kann das sein?

ODER, es war deine Absicht über jemanden zu schreiben, der wirklich überhaupt keine Stressresistenz besitzt ... das wär natürlich auch möglich. Hm.

Thematisch jedenfalls thumbsup, ich hab heute immer mal wieder über den Text gegrübelt, den ich kurz nach dem Hochladen gesehen hatte.

 
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Ihr Fleißigen,

vorab Euch allen lieben Dank für die Rückmeldungen, die mir doch einiges zu denken geben. Ich war mir im Vorfeld sicher, dass die Geschichte recht unterschiedlich aufgenommen wird, war mir auch sicher, Kritik einzustecken und trotzdem sag ich gleich vorweg, ich mag sie im Grundgerüst sehr gern und will daran eigentlich auch gar nicht viel ändern. Was so meine Gedanken waren, würde ich aber gern noch ein wenig für mich behalten. Auf jeden Fall zeigen mir Eure Kommentare aber Stellen auf, an die ich ran muss. Dafür Danke!

Hey floritiv,

Du hast mir einen ordentlichen Schrecken eingejagt :). Ich habe mich ja auf vieles innerlich eingestellt, aber eine Transgendergeschichte, Du hast mich echt umgehauen. Okay, jetzt weiß ich ja, wie es dazu kam, als Frau habe ich natürlich Beine rasieren und Pumps nur aus weiblicher Sicht gesehen, und die nach Dir folgenden Frauen ja auch, deshalb lass ich es auch erst Mal so stehen. Um so mehr freut mich natürlich, dass Du deshalb überhaupt weitergelesen hast und klar, dann enttäuscht wurdest. Musste ja unter diesen Vorzeichen so kommen.

Zum Stil kann ich sagen: Er gefällt mir nicht. Larmoyant hab ich ja schon gesagt. Erinnert mich an den Stil, den der SPIEGEL oder der Feuilleton irgendeiner seriös etablierten Tageszeitung an den Tag legt, wenn zum Beispiel von Soldaten in Afghanistan »hautnah« berichtet wird. Journalistisch berichtend und betont nüchtern im Asthmaatemstakkato.

Okay. Das bleibt ja. Muss ich schlucken und kaufen und tue dies auch. Damit habe ich tatsächlich gerechnet. Mal sehen, wie sich das hier noch ausgeht.

Da mach nen Punkt und aus dem folgenden einen richtigen Satz.

Ungern, wenn ich ehrlich bin. Die Sätze sind halt so unvollständig wie sie selbst im Augenblick. Ich fand das sehr passend. Mag sein, ich irre.

Ich rege an, auch noch mal zu überlegen, ob die Perspektive richtig gewählt ist ... Also nicht wirklich die ideale Verfassung, um von sich selbst im Präsens zu erzählen.

Naja. So ganz leer und lebensunfähig ist sie ja nun nicht. Sie sorgt ja bedingt und unter Hilfestellung noch für sich allein. Also, doch, denke, die kann noch reden, wenn eben auch kaputt. Das gilt ja, egal, was man der Person jetzt zu- oder abspricht.

Auf jeden Fall, Danke!
So gleich mal abgebügelt zu werden, hatte ich lange nicht mehr ;). Bei so Punkten warte ich einfach, wo die Reise hingeht.

Liebe Frau Novak,

und Danke für das Teilen meiner Verwirrung. Ich überspringe mal die Anmerkungen diesbezüglich.

Und dass sie an einer Stelle sagt, die Schuhe gaukelten ihr vor, Frau zu sein, das habe ich so gelesen, dass sie durch das burnout sich selbst gar nicht mehr fühlt.

Ane sagt trifft es gut, wenn sie sagt:
"... abhanden gekommen ist und nun wieder zum Leben erweckt werden soll."
Und bei Dir geht es ja auch in die Richtung, wenn ich es richtig deute. Ich möchte mich nur vom burn out distanzieren. Das ist ein großes Wort. Kann den Lesern ja jetzt nicht sagen, was sie lesen sollen und störe mich daran auch nicht, wenn dem so ist, will nur sagen, ich nutze dieses Wort nicht und die Ärztin auch nicht. Da würden wohl noch andere Mühlen zum mahlen kommen. Stress und körperliche Reaktion darauf und nah dran aber schon.

Aber auch dann wüsste ich nicht so ganz genau, was in deinem Fokus sein soll. Das Verhältnis zu Schöneberg? Das Verhältnis zu dem Karl? Ihre eigene Befindlichkeit? Oder alles?

Ja, das ist weniger gut. Ich will jetzt nicht viel dazu sagen, außer, dass habe ich dann wohl versiebt. Ich will schon, dass man das erkennt, Auch ganz ohne großes Rätselraten, aber nicht mehr heute und wahrscheinlich brauche ich da noch mehr Hinweise, wo der Leser sich verirrt, also, wie die Geschichte gelesen wird.

Wäre da nicht der letzte Satz, der lässt mich wieder gruseln. Weil der Karl entscheiden soll.

Dieser Satz ist gruselig. Für mich der gruseligste von allen.

Larmoyant fand ich persönlich die Geschichte nicht. Vielleicht ist das Geschmackssache.

Hoffentlich.

Und die Gefühle, die sie hat, was das ausgebrannt sein betrifft, fand ich anschaulich dargestellt, den aufzählenden Stil hab ich als Stilmittel empfunden. Sie fühlt sich so getaktet durch die Arbeit, gehetzt und getrieben, diese Gefühle kann sie wohl immer noch nicht ablegen, da zählt sie die Requisiten des Gartens auf wie die Requisite in der Arbeit mit ihrem despotischen Künstlerchef. Ich hab das also so verstanden, dass du das sprachlich darstellen wolltest. Der letzte Abschnitt ist dann ja auch wieder ganz anders mit seinen feinen atmosphärischen Beobachtungen.

Dafür hopse ich jetzt eine Runde um den Tisch!

Jedenfalls hat mir deine Geschichte, sowieso schon mal sehr gut gefallen.

Freut mich.


Hey Ane,

ich habe es ganz anders interpretiert. Die Stöckelschuhe, glattrasierte Beine und das Gefühl, Frau zu sein, waren für mich etwas, was mit der Depression/ dem Burn out abhanden gekommen ist und nun wieder zum Leben erweckt werden soll.

Besser kann ich das auch nicht formulieren. Schön wenn es so ankommt.

Ich hab zum Schluss den Schönberg nicht als Auslöser sondern als Ursache für den Zusammenbruch wahrgenommen, irgendwie hat mir da das Verhältnis nicht gestimmt, zuviel von ihm und zu wenig von der Erzählerin.

Ja, da muss ich wohl ran. Das ist nicht gut. Wobei ich sag, es gibt drei Personen, die den Text unter sich aufteilen.

Und wie kommt es, dass jemand, der mit einem vermeintlich "großen" Künstler arbeitet (also keine Anfängerin, sondern jemand mit Erfahrung) sich keine Strategie erarbeitet hat, um solche Situationen zu meistern?

Weil sie vorher noch nicht die Erfahrung gemacht hat, wenn aus dem Idol ein Arschloch wird, ein ziemlich Extremes dazu. Sie geht da mit ziemlichen Gefühlen in die Sache rein, was sicher nicht gut ist, aber menschlich. Aber ja, nacharbeiten, mein Fehler.

Das würd ich kürzen. Klingt als versuchte sich der stille Karl als Thesaurus.

Mach ich morgen.

Weil die Rettungsmaßnahmen vor allem in Äußerlichkeiten bestehen, wirkt mir dieser Zusammenbruch nur wie ein ganz kleiner, was jetzt blöd klingt, weil man das ja nicht messen kann oder sollte ...

Obwohl das genau meiner Absicht entspricht ...

Vllt ließe sich mehr von Innenleben der Erzählerin einarbeiten, was nicht Schönberg betrifft.

werde ich unbedingt nachlegen müssen.


Hey Möchtegern,

ja, wenn ich Deinen Kommentar so lese, dann willst Du eine andere Geschichte lesen, als ich sie schreiben wollte. Ich wollte nicht Gesellschaft vs. Protagonistin, sondern tatsächlich ein innerer Konflikt der Protagonistin. Und wenn Du sagst, ich mache es ihr leicht mit den Umständen und trotzdem sitzt sie da und hat ein Problem, dann kommen die Umstände nicht so an, wie ich es gern hätte. Aber Du zeigst mir ziemlich gut, wo ich den Leser allein lasse, wo der Text versagt.

Wenn man in so einer heilen Welt wohnt wie die Prota, da wird man auf alle Fälle wieder gesund.

Das will ich schwer für sie hoffen. Ich will auch gar nicht die Geschichte der Krankengeschichten-Hölle erzählen. Dafür fehlt mir auch echt das Wissen dann.

Selbst der gemeine Schönberger macht eine große Geste und stellt ihr ein Haus in der Toscana zur Verfügung – hm, es gibt sicherlich unzählige Chefs, die sich so cholerisch und unangenehm verhalten wie Schönberger in dieser Geschichte, und keiner von denen gibt ein Haus in der Toscana als Entschädigung her.

Ja, tut er und ich habe nicht vor, das zu ändern.

Warum muss es denn einen Karl geben, der die Prota liebt, komplett versorgt und absolutes Verständnis hat?

Ja, all das tut er. Und sie möchte ihn lieben, tut es aber nicht, strengt sich aber wirklich an ...

Wo werden denn solche Engel wie Karl gebacken?

Wenn sich einer von der Karl-Sorte erst mal so richtig verschossen ist, da geht schon sehr viel. Ich kenne jedenfalls so Karls. Aber klar, Du wolltest auf etwas ganz anderes hinaus. Äußerer Konflikt. Ich bin ja mehr für den Inneren.

Textkram mach ich nach dem Frühstück. Danke dafür.

Dass Schönberg als Mensch hässlich war, das meinst du nicht auf Äußerlichkeiten bezogen, richtig?

Ich hatte erst den Halbsatz drinnen, außen wie innen und fand den dann blöd. Aber da außen auch schnurz ist, ja, vor allem innen.

Das heißt, die Prota wusste schon, dass der Mann ein Arsch ist, und trotzdem erfüllte es sie mit Stolz, seine Assistentin zu sein. Also, wenn du es so schreibst, dann liest es sich so, als hätte sie es von vornherein gewusst. Wenn es so rüberkommen soll, dass er sich erst bei der gemeinsamen Arbeit als Arsch entpuppt, dann steht die Info da oben an der falschen Stelle, die ist dann zu früh.

Okay. Also ja sie wusste, aber mehr so Halbwissen. Und wissen und spüren, sind ja auch noch zwei Paar Schuhe.

Hier, ihr Vertrag läuft ohnehin aus, ... Wiederum: schönstmöglicher Fall für die Prota, die versaut sich nichts.

Das ist der schlechtmöglichste Fall für sie. Sie steht vor dem absoluten Nichts. Eine von x-Tausend arbeitslosen Künstlern. Wieviele studieren Regie und können danach davon leben? Muss ich nacharbeiten, dass muss klar werden. Freiheit war ironisch belegt, hoffte es durch den Nachsatz klarzustellen.

Hm, solange die immer noch schlafen kann … wäre das meine Geschichte, hätte die kein Auge zugetan!

Kauf ich, die bleibt wach.

Hier wirkt es so, als hätte die Prota ein Idol verloren und wäre während einiger Wochen (wie lange dauert die Arbeit an einem Stück?) mit einem unangenehmen Chef bestraft und würde dadurch komplett zusammenklappen. Da frag ich mich auch: wie kann das sein?

Stimmt, zusammenbrechen tut man davon nicht. Und für mich ist Schönberg auch einfach nur laut und super anstrengend, ja.

Thematisch jedenfalls thumbsup, ich hab heute immer mal wieder über den Text gegrübelt, den ich kurz nach dem Hochladen gesehen hatte.

Immerhin.

Euch allen lieben Dank und Grüße
Fliege

 

Hallo Fliege,

Burnout und Stress, Menschen die meinen, grob sein zu dürfen, weil der große Zweck (die Kunst) die Mittel heiligt, andere Menschen, die zuviel schlucken, überlastete Nervensysteme, die bei einem Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt, zusammenbrechen - das ist ein wichtiges Thema, das uns alle betrifft.

Mich wundert ein wenig, dass du den Begriff "Burnout" vermeiden willst, weil die Definition haargenau auf deine Protagonistin zutrifft:

Wikipedia schrieb:
Ein Burnout-Syndrom (englisch (to) burn out: „ausbrennen“) bzw. Ausgebranntsein ist ein Zustand ausgesprochener emotionaler Erschöpfung mit reduzierter Leistungsfähigkeit. Es kann als Endzustand einer Entwicklungslinie bezeichnet werden, die mit idealistischer Begeisterung beginnt und über frustrierende Erlebnisse zu Desillusionierung und Apathie, psychosomatischen Erkrankungen und Depression oder Aggressivität und einer erhöhten Suchtgefährdung führt.[1] Das Burnout-Syndrom ist international nicht als Krankheit anerkannt, sondern gilt als ein Problem der Lebensbewältigung (siehe Abschnitt ICD). Es handelt sich um eine körperliche, emotionale und geistige Erschöpfung aufgrund beruflicher Überlastung. Diese wird meist durch Stress ausgelöst, der wegen der verminderten Belastbarkeit nicht bewältigt werden kann.

Der Aufenthalt im Schrebergarten und die ganze Nettigkeit der Kollegen und sogar des fiesen Schurken Schönberg soll dazu dienen, die Protagonistin wieder aufzubauen. Möchtegern hat wohl Recht, dass das unrealistisch ist und vermutlich würde dieser Idealfall der Protagonistin nicht einmal helfen, weil sie zurück im Job wieder ihre eigenen Grenzen überschreiten würde. Vielleicht genießt sie es insgeheim, sich völlig auszupowern und jeden Tag Drama zu haben. Vielleicht flüchtet sie vor irgendetwas (Sinnkrise?) in die Arbeit und bekommt Panik, weil sie das momentan nicht kann. Wer weiß schon genau, wie andere Leute ticken? ;)

Diese Stimmung, in der alles Grau in Grau erscheint und man der Welt ins Gesicht schreien will, dass sie sich verpissen soll, die kommt gut rüber. Von daher stimmt die Geschichte. Weil du so gut darin bist, menschliche Beziehungen darzustellen, könntest du sicher mehr über die Motive von Karl, der es wohl genießt, die Frau, die er liebt, zu umsorgen und von Schönberg, der wohl eine orgiastische Freude daran hat, richtig auf den Putz zu hauen, sagen - wenn du das wolltest.

Formal wäre der Text mit ein paar Absätzen mehr besser lesbar. Schön fand ich die aussagekräftigen Beschreibungen: wie die Protagonistin sich die Beine rasiert, wie Schönbergs Spucketropfen auf ihrem Gesicht landen.

Liebe Grüße,

Berg

 

Liebe Fliege,

also, mir gefällt's, und Karls, die gibt's. Zum Glück, wenn es auch ein klein wenig traurig ist, zu lieben und dafür nur Dankbarkeit und freundliche Gefühle zu bekommen. Aber nur ein klein wenig.
Und erst mal, wer weiß. Wer wirklich liebt, hechelt ja sowieso nicht nur der Gegenliebe hinterher, sondern wird glücklich dabei, dem Anderen eine Hilfe zu sein, auch ohne Cash-love zurück.

"Er wird mich in den Arm nehmen, mich an sich drücken, mir übers Haar streichen, einen Kuss auf die Wange hauchen. Mir wird es zu eng, zu warm, in seinen Armen werden. Der Gedanke seine Nähe nicht zu ertragen, deprimiert mich. Ich würde mich gern wohl in seiner Nähe fühlen, ihm all das zurückgeben können, was er gibt, ihn glücklich machen."

Da hast du das Verhältnis der Beiden auf den Punkt gebracht, ihre Zerissenheit, das was sie fühlt, das, was sie fühlen möchte.
Insgesamt kommt sie mir überfordert vom Leben vor, dass es sowas gibt wie geschredderte Bühnenbilder, Anstrengungen für den Müll, Ausraster, Zeitverträge, .... nicht nur von Schönberg, insgesamt. Ich gönne ihr das Verschnaufen im Garten.
Ab und zu würde ich mich gerne daneben legen, dem Gras beim Gelbwerden zusehen und einen Apfel oder so essen, den mir ein Netter mitgebracht hat :-).
Verbesserungsvorschläge habe ich fast keine, ich find's schön wie's ist. Höchstens, dass sie sich am Ende nicht so hineinfallen lässt in ihre Dankbarkeit zu Karl, gerade das gräbt ihr ja jede Chance auf eine Gefühlsänderung ihm gegenüber ab. Vielleicht willst du aber auch gerade das verdeutlichen?

Liebe Grüße,

Eva

 

Hallo Fliege

Ein stilles Stück, das sich wehmütig dahinzieht. Keine Dramatik, die auftritt, auch bei der Rückblende nicht, wie der erschöpfende Zustand in ihr überhandnimmt. Doch es war mir gut sichtbar gezeichnet, auch wenn die Bilder zuweilen sehr verdichtet sind.

Ein siebenhundert Quadratmeter großer Flecken Grün, zwischen anderen siebenhundert Quadratmetern mit Zäunen drumrum, darin Ameisen, Blumen, Bungalows, Disteln, Efeu, Geräteschuppen, Grünfinken, Komposthaufen, Korb- und Plastikmöbel, Löwenzahn, Obstbäume, Tomaten und Wühlmäuse.

Besonders hier war es mir beinah erdrückend. Die Protagonistin musste überflutet sein, von den Wahrnehmungseindrücken.

Meine Hülle sitzt auf einem Korbsessel, meine Finger zupfen an den Haaren auf den Beinen.

Hier will mir das Bild einfach nicht gelingen. Ich las darüber hinweg und kehrte zurück, das auf den Beinen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtend. Sie meint die an den Beinen spriessenden Härchen, kam ich zum Schluss.

Mücken bohren sich durch meine Haut.

Wohl eher, der hauchfeine Stachel dieser Biester.

Es endet unaufgeregt, das Fehlen von Entscheidungskraft hat sie noch voll im Besitz. Sie wirkt mir, wie ein zitternder Halm im Wind, einzig von der Aussenwelt bestimmt.

Zu Lesen fand ich es sehr nett, etwas das ich betulich aufnahm, auch wenn eine Spur Mitleid aufkam, dass sie die Kraft bis dahin nicht fand, sich dem Leben wieder zu stellen.

Anschliessend habe ich mich noch durch die Kommentare gelesen, um zu sehen, wo mein Leserblick die Feinheiten allenfalls fehlinterpretierte. An Transgender dachte ich keinen Moment, die Beinrasur erschien mir normal und ihre Entpersönlichung sah ich einzig als Folge ihres gegenwärtigen Zustandes. Einig bin ich mit dem ungefähren Tenor der Kommentare, dass es an sich als wenig griffig herausschält. Dabei bin ich mir jedoch bewusst, dass es die Innensicht eines Zustandes ist, der sich schwer fassen lässt, für andere erlebbar zu machen. Von dem her meine ich, du hast da viel herausgeholt.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hallo Berg,

und vielen Dank, habe mich sehr gefreut.

Mich wundert ein wenig, dass du den Begriff "Burnout" vermeiden willst, weil die Definition haargenau auf deine Protagonistin zutrifft:

Ja, klar. Ich habe auch nichts dagegen, wenn der Leser es liest, gar nicht, stimmt schon was Du sagst, aber, die Burn out Leute die ich kenne, die saßen nach einer Woche nicht im Garten, denen ging es beschissener, da waren Reha und Medikamente angesagt, deshalb finde ich es ein großes Wort für ihren momentanen Zustand. Das es natürlich in die Richtung geht, all die Zeichen und auch die Entwicklung auf den Zustand hin, ja.

Möchtegern hat wohl Recht, dass das unrealistisch ist ...

Ich geh da nicht so mit. Okay, ein Haus in der Toscana können wohl weniger anbieten, aber Leute die einen auffangen (Geschwister/Eltern/Freunde) halte ich nicht für so besonders, auch nicht einen Garten und auch Kollegen, die mal fragen, wie es geht. Okay, es ist der Garten von fremden Eltern, ich habe auch schon Urlaub in fremden Elterngärten gemacht und in dem meiner Eltern, waren auch Leute untergebracht. Also, für mich ist das alles Realität.

... und vermutlich würde dieser Idealfall der Protagonistin nicht einmal helfen, weil sie zurück im Job wieder ihre eigenen Grenzen überschreiten würde.

Das dagegen, unterschreibe ich für die Realität. Für meine Prot. kann ich nur sagen, lass Karl wo er ist und hau ab in das Toscana-Haus. Aber an der Stelle schwächelt mein Text, wie ich zugeben muss.

Diese Stimmung, in der alles Grau in Grau erscheint und man der Welt ins Gesicht schreien will, dass sie sich verpissen soll, die kommt gut rüber. Von daher stimmt die Geschichte.

Darüber habe ich mich gefreut. Wenn die Geschichte das kann, ist ja schon mal gut.

Weil du so gut darin bist, menschliche Beziehungen darzustellen, könntest du sicher mehr über die Motive von Karl, der es wohl genießt, die Frau, die er liebt, zu umsorgen und von Schönberg, der wohl eine orgiastische Freude daran hat, richtig auf den Putz zu hauen, sagen - wenn du das wolltest.

Ja, aber ich glaube, dass entfernt mich nur noch weiter, von dem, was ich mir so für den Text vorgenommen hatte. Das lesen die Leser ja, was nicht rauskommt, oder nur bedingt, was mir aber wichtig ist, ist ihr Kampf um Gefühle für Karl.

Schön fand ich die aussagekräftigen Beschreibungen: wie die Protagonistin sich die Beine rasiert, wie Schönbergs Spucketropfen auf ihrem Gesicht landen.

:)


Liebe Eva,

auch Dir ein großes Dankeschön.

also, mir gefällt's, und Karls, die gibt's. Zum Glück, wenn es auch ein klein wenig traurig ist, zu lieben und dafür nur Dankbarkeit und freundliche Gefühle zu bekommen.

Ja, für Karl ist das tragisch, auf jeden Fall nur bedingt befriedigend.

Er wird mich in den Arm nehmen, mich an sich drücken, mir übers Haar streichen, einen Kuss auf die Wange hauchen. Mir wird es zu eng, zu warm, in seinen Armen werden. Der Gedanke seine Nähe nicht zu ertragen, deprimiert mich. Ich würde mich gern wohl in seiner Nähe fühlen, ihm all das zurückgeben können, was er gibt, ihn glücklich machen.

Da hast du das Verhältnis der Beiden auf den Punkt gebracht, ihre Zerissenheit, das was sie fühlt, das, was sie fühlen möchte.

Für mich ist das einer der Kernsätze. Und wenn Du sagst: "... ihre Zerissenheit, das was sie fühlt, das, was sie fühlen möchte.", dann freut mich das sehr.

Verbesserungsvorschläge habe ich fast keine, ich find's schön wie's ist. Höchstens, dass sie sich am Ende nicht so hineinfallen lässt in ihre Dankbarkeit zu Karl, gerade das gräbt ihr ja jede Chance auf eine Gefühlsänderung ihm gegenüber ab. Vielleicht willst du aber auch gerade das verdeutlichen?

Ganz unbedingt will ich das ;). Und wahrscheinlich noch viel mehr, wenn ich mir die Kommentare so anschaue.


Hallo Anakreon,

auch Dir ein großes Danke.

Ein stilles Stück, das sich wehmütig dahinzieht. Keine Dramatik, die auftritt, auch bei der Rückblende nicht, wie der erschöpfende Zustand in ihr überhandnimmt. Doch es war mir gut sichtbar gezeichnet, auch wenn die Bilder zuweilen sehr verdichtet sind.

Darüber freue ich mich. Das scheint tatsächlich etwas zu sein, wo der Leser mir folgt und das ist doch auch schon was.

Hier will mir das Bild einfach nicht gelingen. Ich las darüber hinweg und kehrte zurück, das auf den Beinen aus verschiedenen Perspektiven beleuchtend. Sie meint die an den Beinen spriessenden Härchen, kam ich zum Schluss.

Hmm. Verstehe. Aber man schon auch sagen, Haare wachsen auf den Beinen, auf dem Kopf, unter den Achseln, oder? Ich will keine zwei "auf" in dem Satz, aber wenn doof ist ... weiß jetzt auch nicht.

Wohl eher, der hauchfeine Stachel dieser Biester.

Okay, Man bist Du genau ;).

Es endet unaufgeregt, das Fehlen von Entscheidungskraft hat sie noch voll im Besitz. Sie wirkt mir, wie ein zitternder Halm im Wind, einzig von der Aussenwelt bestimmt.

Das ist doch eine schöne Lesart.

... dass sie die Kraft bis dahin nicht fand, sich dem Leben wieder zu stellen.

Naja, sie hat ein Jahr gebraucht sich da hineinzumanövrieren, da braucht es sicher länger als 'ne Woche wieder hinaus.

Einig bin ich mit dem ungefähren Tenor der Kommentare, dass es an sich als wenig griffig herausschält.

Ja, dem scheint mir auch so zu sein.

Dabei bin ich mir jedoch bewusst, dass es die Innensicht eines Zustandes ist, der sich schwer fassen lässt, für andere erlebbar zu machen. Von dem her meine ich, du hast da viel herausgeholt.

Mich freut es, wenn dem so ist. Dann habe ich schon mal 50% erreicht. Das ist doch was :).

Danke Euch Allen! Liebe Grüße
Fliege

 

Hallo Fliege

Habe deinen Text gestern Abend gelesen, war jedoch zu müde und abgelenkt (Chat cha cha, hehe), um noch einen gebührenden Com zu verfassen.

Ich kenne Karl, er wohnt schräg unter uns im Parterre. Allerdings waren da nach ihrem Zusammenbruch zuerst seine Besuche in den psychiatrischen Diensten, dann kam sie nach Hause, gefolgt von Rückschlägen, die ersten Schritte im heimischen Umfeld, die verwirrten Schritte im Pyjama nach draussen, Karl war zum Glück gerade anwesend und holte sie zurück, nach Monaten zeigte dann endlich der richtigen Medikamentenmix Wirkung und nun findet Karls langjährige Gefährtin langsam zurück ins Leben. Ihr altes Lachen dringt durch die geöffnete Balkontür zu uns herauf und wärmt unser Herz. Alles dank den Medikamenten, aber vor allem dank einem fürsorglichen und positiv gesinnten Ehemann.

Ja, es gibt solche Karls, aber was mir an deiner Geschichte fehlt, ist die Tiefe, die Zeit, die der Text in dieser Form aber gar nicht liefern kann und will. Es bleibt trotzdem - oder gerade deshalb - ein berührendes Schlaglicht auf zwei Menschen, die durch einen Schicksalsschlag langsam zueinander finden. So bleibt mir immerhin die schöne Beschreibung der Charaktere, der ambivalenten Haltung deiner Prota zu ihrem Umfeld, das allerdings nicht näher beleuchtet wird. Der Fokus verbleibt auf ihrer Gefühlswelt und Wahrnehmung, was natürlich dem Ich-Erzähler geschuldet ist.

Hier noch zwei kleine Stolperer:

Schöneberg bedankt sich.
Die Schöneberg[er] freudschte mir beim Lesen auch kurz mal durchs Hirn.
Aber ich glaube, die hat hier nix verloren. ;)

Er ging mir ans Herz, rüttele mich wach,
rüttelte

Hat mir trotz erwähntem Abstrich gefallen, besonders der mehrdeutige "Samen", der seit kurzem in der Regieassistentin keimt, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

BTW: Ich würde mir nie die Beine rasieren und deshalb war die Genderfrage für mich auch kein Thema!:D

Gruss dot

 

Wollte nicht einst die SPD den Arbeitern ihre Villen in der Toscana wegnehmen? Hier sitz ich armer Tor, hör nach Tonight's the Night nun, dass Rust Never Sleeps -
ach, is’ ja ga’ nich’, wat ich sagen will - aber ursprünglich tauchte der Begriff “burnout“ für die „Managerkrankheit“ auf – also für die Typen auf den Chefetagen, die – wie heute auch jeder ordentliche Freiberufliche incl. den „Kreativen“ unter ihnen – rund um die Uhr, immer erreichbar „arbeiteten“.

Erst als selbst der Buchhalter verbal aufstieg zum “account manager“ und Erschöpfungszustände und Leistungsschwäche(n) den soeben frisch geadelten heimsuchten, schien Gleichberechtigung vollzogen, wenn auch nur im „burnout“, das nun unabhängig von Status und Stellung jeden beglückte (johann König hat da mit seinem Kabaretttext nicht unrecht). Aber die reale Hierarchie schlägt durchaus zu, indem sie der Chefetage das Attribut “exevutive“ dem dortigen burnout zugesteht und den Hierarchen den angemessenen Platz zuweist.

Und damit erst einmal

hallo Fliege,

die kleine Konzentrationsschwäche am Ende der Geschichte

… ein Brief von Schönberg […] Schöneberg bedankt sich
würd ich nun nicht dem Burnout-Syndrom zurechnen, da hat halt Siggi Freud und der Berliner Bezirk eingegriffen. Zuvor aber gibt’ schon mal eine kleine Flüchtigkeit mit einem entsprungenen t
Er ging mir ans Herz, rüttel[t]e mich wach, ließ mich aufmerken, …
und zwomal hapert’s ein bisschen bei Infinitivsätzen
Der Gedanke[,] seine Nähe nicht zu ertragen, deprimiert mich.
&
Ich fixiere die Gänseblümchen, versuche[,] die Bilder aus meinem Kopf auf den Boden zu streuen.
Beim
drei Jahresvertrag
denk ich sogleich an zwo Kettenverträge bei drei auf je ein Jahr befristeten Verträgen, bei einem Vertrag über drei Jahre am Stück denk ich eher an einen Dreijahresvertrag“.

Aber warum bin ich in Tempelhof, pardon, hier gelandet? Keine Angst, es ist nicht Lewis Carroll, diesmal ist es Neil Young (s. o.), der weiland Kurt Cobain einen, nein eigentlich mehrere Verse des 1979-er Albums Rust Never Sleeps widmete – und die ohne Zweifel dem Icherzähler nicht unbekannt sein dürften

”It's better to burn out / Than to fade away […] Out of the blue /
and into the black / They give you this, / but you pay for that /
And once you're gone, / you can never come back /
When you're out of the blue / and into the black. […]
There's more to the picture / Than meets the eye.​

Wer könnte es besser und knapper sagen als der King des Rock ’n’ Roll, dessen Freund Johnny Rotten aus der Finsterniss nicht mehr herausfand?

Gruß vom

Friedel

 

Hallo dotslash,

und Danke für Deinen Krankenbesuch.

Ich kenne Karl, er wohnt schräg unter uns im Parterre.

Ich kenne auch einen Karl und es ist schön, dass es sie gibt.

Ja, es gibt solche Karls, aber was mir an deiner Geschichte fehlt, ist die Tiefe, die Zeit, die der Text in dieser Form aber gar nicht liefern kann und will. Es bleibt trotzdem - oder gerade deshalb - ein berührendes Schlaglicht auf zwei Menschen, die durch einen Schicksalsschlag langsam zueinander finden.

Ja, dass ist genau der Punkt, wo die Geschichte so richtig durchhängt, wo der Leser mir nicht folgt, weil entweder vermittelt der Text nicht, was ich will, oder die Idee ist einfach zu verquer als dass der Leser drauf anspringt.

Ich wollte die beiden Männer so als Gegenpunkte. Schönberg der laut ist, und Karl der still - als Träger für Problemarten auch. Es gibt die lauten, die man ausmachen kann, die man lokalisiert und feststellt und was gegen tun kann, wenn es einem dann gelingt entsprechende Coping zu entwickeln. Und es gibt die stillen Probleme, die so schleichen, die man gar nicht als Problem wahrnimmt, sie nicht entdeckt und dementsprechend auch nicht reagiert. Sie will Karl lieben, tut es aber nicht. Seit einem Jahr will sie das ja schon, was den Zeitraum betrifft, der ja bei Schönberg bemängelt wurde.
Und dieses Gefühl, von nicht genug geben zu können und das daraus resultierende Aufreiben und die ständigen Rückschläge, sind ja auch die Auslöser für die Burn outs in den helfenden Berufen, die die Liste der Betroffenen anführen. Pastoren, Psychologen, Lehrer, Krankenpfleger ... Ja, das war die Idee dahinter, deren Funken nicht springt, was ich eindeutig dem Text zuschreibe und unter dem Strich bleibt halt eine Geschichte, in der alle Karl als Helfer in der Not sehen und eine Zustandsbeschreibung und inzwischen freue ich mich, dass wenigstens das ankommt und soweit auch gefällt, wenn auch nicht befriedigend auf ganzer Ebene ist, was ich sehr gut nachvollziehen kann.

So bleibt mir immerhin die schöne Beschreibung der Charaktere, der ambivalenten Haltung deiner Prota zu ihrem Umfeld, das allerdings nicht näher beleuchtet wird. Der Fokus verbleibt auf ihrer Gefühlswelt und Wahrnehmung, ...

:) und :heul:

Hat mir trotz erwähntem Abstrich gefallen, besonders der mehrdeutige "Samen", der seit kurzem in der Regieassistentin keimt, denn die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Immerhin trifft das auf sie zu. Das geht schon mal durch. Wenn auch in meiner Absicht nicht als postiv empfunden, aber so ist ja nun mal. Da keimt was in ihr und die Hoffnung treibt sie an.


Hallo Friedel,

– rund um die Uhr, immer erreichbar „arbeiteten“.

Das ist ein großer Nachteil von Handy und Internet. Ich finde das richtig übel.

Danke für die Fehlerteufel. Man bin ich froh um die zwei Kommata. Vor Jahren wären es zwanzig gewesen. Ich bin auf dem rechten Weg :). Und ich nehme jedes mit.

Aber warum bin ich in Tempelhof, pardon, hier gelandet? Keine Angst, es ist nicht Lewis Carroll, diesmal ist es Neil Young (s. o.), der weiland Kurt Cobain einen, nein eigentlich mehrere Verse des 1979-er Albums Rust Never Sleeps widmete – und die ohne Zweifel dem Icherzähler nicht unbekannt sein dürften

Ist ihr ganz sicher bekannt :).

Vielen Dank euch beiden, für Fehlerlese, Zuspruch und Musik.

Liebe Grüße Fliege

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi, Fliege!

Die Protagonistin zwischen zwei Männern, die in der Geschichte für zwei Wertesysteme stehen, dem Guten und dem Bösen, oder eben dem Menschlichen und dem Unmenschlichen.
Als Motiv zur Darstellung des Themas ist die Arbeitswelt gewählt worden, und da ausgerechnet die Theaterwelt. Wie hintersinnig!

Die Inszenierung.
Die Protagonistin lässt sich blenden von dem ausgeklügelten Bühnenwerk. Sie kennt ja nur das, was sie sehen soll, etwas Makelloses und Brillantes, und etwas, was ans Herz geht, weil es Gefühle weckt. Erst als sie hinter die Kulissen blickt, aktiver Teil der Inszenierung wird, entdeckt sie all das Hässliche, Unmenschliche, welches dem Blendwerk zu Grunde liegt. Sie lernt Schönberg kennen, wie „er“ wirklich ist.

Schönberg,
ein wohlklingender Name, wie von einer Werbeagentur erdacht, für die Personifizierung der Arbeitswelt innerhalb der Globalisierung mit all ihren perversen Auswüchsen.

Karl,
ein altmodischer Name, für einen Arbeitskollegen, der in dieser Geschichte an die gute alte Zeit erinnert (wobei man noch diskutieren müsste, wann die eigentlich war) und das Menschliche verkörpert. Das Menschliche, das in Schönbergs Arbeitswelt keinen Einfluss mehr besitzt.

Der Arbeitsplatz.
Die Protagonistin, an ihrem Arbeitsplatz zum Ding (beispielsweise Zahnrad) degradiert, bis sie nicht mehr weiß, ob sie Männlein oder Weiblein ist, und am Ende als Bonus einen Resteknochen hingeschmissen bekommt, das Haus in der Toskana, das nicht mehr gebraucht wird, weil Schönberg demnächst die Globalisierung in Polen inszeniert (Polen, Ostblock! Auch wieder sehr schön hintersinnig!).

Nun zur Liebesgeschichte.
Die Protagonistin kann Karl nicht lieben, weil sie in der Umklammerung des Menschlichen ihre beruflichen Träume nicht erreichen kann. Dazu bräuchte sie Schönberg. Der jedoch wirkt zerstörerisch auf sie. Ich denke, ein „Karl Schönberg“ ist das, was sie sucht. Aber sie ahnt, den gibt es nicht.

Der Traum.
Im letzten Absatz, im Bett (auch wieder hintersinnig), träumt sie davon, dass sie ihre beruflichen Sehnsüchte vielleicht vergessen könnte, in Karls Armen, dass sie es schaffen könnte, ein einfaches Leben ohne große Ziele zu lieben. Einfach nur Frau und Mensch sein, abends ein Feuer anzünden (und einen Dinosaurier grillen).


Es gab viele Geschichten um Schönberg, ich kannte einige, aber ich hatte sie unterschätzt, die Pointen, auf die sie endeten.
Ganz stark! Denn das geht derzeit (noch) den meisten so.

Nachtrag
Ein kleines, aber interessantes Detail:
darin Ameisen, Blumen, Bungalows, Disteln, Efeu, Geräteschuppen, Grünfinken, Komposthaufen, Korb- und Plastikmöbel, Löwenzahn, Obstbäume, Tomaten und Wühlmäuse.
Die Protagonistin listet ihre Umwelt alphabetisch auf (Ausnahme Plastikmöbel). Da erkennt man, wie „Schönbergs“ Konditionierung wirkt.


Lieben Gruß

Asterix

 

Hey Asterix,

und vorab, Deine Lesart hat mich mit meiner Geschichte versöhnt :). Habe mich wirklich sehr gefreut, über das, was Du in ihr gefunden hast und Deine Sicht auf die Dinge.

Die Protagonistin zwischen zwei Männern, die in der Geschichte für zwei Wertesysteme stehen, dem Guten und dem Bösen, oder eben dem Menschlichen und dem Unmenschlichen.

Gefällt mir.

Die Protagonistin lässt sich blenden von dem ausgeklügelten Bühnenwerk. Sie kennt ja nur das, was sie sehen soll, etwas Makelloses und Brillantes, und etwas, was ans Herz geht, weil es Gefühle weckt. Erst als sie hinter die Kulissen blickt, aktiver Teil der Inszenierung wird, entdeckt sie all das Hässliche, Unmenschliche, welches dem Blendwerk zu Grunde liegt. Sie lernt Schönberg kennen, wie „er“ wirklich ist.

Da hat es in mir richtig gejubelt. Das ist ja oft so, im Leben.

Ich könnt jetzt Gedanken für Gedanken nehmen und smilies druntersetzen. Darf ich aber nicht, spielt die Forensoftware nicht mit, also denk sie Dir, wo ich sie jetzt nicht ausführe.

Schönberg,
ein wohlklingender Name, wie von einer Werbeagentur erdacht, für die Personifizierung der Arbeitswelt innerhalb der Globalisierung mit all ihren perversen Auswüchsen.

:) - daran habe ich tatsächlich auch gesagt.


Der Arbeitsplatz.
Die Protagonistin, an ihrem Arbeitsplatz zum Ding (beispielsweise Zahnrad) degradiert, bis sie nicht mehr weiß, ob sie Männlein oder Weiblein ist, und am Ende als Bonus einen Resteknochen hingeschmissen bekommt, das Haus in der Toskana, das nicht mehr gebraucht wird, weil Schönberg demnächst die Globalisierung in Polen inszeniert (Polen, Ostblock! Auch wieder sehr schön hintersinnig!).

Gefällt mir auch gut.

Nun zur Liebesgeschichte.
Die Protagonistin kann Karl nicht lieben, weil sie in der Umklammerung des Menschlichen ihre beruflichen Träume nicht erreichen kann. Dazu bräuchte sie Schönberg. Der jedoch wirkt zerstörerisch auf sie. Ich denke, ein „Karl Schönberg“ ist das, was sie sucht. Aber sie ahnt, den gibt es nicht.

Und das fand ich enorm spannend. Und ja, der Text kann diese Geschichte wohl erzählen.

Es gab viele Geschichten um Schönberg, ich kannte einige, aber ich hatte sie unterschätzt, die Pointen, auf die sie endeten.
Ganz stark! Denn das geht derzeit (noch) den meisten so.

Ich mag den Satz auch wirklich sehr gern.

Nachtrag

Die Protagonistin listet ihre Umwelt alphabetisch auf (Ausnahme Plastikmöbel). Da erkennt man, wie „Schönbergs“ Konditionierung wirkt.


Danke dafür! Den Gedanken teilen wir.

Ja, vielen lieben Dank für Dein Vorbeischauen. Da scheint der Text dann doch ein paar Gedanken mehr zünden zu können, als nur Zustandsbeschreibung. Wobei ich mich auch darüber schon freue, wenn man die als nachvollziehbar empfindet.

So, jetzt habe ich meinen Frieden und werde mich um meinen Rasen kümmern :).

Liebe Grüße Fliege

 

Hallo, Fliege,

eine sympathische Geschichte, unaufgeregt erzählt, mit einer Dreierbeziehung Karl - Schönberg - Protagonistin, die Spannung erzeugt. Der böse Schönberg, der doch ein wenig gut sein kann, der Karl, der mal Frisches bringt, und die Protagonistin, die beruflich den Schönberg erklimmen will, dabei ausgerutscht ist und auf siebenhundert Quadratmetern Ruhe findet.
Sie leidet nicht an Burn-out, sondern an Melancholie, die ja auch Mutter von Neuem sein kann, wenn man an Dürer denkt. Man könnte sagen, die Erzählerin befindet sich in einer schöpferischen Pause. Du hast keine kranke Person vorgestellt, sondern eine Person, die halt mal Ruhe braucht. Heute muss man gleich ein Krankheitstheater inszenieren, um krankheitslegitimiert sich Ruhe und Erholung zu verschaffen. Freie Tage sind ohne Krankschreibungen nicht möglich.
Hier finden wir in Deiner Geschichte den mittelalterlichen Hortus conclusus, das Paradiesgärtlein, den sicheren Ort, der Heilung und Gesundung verspricht. Die Verlockung mit der Toscana (Schönberg) oder der Garten (Karl)? Dass sie Karl entscheiden lässt, zeigt noch ihren Dämmerzustand der Melancholie. Aber ist der endgültig? Nein, sie hat gezeigt, dass sie gut arbeiten kann, dass sie kräftig ist, sich durchzusetzen kann. Das gibt Hoffnung.
Insofern eine angenehm zu lesende Geschichte, die einen nicht deprimiert, sondern den Hinweis auf die Bedeutung des Hortus conclusus gibt, den wir alle nicht mehr kennen (wollen?). Aus dem Hortus conclusus könnte ein Locus amoenus werden, ein Liebesnest.
Das wünscht Karl und seiner Dame
Wilhelm Berliner

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo,

seit er mich hergebracht hat, auf das Grundstück seiner Eltern, die mir hier Asyl gewähren.
Asyl gewähren ist ein bisschen eine verbrauchte Wendung, die man häufig in dieser halb-scherzhaften Verwendung trifft. Klänge der Satz besser, wenn hier „Unterschlupf“ stünde? Oder „Obdach“? Zuflucht.
Ich finde das sind wahnsinnig starke Wörter, die hinter „Asyl“ zurückgedrängt wurden. Ich finde man kann einen Text sprachlich aufwerten, wenn man sie verwendet. Zuflucht – so ein geiles Wort. Schade drum.

Dabei hat sie mich angeschaut, wie ein Leutnant seine Soldaten, bevor er sie ins Feld schickt, viel Glück und passt auf euch auf.
Ich glaube, Hauptmann würde hier besser passen als Leutnant. Ab dem Hauptmann, kann man sagen, hat man so „seine Soldaten“ - vielleicht auch als Hauptfeldwebel oder drüber. Aber da gibt es sicher auch x Sonderregeln.

bis er alles abwürgt, mit dem Zündschlüssel und der aufgewühlte Staub sich wieder legt.
Die Konstruktion hast du öfter, du hast einen Nebensatz, der dir zu lang wird, also nimmst du eine Information die eigentlich noch vor das Verb gehört, packst sie dahinter, tust so als wär sie ein eigener Nebensatz und machst weiter.
Das ist nur bedingt richtig. Hier geht die Konstruktion grammatikalisch schief, umgangssprachlich wär sie aber okay.
„Bis er alles mit dem Zündschlüssel abwürgt und sich der aufgewühlte Staub wieder legt.“


Mein Regie-Idol und wenn ich so getickt hätte, hätte ich einen Schrein für ihn zu Hause.
Bisschen missverständlich: „und wenn ich der Typ dafür wäre, hätte ich ...“
„und wenn ich so ticken würde, hätte ich...“
Das ist ein seltsamer Gedanke: Wenn ich der Typ Mensch wäre, der sowas macht, dann würde ich das machen.
Auf jeden Fall das doppelte „hätte“ weg zu „würde/hätte“ oder einer anderen Konstruktion.

Karl stellt mir einen Teller mit Melone hin. In Stücken aufgeschnitten, geht zum Wasserhahn, dreht den Rasensprenger auf, setzt sich zu mir.
Das mein ich. Was hat denn „In Stücken aufgeschnitten“ im zweiten Satz zu suchen, vor „geht zum Wasserhahn“, das gehört zum ersten Satz mit der Melone.
Stilistisch bringt dich das in bestimmte Schwierigkeiten, weil du dir wahrscheinlich ständig bei deinen Sätzen überlegen musst, ob das Verb jetzt im Singular oder im Plural stehen muss, das liegt an diesen manchmal unklaren Abtrennungen. Irgendwie hat der Text ein Pluralproblem.

Hm. Ich finde da ist viel in dem Text, das ich jetzt als Rampe nehmen könnte, um über Sachen zu reden, die mich interessieren und die mir auffallen. Ich denke das ist ein Text, der, wenn man ihn abstrahiert, auch behandelt wie schwierig es hier für die Frau ist, in eine Protagonistenrolle hineinzuwachsen. Dass sie sagt: Ich bin die Heldin meiner Geschichte. Das treibt sie in die Verbannung dort, die Unfähigkeit dazu. Sie definiert sich über die Arbeit – da ist kein Wort über irgendetwas anderes in dem Text. Und auf Arbeit hat sie keinen entscheidenden Einfluss. Da ist sie das Anhängsel von Schönberg, der unbedingt der Held in seinem Leben ist und seiner Willkür ausgeliefert. Und natürlich kann sie es nicht "nicht persönlich" nehmen, weil es das einzige ist, was sie hat, worüber sie sich definiert. Wenn man nur für die 2 Stunden in der Woche lebt, in der Schalke spielt, dann hilft einem ein "Ist doch nur ein Spiel", auch nicht weiter.

Ich hab in letzter Zeit Sachen gesehen und gelesen, bei denen so ein Wandel in diesem Frauenbild dann ankommt in der Fiktion (es gibt jetzt seit ein paar Jahren regelmäßig richtig gute Rollen für Frauen über 40 im Fernsehen z.b.).
Das ist seit 30 Jahren ein Thema, die unabhängige, selbstbestimmte, von mir aus „befreite“ Frau, die nicht Anhängsel eines Mannes ist, und jetzt ist das so ziemlich in der Normalität angekommen – normal hat man dann noch einen Mann, der ein wenig sauer darüber ist, dass es so gar nicht um ihn geht. Es ist ja in dieser Geschichte gar kein Platz für Karl. Also soll sie den privaten Teil ihres Lebens auch noch an einen Mann abtreten?
Sie hat gar kein privates Leben, dessen Teil dann jemand sein könnte.

Ich hab den Text gelesen und mich gefragt, worum es dir eigentlich ging. Ich fände als Idee gut, zu sagen: hier ist eine Frau, die sich nur über ihren Beruf definiert und die „nett“ ist und vielleicht ein bisschen „weich“. Und die kommt in Konflikt mit diesem „Idol“, das sie ausbeutet und zerstört. Das nur verbrannte Erde hinterlässt.
Das sagt man über einige große „Künstler“, diese Macher-Typen. Das hat man über Brecht gesagt, das sagt man jetzt über Michael Bay, das sagt man auch über Christoph Daum.
Nur: Was will man da erzählen? Wie eine Frau zerbricht, ohne Widerstand zu leisten? Wie jemand Opfer ist? Wie jemandem Ungerechtigkeit widerfährt?
Du hast das in der Peripherie erzählt, während du eigentlich die zerknickte Frau zeigst und ihre Unfähigkeit, sich mit etwas abzufinden. Sich zu konfrontieren. Was wäre Karl in dieser Geschichte anderes als ein Trostpreis? Als ein Ast für eine Ertrinkende.

Ich weiß nicht. Ich find es ist klar ein irgendwie zu erkennender Zeitenwechsel auszumachen, der sich hier in der Prosa wiederfindet, ein Wechsel in der Beziehung von Mann zu Frau, der auch ständig thematisiert wird, und der – im Kern - sagt: Sei nicht die Art von Frau, die sich damit begnügt, in einem Mann, in einer Beziehung, in der Familie „aufzugehen“.
Und wenn man das anders sieht, dann ist Schönberg ein Mann, der sowas fordert, der von jeder Person an seinem Theater fordert, sich für ihn aufzugeben, sich zurückzustellen.
Das ist eine Erwartungshaltung, die sicher heute auch noch viele Männer haben (sicher auch ein paar Frauen) – und das Hauptthema für häuslichen Streit überhaupt.
Ich hab neulich eine Diskussion gesehen darüber, dass die Menschen in unserer Kultur und unserer Zeit so hohe Ansprüche an den Partner haben und ein so hohes Selbstbild und so eine Weltsicht, dass es für viele fast unmöglich geworden ist, irgendwie glücklich zu sein oder überhaupt Kompromisse zu machen, sich auf jemand anderen einzulassen, jemand anderen gelten zu lassen und ihm Platz in seinem Leben einzuräumen. Man sprach davon, dass wir eine derart narzisstische Gesellschaft sind, dass wir alle mal einsam im Altersheim dement dem eigenen Tod entgegendämmern. Wir sind so voll von uns, dass wir gar keinen Platz für jemand anderen haben.
Ich denke, wenn man wie die Frau in deiner Geschichte, im eigenen Leben ertrinkt, dann sollte man versuchen eine andere Perspektive zu bekommen.

Jetzt in der Geschichte: Sie stellt etwas dar. Sie stellt einen Fall dar. Ich finde sie stellt auch einen Zorn über Ungerechtigkeit dar. Möchtegern hat gesagt: Warum bist du so nett zu dieser Frau? Da muss man sagen: Möchtegern ist wirklich klug. Vielleicht fehlt dir als Autorin bei dieser Geschichte ein wenig die Distanz. Ich kann für mich sagen, was mich an der Geschichte interessiert. Das ist a) Der große Macher, der alles um sich herum aussaugt und b) Die Frau, die Heldin in ihrem Leben sein will. Die Idee c) Warum können wir nicht Menschen lieben, die gut für uns wären? - Ich find die nicht soo stark.
Ich könnte aber nicht sagen, was dich in der Geschichte wirklich interessiert.
Man kann dann als Leser sagen: Das arme Mädchen, der arme Karl, Schönberg dieser Wichser. Oder man ist zynisch und sagt dann: Ja, ist halt nicht jeder für so ein Leben gemacht. Wenn du mit Hitze nicht klar kommst, geh nicht in die Küche.
Ich denke bei der Geschichte und bei der Thematik geht mehr. Schlecht ist sie wirklich nicht.

Gruß
Quinn

 

Hallo Wilhelm Berliner,

und vielen Dank für Deine Leseeindrücke.

eine sympathische Geschichte, unaufgeregt erzählt, mit einer Dreierbeziehung Karl - Schönberg - Protagonistin, die Spannung erzeugt. Der böse Schönberg, der doch ein wenig gut sein kann, der Karl, der mal Frisches bringt, und die Protagonistin, die beruflich den Schönberg erklimmen will, dabei ausgerutscht ist und auf siebenhundert Quadratmetern Ruhe findet.

Das ist doch eine ausgesprochen sympathische Zusammenfassung :).

Sie leidet nicht an Burn-out, sondern an Melancholie, die ja auch Mutter von Neuem sein kann, wenn man an Dürer denkt. Man könnte sagen, die Erzählerin befindet sich in einer schöpferischen Pause.

Auch diese Lesart erfreut mich, zeigt es doch, dass man die Prot. sehr unterschiedlich wahrnehmen kann. Und das ist ja mal was Gutes, finde ich.

Du hast keine kranke Person vorgestellt, sondern eine Person, die halt mal Ruhe braucht. Heute muss man gleich ein Krankheitstheater inszenieren, um krankheitslegitimiert sich Ruhe und Erholung zu verschaffen.

Wobei ich nur anfügen will, dass sowohl Symptome, als auch Behandlung (Ruheverordnung) tatsächlich aus dem Alltag entnommen sind. Also, es gibt eine reale Vorlage, derer ich mich hier bedient habe, die Diagnose war Stress. Ich erwähne es nur der Vollständigkeithalber, nicht weil ich hier irgendwen was aufdrücken mag, was er selbst so nicht empfindet.

Hier finden wir in Deiner Geschichte den mittelalterlichen Hortus conclusus, das Paradiesgärtlein, den sicheren Ort, der Heilung und Gesundung verspricht. Die Verlockung mit der Toscana (Schönberg) oder der Garten (Karl)? Dass sie Karl entscheiden lässt, zeigt noch ihren Dämmerzustand der Melancholie. Aber ist der endgültig? Nein, sie hat gezeigt, dass sie gut arbeiten kann, dass sie kräftig ist, sich durchzusetzen kann. Das gibt Hoffnung.

Das alles fand ich schön und nachvollziehbar und hoffnungsvoll.

Insofern eine angenehm zu lesende Geschichte, die einen nicht deprimiert, sondern den Hinweis auf die Bedeutung des Hortus conclusus gibt, den wir alle nicht mehr kennen (wollen?). Aus dem Hortus conclusus könnte ein Locus amoenus werden, ein Liebesnest.

:)


Hallo Alex,

was für einen tollen stillen Helden du da ersonnen hast, Wahnsinn. Karl hat mir richtig das Herz erwärmt. Diese Kleinigkeiten zwischen ihm und deiner Prota sind sehr realitätsnah und bereichern die Geschichte ungemein. V.a. erzählen sie so viel über die Art von Beziehung, welche zwischen den beiden herrscht. Die Sache mit dem Rasen hat mir von allem am besten gefallen.

Darüber habe ich mich natürlich gefreut. Das ist auch schön, wenn es beim Leser so ankommt.

Die Probleme deiner Prota sind sehr plastisch und nachvollziehbar beschrieben. Als Leser habe ich nachvollziehen können, was sie gerade durchmacht und wie sich das in Konkreten Problemen oder "Symptomen" äußert. Die Sache mit dem Lesen, eig. etwas ganz Einfaches, erscheint ihr nahezu unmöglich. Bewundernswert, wie du es geschafft hast, dem Leser zu erklären, warum das so schwer ist, einfach indem du es beschrieben hast.

Und das ist ja immerhin was, wenn die die Geschichte das zu leisten vermag. Danke auch dafür.

Direkt beim Lesen hat mich das nicht gestört, aber im Nachhinein fehlt mir so ein Moment der Verzweiflung, etwas das mir die Notlage deiner Prota nahe bringt. Denn eigentlich sind ja alle irgendwie verständnisvoll und hilfsbereit. Das könnte man evtl. noch ein bisschen zuspitzen.

Ja, wahrscheinlich hätte der Geschichte das gut getan. Inzwischen bin ich soweit, das auch anzunehmen.

Ein wenig schade finde ich es, dass sich alle ihre Probleme so auf den Schönberg konzentrieren. Jemand hat das glaub auch schon geschrieben, dass man bei Künstlern ja immer mal wieder mit solchen Exzentrikern zu tun hat. Also könnte man ein bisschen darauf vorbereitet sein. Auch wenn es sie jetzt kalt erwischt, weil es eines ihrer Vorbilder ist.

Naja, ich will mal sagen, Exentriker ist nicht gleich Exentriker. Und wenn da wer noch dazu auf einen Thron gehoben wurde, ist der Fall auch ungleich tiefer, als wenn die Menschen, von denen man eine solche Bahandlung erfährt einem relativ egal sind.

So ein Burn-Out quasi nur an dieser einen Person fest zu machen ... also ich weiß nicht.

Naja, von Burn out steht da ja nichts. Und was das festmachen an einer Person betrifft, dazu habe ich mich zuvor schon im Spoiler geäußert. Aber an der Stelle habe ich die Geschichte nicht im Griff, hier vermag sie nicht zu transportieren, was ich so gewollt habe, dass sie es tut. Mein Fehler.

Der Satz hat mich ein bisschen gestört. Wenn man mit so Symptomen, wie sie deine Prota hat, zum Artzt geht und der nicht komplett unfähig ist, dann kommt man in ambulante Behandlung oder in eine Reha Klinik.

Dazu habe ich schon bei Wilhelm was geschrieben. Nein, Stress ist eine Diagnose und die Behandlung darauf ist - Ruhe. 1:1 aus dem Alltag entnommen. Und die Person war auch ganz wieder hergestellt nach sechs Wochen. Das sieht bei Burn out anders aus, da gebe ich Dir recht, aber das steht ja auch nicht in der Geschichte, dass es eines ist. Und im Gegensatz zu Burn out, kann eine solche Symptomatik auch nach einer kurzzeitigeren Belastung auftreten.

Danke für die postiven Leseeindrücke und auch für die kritischen Gedanken. Hat mich gefreut.


Hey Quinn,

Asyl gewähren ist ein bisschen eine verbrauchte Wendung, die man häufig in dieser halb-scherzhaften Verwendung trifft. Klänge der Satz besser, wenn hier „Unterschlupf“ stünde? Oder „Obdach“? Zuflucht.

Ich gebe Dir Recht, jetzt und auf der Stelle. Werde ich heute noch ändern.

Ich glaube, Hauptmann würde hier besser passen als Leutnant. Ab dem Hauptmann, kann man sagen, hat man so „seine Soldaten“ - ...

Okay, auch daran halte ich nicht fest.

Die Konstruktion hast du öfter, du hast einen Nebensatz, der dir zu lang wird, also nimmst du eine Information die eigentlich noch vor das Verb gehört, packst sie dahinter, tust so als wär sie ein eigener Nebensatz und machst weiter.

Ja, das mache ich wohl, aber ich mag das irgendwie. Man mag ja einige Sachen, die nicht gut sind und tut sie trotzdem. Ich muss mich damit echt mal beschäftigen.

Hm. Ich finde da ist viel in dem Text, das ich jetzt als Rampe nehmen könnte, um über Sachen zu reden, die mich interessieren und die mir auffallen.

Und Du nennst dann ja auch so Punkte und ich finde die alle echt spannend. Und ein bisschen ärgere ich mich selbst, sie nicht als Thema erkannt zu haben und die Geschichte dahingehend geschrieben zu haben. Also,, es freut mich, wenn man da so Rampen im Text findet, keine Frage, ich nehme das jetzt als positiv, aber schon blöd, wie da Potential rumliegt, was ich gar nicht gesehen habe. Ärgerlich!

Das treibt sie in die Verbannung dort, die Unfähigkeit dazu. Sie definiert sich über die Arbeit – da ist kein Wort über irgendetwas anderes in dem Text. Und auf Arbeit hat sie keinen entscheidenden Einfluss. Da ist sie das Anhängsel von Schönberg, der unbedingt der Held in seinem Leben ist und seiner Willkür ausgeliefert. Und natürlich kann sie es nicht "nicht persönlich" nehmen, weil es das einzige ist, was sie hat, worüber sie sich definiert. Wenn man nur für die 2 Stunden in der Woche lebt, in der Schalke spielt, dann hilft einem ein "Ist doch nur ein Spiel", auch nicht weiter.

Ja, ja, und nochmal ja.

Es ist ja in dieser Geschichte gar kein Platz für Karl. Also soll sie den privaten Teil ihres Lebens auch noch an einen Mann abtreten?
Sie hat gar kein privates Leben, dessen Teil dann jemand sein könnte.

Immerhin, dass scheint dann doch rüberzukommen, wenn auch viel zu dezent und dazwischen. Aber daran habe ich gedacht. Karl ist zuviel.

Ich hab den Text gelesen und mich gefragt, worum es dir eigentlich ging. Ich fände als Idee gut, zu sagen: hier ist eine Frau, die sich nur über ihren Beruf definiert und die „nett“ ist und vielleicht ein bisschen „weich“. Und die kommt in Konflikt mit diesem „Idol“, das sie ausbeutet und zerstört. Das nur verbrannte Erde hinterlässt.

Das ist eine wirklich interessante Richtung, für die ich mich in einer Nachbearbeitung erwärmen könnte. Wenn ich sie denn nachbearbeiten will, im Augenblick liegt so vor mir und ich schau da mal von rechts drauf und von links und dann geh ich in den Garten und kümmere mich um den Rasen :).

Nur: Was will man da erzählen? Wie eine Frau zerbricht, ohne Widerstand zu leisten? Wie jemand Opfer ist? Wie jemandem Ungerechtigkeit widerfährt?
Du hast das in der Peripherie erzählt, während du eigentlich die zerknickte Frau zeigst und ihre Unfähigkeit, sich mit etwas abzufinden. Sich zu konfrontieren. Was wäre Karl in dieser Geschichte anderes als ein Trostpreis? Als ein Ast für eine Ertrinkende.

Hab ich bei Alexander schon gesagt, ich bekenne mich der Einsicht in das Problem.

Und wenn man das anders sieht, dann ist Schönberg ein Mann, der sowas fordert, der von jeder Person an seinem Theater fordert, sich für ihn aufzugeben, sich zurückzustellen.

Also das wollte ich dem Schönberg schon unterjubeln. Auch wieder viel zu weichgespült, wenn ich mir die Kommentare so anschaue.

Das ist eine Erwartungshaltung, die sicher heute auch noch viele Männer haben (sicher auch ein paar Frauen) –

Also, ich würde es heute nicht mehr nur Männern unterstellen, sondern auch Frauen in Leitungsebenen, da sind welche auch ausschließlich Zielorientiert, fordern ein, gerade wenn sie sich selbst so mit dem Job identifizieren.

Ich hab neulich eine Diskussion gesehen darüber, dass die Menschen in unserer Kultur und unserer Zeit so hohe Ansprüche an den Partner haben und ein so hohes Selbstbild und so eine Weltsicht, dass es für viele fast unmöglich geworden ist, irgendwie glücklich zu sein oder überhaupt Kompromisse zu machen, sich auf jemand anderen einzulassen, jemand anderen gelten zu lassen und ihm Platz in seinem Leben einzuräumen.

Das ist ja eine These, die ich selbst auch schon aufgestellt habe, so vor drei, vier Jahren, wenn man so Singels halt sieht und sich unterhält, warum es nun mit dem oder dem nicht funktionieren konnte, oder wenn man so manche Paare beobachtet. Also, ich denke, da ist was dran. Auch dieser ganze Selbstfindungstrip, der irgendwie Zeitgeist ist. Ich frag mich immer, ja und dann, wenn Du dich gefunden hast, was ist dann? Ich meine, sich selbst wichtig zu nehmen, ist sicher etwas Gutes, aber wenn man darüber nur noch sich selbst sieht, denke ich, wird es schwierig, gerade was Kompromisse betrifft. Und es gibt einen Zusammenhang zwischen Lebenserwartung und Selbstbild. Wer mit sich im reinen ist, wird älter. Wenn ich mich also selbst ständig hinterfrage, kommt es sicher auf die Antworten an, die man findet, und ich mag bezweifeln, dass wenn man sich ständig mit Selbstzweifeln auseinandersetzt, dass dies ein gutes Gefühl vermittelt. Ich komm richtig ins Labern ...

Wir sind so voll von uns, dass wir gar keinen Platz für jemand anderen haben.
Ich denke, wenn man wie die Frau in deiner Geschichte, im eigenen Leben ertrinkt, dann sollte man versuchen eine andere Perspektive zu bekommen.

Wahrscheinlich hast Du Recht. Aber dazu hätte ich das ja erst mal als Thema selbst erkennen müssen. Das ist so der Punkt, der mich ärgert, dass es da irgendwo rumliegt und latsche drüber weg.

Ich denke bei der Geschichte und bei der Thematik geht mehr.

Nachdem auch ich das jetzt erkannt habe, geht wohl. Denke aber, wenn ich das jetzt als Thema aufgreifen würde, es eher neu zu schreiben, als hier rumzuschieben. Weiß noch nicht. Ich mag sie auch ein bisschen wie sie steht, auch wenn sie mich und Leser nicht komplett befriedigen kann. Also, ich denke, ich schau sie noch ein wenig länger von rechts und links an ;).

Danke Euch sehr für die Kommentare!
Liebe Grüße Fliege

 

Hallo Fliege,

eine gewohnt einfühlsame Geschichte von dir, die sich still und unaufgeregt entfaltet, und die mir fein gezeichnete Figuren bietet. Schönberg war mir zunächst zu einseitig, nur genial cholerisch, fast plakativ laut, ungerecht und divenhaft launisch, aber den brichst du am Schluss dann so nachhaltig, dass es einen wunderbaren Rückfluss in seine Figur gibt. Ich kenne diesen Typ, arbeite selbst mit so was zusammen. Die haben ein unfassbares und verstörendes Timing für ihre wenigen menschlichen Akzente, dass selsbt die irgendwie unmenschlich erscheinen. Dieses unberechenbare Timing hast du gekonnt entlarvt.

Krankheitsthemen sind ja immer so eine Sache, aber burnout ist ein Trendthema. Kaum hat es einen griffigen Namen, entwickelt es sich prächtig. Erst kennt man nur welche, die jemanden kennen, der so was hat. Und dann haben es die ersten Leute im eigenen Umfeld. Das ist wie mit den Eltern von hoch begabten Kindern. Früher hörte man nur von so was. Heute kenne ich reihenweise welche, die hoch begabte Kinder haben, und auch erstaunlich viele, die burnouts hatten, haben, oder demnächst haben werden ;-)

Du hast dir - wenn ich das mal so ausdrücken darf - diesen Zustand (ich glaube, eine anerkannte Krankheit ist das -noch- gar nicht, oder?) seriös vorgenommen, ohne dabei zu sehr in die Tiefe zu gehen. Was du beschreibst reicht, um nachvollziehbar zu sein. In vielen Fällen ist die Antriebslosigkeit der von diesen Symptomen geplagten Menschen nach meiner Kenntnis noch viel ausgeprägter, und immer stellt sich die Frage, wo ein solcher burnout in eine tiefe Depression umschlägt.

Ich habe eine Bekannte, die es voll erwischt hat, dann wird es wirklich übel. Mit den Tränen, die aus beliebigen Anlässen fließen, könnte man einen Ozean füllen. So weit geht deine Geschichte nicht. Fast finde ich es ein wenig schade, dass dieses Thema von deiner sehr angenehmen Art zu erzählen/schreiben in einer relativ kurzen Gesichte nicht zur vollen Entfaltung kommen kann. Ich glaube, in diesem Fall wäre mehr vielleicht mehr gewesen. Das soll selbstverständlich ein Kompliment sein.

Im ersten Absatz deiner Geschichte tat ich mich ein wenig schwer. Den Soldaten- und Schlachtfeldvergleich, dass fand ich irgendwie nicht ganz passend, da muss ich aber noch etwas nachdenken, um das konkreter bemängeln zu können. Aber das Grundstück ist doch eigentlich alles andere als ein Schlachtfeld, oder? Und der Zustand hat doch nichts mit Soldaten zu tun, die in die Schlacht ziehen. Das ist doch alls eher genau das Gegenteil, dieses Krankheitsbild. Ds ist doch, vor dem echten Leben die weiße Fahne zu hissen, aufzugeben, den Kampf gar nicht erst beginnen zu wollen, morgens im Bett zu liegen, und keinen Grund mehr finden, aufzustehen ...

Und am Ende schreibst du von Karls Samen, aus dem Schmetterlinge entstehen könnten. "Samen" finde ich irgendwie komisch, auch wenn klar ist, was du meinst. Könntest du es nicht durch "Saat" ergänzen?

Ansonsten: feine Geschichte! Ich hätte davon mehr vertragen. Aber so war's auch ein schönes Leseerlebnis.

Rick

 

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