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schwarz-rot-gold / schwarz-weiß-rot
Er lebte in einem halb verwildertem Garten etwas außerhalb der Stadt. Alle Versuche des Behördenapparates dem Wuchern und Wachsen Einhalt zu gebieten waren gescheitert und wahrscheinlich war man schon zufrieden damit gewesen, dass ihn der Bau der Autobahn aus seinem Anwesen vertrieben hatte. Und so war es gekommen, dass er sich im Häuschen im Herzen des Schrebergartens eingerichtet hatte. Dabei besaß er Geld, keine Frage. Aber anstatt sich ein anderes Haus zu suchen und sich dem veränderten Gang der Dinge anzupassen schien er sich in der Rolle als vergrämter alter Mann zu gefallen.
Ich besuchte ihn an einem Tag im Sommer. Alte Frauen grüßten mich über Zäune und Hecken hinweg, Hummeln schwirrten herum und ich fühlte mich bis in mein Innerstes bloßgestellt. Die Parzelle mit der Nummer 18 war schnell gefunden, obwohl das Blechschild schon lange nicht mehr an der Gartentür hing. Aber die Deutschlandfahne war nicht zu übersehen. Groß und verblichen hing sie geduldet vom First des Daches. Die falschen Goldfäden waren zu schmutzigem rostrot oxydiert, während das rot ganz verschwunden war. Nur schwarz schien noch ganz so farblos wie am ersten Tag.
Ich starrte eine Weile auf diese Fahne, die - ich konnte es nicht genau erklären - zwei Fahnen in sich vereinte. Und irgend etwas an diesem Anblick von schwarz-rot-gold/schwarz-weiß-rotwar falsch und ich konnte nicht sagen warum.