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Sein Dorf

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15.06.2016
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Sein Dorf

Am Anfang waren es nur vereinzelte Meldungen aus entlegenen Landesteilen: Man habe Monster gesichtet. In der anbrechenden Abenddämmerung seien sie in Gruppen unterwegs. Immer öfter würden sich immer mehr von ihnen zusammenrotten.
Parmen konnte es nicht recht glauben. Alle Monster waren in der großen Schlacht Jahrzehnte vor seiner Zeit vernichtet worden. So hatte man es ihm als Kind erzählt.
Auf seinem Weg zum Feld querte er jeden Morgen das Dorf, in dessen Mitte das Denkmal zur Erinnerung an die Opfer der Monster errichtet war. Ausgemergelte Marmorfiguren wanden sich dort mit schmerzverzerrten Zügen unter dem krallenbewehrten Tritt eines granitenen Unholds. Lange hatte Parmen das düstere Bauwerk kaum beachtet, so gewöhnt an dessen Anblick, dass er es schon nicht mehr bewusst wahrnahm. Aber seit sich die Berichte häuften, konnte er nicht daran vorbeigehen, ohne kurz den Kopf zu senken, wohlig schaudernd und im dankbaren Gedenken an die Helden des Kampfes gegen die Ungeheuer.
Ihm begannen Dinge aufzufallen, denen er früher keine Bedeutung beigemessen hatte: ein vorbeihuschender Schatten gerade außerhalb seines Blickfeldes, ein seltsam gebogener Fingernagel an der Hand eines fahrenden Händlers, ein wildes Funkeln in den Augen eines Nachbarn. Er lachte dann jedesmal leise und schüttelte verlegen den Kopf.
Indes wuchs seine Besorgnis mit jedem weiteren Ausruf des Gemeindeboten. Nun wurden bereits Sichtungen am hellichten Tag gemeldet. Bis zur Hauptstadt seien die Unwesen vorgedrungen. Niemand wusste, woher sie kamen. Der Ortsvorsteher wiegelte ab. Das seien nicht die gleichen Monster wie vor der großen Schlacht. Es gehe keine Gefahr von ihnen aus. Trotzdem sah sich Parmen jetzt sorgfältig um, bevor er auf die Straße trat. Und wenn er pflügte oder jätete, behielt er den Waldrand im Auge.

Eines Abends, als er mit dem Rechen über der Schulter auf dem Weg nach Hause die Dorfmitte durchschritt, bemerkte er mit Entsetzen, dass jemand das Denkmal geschändet hatte. Einer der Opferfiguren war der Kopf abgeschlagen worden, einer anderen fehlten die Arme. Die Inschrift war mit blauer Farbe beschmiert und unkenntlich gemacht. Nun stand es fest. Die Monster waren auch in sein Dorf gekommen.
In dieser Nacht schlief er schlecht. Er schreckte immer wieder auf, weil ihm war, als hätte er Gebrüll gehört. Aber wenn er dann lauschte, blieb alles still.

Die Feldarbeit ging ihm schwer von der Hand am nächsten Tag. Und als es Zeit war, sich auf den Heimweg zu machen, da mied Parmen den Weg quer durchs Dorf, so zuwider war ihm schon der Anblick des beschädigten, farbverschmierten Monuments geworden. Er schlug den Weg zum Weiler ein, von dem aus ein schmaler Pfad ihn zu seinem Hof führen würde.
Kaum aber hatte er die ersten Häuser am Rand des Dorfes erreicht, erwartete ihn ein noch schauderhafteres Schauspiel. Vor den schäbigen Hütten, die zur Erntezeit den fremden Saisonarbeitern als Unterkunft dienen sollten, stand eine Schar von – Parmen zog scharf den Atem ein – zottelhaarigen, grobschlächtigen Gestalten. Sie stierten ihn mit blutunterlaufenen Augen aus grauen, schuppenbedeckten Fratzen an, während ihre Fäuste Holzleisten schwangen, die sie wohl von der Einfriedung des Geländes gerissen hatten. Ein paar von ihnen zerrten noch schwitzend am Rest des Lattenzauns, während die anderen bereits in eine Art von Tanz verfallen waren. Auf und ab hüpfend grölten sie lauthals immer und immer wieder: „Das Dorf gehört nur uns!“
Starr stand Parmen, sah dem Treiben voller Entsetzen zu und konnte sich doch lange nicht von dem Anblick losreißen. Erst als er bemerkte, dass eines der Ungeheuer am Rande der Menge verstummt war, nicht mehr mit den anderen tobte, stattdessen ihn unverwandt betrachtete, wurde er der Gefahr gewahr, in der er sich befand. Er sah dem Monster in die Augen. Seltsam vertraut kam es ihm vor, trotz des wilden Blicks, der gewaltigen Fangzähne und des zerzausten Haarschopfs. Als habe er das Gesicht bereits einmal gesehen. Zu einer anderen Zeit, in einem anderen Leben vielleicht, dachte Parmen, wandte sich schaudernd ab und floh.

Er rannte, was seine Lungen hergaben, den schmalen Pfad entlang, stets in der Erwartung, schwere Tritte hinter sich zu hören und den heißen Atem eines Verfolgers im Nacken zu spüren. Schweratmend und schweißnass erreichte er die Tür seines Hauses, schloss sie hinter sich und begann mit bebenden Händen zu packen. Immer wieder glitt sein Blick zum Fenster, das auf die nun dämmrige Straße hinaussah. Er hatte bereits den Handkarren vollgeladen und schnürte gerade ein zusätzliches Bündel, als seine Befürchtungen sich bestätigten. Ein Monster wankte die Straße entlang, geradewegs auf seinen Hof zu. Parmen duckte sich, spähte vorsichtig über den Sims hinweg der Bedrohung entgegen. Noch im Halbdunkel erkannte er das Ungeheuer, das ihn am Dorfrand so aufmerksam gemustert hatte. Aber kurz vor der Pforte, die seinen Vorgarten von der Straße abschloss, bog es ab und steuerte auf das Nachbarhaus zu. Da wurde Parmen plötzlich klar, woher ihm das Gesicht so bekannt vorgekommen war. Es war sein Nachbar gewesen, der da mit den anderen Monstern getobt und gebrüllt hatte. Sein Nachbar Dord, mit dem er seit Jahr und Tag Haus an Haus lebte.
Noch zitternd von der Entdeckung packte Parmen den Griff des Handkarrens, schulterte sein Bündel und verließ das Haus durch die Hintertür. Er war noch nicht weit gekommen, hatte noch nicht einmal die Straße erreicht, als die Zweige der Hecke, die seinen Hof von Dords trennte, zu schwanken begannen und der Nachbar hervortrat, nicht mehr in monströser Gestalt, sondern fast schon wieder der einfache Handwerker, als den Parmen ihn kannte. Er unterdrückte den Wunsch, Reißaus zu nehmen und sah ihm mit weniger Furcht entgegen, denn war auch das Haar noch zersaust, das Gesicht ungesund blass – die Zähne waren wieder hinter den Lippen verborgen und die Hand, die sich ihm entgegenstreckte, trug keine Klauen mehr.
„Wohin des Weges um diese Stunde?“, fragte Dord.
„Fort“, antwortete Parmen knapp. „Es ist kein Bleiben mehr für mich hier.“
„Warum?“
Parmen zögerte. Zu frisch war die Erinnerung an die Fangzähne. Aber dann verdunkelte sich sein Blick und er stieß hervor: „Ich kann nicht an einem Ort leben, in dem Unholde wie du existieren.“
„Du bist hier geboren, Parmen“, sagte Dord sanft. „Du lebst hier seit Jahrzehnten. Wir waren nie fort. Du hast uns nur nie wirklich so gesehen, wie wir sind. Und –“ Nun schwang ein leichtes Grollen in seiner Stimme mit. „Du bist einer von uns.“
„Niemals.“ Parmen fasste den Griff des Handkarrens fester. Er schritt an Dord vorbei, der keine Anstalten machte, ihn aufzuhalten.

Erst am Dorfrand sah Parmen sich vorsichtig um. Niemand war ihm gefolgt. In der Nähe floss ein Bach, speiste einen kleinen Teich. Parmen trank sich satt. Hell schien der Mond, die Teichoberfläche glitzerte. Gedankenverloren betrachtete Parmen sein Spiegelbild darin, prüfte seine Züge auf Zeichen des Monströsen und fand nichts. „Du bist einer von uns“, hatte Dord gesagt. Parmen schüttelte zornig den Kopf. Er war ein Mensch und wollte es bleiben.
Doch dann dachte er an sein Feld, die frische Saat, seinen Hof, den er all die Jahre so gut instand gehalten hatte. Er sah auf die kärgliche Habe, die ihm geblieben war, und überlegte, wie lange dies ihm in der Fremde bleiben würde, sah sich schon als Knecht verdingen, ohne jede Aussicht auf ein eigenes Stück Land.
Er blickte auf das Dorf. Am anderen Ende, zum Weiler hin, erleuchtete ein Feuerschein die Nacht. Aber die anderen Häuser warteten friedlich im Mondschein auf ihn. Kein Laut war zu hören.
Da schulterte er sein Hab und Gut und machte sich auf den Weg zurück. Er betrat sein Haus, stellte den Handkarren ab, legte das Bündel beiseite, wusch sich die grauschuppige Haut, fuhr sich noch einmal mit den Klauen durch die zottelige Mähne, putzte die Fangzähne und legte sich schlafen.

 
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Liebe Ella Fitz,

du hast deine Geschichte mit dem Tag Fantasie versehen, auch mit Gesellschaft und seltsam. Dafür musst du ja wohl deine Gründe haben.

Fantasie muss nicht mit seltsam verknüpft werden, das ist sie schon per se. Gesellschaft und seltsam, da komme ich der Sache schon näher. Die Monster, geht das Gerücht, kommen näher. Nein, die Monster sind unter uns, o Gott, wir sind selbst die Monster.

Flüchten oder standhalten, das ist hier die Frage. Und jetzt habe ich ein Problem. Wenn wir alle Monster sind, genügt es dann, wenn ich mir
die grauschuppige Haut wasche, mir noch einmal mit den Klauen durch die zottelige Mähne fahre, die Fangzähne putze und mich schlafen lege?

Das Menschenbild kommt mir hier sehr düster und gruselig vor. Eine sehr dünne Schicht von Zivilisation, darunter ein Monster. Wahrscheinlich habe ich dich hier überinterpretiert. Nimm's als Provokation. Aber das macht ja eine gute Geschichte aus. Sie setzt Gefühle frei und die grauen Zellen in Bewegung. Das schaffst du bei mir immer.

Ein weiteres Kompliment. So astrein präsentierte Texte sind ein wahres Vergnügen. Ich kann alle Rotstifte in der Schublade lassen.

Herzliche Grüße und einen schönen Sonntag mit nachlassenden Temperaturen.

wieselmaus

 
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Hallo Ella Fitz,
ich interpretiere den Text ein bisschen anders als Wieselmaus, Wieselmaus sieht die Monster als etwas Negatives. Ich gar nicht, eigentlich tun sie ja auch nichts besonders Schlimmes, außer ein bisschen rumzugrölen und scheiße auszusehen. Und bekanntlich liegt die Schönheit ja im Auge des Betrachtes, also vielleicht sind die Monster ja gar nicht so übel, sondern eher Bewohner, Mitmenschen, Eigenheiten des Menschen überhaupt denen man das Etikett des Hässlichen verleiht. ich empfinde die Monster als einen Menschenkern, der eigentlich unter allem Menschlichen steckt, den man fürchtet und vertreiben will, der gar nicht so sehr echtes Monster ist, obwohl es mit Fangzähnen und Klauen bewehrt ist, sondern eher Inkarnation aller menschlichen Eigenschaften, Inkarnation der Anteile des eigenen Selbst, die man ablehnt, fürchtet, die man vertreiben und verbannen will und sogar bekämpft.
Ob ich damit richtig liege, wer weiß, so empfinde ich es jedenfalls.

Aber, dann wäre mir die Geschichte noch zu unausgearbeitet. (Wenn nicht aber auch! :D )
Wo ist denn zum Beispiel der Kampf, den Parmen mit sich selbst auszutragen hat? Da kommt ein widerliches Monster und behauptet, er sei auch eins und dann haut Parmen zwar ab, flieht also vor der Erkenntnis, aber dann kommt dieser Absatz:

Erst am Dorfrand sah Parmen sich vorsichtig um. Niemand war ihm gefolgt. In der Nähe floss ein Bach, speiste einen kleinen Teich. Parmen trank sich satt. Hell schien der Mond, die Teichoberfläche glitzerte. Gedankenverloren betrachtete Parmen sein Spiegelbild darin. Dann dachte er an sein Feld, die frische Saat, seinen Hof, den er all die Jahre so gut instand gehalten hatte. Er blickte auf das Dorf. Am anderen Ende, zum Weiler hin, erleuchtete ein Feuerschein die Nacht. Aber die anderen Häuser warteten friedlich im Mondschein auf ihn.
Da gibts kein Hadern, keinen inneren Kampf, kein Austragen eines Konfliktes, man denkt als Monsterhasser, der selbst Monster ist, Heimat und schon versöhnt man sich mit seinen unbequemen ungeliebten Anderen und kehrt zurück. Hmm.

Da schulterte er sein Hab und Gut und machte sich auf den Weg zurück. Er betrat sein Haus, stellte den Handkarren ab, legte das Bündel beiseite, wusch sich die grauschuppige Haut, fuhr sich noch einmal mit den Klauen durch die zottelige Mähne, putzte die Fangzähne und legte sich schlafen.
Das geht aber echt schnell. Zu schnell.

Das wirkt sehr abstrakt, wenig auserzählt, (wie gesagt vor allem der Punkt der Entscheidung, des Konflikts) für mich hat das eher Parabelcharakter und wirkt eher von einer Botschaft, einer Moral getragen als von einer individuellen Geschichte. Als solche könnte man/sollte man den Konflikt, den der Parmen mit sich selbst ausmachen muss, unbedingt mehr betonen, damit nicht nur die blasse abstrakte Moral bleibt.

Gegen Parabel andererseits spricht ja nichts, auch wenn ich ganz persönlich auch da nachlegen würde, aber ich war beim Lesen irritiert, da wurde so wenig "Fantasywelt" aufgebaut, ich hab mich gefragt, woher Parmen überhaupt von den M. hört und warum die Welt, in der er da lebt, so wenig gegen die Monster unternimmt, immerhin ist vorher ein Krieg gegen sie geführt worden. Woher rührt jetzt die Passivität? Das ist alles eigentümlich konfiktlos gehalten, wie unter einer Schneekugel, wo es wirbelt, aber die Figuren verlassen nie ihren Platz.
Vielleicht liegts an der Erwartungshaltung, die durch den Tag "Fantasy" erzeugt wird. Weiß nicht, kann man ja mal überlegen. Ich hab z. B. gedacht, warum gibt die Ella denn den Monster keinen Namen. Die Gurks, Neschnem, keine Ahnung, Fantasyschreiber würden das tun. Im Nachhinein wird mir das klar, warum du in der Allgemeinheit geblieben bist.

Unter dem Strich finde ich es eine schöne Idee, gut geschrieben, angenehm zu lesen, weil auch die Sprache dem zeitlosen Gefüge deiner Geschichte angepasst ist. Trotzdem empfinde ich es einfach noch nicht so richtig durchgeführt, dass mich das überzeugen würde. Weder als Parabel noch als Geschichte über die Begegnung eines Menschen mit der verhassten Seite des Menschseins. Wirkt so ein bisschen unentschieden noch.

Trotzdem: Es hat Spaß gemacht, deine Geschichte zu lesen, ich finde den Gedankengang dahinter, wenn ich ihn richtig gelesen habe, sehr sympathisch, es hat mir total viel Spaß gemacht, zu lesen, wie du die Idee umgesetzt hast, es hat Spaß gemacht, sich damit auseinanderszusetzen. Mein Gekrittel nimm als Austausch, als persönliches feedback, über das, was mir da halt noch fehlt. Ob ich damit Recht hab, das weiß eh der Kuckuck. Und der sitzt oft im falschen Nest.
Viele Grüße von Novak

 

„Wohin des Weges um diese Stunde?“, fragte Dord.
„Fort“, antwortete Parmen knapp. „Es ist kein Bleiben mehr für mich hier.“
„Warum?“
...

Feine Erzählung mit kunstgerechtem Dialog. Eine geschichte über mich und den/die andern, die so anders sind, wie nur ich mir mit meinesgleichen fremd sein kann,

liebe Ella,

selbst das winzigste Ding kann monströs aufgebauscht werden, obwohl es dem "Monstrum" i. S. des Riesigen/Unförmigen an sich wiederspräche.

Das Wort Monstrum tauchte im 16. Jh. auf - im durch scheinbar religiöse Konflikte im germanistischen Sprachraum auf als "Mahnzeichen" ungeheurer Zeitenwende und monierte wie die Fehlgeburt und Missbildung die je andere Fasson.

Noch ne winzige Trivialität: Hier mein ich, dass ein Komma zu setzen sei wegen der Abhängigkeit der Infinitivgruppe von einem Substantiv ...

Es begannen ihm Dinge aufzufallen, ...

Ein paar von ihnen zerrten noch schwitzend am Rest des Lattenzauns, während die anderen bereits in eine Art von Tanz verfallen waren. Auf und ab hüpfend gröhlten sie lauthals immer und immer wieder: „Das Dorf gehört nur uns!“
Schönes Bild zu der aufkommenden Sitte des Gutbürgers, montags kollektiv bestimmte Städte zu säubern.

Steckt ncht das Monster im Demonstranten?

Gern gelesen vom

Friedel,
der noch einen schönen Restsonntag wünscht!

 

Guten Morgen Ella Fitz,

es mag an mir liegen, dass ich hier so viele Reminiszenzen lese, unter denen es mir schwerfällt, eine eigene Geschichte zu lesen. aber ich glaube, es liegt an dem Text.
der ist gut geschrieben und deine Ideen dazu sind seit Jahrtausenden aktuell und werden es bleiben, aber dieses monströse Thema, der dünne Anstrich der Zivilisation, die reale Gefahr der Wiederkehr des allzumenschlichen Hasses - das finde ich nicht so wieder, wie ich es in Literatur erwarten würde. dieses Gleichnis ist zu sauber und rund erzählt. schwierig, bei dem Thema.

Tönnies, den die Nazis damals für ihre Blut-und-Boden-Ideologie vereinnahmten, schrieb ein Buch über Gemeinschaft und Gesellschaft. was hier als Setting beschrieben steht, ist die Gemeinschaft, ein normalerweise eng geknüpftes Netz von Nachbar- Freundchafts und vor allem Familienbeziehungen.
aus dem heraus es sich schwer entkommen lässt, sowohl physisch als auch psychisch, denke ich.

aber diese Haltekräfte des Dorflebens bilden sich nicht ab; deine Hauptfigur bleibt so sonderbar unberührt von der Veränderung seines Umfelds.

diese beiden Fragen stellen sich mir vor allem:
warum will er gehen?
warum dreht er wieder um?

das Thema gibt was her, intressiert mich sehr; auch das Setting ist gut gewählt: das Dorf in einer fantastischen, nicht näher erläuterten Welt.
aber die Umsetzung kann ich mit dem Thema nicht in Einklang bringen. sie wirkt zu sauber und das Handeln der Hauptfigur mitunter fast beliebig, ich ahne nichts von den Abgründen, die sich auftun müssten, spüre wenig von den äußeren Zieh- und Beharrungskräften, auch kaum was von inneren Motivationen.

Grüße,
Kubus

 

Hallo Ella,

müde, wie ich heute früh bin, habe ich deinen Text zuerst als reine Fantasy-Geschichte gelesen und die anderen Tags erst mal gar nicht wahrgenommen. Auf dieser Ebene fand ich es eine schön und souverän geschriebene, etwas sparsam "bebilderte" Fantasy-Story mit einem etwas abrupten Ende.

Auf seinem Weg zum Feld querte er jeden Morgen die Mitte des Dorfes, in deren Zentrum das Denkmal zur Erinnerung an die Opfer der Monster errichtet war.
Der Satz liest sich etwas schwerfällig mit nicht weniger als zehn Substantiven. Die "Erinnerung" z.B. könnte ohne weiteres raus, dann ist es einfach ein Denkmal für die Opfer der Monster.
Und wo steht das Denkmal genau? Wenn ich den Satz wörtlich lese, dann steht es im Zentrum der Mitte des Dorfes. Da ist wahlweise Zentrum oder Mitte entbehrlich.

Der Ortsvorsteher wiegelte ab. Das seien nicht die gleichen Monster wie vor der großen Schlacht. Es gehe keine Gefahr von ihnen aus.
Könnte lustig wirken, wie der Ortsvorsteher das kleinredet: "Die tun nichts, die wollen nur spielen!"

Auf und ab hüpfend gröhlten sie lauthals
grölten (ohne h)

... der Nachbar hervortrat, nicht mehr in monströser Gestalt, sondern fast schon wieder der einfache Handwerker, als den Parmen ihn kannte. So sah er ihm denn mit weniger Furcht entgegen, denn war auch das Haar noch zersaust, das Gesicht ungesund blass – die Zähne waren wieder hinter den Lippen verborgen und die Hand, die sich ihm entgegenstreckte, trug keine Klauen mehr.
Und weil der Nachbar sich so schön zurückverwandelt hat, hat Parmen plötzlich keine Angst mehr vor ihm? Das ist schwer nachvollziehbar. Ich fände es eher noch gruseliger, wenn mein Nachbar sich nicht nur einmalig in ein Monster verwandelt hätte, sonders auch noch nach Belieben hin- und herwechseln könnte. Wie viele weitere Nachbarn, Bekannte, Freunde und Verwandte sind wohl auch so?

Meiner Meinung nach sollte Parmen hier erst recht Angst bekommen.

Er betrat sein Haus, stellte den Handkarren ab, legte das Bündel beiseite, wusch sich die grauschuppige Haut, fuhr sich noch einmal mit den Klauen durch die zottelige Mähne, putzte die Fangzähne und legte sich schlafen.
Fast albern, dass er sich vor dem Schlafen sogar die Fangzähne putzt. Morgen lässt er sich die Krallen maniküren?

Bis hierhin also eine nette, aber nicht überragende Fantasy-Geschichte, die ein paar zu viele Fragen offenlässt - etwa nach der Natur der Monster, warum sie so eine Bedrohung sind, warum die Dorfbewohner sich verwandeln usw.



Und dann?

Ja, dann lese ich die ersten Kommentare, werde auf den Tag "Gesellschaft" hingewiesen - und auf einmal bekommt die Geschichte eine ganz andere Bedeutung. Ich komme ins Nachdenken, wer sind die Monster in unserer Gesellschaft? Was für Probleme beschäftigen uns zur Zeit? Die Flüchtlings"krise" fällt mir natürlich als Erstes ein.

Sind die Monster die Flüchtlinge, die auf einmal in großer Zahl vor unseren Grenzen stehen und auch immer häufiger in unserer Mitte wandeln? Will mir die Geschichte sagen, dass jeder von uns einmal ein Flüchtling werden könnte und dass die vermeintlichen Monster gar nicht so monströs sind, wie sie aussehen? Ja, sie schwingen Zaunlatten und rufen "das Dorf gehört jetzt uns", aber vielleicht manifestiert sich hier nur die unbegründete Angst der Alteingesessenen in einer Art Halluzination? Ansonsten haben die "Monster" zwar ein abschreckendes Äußeres, aber von irgendwelchen sinistren Absichten erfahren wir nichts, sie scheinen uns weder töten noch fressen zu wollen. Also ein Plädoyer dafür, das Gute im scheinbar Hässlichen zu sehen, nach Art von Die Schöne und das Untier?

Aber nein, es gibt zu viele Textstellen, die nicht zu dieser Interpretation passen wollen. Dann vielleicht die Gegenseite? Geht es um die Monster, die in jedem von uns stecken könnten und die in schwierigen Zeiten zum Vorschein kommen? Siehe da - auf einmal ergibt alles eine Menge Sinn. Beim zweiten Lesen fällt es mir wie Schuppen aus den Haaren: Ja, die Monster sind die Rechten, die wohl (hoffentlich) nicht in jedem, aber doch in erschreckend vielen von uns stecken, selbst in den Nachbarn, denen wir das früher nie zugetraut hätten.

Am Anfang sah man nur wenige und vor allem nachts, aber sie werden mehr und trauen sich zunehmend ans Tageslicht. Man glaubte sie vor Jahrzehnten besiegt zu haben, erinnert sich ihrer mit "wohligem Schauer" in der Gewissheit, dass "all das" ja heute nicht wieder passieren könne. Die Denk- und Mahnmale nimmt man kaum noch wahr, bis sie geschändet werden, und dann macht man lieber einen großen Bogen darum, um den unangenehmen Anblick nicht ertragen zu müssen. Welches dreibuchstabige Kürzel assoziiere ich da mit blauer Farbe? Auf einmal - wir können es uns nicht erklären - sind sie überall, in der Hauptstadt gleichermaßen wie im kleinsten Dorf. Sie stehen keulenschwingend vor den Unterkünften der "Saisonarbeiter" und rufen: "Wir sind das Volk!" Dabei verfallen sie fast in Trance, lassen sich von ihrer grölenden Horde mitreißen und verlieren jede Hemmung.

Das macht uns Angst, am liebsten würden wir fliehen. Aber wir haben uns doch über die Jahre so vieles aufgebaut, das wir nicht zurücklassen mögen. Und so schlimm sind sie ja dann doch nicht, da hat der Dorfvorsteher bestimmt Recht - das sind nicht dieselben wie "damals", meistens bleiben sie ja ganz friedlich, und ihr Wüten scheint auch nicht gegen uns gerichtet zu sein. Also bleiben wir, schweigend vermutlich, denn wer will sich schon mit so einem Monster anlegen?

Wie viel von diesen Monstern steckt in jedem von uns, und wann kommt es zum Vorschein? Vielleicht schon dann, wenn wir "nur" keinen Widerstand leisten?

Jetzt erscheinen auch die oben von mir monierten Stellen in einem anderen Licht: Die Abwiegelei des Stadtvorstehers? Authentisch. Der Verlust der Angst, wenn der Nachbar wieder seine bürgerliche Gestalt annimmt? Psychischer Selbstschutz. Das Putzen der Fangzähne vor dem Zubettgehen? Der brandstiftende Biedermann. Auf einmal ist nichts davon mehr lustig oder albern.

Das ist eine sorgfältig konstruierte und fein dargestellte Parabel, die mir mit jedem Durchlesen besser gefällt, die aber mit jeder Metapher, die ich entdecke, größeres Unwohlsein in mir erzeugt. So muss es wohl auch sein. Man könnte "kritisieren", dass es wohlfeil sei, die x-te Parabel auf die rechte Szene im Lande zu verfassen, aber ich stehe auf dem Standpunkt, dass wir wohl so lange nicht genug derartige Mahnungen gehört haben, wie es diese Erscheinungen noch in dieser großen Zahl gibt.

Kleine Schwächen hat der Text dennoch, und erstaunlicherweise decken sie sich in großen Teilen mit denen, die ich schon unter dem Fantasy-Blickwinkel entdeckt habe. Na ja, vielleicht doch nicht so erstaunlich, denn eine Parabel sollte meines Erachtens auch auf der parabolischen (:rolleyes:) Ebene schlüssig sein und einfach als Geschichte funktionieren; nur dann hat der Leser auch den Blick frei für die übertragenen Bedeutungen, wenn er nicht auf der Oberfläche hängenbleibt.

Dass z.B. Parmen die Angst vor seinem Nachbarn verliert, nur weil dieser ihm wieder in menschlicher Gestalt gegenübertritt, bedarf sowohl in der Fantasy-Geschichte als auch in der Parabel einer Erklärung. Ebenso die Frage, die auch Novak aufgeworfen hat, warum Parmen so vergleichsweise leichten Herzens wieder in sein Dorf zurückkehrt. Letzteres ist möglicherweise schwierig - falls du seine Rückkehr darauf zurückführen möchtest, dass er sich im Spiegel der Wasserfläche bereits selbst als Monster erblickt hat (das ist aus meiner Sicht keineswegs zwingend), dann möchtest du das vermutlich an dieser Stelle noch nicht verraten. Vielleicht könntest du eine (weitere) kleine Andeutung machen, deren Signifikanz sich dann ganz am Ende erst erschließt? Oder zum Schluss eine Erklärung nachschieben? Na ja, ich bin ja nur der Leser, ich kann dich auf mögliche Probleme hinweisen und muss sie zum Glück nicht selbst reparieren. ;)

Und die größte der kleinen Schwächen ist für mich die fehlende Beschreibung der Bedrohung, die von den Monstern ausgeht. Du beschreibst sie als häßlich, und es hat vor Jahrzehnten mal einen Krieg gegeben, aber warum man sie heute noch fürchten müsste, bleibt offen. (Das ist ja auch in der Realität die Krux, dass zu viele Menschen das nicht erkennen.) Das Zaunlattenschwingen und Grölen vor der Saisonarbeiterunterkunft ist mir da zu wenig. Denn für mein Empfinden ist die oben beschriebene Interpretation à la Beauty and the Beast - am besten in der niedlichen Disney-Version - auch auf Rechte angewendet noch zu naheliegend: pelzige, krallenbewehrte Mönsterchen, die zwar ein bisschen beängstigend aussehen, uns aber nicht wirklich etwas tun. Anders gesagt: Du sagst zwar, dass man sich vor ihnen eigentlich fürchten sollte, aber du zeigst uns nicht, dass sie wirklich gefährlich sind.

So, das war wieder mal - wie so oft bei deinen Geschichten - Gemecker auf sehr hohem Niveau. Gern gelesen? Kann ich nicht behaupten, aber das liegt am Thema. Ich schreibe ja dann meistens:

Mit Gewinn gelesen!

Grüße vom Holg ...

PS: Vielleicht nicht hundertprozentig passend, aber mir geht gerade die Kaninchenfabel von Thurber durch den Sinn ...

 
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Wie viel von diesen Monstern steckt in jedem von uns, und wann kommt es zum Vorschein? Vielleicht schon dann, wenn wir "nur" keinen Widerstand leisten?
Ich halte das für eine falsche Fragestellung. Aber das ist offtopic und geht weit über einen Text und Textarbeit hinaus.

Man könnte "kritisieren", dass es wohlfeil sei, die x-te Parabel auf die rechte Szene im Lande zu verfassen, aber ich stehe auf dem Standpunkt, dass wir wohl so lange nicht genug derartige Mahnungen gehört haben, wie es diese Erscheinungen noch in dieser großen Zahl gibt.
Wie soll etwas eine Mahnung sein, wenn zwei oder drei von vier Leuten es gar nicht als Anspielung oder Parabel auf das Zunehmen der Rechten verstehen?

Also du könntest recht haben, Holg, mit deinen Vermutungen, irgendwie werde ich mir selbst sogar immer sicherer, dass du richtig liegst, aber dann fände ich den Text inhaltlich ziemlich fragwürdig, weil verharmlosend, unzulässig verallgemeinernd etc, er würde den Schoß, aus dem das Gedankengut kriecht, nicht kritisieren, wenn ich mir die Anspielung erlauben darf. Nein, weder sitzt rechtes Gedankengut in jedem Menschen und so wirkt im Moment die Botschaft des Textes auf mich, Rechtheit quasi von Natur aus, wenn zu viele Fremde auftauchen. Nein, das ist schon eine politische Entscheidung eines enttäuschten Natioanlisten. Und mit so einer Geschichte würde man alles Inhaltliche dieses enttäuschten Nationalismus streichen. Es ist auch nicht jeder Nationalist, nur weil er in einer Nation geboren wird, aufwächst und lebt. Nein, rechts zu sein ist eine Entscheidung. Und das Zuschauen auch oder klammheimlich Zuschauen auch.
Nur bevor ich mich jetzt hier aufrege, warte ich doch lieber erst mal, was Ella dazu schreibt.
Viele Grüße an euch alle.
Novak

 
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Hej Ella Fitz,

Es ist schon ein Vergnügen, deine Geschichten zu lesen. Jede vergangene einzelne. Auch diese.
Deine Thematik ist vielfältig und doch sparsam, ruhig und bildlich. So war es für mich eine leichte Sache, mich einzulassen in 'deine' fantastische Welt, die ich fast gleich mit der im Bild von "Herr der Ringe" sehen konnte. Einfaches Leben, weite Natur. Und darin deine 'Monster'. Seltsam, dass du sie nicht anders nennst. Kreatur oder so. Ich assoziierte sofort Kinder. Dann dachte ich gleich an das Monster in uns. Anders würde ich die 'böse' Seite der Menschen nicht nennen.
Aber die schuppige Haut, die Augen, das Gegröle ... da setzte mein Hirn ein und ich überlegte während des Lesens und war zunehmend verwirrt.

Alle Monster waren in der großen Schlacht Jahrzehnte vor seiner Zeit vernichtet worden.

Das will man sich immer gerne einreden.

Bis zur Hauptstadt seien die Unwesen vorgedrungen.

Die Monster kommen von außen, denkt man.

Dann kam die Passage mit den Hütten, dem Krawall und den Saisonarbeitern und das ging dann auch in meine Hirnwindungen. Eine wunderbare Idee und fantastische Umsetzung. Das machst du so dezent und dem Umfeld angemessen, dass ich die Anspielung unter schlechten Voraussetzungen durchaus hätte übersehen können und es auch nur unter der Fantasy-Rubrik mit Vergnügen hätte beladen können.
Nicht schlecht! ;)

Du bist einer von uns.“

Der Schlüsselsatz, der wohl keine eigene Handlung zulässt. Die eigene Identität. So wählt Parmen den leichtesten Weg und findet sich ab, erkennt das Monster auch in sich.

Ich finde, das hast du clever und unaufgeregt hinbekommen. Nicht Zuviel, nicht Zuwenig. Ich benötige nichts weiter.

Die Namen finde ich gut gewählt - fremd und ungewöhnlich, aber leicht zu lesen und zu hören, vom Klang vertraut.

Und jetzt lese ich die Kommentare. :shy:

Freundlicher Gruß, Kanji

 

Hallo Ella,

ich habe die Geschichte auch relativ bald mit wieder aufkommendem Rechtsradikalismus in Verbindung gebracht. Dabei finde ich die Leichtigkeit, mit der der Protagonist die Seiten wechselt besonders gruselig. Da gibt es ganz pragmatische Gründe, das schöne Haus, der eigene Wohlstand, die Tatsache, dass einem selbst ja nichts passiert, wenn man zu den Monstern gehört. In Gefahr sind nur die Fremdarbeiter. Und das Grauen und Unbehagen verfliegt.
Gerade die Gedanken und Haltungen, die so brandgefährlich sind, schleichen sich ja so langsam in die Mitte der Gesellschaft ein. Da gibt es keine inneren Konflikte, meist nicht mal eine wirkliche Entscheidung. Das wäre auch übertragbar auf solche Sachen, wie das Billig-T-Shirt, dessen wahren Preis jemand anderes zahlt, der es weit weg herstellt, wie in deiner Geschichte, Rana Plaza. Wenn alle auf Schnäppchenjagd sind, ist es normal.

Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen. Sie ist in einem fast naiven Tonfall geschrieben und auch das Wort "Monster" klingt zunächst so schön altmodisch. Aber die Aussage lässt schaudern. Ich hab mich nach dem Lesen erst mal mit meinen Klauen nachdenklich an meiner zotteligen Mähne gekratzt. ;)

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo Ella Fitz

keine Ahnung, was die anderen da mutmaßen über eine zweite Ebene oder Nazi-Monster, das habe ich gerade mit Erstaunen gelesen, erschließt sich mir nicht. Für mich ist es die Geschichte eine Fingerübung, etwas konstruiert und mit einigen Fantasy-Klischees spielend, nette Unterhaltung ohne größere Überraschungen und weitgehend stilistisch passend geschrieben.

Paar Textstellen:

Denkmal zur Erinnerung an die Opfer der Monster errichtet war.
also wenn das an die Nazis erinnern soll, was soll das dann bedeuten? Kriegsgräber oder? zudem hätte ich es viel besser gefunden dieses Denkmal etwas genauer zu beschreiben...

Die Inschrift war mit blauer Farbe beschmiert und unkenntlich gemacht.
warum blau?

Er schlug den Weg zum Weiler ein, von dem aus ein schmaler Pfad ihn zu seinem Hof führen würde.
der Konjunktiv am Ende ist unnötig und irreführend...

Fäuste Zaunlatten schwangen, die sie wohl von der Umzäunung des Geländes gerissen hatten. Ein paar von ihnen zerrten noch schwitzend am Rest des Lattenzauns,
bisschen viel Zaun, das ist nicht elegant...

Da schulterte er sein Hab und Gut und machte sich auf den Weg zurück. Er betrat sein Haus, stellte den Handkarren ab, legte das Bündel beiseite, wusch sich die grauschuppige Haut, fuhr sich noch einmal mit den Klauen durch die zottelige Mähne, putzte die Fangzähne und legte sich schlafen.
so what? :) geht's jetzt weiter?

viele Grüße
Isegrims

 

Hallo Ella Fitz,

also ich sehe das so wie Isegrims War schon erstaunt, was hier so interpretiert wird. Da kann man jetzt eine Menge reindeuten, aber mich lädt der text nicht dazu ein.
Ich finde ihn stellenweise sogar sehr behäbig geschrieben.
Das deuteln überlass ich mal den anderen, ich zeig dir mal ein paar stellen, die ich echt unschön geschrieben fand:

Immer öfter würden sich stetig mehr von ihnen zusammenrotten.
Immer öfter find eich persönlich eine sehr schwache Konstruktion. In Verbindung mit stetig ist das ein Overkill
Aber seit sich die Berichte häuften, konnte er nicht daran vorbeigehen, ohne kurz den Kopf zu senken, wohlig schaudernd und im dankbaren Gedenken an die Helden des Kampfes gegen die Ungeheuer.
das klingt sehr gestelzt. Lies es mal laut
Es begannen ihm Dinge aufzufallen, denen er früher keine Bedeutung beigemessen hatte:
Was gewinnst du mit begannen? Das macht den Text nur träge. Ihm fielen Dinge auf, denen er ...
Das ist klar, scharf und lässt nichts vermissen, was du sagen wolltest, oder? Findet du hast in dem Text häufiger so sperrige Konstruktionen drin


Starr stand Parmen, sah dem Treiben voller Entsetzen zu und konnte sich doch lange nicht von dem Anblick losreißen. Erst als er bemerkte, dass eines der Ungeheuer am Rande der Menge verstummt war, nicht mehr mit den anderen tobte, stattdessen ihn unverwandt betrachtete, wurde er der Gefahr gewahr, in der er sich befand.
Boah! Was ist das für ein Satz? Das liest sich einfach nicht. Ein Monster von einem Satz, um mal beim Thema zu bleiben, der eingedampft gehört.

So sah er ihm denn mit weniger Furcht entgegen, denn war auch das Haar noch zersaust, das Gesicht ungesund blass – die Zähne waren wieder hinter den Lippen verborgen und die Hand, die sich ihm entgegenstreckte, trug keine Klauen mehr.
Unglücklich ausgedrückt
Die Feldarbeit ging ihm schwer von der Hand am nächsten Tag. .
Am nächsten Tag liest sich da hinten wie angeklebt. ich würd es nach vorn stellen
Und als es Zeit war, sich auf den Heimweg zu machen, da mied Parmen den Weg quer durchs Dorf, so zuwider war ihm schon der Anblick des beschädigten, farbverschmierten Monuments geworden
das ist das schräg. Aber der lange Satz insgesamt ist mir nicht glatt geschliffen

Nun ja, für mich sammelt der Text jetzt keine großen Punkte. Isegrims hat es Fingerübung genannt. Ich hab den Eindruck, der text ist noch lange nicht rund.

grüßlichst
Weltenläufer

 
Zuletzt bearbeitet:

Doch, lieber Isegrims , lieber weltenläufer , der Text bezieht sich schon sehr eindeutig auf das Eindringen rechtsradikaler Strömungen.
Ich ärgere mich mittlerweile sehr über mein ungenaues, oberflächliches Lesen. Hab mal zwei Stellen rausgesucht:

Eines Abends, als er mit dem Rechen über der Schulter auf dem Weg nach Hause die Dorfmitte durchschritt, bemerkte er mit Entsetzen, dass jemand das Denkmal geschändet hatte. Einer der Heldenfiguren war der Kopf abgeschlagen worden, einer anderen fehlten die Arme. Die Inschrift war mit blauer Farbe beschmiert und unkenntlich gemacht. Nun stand es fest. Die Monster waren auch in sein Dorf gekommen.
Weiter oben wird das Denkmal kurz definiert als Denkmal zur Ehrung der Monsteropfer. Jetzt also: Schändung eines Denkmals, das Opfer der Naziverfolgung geehrt hat. Okay, man interpretiert das vielleicht erst so auf dem Hintergrund des nächsten Absatzes, aber mit dem zusammen wirds wirklich eindeutig.

Kaum aber hatte er die ersten Häuser am Rand des Dorfes erreicht, erwartete ihn ein noch schauderhafteres Schauspiel. Vor den schäbigen Hütten, die zur Erntezeit den fremden Saisonarbeitern als Unterkunft dienen sollten, stand eine Schar von – Parmen zog scharf den Atem ein – zottelhaarigen, grobschlächtigen Gestalten. Sie stierten ihn mit blutunterlaufenen Augen aus grauen, schuppenbedeckten Fratzen an, während ihre krallenbewehrten Fäuste Zaunlatten schwangen, die sie wohl von der Umzäunung des Geländes gerissen hatten. Ein paar von ihnen zerrten noch schwitzend am Rest des Lattenzauns, während die anderen bereits in eine Art von Tanz verfallen waren. Auf und ab hüpfend gröhlten sie lauthals immer und immer wieder: „Das Dorf gehört nur uns!“
Wo sammeln sich die Monster? Vor den schäbigen Hütten der fremden Saisonarbeiter, wo die Monster darauf bestehen, dass das Dorf ihnen gehöre.

Von diesem einen Punkt abgesehen will ich euch natürlich nicht in eure Kritiken reinquatschen, und auch den Punkt bitte ich, nur als Ergänzung zu sehen. Dass ich mich überhaupt noch mal melde, liegt wohl daran, dass ich mich einfach zu sehr über mich selbst darüber ärgere, dass ich so schlecht und irgendwie völlig verquer gelesen habe.

An meinem letzten Kommentar ändert sich dadurch nichts. Ich zitiere ihn noch mal hier zur Erinnerung.

... dann fände ich den Text inhaltlich ziemlich fragwürdig, weil verharmlosend, unzulässig verallgemeinernd etc, er würde den Schoß, aus dem das Gedankengut kriecht, nicht kritisieren, wenn ich mir die Anspielung erlauben darf. Nein, weder sitzt rechtes Gedankengut in jedem Menschen und so wirkt im Moment die Botschaft des Textes auf mich, Rechtheit quasi von Natur aus, wenn zu viele Fremde auftauchen. Nein, das ist schon eine politische Entscheidung eines enttäuschten Nationalisten. Und mit so einer Geschichte würde man alles Inhaltliche dieses enttäuschten Nationalismus streichen. Es ist auch nicht jeder Nationalist, nur weil er in einer Nation geboren wird, aufwächst und lebt. Nein, rechts zu sein ist eine Entscheidung. Und das Zuschauen auch oder klammheimlich Zuschauen auch.

Ella, du wurdest bestimmt von den besten Intentionen getragen, aber mir simplifiziert der Text viel zu sehr, er legt nationalistisches, rechtsradikales und fremdenfeindliches Denken und das Aushalten oder (mehr oder weniger) klammheimliche Akzeptieren dieses Gedankengutes in das Wesen der Dorfbewohner, eigentlich ist jeder, der dort lebt, ein rechtes Monster. Tja, ich könnte es noch mehr zuspitzen: Damit wird das rechte Monster, bzw. das, was es denkt, verharmlost. Was soll denn jetzt passieren, sollen sich jetzt alle bedeutungsvoll anschauen und sagen, jaja, der Mensch ist schlecht? Das, was Rechtsradikale, ihre Mitläufer und Abnicker teilen, was weite Kreise der Politik teilt, auch unsere liebenswerte Frau Merkel mit ihrem europäischen Ordnungsanspruch, das ist Nationalismus, im Falle Rechtsradikaler enttäuschter Nationalismus. Nationalismus jedoch ist keine natürliche Eigenschaft eines Menschen, sondern etwas Hergestelltes, Erworbenes, ein bestimmtes Denken.
Vielleicht sollte man sich die Mühe machen, das Gedankengut des Monsters oder des heimlichen Mitläufers oder Kopfnickers zu benennen und zu kritisieren. In so einer Geschichte, wenn man es schon zum Thema macht, und vielleicht sogar überhaupt.

Viele Grüße
Novak

 

Liebe Novak

mag sein, dass man das so lesen kann:

Ich ärgere mich mittlerweile sehr über mein ungenaues, oberflächliches Lesen.
Wenn sich ein Text nicht erschließt. liegt das am Autor und an der Qualität des Textes selbst, der mir wenigstens eine Motivation liefern sollte, ihn zu entwirren...

Wäre es wirklich so, wie du es vermutest, blieben mehr Fragen als Antworten... und insgesamt eine seichte Oberflächlichkeit, eine Unschärfe, die dem Thema nicht angemessen wäre...

viele Grüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Ella Fitz,

um mich einer Geschichte zu nähern, mache ich mir gerne ihren Handlungsablauf klar.
Deine Geschichte beginnt:

Man habe Monster gesichtet.
aber
Alle Monster waren in der großen Schlacht Jahrzehnte vor seiner Zeit vernichtet worden.
Die Monster sind wieder da, nähern sich:
Bis zur Hauptstadt seien die Unwesen vorgedrungen. Niemand wusste, woher sie kamen.
Die Monster waren auch in sein Dorf gekommen.
Die Monster greifen die Fremden an:
Vor den schäbigen Hütten, die zur Erntezeit den fremden Saisonarbeitern als Unterkunft dienen sollten, stand eine Schar von – Parmen zog scharf den Atem ein – zottelhaarigen, grobschlächtigen Gestalten.
„Das Dorf gehört nur uns!“
Parmen begegnet einem Monster:
Er sah dem Monster in die Augen. Seltsam vertraut kam es ihm vor,
Es war sein Nachbar...
Parmen erkennt, dass die Monster die Dorfbewohner sind, sogar sein Nachbar gehört zu ihnen.
„Ich kann nicht an einem Ort leben, in dem Unholde wie du existieren.“
Die Wende: Die Monster waren gar nicht weg, sie leben in den Dorfbewohnern,
„Du bist hier geboren, Parmen“, sagte Dord sanft. „Du lebst hier seit Jahrzehnten. Wir waren nie fort. Du hast uns nur nie wirklich so gesehen, wie wir sind. Und –“ Nun schwang ein leichtes Grollen in seiner Stimme mit. „Du bist einer von uns.“
und auch Parmen ist ein Monster.
...legte das Bündel beiseite, wusch sich die grauschuppige Haut, fuhr sich noch einmal mit den Klauen Mähne, putzte die Fangzähne...

Am Anfang sieht es so aus, als bewegten sich die Monster, die man besiegt glaubte, wieder auf das Dorf zu. Doch dann stellt sich heraus, dass sie niemals weg waren, dass sie die andere, die ‚schwarze’ Seite der Dorfbewohner, sind.
Einerseits kommen die Monster ‚aus entlegenen Landesteilen’, bedrohen das Dorf von außen, andererseits suggeriert die Geschichte, dass sie immer schon (in den Dorfbewohnern) da waren; nur Parmen, der Simplicissimus, hat das nicht erkannt und weiß auch nicht, dass er selber ein Monstrum ist.

Was anfängt wie eine äußere Bedrohung, die sich immer mehr nähert, und endlich das Dorf beherrscht, verwandelt sich zum Schluss in eine Dr. Jekyll und Mr. Heyde-Geschichte.

Da fehlt mir zumindest eine Erklärung. Hier versagt für mich die Konstruktion der Geschichte. Da passt etwas nicht zusammen.

Aber das scheint auch nicht so wichtig zu sein, denn im Mittelpunkt steht die Aktion der Monstren:

Vor den schäbigen Hütten, die zur Erntezeit den fremden Saisonarbeitern als Unterkunft dienen sollten, stand eine Schar von – Parmen zog scharf den Atem ein – zottelhaarigen, grobschlächtigen Gestalten.

„Das Dorf gehört nur uns!“

Und da sind wir bei der Aussage des Textes, den du sprachlich und stilistisch einwandfrei schreibst und der mir deshalb auf den ersten Blick gut gefallen hat und dem ich zustimmen wollte. Allerdings nur im ersten Moment. Und das möchte ich erklären.

Du benutzt den Tag ‚Gesellschaft’ und ich beziehe mich jetzt vor allem auf diesen Aspekt des Textes und behandle ihn als Parabel. Was kann er mir über unsere Gesellschaft sagen, was will er mir vielleicht sagen?

Ich verkürze mal: Am Anfang sind die Monster verschwunden, besiegt, doch sie sind nicht weg: Sie stecken in den Menschen; es ist mein Nachbar, ich bin es selber.

Und was machen diese Monster? Sie bedrohen die Fremden:

Sie stierten ihn mit blutunterlaufenen Augen aus grauen, schuppenbedeckten Fratzen an, während ihre krallenbewehrten Fäuste Zaunlatten schwangen, die sie wohl von der Umzäunung des Geländes gerissen hatten. Ein paar von ihnen zerrten noch schwitzend am Rest des Lattenzauns, während die anderen bereits in eine Art von Tanz verfallen waren. Auf und ab hüpfend gröhlten sie lauthals immer und immer wieder: „Das Dorf gehört nur uns!“

Wenn also die Monstren nicht weg sind, immer schon in allen von uns stecken, dann lautet die Aussage deines Textes:
Die Fremdenfeindlichkeit steckt in jedem von uns, lässt sich nicht überwinden (Denkmal), ist immer latent in uns vorhanden. ‚Das bin sogar ich selber’, besagt, dass da etwas in mir steckt, wie etwas Angeborenes oder Triebhaftes, etwas, für das ich selber dann aber keine Verantwortung trage, das ich nicht beeinflussen kann, das einfach da ist. Und dieser Aussage kann ich mich nicht anschließen. Furcht vor den/dem Fremden ist möglicherweise eine Schutzfunktion, die die Art entwickelt hat (es gibt diese Diskussion), aber das aktive Sich-Aufführen wie Monster, verbal oder körperlich die Fremden anzugreifen, zu verdrängen, zu töten, ist ein bewusster Akt, etwas, zu dem ich Ja oder Nein sagen kann, etwas für das ich mich aus diesem Grunde auch verantworten muss.
Und deshalb, da stimme ich Novak voll zu, verharmlost dieser Text, zumindest wenn ich ihn als Parabel und nicht als einfache Fantasy-Geschichte lese. Er erklärt mir die Gesellschaft, in der ich lebe, nicht, sagt mir nicht, warum Menschen handeln, wie sie handeln, vielmehr entschuldigt seine Aussage letztendlich sogar brutales Verhalten als etwas, was in mir ist, das ich nicht verändern oder beherrschen kann.

Ich denke, Ella, dass das nicht deine Intention war, aber das bleibt bei mir nach dem Lesen deines Textes zurück. Und das kann es doch nicht sein.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hei Ella Fitz!
Dann will ich mich auch mal zu Wort melden.
Ich habe deinen Text beim ersten Lesen nur unter dem Gesichtspunkt "Fantasy" gelesen und war nicht sonderlich begeistert. Tatsächlich habe ich gedacht: Mensch Ella, da hab ich aber schon deutlich besseres von dir gelesen! So eine dünne Fantasy-Story passt gar nicht zu dir.

Tja. Und dann lese ich die ersten Kommentare, schaue nochmal nach den Tags und finde da "Gesellschaft". Okay. Also nochmal gelesen.
Und jetzt muss ich mein obiges Statement revidieren, dieser Text ist keineswegs dünn oder schwach, im Gegenteil! Der ist wirklich stark.
An deiner Stelle würde ich den Fantasy-Tag streichen. Du arbeitest ja vielmehr mit Metaphern.

Und nun zum Inhalt. Ich schließe mich da Novak an, einen Bezug zum Rechtsextremismus kann man nicht abstreiten. Selbst wenn du diese Intention gar nicht verfolgt hättest (was ich bezweifle), gäbe der Text trotzdem zweifellos eine solche Interpretation her.
Tatsächlich sehe ich aber auch genau das Problem, welches Novak schon angesprochen hat: Die Monster werden verharmlost, oder besser gesagt: zu harmlos dargestellt.
Wie der Holg schon so schön sagte:

Ansonsten haben die "Monster" zwar ein abschreckendes Äußeres, aber von irgendwelchen sinistren Absichten erfahren wir nichts, sie scheinen uns weder töten noch fressen zu wollen. Also ein Plädoyer dafür, das Gute im scheinbar Hässlichen zu sehen, nach Art von Die Schöne und das Untier?
Diese Interpretation ist leider auch zulässig, da die Monster ja wirklich nichts schlimmes machen, außer vielleicht ein bisschen Vandalismus, aber sie stellen in deiner Geschichte keine akute und offensichtliche Gefahr für die Mitmenschen dar.
Gut, da könnte man jetzt natürlich sagen, ist bei den Wutbürgern im Moment auch nicht anders, die meisten schimpfen zwar auf Facebook, werden aber zum Glück (noch) nicht handgreiflich - aber will man hinter so einer Aussage stehen?
Natürlich kann man auch auf der Ebene des Ungewissens bleiben: Die Monster/Neonazis sind potentiell gefährlich, aber wie gefährlich, das kann man im Moment gar nicht wirklich feststellen. Und man kann auch nicht abschätzen, wie gefährlich sie in Zukunft sein werden, wie sie sich entwickeln.
Also klar, irgendwo kann man immer eine Begründung finden, aber mir will das alles noch nicht so recht zusagen.

Und nun zum Schluss.
Chutney sagte:

Dabei finde ich die Leichtigkeit, mit der der Protagonist die Seiten wechselt besonders gruselig. Da gibt es ganz pragmatische Gründe, das schöne Haus, der eigene Wohlstand, die Tatsache, dass einem selbst ja nichts passiert, wenn man zu den Monstern gehört. In Gefahr sind nur die Fremdarbeiter. Und das Grauen und Unbehagen verfliegt.
und damit hat sie nicht unrecht.
Ich stehe dem Ende gespalten gegenüber, denn zum einen kann ich Novaks Haltung vollkommen nachvollziehen, dass der Wechsel viel zu konfliktlos von statten geht. Und ich sehe das auch nicht unkritisch. Das liegt vermutlich daran, dass deine Geschichte durchaus als Parabel durchgehen könnte, und da bin ich es gewohnt, dass der Held immer gut ist und schließlich die richtige Entscheidung trifft. Man denkt also im ersten Moment, dass die Entscheidung, das Monster in sich einfach zu akzeptieren, die richtige Entscheidung war.
Erst, wenn man Parmen als den "Anti-Helden" erkennt, nicht als das Idol, sondern als das schlechte Vorbild, von dessen Fehler man lernen soll, macht das Ende mehr Sinn.
Und eigentlich ist die Aussage, dass ein solches Monster in jedem von uns steckt, auch gar nicht falsch.
Nationalismus jedoch ist keine natürliche Eigenschaft eines Menschen, sondern etwas Hergestelltes, Erworbenes, ein bestimmtes Denken.
Das ist bezogen auf den Nationalismus natürlich richtig, wenn man den Gedanken aber weiterspinnt, dann ist die Grundintention schon etwas sehr 'instinktives'. Denn letztlich ist es Egoismus, Neid und Missgunst, die dazu führen, dass wir andere Menschen ablehnen, nicht mit ihnen teilen wollen, sie als Konkurrenten um wichtige Ressourcen betrachten. Und das ist so gesehen etwas sehr Natürliches, was uns früher das Überleben gesichert hat. Und diese Selbstsucht steckt in jedem von uns, es liegt an uns, sie zu bekämpfen und uns ihr nicht hinzugeben.

Vielleicht ist das Ende also auch gar nicht so schlecht. Denn es wirft die Diskussion auf, ob man es wirklich akzeptieren muss, dass so ein Monster in einem steckt, oder ob man es nicht trotzdem bekämpfen könnte. Dann passt es aber nicht, dass Parmen vorher so heldenhaft dargestellt wird, das man davon ausgeht, seine Entscheidungen sollen dem Leser eine (positive) Lehre sein.
Aber wie ich schon sagte, ich bin da unentschlossen. Und habe leider auch keinen Vorschlag, wie das Ende wirklich perfekt passen könnte.

Dennoch fand ich deine Geschichte grundsätzlich sehr gut, der Vergleich zwischen Monstern und Nazis ist dir wirklich gelungen. Die hat wirklich großes Potential, und wie du hier an den Kommentaren schon erkennen kannst, regt sie zweifellos zum Nachdenken an.

Viele Grüße,
Sommerdieb

 

Hej, weil ich den Text als gesellschaftlichen Bezug zur Fremdenfeindlichkeit definiert habe und die Diskussion verfolge, Klinke ich mich auch noch einmal ein (wie man sieht:shy:).

Denn ich habe spontan beim Beenden des Lesens nicht an Nazis, noch nicht einmal an Feindlichkeit im wörtlichen Sinne gedacht. Jedenfalls nicht bei Dord und Parmen. Vielmehr sah ich sie als ängstliche Menschen, die, wie die meisten Menschen dieser Dorfgemeinschaft, wenn doch nicht feindlich gesonnen, doch aber schon unsicher sind, welchen Einfluss die Saisonarbeiter auf das Dorf haben könnten, was sich dann für jeden ändern könnte - unsichere Menschen haben Veränderungen ja nicht so gerne.
Und diese Nuance hat Parmen auch an sich selbst erkannt.

Und dann musste ich an einen linksliberalen Künstler im Nachbarort denken, der zugab, wie er sich schämte als er feststellte, dass seine stets gelebte multikulturelle Offenheit in Unsicherheit umschlug, als vor seinem Garten ein Containerdorf für Syrer und andere Verfolgte aufgebaut werden sollte.
Aufnehmen ja, aber bitte weiter weg von ihm, wo er entscheiden kann, wieviel er sehen und mitbekommen möchte.
Vielleicht hätte Ella dieses Latente im Kopf.

Freundlicher Gruß, Kanji

 

also ehrlich: das, was barnhelm folgendermaßen beschreibt:

Die Fremdenfeindlichkeit steckt in jedem von uns, lässt sich nicht überwinden (Denkmal), ist immer latent in uns vorhanden. ‚Das bin sogar ich selber’, besagt, dass da etwas in mir steckt, wie etwas Angeborenes oder Triebhaftes, etwas, für das ich selber dann aber keine Verantwortung trage, das ich nicht beeinflussen kann, das einfach da ist.
nennt man bei Kindern "fremdeln", wandelt sich, wenn ein Kind älter wird und ist eine Art Abwehrreaktion gegen alles, was uns nicht vertraut ist... kein Trieb, eine Schutzfunktion... ich kann das wirklich nicht mit dem hier vermuteten, zu intendierenden verknüpfen...

montägliche Grüße
Isegrims

 
Zuletzt bearbeitet:

Wie Mutter Fitz jetzt gesagt hätte: "Suup di satt un frett di dick un holle Schnuut von Politick". Und diese Weisheit hatte sie von ihren Eltern und aus der Zeit mitgebracht, in der die Monster zum ersten Mal das Land verheerten.

Tja, meine lieben Kommentatoren, Ratlosigkeit gemischt mit Entsetzen ist wohl kein gutes Motiv, eine Geschichte zu schreiben, und wer schon unschlüssig darüber ist, was er von den Zuständen halten soll, wird sie nicht unmissverständlich und zufriedenstellend für den Leser darlegen können. Das ist dann doch wohl etwas oder einiges gründlich danebengegangen und den Unmut darüber kann ich nachvollziehen. (Hätte ich mal auf meine Mutter gehört.)

Lehrreich ist es allemal, vielleicht sogar nicht nur für mich, und eine Geschichte, von der ich selbst 100% überzeugt wäre, würde ich gar nicht einstellen. Denn, so wie in meinem Profil angedroht, sind dies hier Probeläufe, ich will wissen, wie weit ich gehen kann, und es ist schön zu wissen, dass ihr hier mir meine Grenzen so ausführlich und eindringlich aufzeigt.


Also denn zu euren Anmerkungen im einzelnen, das habt ihr euch verdient (dass das so spät kommt, aber auch, weil ihr ja nicht aufhören wolltet, ständig neue Beiträge zu schreiben):

Liebe wieselmaus,
du wirfst gleich am Anfang die Frage nach den Tags auf und stimmt: das Fantasy-Tag war pure Feigheit. Da hatte ich Angst vor dem eigenen Schneid und wollte mir das "Ist doch bloß Fantasy"-Hintertürchen offenhalten. Du hast mich ertappt und auch gleich durchschaut, das Monströse unter der dünnen Zivilisationsschicht ist eine legitime Interpretation, den politischen Bezug habe ich mit dem Fantasy-Tag selbst verkleistert und das Ende genügt nicht, in welcher Lesart auch immer. Da muss ich nochmal ran.
Vielen Dank fürs Lesen


Hallo Novak,
auch bei dir und bei dir besonders muss ich mich für die Irreführung mit dem Fantasy-Tag entschuldigen. Wobei du das Parabelhafte ja auch gleich erkannt hast. Wenn auch mit etwas anderer Lehre als beabsichtigt.
Den Vorwurf der Verharmlosung muss ich akzeptieren, aber es ging mir nicht wirklich um die Analyse des "Schoßes", es ist mir egal, warum einer ein Monster wird, es ging mehr um Frage, wie geht einer damit um, der merkt, dass "sie wieder da sind". Es ist auch nicht das "rechte Gedankengut", das in jedem von uns steckt, sondern die Fähigkeit zum Hass, zur Ausgrenzung. Es standen schon Monster in vor-nationaler Zeit an den Straßen von Paris und johlten, als die Karren zum Place de la Concorde fuhren, und die Monster, die in Kambodscha wüteten, nannten sich Rote Khmer. Ich habe mir die Monster ausgesucht, die mir am nächsten stehen, deren Enkelin ich bin. Und ja, es ist die freie Entscheidung, zum Monster zu werden, es ist auch Parmens freie Entscheidung. Das kommt bei dem neuen Ende jetzt hoffentlich besser durch.
Die Vereinnahmung durch den Nachbarn soll eine soziale, nicht eine genetische sein, aber da steht mir, sehe ich ein, das gewählte Bild vom Zottelmonster im Weg. Insgesamt betrachte ich, genau deiner ausführlichen Anmerkungen wegen, meinen Probelauf mit dieser Geschichte als gescheitert. Aber ist doch besser, sie steht hier, mit allen kritischen Anmerkungen, als irgendwo unkommentiert, oder?
Herzliche Grüße


Lieber Friedrichard,
ich fühle mich verstanden und doch belehrt. Und ja, die (höllischen) Monster sind immer die anderen und, wie groß sie uns erscheinen, ist subjektiv. Nur das "de-" in demonstrieren sehe ich dann doch als Verneinung ;)


Hallo Kubus,
"zu sauber und zu rund", nun, das ist mal ein Vorwurf, mit dem ich leben kann. :D
Aber im Ernst: es stimmt, Parmen wirkt wie ein Außenseiter, der nichts mitbekommt, hier hinkt die Allegorie gewaltig, bzw. stößt an die Grenzen, die mein Vorsatz, auf aktuelle Verhältnisse anzuspielen, ihr setzt. Und das Ende ist schwach, auch nach meiner Ergänzung wohl noch zu schwach, um die Sogwirkung, die die Dorfgemeinschaft dann doch auf diesen Außenseiter haben soll, plausibel zu begründen.
Danke für die tiefsinnige Analyse


Hej, The Incredible Holg,
wie schön und ausführlich du die Schichten der Geschichte herausgearbeitet hast, das hat mich riesig gefreut. Und fast alles erkannt, und das, was du nicht erkannt hast, versuche ich deutlicher zu machen, denn das lag dann nicht an dir, sondern an meiner Wortkargheit. So habe ich das Denkmal zur Erinnerung an die Opfer etwas sichtbarer macht, was eigentlich schon vorher deutlich machen sollte, dass es eben nicht um "disneyhafte Mönsterchen" ging. Wobei die Frage, ob die Monster der Gegenwart nun mit den schrecklichen der Vergangenheit deckungsgleich sind, gerade eine der offenen Fragen ist, die mich um- und zum Schreiben getrieben hat. Wenn sich die Gefährlichkeit erst einmal zeigt, dann ist es zu spät. Die Vergangenheit sollte uns Warnung genug sein, dafür steht das am Ende geschändete Denkmal.
Auch das Ende habe ich erweitert, ob die rein ökonomischen Gründe jetzt das Fantasy-Herz befriedigen werden, ist fraglich, aber für das Gleichnis muss es reichen.
Also herzlichen Dank für die Anregungen, dein Kommentar war erfreulich und nützlich zugleich.


Liebe Kanji,
du assoziierst mit Monster erst mal Kinder? Wahrscheinlich ist die Sesamstraße schuld. Das Monster oder Monstrum, lateinisch für Mahnzeichen, ist in meinem Sprachgebrauch das Schreckgespenst, das zur Warnung dient und vor dem man sich fürchten muss (s.a. Friedels Kommentar).
Aber wie schön und treffend du den Weg durch die Geschichte beschreibst! Freut mich, dass es dir gefallen hat.


Danke, danke, Chutney,
deine Analyse trifft es noch am besten, was ich sagen wollte. Dass der Protagonist so widerstandslos sich mit den Unholden gemein macht und damit erst selbst dazu wird, das ist das eigentlich Gruselige und Beunruhigende an der Geschichte.
Und da ist vielleicht auch das Problem: die meisten Leser denken, was der Protagonist tut, wird vom Autor als moralisch korrekt empfunden und soll als Exempel für alle dienen. Aber nein, was ein Protagonist tut oder lässt, kann auch falsch sein und darauf abzielen, den Widerspruch des Lesers (oder eben den Grusel) hervorzurufen.


Hallo Isegrims,
eine Geschichte ist immer das, was der Leser daraus macht. Damit muss der Autor zurechtkommen oder er muss deutlicher schreiben. Und eine Fingerübung ist es allemal, wenn sie dann auch noch nett unterhält, um so besser.
Was mich aber dann doch etwas schockiert hat:

Isegrims schrieb:
also wenn das an die Nazis erinnern soll, was soll das dann bedeuten? Kriegsgräber oder?
Für dich beschränken sich die Opfer der Nazis also auf die im Krieg Gefallenen? Das gibt meiner Geschichte eine ganz neue Dimension. Deinem Wunsch, das Denkmal näher zu beschreiben, bin ich hastig nachgekommen.
Isegrims schrieb:
warum blau?
och, Isegrims.
der Konjunktiv am Ende ist unnötig und irreführend...
Verwendete ich den Indikativ, wäre er am Ende des Satzes bereits zu Hause. So ist es mehr eine Absichtserklärung: er geht da lang, weil ihn der Weg später nach Hause führen wird, was er aber zum Zeitpunkt des Satzes noch nicht hat.
bisschen viel Zaun, das ist nicht elegant...
Recht haste. Wurde geändert.

Danke für die Textarbeit, die wahrscheinlich tatsächlich besser funktioniert, wenn man sich nicht von (Über-)-Interpretationen ablenken lässt.


Hallo weltenläufer,
danke fürs Feedback. Wie immer bei Anmerkungen zu stilistischen Fragen, die den Text in Gänze betreffen, warte ich mal auf weitere Rückmeldungen, bevor ich mich an tiefergehende Umformulierungen mache. Denn im Großen und Ganzen habe ich geschliffen, wo ich schleifen wollte, glatt und gefällig sollte es von Anfang an nicht klingen.


Hallo barnhelm,
am Anfang, da war alles im Osten, irgendwo weit weg, Tal der Ahnungslosen und so, und dann, dann häuften sich die Demos, und es fiel im Kollegenkreis die eine und andere Bemerkung, harmlos noch, dann fingen Politiker auf die Stimmung zu reagieren, die Stimmung wirkte sich auf die Zusammensetzung von Landtagen aus, und die Bemerkungen der Kollegen wurden offener, und die Autorin setzte sich hin und schrieb sich das Unbehagen, die Ängste von der Seele. Da war dann stellvertretend dieser Parmen, der das alles mitbekam oder aber auch nicht, und dessen Entsetzen und Ratlosigkeit die Autorin auf die Spitze trieb, nicht, weil sie sich in seiner Situation auch fürs Bleiben und Mitlaufen entscheiden wollte, sondern gerade weil sie davor warnen wollte: wer so vorgeht, wird selbst zum Monster.
Und es ist nicht das rechte Gedankengut, das uns zum Monster macht, das sage ich mal bewusst provokativ: die Rechten nutzen die Monströsität in uns nur aus, sie wecken sie und lenken sie in ihre Bahnen. Es reicht das Gefühl, gescheitert zu sein, oder auch nur die Angst davor zu scheitern, und es kommt der passende Sündenbock und bam. Aber weil ich meine Meinung zum bösen Potential in jedem von uns mit dem Verhalten Rechtsextremer paare, kreuzen sich die Drähte in meiner Geschichte und es kommt zum Kurzschluss und wird furchtbar missverständlich und verharmlosend, oder seicht, wie Isegrims zu Recht bemerkt. Vielleicht ist auch meine Abneigung für Happy Endings schuld, vielleicht hätte ich Parmen wirklich ziehen lassen sollen, aber dann hätte es wahrscheinlich "iih, wie moralisierend ist das denn?" geheißen.

Hei Sommerdieb,
ja, das Fantasy-Tag kommt weg. Schwerer Fehler. Wobei mein Impuls, mich dahinter zu verstecken, im Nachhinein, so wie die Diskussion läuft, ja fast nachzuvollziehen ist.

Sommerdieb schrieb:
Die Monster werden verharmlost, oder besser gesagt: zu harmlos dargestellt.
Das ist ja gerade das Schlimme! Dass sie so harmlos rüberkommen. Da hilft, wie ich weiter oben schrieb, nur die Erinnerung daran, wozu so etwas führen kann. Und dass das Unbehagen auslöst, ist fast schon Absicht.
Sommerdieb schrieb:
Das liegt vermutlich daran, dass deine Geschichte durchaus als Parabel durchgehen könnte, und da bin ich es gewohnt, dass der Held immer gut ist und schließlich die richtige Entscheidung trifft.
Tja, das war mein zweiter schwerer Fehler: etwas zu schreiben, was wie eine Parabel aussieht, aber tatsächlich eine Warnung ist.
Sommerdieb schrieb:
Vielleicht ist das Ende also auch gar nicht so schlecht.
Danke. Danke. Danke.


Ich bedanke mich für die Super-Diskussion. Das war so lebhaft und tiefschürfend, dass ihr mir hoffentlich verzeiht, nicht früher eingegriffen und auch nicht annähernd ausführlich genug geantwortet zu haben.

Ich bin jetzt ab heute Abend für ein paar Tage verreist, was niemanden davon abhalten soll, sich zu äußern, aber vor Freitag gibt es wohl keinen Mucks mehr von mir.

Allen Kommentatoren nochmals meinen herzlichsten Dank und die besten Grüße

Ella Fitz

 

Hei Ella, ich nochmal ;)

nicht, weil sie sich in seiner Situation auch fürs Bleiben und Mitlaufen entscheiden wollte, sondern gerade weil sie davor warnen wollte: wer so vorgeht, wird selbst zum Monster.

Vielleicht ist das der Knackpunkt. Denn es ist ein Unterschied, ob er anerkennt, dass auch er ein Monster ist, und deshalb zurückgeht, oder ob er um seiner Selbstsucht willen zurückgeht, und dadurch zum Monster wird. Ich glaube, du meintest letzteres, beim Lesen habe ich aber ersteres verstanden.
Wenn du das noch genauer herausarbeitest, was genau ihn jetzt dazu antreibt, zurück zu kehren, dann könnte das dem Verständnis auf jeden Fall zuträglich sein.

Liebe Grüße vom Sommerdieb

 

Aber ist doch besser, sie steht hier, mit allen kritischen Anmerkungen, als irgendwo unkommentiert, oder?
Liebe Ella, so ist es. Probieren geht und soll immer. :D
Außerdem besser ein Text zu einem politischen Thema, den manche Leute für nicht so geglückt halten, als gar kein Text darüber oder gar der (ich bin mal frevlerisch) zillionste Liebeshoffnungshersschmerzschmarren. Und eine Diskussion darüber ist doch auch nicht verkehrt.
Die hier war wirklich so, wie du es sagst, Ella, lebhaft und tiefschürfend.
Und das ist eine Menge wert.
Das wollte ich jetzt auch noch mal loswerden.
Viel Spaß bei deiner Reise

 

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