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Schultz & Sülze

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16.03.2015
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Schultz & Sülze

Gerade als Hans in seine Schweinskopfsülze biss, brachte das Radio die Eilmeldung:
„… wurde die dreißigjährige Verjährungsfrist für Mord und Völkermord nicht aufgehoben. Das bedeutet, ungesühnte Morde nationalistischer Täter verjähren in zwei Monaten. Wir schalten nun zu unserem Hauptstadtstudio nach Bonn.“
Hans wischte sich die Hände am Hemd ab und schaltete das Radio aus. Aus dem Hof drang das Kreischen der Kinder nach oben. „Ist gut, Libsche. Brauchst keine Angst zu haben.“
Er nahm den Gehstock und quälte sich vom Polster hoch. Alte Kriegsverletzung; eine Granate, die sein Bein zerfetzt und Spuren im Gesicht hinterlassen hatte. Seufzend öffnete er das Fenster zum Innenhof, und hätte am liebsten gebrüllt: Scheiß Kanaken! Könnt ihr kein Deutsch? Fußballspielen im Hof verboten!

Seit die alten Nachbarn nach und nach in Holzkisten hinausgetragen worden waren, hatte sich vieles im Haus verändert. Im Flur stank es nach eigenartigen Gewürzen, Kinder lärmten in fremden Sprachen. Kürzlich waren sogar Schwatte eingezogen, deren Kinderwagen den Weg im Flur versperrte.
Er hätte sich den Hausmeister vorknöpfen sollen. Aber was konnte er von dem erwarten? Der war ja selber Ausländer. Früher hätte es so etwas nicht gegeben.
Rasch schloss er das Fenster; Libsche vertrug keine Zugluft. Außerdem würde der kleine Piepmatz früher oder später aus dem Fenster verschwinden, wenn Hans für einen Augenblick unachtsam war.
„Hast du das im Radio gehört, Libsche? Bald hört das Versteckspiel auf!“
Hans starrte den Wellensittich an. Unbeirrt putzte Libsche ihr Gefieder, während Hans die Bodenlade herauszog und den dreckigen Sand in einen Pizzakarton kippte, in dem sich bereits eine bröckelige Masse aus Pizzaresten, Vogelkot und Sand angesammelt hatte.
Als er die Käfigtür mit seinen fleischigen Fingern aufbekam, flatterte der Vogel durch das Zimmer und landete auf dem Regal. Das Tier bewegte den Kopf auf und nieder und begann, die Schnabelhälften gegeneinander zu wetzen.
Hans grinste. Er hinkte näher heran und ahmte mit den Fingernägeln das Knirschgeräusch nach. Knick, knack. Knick, knack. Hans genoss es, wie sich Libsche vorbeugte, die Augen wie in Trance schloss und den Schnabel rhythmisch an seinen Nägeln rieb.

Im Zooladen hatte ihm das Jungtier seinerzeit so gut gefallen, dass er es zurückhalten ließ, bis das Geschlecht eindeutig zu bestimmen war. Als sich das Braun an der Wachshaut des Schnabels durchsetzte, nahm Hans das Weibchen endlich mit nach Hause.
Klein, lieblich, süß. Der Name stand auch schon fest. Der Name seiner großen Liebe aus der Kriegszeit.

Hans öffnete seine Zigarrenkiste und versank in sehnsüchtige Erinnerungen an die gute alte Zeit, an die schönen Stunden mit der hübschen, jungen Libsche. Es war Liebe auf den ersten Blick, als die schüchterne Brünette, die wie die anderen kein Gepäck mit sich führte, an der Endstation aus dem Zug stieg. In ihrer einfachen Kleidung fiel sie nicht weiter auf, doch sie besaß diesen besonderen unschuldigen Blick und war blutjung, unberührt.
Unter anderen Umständen hätte er sie vielleicht geheiratet. Bedauerlicherweise musste sie viel zu früh von ihm gehen, bereits im zweiten Winter. Er besaß noch nicht mal ein Foto von ihr. Nur eine kleine Locke, die er noch heute in der Zigarrenkiste zusammen mit anderen Andenken aufbewahrte.
„Komm, Libsche. Komm, meine Liebste“, hatte Hans ihr damals zugeflüstert und sie an die Hand genommen. Das Pistolenhalfter gab er immer dem jungen Sturmmann, damit sich die Kleine nicht daran verletzen konnte.
Der treue Sturmmann passte vor der Baracke auf, dass keiner an den dünnen Wänden lauschte. Ab und an gab Hans dem Sturmmann eine kleine Belohnung fürs Aufpassen. Einmal durfte der junge Freund sogar selbst ran. Du kannst Libsche haben, hatte Hans großzügig erlaubt. Erst die geladene Knarre vor seinem Schädel verlieh dem Sturmmann Manneskraft. Kranker Typ. Sensibelchen.
Die kleine Libsche war genauso aufgeregt wie Hans, wenn er sie in die Baracke begleitete, in der frische Bettwäsche, Schweinesülze und französischer Rotwein für die Offiziere lagerten. Zunächst war Libsche nicht bereit, sodass Hans nachhelfen musste. Die blauen Flecken an Schultern und Armen sowie die Striemen im Gesicht fielen nicht weiter auf.
Die anderen hatten keinen gutmütigen Fürsprecher wie ihn und besaßen keine Freiheiten wie Libsche. Die anderen wurden, wenn er Lust danach verspürte, auch schon mal totgeprügelt. Oder der Einfachheit halber erschossen, wenn sein Bein schmerzte und er nicht lange genug stehen konnte. Libsche war privilegiert; sie durfte sich vergnügen!
Hans hatte sie oft nach ihrem Namen gefragt. Keinen Ton brachte sie heraus. Bis er zwischen den anderen diesen hübschen Namen Libsche aufschnappte und die Wortkarge fortan so nannte.

oOo​

Wilhelm fielen Messer und Gabel auf den Teller. Verdammt!, dachte er.
Jupp, der Wirt, blickte auf. „Schmeckt’s dir nicht?“
„Verjährung? Mach mal das Radio lauter.“
Als die Nachrichten zu Ende waren, kippte der Wirt zwei Selbstgebrannte ein. „Was regst du dich so auf? Hier, nimm mal 'n Feierabendtröpfchen.“
Wilhelm winkte ab. „Nee, danke. Nehme seit Tagen Tabletten.“
Jupp trank beide Schnäpse aus. „Kennst du etwa so einen Nazi?“
„Nein“, murmelte Wilhelm.
Der Wirt stützte die Hände auf die Hüfte. „Du kennst mich seit Jahren, Wilhelm, und du kennst meine Meinung: Diesen ganzen Holocaust … den gab es nicht. Nichts als Lügen!“ Er verharrte noch einen Augenblick in der Stellung, bevor er weiter ein Glas polierte.
Wilhelm unterdrückte ein Seufzen. „Ich möchte zahlen.“ Er deutete auf den Glasschrank, in dem kleine Snacks ausgelegt waren. „Hast du auch Schweinesülze? Ich meine, welche im Glas.“

Nassgeschwitzt wachte Wilhelm am nächsten Morgen auf. Die Schlaftabletten hatten nicht gewirkt, böse Erinnerungen geisterten durch seinen Kopf. Er zog den Morgenmantel über, würgte ein Aspirin mit einem Schluck Wasser runter und griff zum Hörer.
„Süssmann.“
„Guten Morgen, Jonathan. Ich bin’s, Wilhelm. Tut mir leid. Ich … muss was Falsches gegessen haben. Mir geht’s nicht gut.“
„Du Armer. Ruh dich aus und werde erst mal gesund. Soll ich meine Frau vorbeischicken? Sie macht die beste Hühnersuppe westlich des Jordans.“
„Nein, danke. Morgen komme ich wieder.“
Der Kaffee war längst kalt, als er die Zeitung wieder zuschlug. Zwanzig Nazigrößen waren darin abgebildet, die sich alle abgesetzt hatten, irgendwo völlig unbekümmert lebten und bald keine Angst mehr zu haben brauchten. Daneben die Anzahl der Menschenleben, die sie, soweit bekannt, auf dem Gewissen hatten. Nüchterne Fakten.
In ein paar Wochen war es vorbei. Sie arbeiten unbehelligt in der Backstube, beim Frisör, im Supermarkt; schlendern ihm auf dem Marktplatz entgegen oder fahren einen Schulbus.
Mit Tränen in den Augen nahm Wilhelm den schweren Stoffbeutel aus dem Vorratsschrank, den er vor langer Zeit dort gelagert hatte und der noch immer nach feuchter Erde roch.

Ein paar Minuten später parkte Wilhelm seinen Wagen am Seitenstreifen einer ruhigen Geschäftsstraße und zog die Baseballkappe bis zum Rand der Sonnenbrille herunter.
Wilhelm sah sich um. Da lag sie: die Apotheke, die er vor ein paar Tagen aufgesucht hatte, um neue Schlaftabletten zu besorgen.
Hier hatte er an der Kasse gestanden. Direkt vor ihm. Sein Haar war weißer geworden, zu den Narben im Gesicht hatten sich tiefe Falten gesellt. Die Uniform mit den stolzen Schulterstücken hatte er gegen Stoffhosen mit bunten Hosenträgern getauscht, die schweren Stiefel gegen löchrige Schlappen. In der Hand hielt er nicht die Pistole, sondern balancierte einen Gehstock.
Ein alter, gebrechlicher Mann, der ein Bein nachzog.
Draußen hatte Wilhelm noch einen Moment auf den Alten gewartet und vorgegeben, den Busfahrplan zu studieren. In seinen Augen hielt der Alte nicht die Packung Schmerztabletten in der Hand, sondern die kleine Belohnung für den jungen Sturmmann.

Wilhelm sah dem Alten noch hinterher, bis er in einer Toreinfahrt verschwand. Er hatte einem kranken Alten mit Krückstock nachspioniert, der in einer Altbauwohnung hauste, abends Kreuzworträtsel löste, sonntags Tatort schaute – wie viele andere auch. So normal.

oOo​

Als Hans die Haustür von innen öffnete, kam ein Junge mit einem Fußball auf den Eingang zu. Am Krückstock gestützt legte Hans seine Mülltüte auf den Boden und hielt die Tür offen.
„Guten Tag, Herr Schultz.“
„Hallo, mein Kleiner.“ Hans streichelte dem Jungen über das pechschwarze Haar. „Ahmed, richtig? Oder Mohammed? Ich verwechsle euch beide Racker immer.“
Ein Mann mit Kappe und Sonnenbrille drängelte sich an den beiden vorbei und eilte die Treppe hoch.
„Können Sie nicht aufpassen?“, rief Ahmed dem Mann hinterher.
„Ist gut, mein Junge“, sagte Hans. „Nicht jeder ist rücksichtsvoll. Aufmerksamkeit ist eine Tugend. Genauso wie Fleiß und Arbeitsfreude.“ Schmerzverzerrt hob er die Mülltüte auf, nachdem er sich noch unbemerkt die Hand an der Hose abgewischt hatte.
„Lassen Sie, Herr Schultz. Ich bringe Ihnen den Müll raus.“

Wilhelm, der bückend hinter einem Kinderwagen auf dem ersten Treppenabsatz verharrt hatte, hörte die Haustür ins Schloss fallen. Der Junge war längst in der Erdgeschosswohnung verschwunden. Aus der Ferne war das leise Rauschen eines vorbeifahrenden Zuges zu hören, im Flur unten das Stöhnen des Alten, der sich am Geländer entlang hinaufquälte.
Endlich erklomm der Alte den Treppenabsatz.
Wilhelm trat hinter dem Kinderwagen hervor.
„Lassen Sie mich bitte durch, junger Mann.“
„Kennen Sie mich nicht mehr?“ Wilhelm nahm Kappe und Sonnenbrille ab.
Schultz fummelte mit dem Stock herum. „Lassen Sie mich durch!“
„Ich … ich hätte eine Familie haben können. Eine hübsche Ehefrau. Liebe Kinder. Süße Enkel …“ Seine Stimme zitterte. „Ich habe nie mehr eine Frau berühren können!“
Schultz blinzelte ihn an. „Was geht mich das an! Los, verpiss dich und lass einen alten, kranken Mann in Ruhe!“ Die Stimme des ehemaligen KZ-Leiters hatte nichts an Schärfe verloren.
„Vielleicht hilft Ihnen das hier weiter, Lagerkommandant Hans Schultz!“ Wilhelm hob mit beiden Händen den schweren Stoffbeutel auf und drückte ihn dem Alten gegen die Brust.
Schultz wusste nicht, was er zuerst tun sollte: den Beutel abwehren, sich am Mann vorbeischlängeln, am Geländer festhalten oder auf dem Stock stützen. Er tat alles auf einmal und hielt sich am Kinderwagen fest, als er das Gleichgewicht verlor.

oOo​

Jupp stellte ein Bier auf die Theke. „Heute scheint es dir zu schmecken, mein Lieber.“
„Danke“, antwortete Wilhelm und leerte das Glas in einem Zug.
„Hast du das vom alten Schultz gehört?“, fragte Jupp.
„Kenne ich nicht. Ein Kumpel von dir?“
„Der ist nicht mein Kumpel!“, sagte Jupp mit bösem Blick. „Der war hier nur beim Stammtisch. Vor deiner Zeit. Unscheinbarer, netter Opi. Aß seine Schweinesülze, trank ein, zwei Bierchen … Ist im Treppenhaus gestürzt. Wohl über einen Kinderwagen gestolpert.“
„Und?“
„In seinem Beutel fand man abgelaufene Konserven. Sülze, die noch aus der Kriegszeit stammt. Was er damit nur wollte …? Kein Wunder, dass er mit dem schweren Beutel in der einen und dem Krückstock in der anderen Hand stürzte. War aber auch ein neues Glas dabei. Die gleiche Sorte wie ich habe. Alles sehr merkwürdig.“
„Woher weißt du das alles?“
„Hallo! Ich bin Wirt!“ Nach einer kurzen Pause fuhr er leiser fort: „Jovanovic, der Hausmeister – ein Bekannter von mir – hat ihn gefunden. Er war auch in seiner Bude, nach dem Rechten sehen, lüften und so weiter, während Schultz im Krankenhaus liegt. In einer Zigarrenkiste fand Jovanovic einen Militärausweis, Dienstpläne und Namenslisten. Einen Judenstern. Und Haare. Stell dir das mal vor! Und so einen hab ich hier bedient!“ Jupp schüttelte den Kopf.
„Und, kommt er durch, der Alte?“
„Keine Ahnung. Übrigens hat mich Jovanovic gebeten, mich wegen dem Sittich von Schultz umzuhören. Ein hübsches, junges Tier soll es sein. Du, Wilhelm, du bist doch allein, einsamer Junggeselle. Du kannst Libsche haben.“

 

Die Idee, diese Fiktion zu schreiben kam mit dem Gedanken, was wohl passiert wäre, wenn die seinerzeitige „Verjährungsdebatte“ im Deutschen Bundestag anders ausgegangen wäre. Herausgekommen ist eine (etwas andere) Opfer-Täter-Mitwisser-Leugner-Geschichte.

 

Hallo GoMusic,

netter Titel :shy: Ich nehme mal stark an, die Anspielung auf "Schuld und Sühne" ist gewollt und ich finde sie richtig gut.

Hier fehlt ein kleines Wort:

Keiner von seinen Kameraden war mehr übrig, bis auf den, der seine Rente am Spielautomaten verzockte, mit dem Hans aber nichts mehr zu tun haben [...], als er erfuhr, dass das Schwein bei der SA war.

Dieser Dialog hier hat mich verwirrt:
„Was hast du denn damit zu schaffen? Kennst du so einen Nazi? Vielleicht sogar bei euch in der Firma? Oder was wäre, wenn so ein Schwein dein Kotelett paniert oder den Schaum von deinem Bier abstreift – und du ahnst es gar nicht? Häh?“ Jupp schaute Karl an und lachte laut auf.
„Nichts … nein“, murmelte Karl und schob den Teller mit den Essensresten nach vorne. Er stand vom Hocker auf. „Was hast du gegen meinen Chef?“ Seine Worte kamen ein wenig barscher und härter über seine Lippen. „Hast du Probleme mit ihm oder seiner Familie? Spuck’s aus!“
Vehement schüttelte Jupp den Kopf. „Nein, nein. Ich hab nichts gegen die.“
Ich finde, hier ist einmal nicht immer ganz klar, wer eigentlich gerade spricht. Und warum fragt Karl so plötzlich, was Jupp gegen seinen Chef hat? Wie kommt er denn darauf? Was ist denn mit seinem Chef? War von dem vorher schon mal die Rede?

Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, als die schüchterne Brünette, die wie die Anderen kein Gepäck mit sich führte, an der Endstation aus dem Zug gestiegen war.
"anderen" klein.

Er besaß noch nicht Mal ein Foto von ihr.
du kürzt ja hier "einmal" ab, daher klein.

Die Geschichte zwischen Hans und Libsche, da ist mir ja dann kurz schlecht geworden, als sich immer mehr abzeichnete, was hier passiert ist. So war es in den Lagern vermutlich oft, über die Gefangenen wurde einfach nur verfügt. Ohne Rücksicht, ohne Gewissensbisse. Unvorstellbar! Besonders gut (wenn man das in diesem Zusammenhang sagen kann!) fand ich, wie Hans von "Liebe" spricht. Wie er das Ganze tatsächlich als "Beziehung" betrachtet, sich selbst zurechtschneidert und offensichtlich bis heute nicht verstanden und reflektiert hat, dass sein Verhalten damals menschenverachtend war. Das sitzt richtig tief und tut weg. Da krieg ich einen richtigen Ekel vor dem alten Mann.
Diesen Teil der Geschichte, also Hans, hast du richtig gut geschrieben, das gefällt mir.

Mit dem anderen Teil, also Jupp, Karl und Krüger, habe ich so meine Probleme. Dass Karl der junge Gefreite von damals ist und die Fäden am Ende zusammenlaufen, habe ich verstanden und finde ich als Lösung auch gut gemacht. Vor allem dein Ende mit dem Vogel Libsche und dem Satz "Du kannst Libsche haben", das ist wieder so ein Treffer mitten in den Bauch.
Aber kommen wir zu Krüger. Das ist doch derjenige, mit dem Hans nichts mehr zu tun haben will, weil er früher bei der SA war, richtig? Aber Hans war doch KZ-Aufseher? Wie kann er da denn dann Aversionen gegen einen "Gleichgesinnten" haben? Das verstehe ich nicht. Oder willst du damit zeigen, dass Hans einfach gar nichts reflektiert hat und selbst sein KZ-Aufseher-Dasein moralisch über das des SA-Offiziers stellt?
Und dann Jupp: Welche Rolle spielt er? Was soll sein Satz ziemlich weit am Anfang: "Ich habe nichts gegen die?" Wer sind die? Und verleugnet er nicht den Holocaust? Und am Ende sagt er "und so einen hab ich hier bedient"? Das ist für mich alles irgendwie widersprüchlich und hat mich beim Lesen rausgebracht. Aber vielleicht kannst du es ganz einfach aufklären.

Und ganz zum Schluss: Am Anfang des Textes ist Hans alles andere als gut auf seine ausländischen Mitbewohner zu sprechen. Am Ende streicht er Ahmed fast liebevoll über den Kopf? Auch hier habe ich Logikprobleme ...

Klingt jetzt viel nach Meckern, aber du weißt ja, wie ich das meine.

Liebe Grüße
RinaWu

 
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Hallo GoMusic,

Eine zum Nachdenken anregende Geschichte, oder besser: daran, dass man nicht vergessen darf.
Will auch nicht lange dran rumkommentieren, steht ja alles im Text. Deine Figuren gefallen mir.
Sprachlich toll. Da passt jedes Wort.

Hier fehlt irgendwie ein Wort:

Keiner von seinen Kameraden war mehr übrig, bis auf den, der seine Rente am Spielautomaten verzockte, mit dem Hans aber nichts mehr zu tun haben wollte, als er erfuhr, dass das Schwein bei der SA war.

Sehr gerne gelesen,
Gruß
Lind

Und nochwas: die immer wieder auftauchende "Sülze" ist treffend gewählt.

 
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Hallo Funkenschlag,

habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut.
Vieles konnte ich umsetzten. Danke. :)

Das ist die erste deiner Geschichten, die ich gelesen habe, und ich muss sagen, du hast einen fantastischen Schreibstil und du bist auch sehr empathisch, was deine Figuren angeht.
Das freut mich natürlich. :shy:

Die dreißigjährige Verjährungsfrist für Mord und Völkermord wurde nun doch nicht aufgehoben.
Das klingt nicht wie eine Formulierung, die eine solche Berichterstattung wählen würde. Die wollen ja die Entscheidungen, die bei uns in der Politik getroffen werden, nicht so darstellen, als ob sie von Kindern getätigt werden, die sich einfach nicht entscheiden können.
Stimmt, „nun doch“ klingt ein wenig wertend, wie in einem Kommentar in den Tagesthemen. Obwohl es im Bundestag ja tatsächlich mal wie im Kindergarten zugeht :D
Ohne das festgedruckte klingt es besser. Ist jetzt raus.

Konnte sein, dass sie gar nicht Libsche hieß.
Ich glaube nicht, dass der Gedanke zu ihm passt. Er hinterfragt sich ja selbst. Also mir gefällt die Idee, aber vielleicht kannst du es auf dem Leser wirken lassen, dass sie möglicherweise nicht Libsche heißt, aber diese Möglichkeit nicht direkt ausprichst in Form seiner Gedanken.
Das ist die Textstelle, wo ich am hadern war, wo es noch Gedanken von Hans sind und wo es der Erzähler ist.
Und du hast Recht, das ist der Satz, der hier nicht so gut hinpasst. Ich habe ihn gestrichen und dafür den Folgesatz ein wenig angepasst.

und vor ein paar Tagen erneut wieder hochkamen.
Wodurch?
Guter Hinweis.
Gemeint ist ja hier der Apothekenbesuch ein paar Tage zuvor, vor er den Alten gesehen hatte.
Habe es nun angepasst:
Erinnerungen, die er viel zu lange verdrängt hatte und vor ein paar Tagen erneut wieder hochkamen, als er die Apotheke aufsuchte.

Nüchterne Daten. Fakten, die all das Leid nicht annähernd widerspiegeln, dachte Karl. Nur noch ein paar Wochen und es ist vorbei. Sie arbeiten unbehelligt in der Backstube, sitzen an der Supermarktkasse, schlendern mir auf dem Marktplatz entgegen oder fahren einen Schulbus.
Bis zu dieser Stelle, fand ich die Geschichte angenehm nicht-anprangernd.

Karl wischte sich die Tränen aus den Augen.
Und das ist das i-Tüpfelchen. Gefällt mir nicht, könnte man alles viel subtiler einbauen, denke ich.

Okay, wollte auch gar nicht so anprangernd sein. Da bin ich wohl ein wenig „abgerutscht“.
Denke hierüber nochmal nach, vielleicht gibt es j noch andere Meinungen dazu.
Bis hierhin sollte auch noch ein wenig im Unklaren sein, welche Rolle Karl spielt …

Seine Wahrnehmung spielte verrückt, als der Alte herausgeschlurft kam
Ich halte den Satz für überflüssig, da der nächste Satz ja mit "In Karls Augen" anfängt.
Stimmt, ist redundant. Habe ich rausgenommen. Lautet nun:
Draußen hatte Karl noch einen Moment auf den Alten gewartet und vorgegeben, den Beipackzettel zu studieren. In seinen Augen trug der Alte wieder seine Uniform

Karl sah dem Alten noch hinterher, wie er ein Stück weiter in einer Hofzufahrt verschwand. Er hatte einen kranken Alten mit Krückstock nachspioniert, der sich Schmerztabletten in der Apotheke holte, in einer Altbauwohnung hauste und wahrscheinlich abends Kreuzworträtsel löste, wie viele andere auch. So normal.
Diese Normalität wurde schon vorher stark betont und bei diesem Abschnitt wird es mir zu viel. Ich habe das Gefühl, dass manche Passagen in einem sehr emotionalen Zustand von dir entstanden sind.
Ja, eigentlich ist das eine Wiederholung dessen, was er vorher gemacht hat … Nur mit dem Zusatz, dass es alles so normal wirkt.
ich denke dadrüber nochmal nach. Mal sehen, ob andere dazu noch was sagen.

„Fast hätten Sie Herrn Schultz mit ihrem Beutel um gekegelt!“
Würde ich streichen oder durch eine Beschreibung ersetzen.
Wollte damit auch sichergehen, dass es Karl ist, der durch den Hausflur tigert. Deswegen der Zusatz mit dem Beutel. Im Nachhinein betrachtet ist das wirklich überflüssig. Wer sollte es sonst sein?
Der Beutel ist gestrichen und durch die neue Aussage das Bild des kranken Hans noch verstärkt (so, wie es der Junge sieht):
„Können Sie nicht aufpassen?“, rief Ahmed dem Mann nach, der durch die kleine Eingangshalle in Richtung Treppenbaus geeilt war. „Der Mann kann so schon kaum stehen und Sie rempeln ihn fast um!“ Dann schickte Ahmed noch ein leises „Arschloch“ hinterher und beugte den Arm.

„Wer sind Sie? Worüber reden Sie? Ich kenne Sie nicht.“
Zwei von den drei Sätzen würde ich streichen. Ich denke, dass der Herr Schulz viel ängstlicher in dieser Situation ist, weil er ganz genau weiß, was die Aussage zu bedeuten hatte und deswegen auch nicht so viel verbal herausbringen würde, wie ich finde.
Auch wieder ein super Hinweis von dir. :thumbsup:
In der Lage würde er bestimmt nicht drei vollständige Sätze herausbringen.
Ist nun:
„Ich kenne Sie nicht.“ Schultz blickte auf den Boden …

„Los, verpiss dich und lass einen alten kranken Bürger in Ruhe!“
Das dickgedruckte würde ich streichen oder abändern. Am besten würde mir wahrscheinlich gefallen, wenn da nur "Los, verpiss dich." stehen würde. Dann macht das mit der Stimme des KZ-Leiters auch viel mehr Eindruck.
Ja, es macht mehr Eindruck (Befehlston; kurzer Satz). Dass er alt und krank ist, hat ja jetzt auch schon der Junge in deren Anwesenheit gesagt, (in der überarbeiteten Version), dann muss es Hans nicht noch wiederholen. Habe deinen Vorschlag übernommen.

Tolle Geschichte. Habe ich gebannt bis zum Ende gelesen, wirklich.
Danke für dein Lob. Das geht runter wie Butter.

Ich war beeindruckt, als du anfangs so unwertend über den alten rassistischen Nazi Hans geschrieben hast, was leider dann später abgeklungen ist. Es hätte meiner Meinung nach der Geschichte besser getan, wenn du dich zum Thema stärker distanziert hättest (was bei solch einem Thema ja nicht unbedingt einfach ist).
Durch deine wertvollen Hinweise ist der Text nun womöglich ein wenig distanzierter geworden. Über ein, zwei Sachen denke ich wie gesagt nochmal nach. Würde mich dann wieder bei dir melden, okay?

Du hast dir sehr viel Mühe gemacht. Ich danke dir dafür.

Liebe Grüße,
GoMusic


*** wird fortgesetzt ***

 

Hallo GoMusic!

Einiges an deiner Geschichte verwirrt mich noch. Ich werde sie noch mal lesen müssen, aber da du ja erfahrungsgemäß immer einen Haufen Kommentare bekommst und schnell viel am Text änderst, lasse ich mir damit Zeit. Vielleicht klären sich dann schon einige Fragen.

Nur ein Punkt: Wäre die Geschichte wirklich so anders gelaufen, wenn die Verjährungsfrist aufgehoben worden wäre? Die meisten Nazis konnten sich doch zu dem Zeitpunkt ziemlich sicher sein, in Deutschland für nichts verurteilt zu werden (Alte und Kranke schon gar nicht).

Bis irgendwann später. Ich lese erstmal still weiter mit.

Grüße,
Chris

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo GoMusic,

keine leichte Kost, die du uns da servierst. Aber ein willkommenes Stück Geschichtsunterricht. Die Geschichte muss ja so Mitte der Siebziger spielen, da war ich mal gerade den Windeln entwachsen und habe von politischen Fragen naturgemäß noch nicht allzu viel mitbekommen. Dass die Verjährung der Naziverbrechen erst mal gesetzlich verhindert werden musste, ist natürlich spontan einzusehen, aber darüber nachgedacht hatte ich noch nie. Und dass das ernsthaft umstritten war, wäre mir erst recht nicht eingefallen. Ich werde das mal nachlesen. Danke für den Anstoß!

Die Geschichte liest sich stilistisch sehr flüssig, das macht den Stoff schon mal gut zugänglich. Ein paar inhaltliche Details sind mir unklar, und kleinere Fehlerchen sind mir auch aufgefallen, die liste ich dann wie immer am Ende auf. Aber Hindernisse waren das nicht.

Bei Sülze muss ich immer als Erstes an das Haarmann-Lied denken (Warte, warte nur ein Weilchen ...), weil mir das Zeug als "echtes" Essen einigermaßen fremd ist. Aber die Assoziation mit Fritz Haarmann ist ja auf einer gewissen Ebene gar nicht so unpassend. Auch dein Hans Schultze (deutscher geht's kaum, das könnte auch ein Nazi in einem amerikanischen Film sein) hat ja seine Leichen im Keller, die er hinter einer kleinbürgerlichen Fassade mehr oder weniger wirksam verbirgt. Ein echter Unsympath, vielleicht ein bisschen zu eindeutig gezeichnet (hätte ja nicht gleich der Lagerkommandant sein müssen), obwohl es durchaus auch ein paar interessante Brüche gibt in seinem Verhältnis zu den Nachbarskindern und natürlich zu "Libsche".

Fast interessanter fand ich den Karl, der von seiner Position her ja auch ein Bösewicht hätte werden können, der aber statt dessen selbst traumatisiert aus dem Krieg hervorgegangen ist. Man könnte sich fragen, wie vielen kleinen Lichtern, die womöglich sogar auf ihre alten Tage noch als Helfershelfer verurteilt wurden/werden (Demjanjuk usw.), es vielleicht ähnlich ging. Da wird die Trennung zwischen Täter und Opfer schon weit weniger klar als bei Hans. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn du den Karl noch ein wenig stärker beleuchtet hättest.

Dann gehe ich mal den Text durch:

Hans fiel die Schweinskopfsülze aus der Hand. Der Alte wischte sich die Hände am Hemd ab ...
Da dachte ich erst, das wären zwei verschiedene Personen. Vielleicht im zweiten Satz einfach "er" und dafür "der Alte" erst einen Tick später als Synonym einarbeiten?

Kinder schrieen in fremden Sprachen
"schrien" mit einem "e"

Rasch schloss er das Fenster; Libsche vertrug keine Zugluft. Außerdem würde sie früher oder später einen Fehler machen, wenn er für einen Augenblick mal unachtsam war.
Was für einen Fehler? Das fand ich ziemlich kryptisch. Sie würde rausfliegen, oder? Dann schreib das doch einfach. Oder legst du so großen Wert darauf, das Libsche hier noch nicht als Vogel erkannt wird?

war das Bein neben den Narben das einzige, das ihn noch an die erfolgreichen ersten Kriegsjahre erinnerte
"erfolgreiche erste Kriegsjahre" ... tja, die gute alte Zeit ... :eek:

Dennoch war er dem Ivan dankbar
Eine Winzigkeit, aber schreibt man in der (alten) deutschen Transskription nicht eher "Iwan"? Finde ich auch gerade für so einen Deutschtümler irgendwie passender.

mit dem Hans aber nichts mehr zu tun haben wollte, als er erfuhr, dass das Schwein bei der SA war
Habe ich auch erst nicht ganz einordnen können, ähnlich wie RinaWu. Aber ich nehme an, die SA gilt eher so als dumpfe Schlägertruppe, während der feine Herr Lagerkommandant sich um die Rassenhygiene verdient macht?

„Schmeckst dir nicht?“
"Schmeckt's dir nicht?"

Hier, nimm erst mal `nen Feierabendtröpfchen.
Eher: 'n Feierabendtröpchen, weil 'nen ja von einen käme. Es sei denn, das soll als Dialekt so sein.
In jedem Fall gehört da (und an diversen anderen Stellen) der senkrechte Apostroph hin: '

Ne, danke.
Ich bevorzuge immer "nee" mit Doppel-e, weil man es sonst leicht mit 'ne (für "eine") oder mit dem Fragepartikel (wie "nicht wahr?") verwechselt. Laut Duden geht aber beides.

Vehement schüttelte Jupp den Kopf. „Nein, nein. Ich hab nichts gegen die.“ Er stützte die feuchten Hände auf die Hüfte. Spülwasser verursachte dunkle Ränder auf der braunen Lederschürze. „Du kennst mich seit Jahren und du kennst meine Meinung. Und ich sag es jetzt zum letzten Mal: Diesen ganzen ‚Holocaust‘ … den gab es nicht. Nichts als Lügen!“
Oha, und den Holocaustleugner auch gleich noch dazu ... vielleicht ein bisschen viel für eine einzige KG? Ich fände es aber gut, den einzubringen, wenn er nicht so isoliert da rumstehen würde. Das könnte z.B. ein guter Anknüpfungspunkt sein, um den Karl etwas zu vertiefen, der es ja besser weiß. Aber das verschenkst du an der Stelle so ein bisschen, denn Karl zahlt einfach und geht. (Okay, man merkt, er ist kurz angebunden, aber das richtig zu interpretieren, ist dem Leser an dieser Stelle noch nicht möglich, weil er noch nicht weiß, was Karl im Krieg war.)

Ohne den Blick von den beiden Männern abzuwenden, hatte Krüger das Gespräch verfolgt
Ich denke, er ist fast taub. Wie viel bekommt er da mit? Und ist das wichtig? Man denkt jedenfalls, es müsste wichtig sein, aber du greifst das später gar nicht wieder auf.

während er immer weitere Geldstücke aus dem Ausgabefach grapschte und in den Münzschlitz gesteckt hatte
Da passen die Zeiten nicht richtig.

Libsche versuchte zu sprechen, brachte aber keinen verständlichen Laut heraus.
:D Dabei hätte sie bestimmt einiges zu sagen ...

Als ihm im kleinen Spiegel Gram, Hass und Wut entgegen schlugen, fragte er sich, was die letzten Jahrzehnte aus ihm gemacht hatten.
"entgegenschlugen" in einem Wort.
Interessant, dass es die letzten Jahrzehnte sind, mit denen er hadert. Hingegen die gute alte Zeit davor, als er noch jemand war ...

Er kippte den Dreck in den Pizzakarton
Ich hätte Hans nicht als Pizzaesser gesehen, aber das kann man natürlich wieder als beabsichtigten Bruch ansehen. (Und die Italiener waren ja auch Verbündete ...)
Waren diese Kartons zum Mitnehmen (oder gar das Liefern) damals schon üblich?

Das Tier bewegte den Kopf auf und nieder und begann, die beiden Schnabelseiten gegeneinander zu wetzen.
Die linke gegen die rechte?! Vielleicht eher die beiden Schnabelhälften?

Er hinkte näher und ahmte mit den Fingernägeln das Knirschgeräusch nach.
Aber seine Finger waren (fast) zu steif, um die Käfigtür zu öffnen ... :klug:

die Augen wie im Trance schloss
in Trance

und den Schnabel rhythmisch an seine Nägel rieb. Schnell, feste. Noch schneller. Fester.
Wellensittich-Erotik. Pfui Deibel ...

Im Tierladen hatte ihm das Jungtier so gut gefallen
WW. Vielleicht "Zooladen"?

Als sich das Braun an der Wachshaut des Schnabels durchsetzte
Gut, dass wir früher auch Wellensittiche hatten, sonst müsste ich das jetzt nachschlagen ... :D

Hans öffnete die Zigarrenkiste, die auf dem Wohnzimmertisch standKomma und versank in sehnsüchtige Erinnerungen

Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, als die schüchterne Brünette, die wie die Anderen kein Gepäck mit sich führte, an der Endstation aus dem Zug gestiegen war.
Und da dachte ich noch: Flüchtling oder so. Gut gemacht! Aber in der Sache natürlich unglaublich widerlich, was dann alles kommt.

Unter anderen Umständen hätte Hans sie vielleicht geheiratet.
Fiel mir zuerst schwer zu glauben. Aber wenn Hans ähnliche Vorstellungen von Ehe wie von Liebe hat - warum nicht.

Seinen Waffenholster gab er dann immer dem jungen Gefreiten
das Holster

dass sich die Mimose so geziert hatte und ihn erst die geladene Knarre vor seinem Schädel Manneskraft verlieh
ihm

Von wegen hart wie Kruppstahl. Sensibelsten.
Sensibelchen?

Hans hatte sie oft nach ihren Namen gefragt
ihrem

Erinnerungen, die er viel zu lange verdrängt hatte und vor ein paar Tagen erneut wieder hochkamen.
Ich kann's gerade nicht gut erklären, aber der Halbsatz ist inkongruent, da muss ein zweites "die" rein: die vor ein paar Tagen erneut hochkamen.
Und "erneut wieder" ist doppelt gemoppelt.

„Süssmann. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Guten Morgen, Jonathan. Ich bin’s, Karl. Tut mir leid. Ich … muss wohl was Falsches gegessen haben. Mir geht es nicht gut.“
„Du Armer. Ich sag Jakob Bescheid, dass er deine wichtigen Termine wahrnimmt. Ruhe dich aus und werde wieder gesund. Soll ich Rebecca vorbei schicken, Karl? Sie macht die beste Hühnersuppe westlich des Jordans.“
Süssmann. Jonathan. Jakob. Rebecca. Westlich des Jordans. Du hältst deine Leser aber nicht für völlig vernagelt, oder? :lol:
Im Ernst: mindestens zwei von den fünf Hinweisen sind entbehrlich, ich habe schon bei dem Kneipengespräch mit Jupp geschnallt, dass sein Chef Jude ist.

Seine Baseballkappe hatte er bis zum Rand der Sonnenbrille heruntergezogen, den Beutel griffbereit auf dem Beifahrerplatz gelegt.
auf den Beifahrersitz. Und waren Basecaps damals schon gängig?

Hier hatte Er an der Kasse gestanden.
"Er" mit großem E?

Er hatte einen kranken Alten mit Krückstock nachspioniert
einem

Ahmed verzog die Stirn. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“ Dann schaute er zu der Wohnungstür am Ende des Gangs, die gerade geöffnet wurde und hinter der eine lächelnde Frau im Kittel in den Flur schaute. „Ich komme sofort, Mama. Bringe nur noch den Müll für Herrn Schultz raus.“
Das Antiklischee ist ein bisschen dick aufgetragen. Aber vielleicht funktioniert es auch nur so mit einem Typen wie Hans?

Karl trat hinter einem Kinderwagen hervor
Das klingt, als hätte er sich dahinter versteckt. Aber so groß kann ein Kinderwagen wohl kaum sein, oder?

Die Stimme des ehemaligen KZ-Leiters hatte nichts an Schärfe verloren.
„Vielleicht hilft Ihnen das weiter, Lagerkommandant Hans Schultz!“
Eins von beiden ist unnötig.

Er versuchte, alles auf einmal zu machenKomma und hielt sich schließlich am Kinderwagen fest

„Der ist nicht mein Kumpel!“ Jupp sah Karl böse an.
Da gibt's aber feine Abstufungen unter den Altnazis: KZ-Kommandanten, SA-Leute, Holocaustleugner. Die wollen nicht in einen Topf geworfen werden ...

Der taube Münzen-Krüger hatte ihn öfter nach Hause begleitet.“
Jupp blickte kurz zum Spielautomaten herüber, der schon seit Tagen nicht mehr gelaufen war.
Die Bedeutung erschließt sich mir nicht. Was ist mit Krüger passiert? Hat das doch was damit zu tun, dass er das andere Gespräch verfolgt hatte?

„Woher weißt du das alles?“
„Hallo! Ich bin Wirt!“
:lol:

Einen Judenstern. Und Haare. Stell dir das Mal vor! Und so einen hab ich hier bedient.“
Oder will Jupp nur deshalb nichts mit Hans zu tun haben, weil der was mit einer Jüdin hatte? Ach du dickes Ei ...

„Sag mal, du bist doch alleine, … einsamer Single. Du kannst Libsche haben.“
:thumbsup:
Aber hat man damals schon "Single" gesagt?

Zwei Dinge sind mir nicht hundertprozentig klar geworden. Erstens: Hans ist nicht tot, oder? Karl und Jupp reden immer noch im Präsens von ihm, also lebt er wohl noch. Dann darf man ja gespannt sein, was noch passiert, wenn der wieder aus dem Krankenhaus kommt.

Und zweitens: In dem Stoffbeutel hatte Karl alte Sülzekonserven aufbewahrt? Die ihm Hans damals immer als Belohnung gegeben hatte? Darüber habe ich lange nachdenken müssen und weiß immer noch nicht, ob ich richtig liege ...

So, nach der laaangen Liste sieht das jetzt vielleicht nach Gemecker aus, aber so ist es nicht gemeint. Denn wir machen uns ja immer dann die meiste Mühe, wenn die Geschichte es wert ist, gelle? Die hier ist es jedenfalls, die hat mich enorm gefesselt und zum Nachdenken gebracht.

Mit Gewinn gelesen!

Grüße vom Holg ...


PS: Ich muss mich korrigieren. Hans Schultz könnte nicht nur ein Nazi in einem amerikanischen Film sein, er ist es sogar:
http://www.imdb.com/character/ch0037612/
(okay, Serie, nicht Film ...)

 

Hallo GoMusic,

wow, das nenne ich eine Geschichte mit Inhalt. Die habe ich verschlungen. Sprache, Dramaturgie und Figuren passen für mich soweit. Insbesondere bewundere ich die dezente Art, mit der du das Grauen andeutest und es damit noch bedrückender machst.

Und der Schlusssatz ist klasse.

Was ich zuerst nicht verstanden habe, war, warum du dazu die historischen Fakten ändern musstest. Denn das tatsächliche Ergebnis der Verjährungsdebatte 1979 war ja die Wiederaufhebung der vorangegangenen Beschlüsse von 1965 und 69, die den von dir erdachten Ausgang vorwegnahmen: die Nazimorde wären zwei Monate später verjährt. Karl hätte also schon bei der ersten Begegnung mit Schultz wissen können, dass er sich beeilen muss mit der Rache. Beim zweiten Überlegen kann ich mir aber schon vorstellen, dass der Mann das nicht so parat hatte und ihn erst die Radionachricht daran erinnert hat. Aber selbst wenn sie im Radio das tatsächliche Ergebnis verkündet hätten, hätte er dann einfach die Schultern gezuckt und sich gedacht: "Dann hab ich ja noch Zeit."? Denn wenn er ihn sowieso nicht anzeigen will (weil er als Mittäter gelten würde), sondern zur Selbstjustiz greift, wieso juckt ihn dann die Verjährung? Oder hat er gehofft, durch den "Unfall" würde man Schultz' wahre Identität auf die Schliche kommen?

Es ist auf jeden Fall eine spannende Geschichte, die zum Nachdenken anregt.

Ein paar Einzelheiten sind mir noch aufgefallen:

„Ist schon gut, Libsche. Brauchst keine Angst haben“, säuselte er, als er aus dem Innenhof ein Kreischen vernahm.
Soll sie vor dem Knall der Dose auf dem Tisch keine Angst haben oder vor dem Kreischen aus dem Innenhof?
Keiner von seinen Kameraden war mehr übrig, bis auf den, der seine Rente am Spielautomaten verzockte, mit dem Hans aber nichts mehr zu tun haben wollte, als er erfuhr, dass das Schwein bei der SA war.
Ich finde, dass es "seit er erfahren hatte, dass das Schwein bei der SA gewesen war" heißen müsste. Denn Krüger wird ja wohl zur Erzählzeit nicht mehr bei der SA sein.
Hier lockst du den Leser einfach auf eine falsche Fährte, denn man könnte es auch so verstehen, dass Hans zwar Soldat war, meinetwegen Patriot, aber Nazis trotzdem verachtete. Überhaupt machst du das ganz clever mit der falschen Fährte, weil es dann, wenn es dämmert, dann besonders schockierend ist. :thumpsup:
Wobei ich nicht ganz verstanden habe, wozu es den Krüger denn nun tatsächlich braucht.
„Was hast du gegen meinen Chef?“ Seine Worte kamen ein wenig barscher und härter über seine Lippen. „Hast du Probleme mit ihm oder seiner Familie? Spuck’s aus!“
Das zieht er alles aus Jupps doch recht harmlosen Frage: "Vielleicht sogar bei euch in der Firma?"? Wirkt ein bisschen aufgesetzt.
Hans hatte sich noch später beim Stammtisch darüber lustig gemacht, dass sich die Mimose so geziert hatte und ihn erst die geladene Knarre vor seinem Schädel Manneskraft verlieh.
Das funktioniert? Erektion aus Todesangst?
Die kleine Libsche war immer genau so aufgeregt wie er, als Hans sie in die Baracke begleitete, in der frische Bettwäsche, Schweinesülze und französischer Rotwein für die Offiziere gelagert wurden.
Müsste es nicht "wenn Hans sie in die Baracke begleitete" heißen? Oder das "immer" ist zuviel. Und wer ist hier "er"? Karl?
Die Anderen durften auch nicht so lange von der Arbeit fortbleiben oder wurden, wenn er Lust danach verspürte, auch schon Mal fast totgeprügelt.
"auch schon mal"
„Süssmann. Wie kann ich Ihnen helfen?“
Ja, ich stimme Holg zu: dass er nicht auch noch jiddelt und meschugge und Mazzeltov sagt ist alles. Zu dick aufgetragen. Süssmann alleine würde schon reichen.
Ein alter, gebrechlicher Mann.
Wie alt war Hans denn während des Krieges? Es geht doch um die letzte Verjährungsdebatte 1979, also 40 Jahre nach Ausbruch des Krieges, bei dem Hans wohl von Anfang an dabei war. Wenn er aber '39 erst in seinen Zwanzigern war, dann wäre er zum Zeitpunkt der Geschichte in den Sechzigern, und damit doch noch nicht alt und gebrechlich. Es wurden natürlich schon zu Kriegsbeginn auch Ältere einberufen, aber die hatten dann doch irgendein Leben vor dem Krieg, das vielleicht durchschimmern müsste in der Geschichte. Zumindest dürfte Libsche dann nicht die erste große Liebe gewesen sein.
Er hatte einen kranken Alten mit Krückstock nachspioniert, der sich Schmerztabletten in der Apotheke holte, in einer Altbauwohnung hauste und wahrscheinlich abends Kreuzworträtsel löste, wie viele andere auch.
"einem kranken Alten"
Er war nochmals um Jahre gealtert.
Warum? Die Begegnung in der Apotheke war doch nur Tage her. Und unter der Last der Schuld scheint Schultz doch nicht groß zu leiden.
Stell dir das Mal vor!
„Übrigens hat mich Jovanovic gefragt, ob ich mich Mal wegen dem Sittich umhöre.
Würde hier in beiden Fällen "mal" kleinschreiben.

Also mich beeindruckt es schwer, dass es immer noch möglich ist, neue Geschichten über diese alte Zeit zu schreiben. Ich dachte, ich hätte da schon alles gelesen. Gerne mehr.

Viele Grüße
Ella Fitz

 

Liebe RinaWu,

habe mich sehr gefreut, dass du reingeschaut und einen tollen Kommentar hingelassen hast.

netter Titel Ich nehme mal stark an, die Anspielung auf "Schuld und Sühne" ist gewollt und ich finde sie richtig gut.
Ja, richtig. Das ist gewollt. Danke. :shy:

Dieser Dialog hier hat mich verwirrt:
Ja, das ist relativ viel wörtliche Rede und ich habe es jetzt ein wenig geändert, damit der Sprecherwechsel besser rüber kommt.

Und warum fragt Karl so plötzlich, was Jupp gegen seinen Chef hat? Wie kommt er denn darauf? Was ist denn mit seinem Chef? War von dem vorher schon mal die Rede?
Die beiden kennen sich gut genug, dass Jupp weiß, dass Karl in einer Firma arbeitet, die von einem Juden geleitet wird („…ich hab nichts gegen die“). Später im Telefonat mit seinem Chef sollte es klarer werden (hier muss ich übrigens noch ein wenig entschlacken).

Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, als die schüchterne Brünette, die wie die Anderen kein Gepäck mit sich führte, an der Endstation aus dem Zug gestiegen war.
"anderen" klein.
Ich habe „die Anderen“ extra immer groß geschrieben (also so wie ein Eigenname oder eine kursive Darstellung), da sich Hans damit noch mehr von den Lager-Insassen distanzieren will. Er und sein Volk sind „die Normalen“, oder was auch immer, sie „die Anderen“. Es soll noch abwertender klingen als jeder andere Begriff.

Die Geschichte zwischen Hans und Libsche, da ist mir ja dann kurz schlecht geworden, als sich immer mehr abzeichnete, was hier passiert ist.
Ja, das sollte sich immer mehr abzeichnen. Gut, dass das der Text wohl geschafft hat. :thumbsup:

Besonders gut (wenn man das in diesem Zusammenhang sagen kann!) fand ich, wie Hans von "Liebe" spricht. Wie er das Ganze tatsächlich als "Beziehung" betrachtet, sich selbst zurechtschneidert und offensichtlich bis heute nicht verstanden und reflektiert hat, dass sein Verhalten damals menschenverachtend war. Das sitzt richtig tief und tut weg. Da krieg ich einen richtigen Ekel vor dem alten Mann.
Ja, Hans hat es für Liebe gehalten. Er hatte sie ja unter anderen Umständen sogar heiraten wollen. Er hat es bis heute nicht verstanden, wie du es so schön sagst. Selbst sein Sittich heißt ja so ...

Diesen Teil der Geschichte, also Hans, hast du richtig gut geschrieben, das gefällt mir.
Danke dafür.

Dass Karl der junge Gefreite von damals ist und die Fäden am Ende zusammenlaufen, habe ich verstanden und finde ich als Lösung auch gut gemacht. Vor allem dein Ende mit dem Vogel Libsche und dem Satz "Du kannst Libsche haben", das ist wieder so ein Treffer mitten in den Bauch.
Freut mich.

Aber kommen wir zu Krüger. Das ist doch derjenige, mit dem Hans nichts mehr zu tun haben will, weil er früher bei der SA war, richtig? Aber Hans war doch KZ-Aufseher? Wie kann er da denn dann Aversionen gegen einen "Gleichgesinnten" haben? Das verstehe ich nicht. Oder willst du damit zeigen, dass Hans einfach gar nichts reflektiert hat und selbst sein KZ-Aufseher-Dasein moralisch über das des SA-Offiziers stellt?
Krüger war für Hans kein Gleichgesinnter. Hans fühlte sich als was Besseres, moralisch über den SA-Mann stehend, wie du sagst.
Krüger ist schnell verschwunden bzw. nicht mehr wiedergekommen, als das mit Hans herauskam. Er hätte womöglich auch noch was zu befürchten gehabt (vielleicht würde Hans ihn mit hineinreißen) und ist deshalb untergetaucht.

Und dann Jupp: Welche Rolle spielt er? Was soll sein Satz ziemlich weit am Anfang: "Ich habe nichts gegen die?" Wer sind die? Und verleugnet er nicht den Holocaust? Und am Ende sagt er "und so einen hab ich hier bedient"? Das ist für mich alles irgendwie widersprüchlich und hat mich beim Lesen rausgebracht. Aber vielleicht kannst du es ganz einfach aufklären.
Tja, Jupp. Er leugnet den Holocaust, dann leugnet er, dass er Hans womöglich besser kannte, als er zugeben möchte, als Hans entlarvt wurde. Und zu Karl ist Jupp auch noch insoweit nicht ehrlich, dass er ihm die billige Sülze als was Exklusiv für 2,80 Mark verkauft. (Deswegen bleibt ihm später auch das Lachen im Hals stecken, als er das mit der billigen Supermarkt-Sülze erzählt.)

Das „Und so einen hab ich hier bedient.“ sagt ja nichts anderes, als dass er denken würde „Okay, da haben die einen geschnappt. Aber was der gemacht hat, ist ja noch nicht bewiesen.“ Vorsichtigerweise will er sich aber distanzieren, dass er den nie bedient hätte, wenn er das gewusst hätte. Ist ja auch nur halbherzig irgendwie. Könnte mir vorstellen, dass er immer noch den Holocaust leugnet.

Am Anfang des Textes ist Hans alles andere als gut auf seine ausländischen Mitbewohner zu sprechen. Am Ende streicht er Ahmed fast liebevoll über den Kopf? Auch hier habe ich Logikprobleme …
Hans hat sich in den Jahren angepasst. Er hat sein Inneres nicht herausgelassen, um nicht aufzufallen. Am Anfang heißt es ja, er hätte es am liebsten herausgebrüllt („Kanaken …“). Nach außen hin „spielt“ er den Normalo, der den Jungen über den Kopf streichelt. Denken tut er hingegen was ganz Anderes. Wahrscheinlich ekelt er sich auch, den Jungen anzufassen. Das war mein Gedanke dabei.
Ist das jetzt ein wenig klarer geworden oder gibt es deiner Meinung nach noch Tuningbedarf, liebe RinaWu?

Danke, dass du dich mit meiner Geschichte so intensiv auseinandergesetzt hast.
Habe mich sehr gefreut.

Liebe Grüße,
GoMusic

Hallo Lind,

ich möchte mich auch bei dir bedanken. Freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat.
(Das fehlende Wort ist nachgetragen.)

Sehr gerne gelesen,
Wow! Danke.

Und nochwas: die immer wieder auftauchende "Sülze" ist treffend gewählt.
Schön, dass zu hören. Ja, die Sülze spielt so eine wiederkehrende Rolle.
Ich wollte damit so etwas wie ein Bindeglied schaffen zwischen Hans heute und im KZ und Karl als Gefreiten und heute. Und im Titel macht sie sich ja auch nicht schlecht :hmm:

Liebe Grüße,
GoMusic


Hallo Chris Stone,

dir auch ein Danke, dass du die Geschichte gelesen hast und sie zunächst anhand der Kommentare auch weiterverfolgen möchtest.

Nur ein Punkt: Wäre die Geschichte wirklich so anders gelaufen, wenn die Verjährungsfrist aufgehoben worden wäre? Die meisten Nazis konnten sich doch zu dem Zeitpunkt ziemlich sicher sein, in Deutschland für nichts verurteilt zu werden (Alte und Kranke schon gar nicht).
Wie gesagt, war das ja die Idee zur Geschichte.
Als ich sie geschrieben hatte, habe ich mir die gleiche Frage gestellt, wie du jetzt.
Die Antwort, die ich mir gegeben hatte war, dass Karl nur noch wenig Zeit hatte, sich an Hans zu rächen, ihn zu beschuldigen oder vor dem Kadi zu ziehen. Er hatte ihn ja nur ein paar Tage vor dem Bundestag-Beschluss gesehen und musste dann schnell handeln, als der Beschluss unter Dach und Fach war.
Er hätte es ansonsten womöglich immer vor sich hergeschoben, weil es ja keine Verjährung gegeben und er somit viel Zeit gehabt hätte und am Ende diesen Schritt wahrscheinlich nie gewagt, weil er Angst hatte, auch für etwas zur Rechenschaft gezogen zu werden. Hans wäre womöglich davon gekommen.
Und das sollte er nicht.

Ich lese erstmal still weiter mit.
Viel Spaß noch. :read:

Liebe Grüße,
GoMusic


*** wird fortgesetzt, ist schon spät geworden ;) ***

 

GoMusic schrieb:
Ich habe „die Anderen“ extra immer groß geschrieben (also so wie ein Eigenname oder eine kursive Darstellung), da sich Hans damit noch mehr von den Lager-Insassen distanzieren will. Er und sein Volk sind „die Normalen“, oder was auch immer, sie „die Anderen“. Es soll noch abwertender klingen als jeder andere Begriff.
Eine zusätzliche Bedeutungsebene mittels einer scheinbar fehlerhaften Rechtschreibung schaffen zu wollen, ist halt so eine Sache, weil sie sich den meisten Lesern auf diese Art gar nicht erschließen wird. Ohne zusätzliche Fußnote (bzw. nachträgliche Erklärung des Autors) nimmt man das einfach nur als Fehler wahr, geb ich jetzt mal zu bedenken.

Wobei das sicher nicht das Letzte war, was ich zu dieser Geschichte sagen werde, GoMusic.

offshore

 

Hallo GoMusic, hallo ernst offshore,

keine Ahnung, ob dies der Wahrheitsfindung dient, aber die Duden-Redaktion äußert sich zum Thema folgendermaßen:

Groß- oder Kleinschreibung von ein, andere, viel, wenig
„Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen", heißt es im „Vorspiel auf dem Theater" zu Goethes „Faust". Hätte Goethe in unserer aktuellen Rechtschreibung geschrieben, wäre ihm durchaus freigestellt geblieben, ob er das unbestimmte Zahladjektiv vieles/Vieles hier nun groß- oder kleinschreibt (während er beim Pronomen manchem diese Wahl nicht gehabt hätte). Zwar werden die unbestimmten Zahladjektive ein, andere, viel, wenig in der Regel kleingeschrieben, auch wenn sie formale Merkmale der Substantivierung aufweisen, man darf sie aber auch großschreiben, wenn man das „Substantivische" besonders betonen möchte.
Das wird man vor allem dann tun, wenn der Gattungscharakter sehr im Vordergrund steht, wenn es also um die Gattung des/der Einen, des/der Anderen, des/der Vielen oder des/der Wenigen geht, wie z. B. in philosophischer Redeweise: „Sie haben es nicht, solange man nicht behauptet, dass das Wenige an dem Vielen und das Kleine an dem Großen sein Kontrarium hat" (Aristoteles: Kategorienschrift).

http://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/gross-oder-kleinschreibung-von-ein-andere-viel-wenig

Liebe Grüße
barnhelm

 

GoMusic schrieb:
Ich habe „die Anderen“ extra immer groß geschrieben (also so wie ein Eigenname oder eine kursive Darstellung), da sich Hans damit noch mehr von den Lager-Insassen distanzieren will. Er und sein Volk sind „die Normalen“, oder was auch immer, sie „die Anderen“. Es soll noch abwertender klingen als jeder andere Begriff.
Eine zusätzliche Bedeutungsebene mittels einer scheinbar fehlerhaften Rechtschreibung schaffen zu wollen, ist halt so eine Sache, weil sie sich den meisten Lesern auf diese Art gar nicht erschließen wird. Ohne zusätzliche Fußnote (bzw. nachträgliche Erklärung des Autors) nimmt man das einfach nur als Fehler wahr, geb ich jetzt mal zu bedenken.

Die Großschreibung ist ja nicht falsch, sondern wird vom Duden erlaubt (Regel 77), "wenn ihr substantivischer Charakter hervorgehoben werden soll". Dass es trotzdem als falsch empfunden werden kann, ist natürlich allemal wahr. Ich selbst habe zumindest die Stirn gerunzelt und mich dann an die lästige Rechtschreibdeform erinnert.

Ich find's als Stilmittel zulässig, aber ich kann nicht behaupten, dass sich mir die Bedeutung erschlossen hätte.

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:D

Grüße vom Holg ...

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Holg,

habe mich über deinen Kommentar sehr gefreut. Du hast wie immer jeden Satz durch ein Sieb geschüttelt, jedes Wort unter die Lupe gelegt und jedes einzelne Zeichen sanft abgebürstet. Danke dafür.

keine leichte Kost, die du uns da servierst. Aber ein willkommenes Stück Geschichtsunterricht.
Ja, sollte auch etwas zum Nachdenken anregen.

Die Geschichte liest sich stilistisch sehr flüssig, das macht den Stoff schon mal gut zugänglich. Ein paar inhaltliche Details sind mir unklar, und kleinere Fehlerchen sind mir auch aufgefallen, die liste ich dann wie immer am Ende auf. Aber Hindernisse waren das nicht.
Die RS-/Grammatikfehler und den Zeitfehler habe ich sofort korrigiert. Danke dafür.
Unklarheiten können hoffentlich geklärt werden

Bei Sülze muss ich immer als Erstes an das Haarmann-Lied denken (Warte, warte nur ein Weilchen ...), weil mir das Zeug als "echtes" Essen einigermaßen fremd ist. Aber die Assoziation mit Fritz Haarmann ist ja auf einer gewissen Ebene gar nicht so unpassend.
Habe vor Jahren den Film mit G. George gesehen, aber erst jetzt nach einem Googlen sehe ich, dass er seine Opfer wohl zu Fleischkonserven verarbeitet haben soll. Das wusste ich gar nicht mehr.

Auch dein Hans Schultze (deutscher geht's kaum, das könnte auch ein Nazi in einem amerikanischen Film sein) hat ja seine Leichen im Keller, die er hinter einer kleinbürgerlichen Fassade mehr oder weniger wirksam verbirgt.
Der Name hat nichts mit dem Film zu tun, auf den du als Link unten verwiesen hast. (Was für ein Zufall).
Schultz passt halt gut im Titel mit Sülze zusammen

Ein echter Unsympath, vielleicht ein bisschen zu eindeutig gezeichnet (hätte ja nicht gleich der Lagerkommandant sein müssen), obwohl es durchaus auch ein paar interessante Brüche gibt in seinem Verhältnis zu den Nachbarskindern und natürlich zu "Libsche".
Ja, Brüche sollte es gehen, um ihn nicht nach Schema F zu zeichnen.

Zu Karl:

Da wird die Trennung zwischen Täter und Opfer schon weit weniger klar als bei Hans. Ich hätte nichts dagegen gehabt, wenn du den Karl noch ein wenig stärker beleuchtet hättest.
ja, die Trennung wird weit weniger klar. Er hat sich ja „maskiert“, um kurz vor der Verjährung die Sache mit Hans durchzuziehen. Was genau er mit Hans vorhatte, bleibt im Dunkeln. Was er selber ggf. noch zu befürchten hatte, ebenso.

Was für einen Fehler? Das fand ich ziemlich kryptisch. Sie würde rausfliegen, oder? Dann schreib das doch einfach. Oder legst du so großen Wert darauf, das Libsche hier noch nicht als Vogel erkannt wird?
Ja, das war mein Gedanke. Er hätte ja auch eine Frau/ein Mädchen (gefangen halten?) haben können.

Dennoch war er dem Ivan dankbar
Eine Winzigkeit, aber schreibt man in der (alten) deutschen Transskription nicht eher "Iwan"? Finde ich auch gerade für so einen Deutschtümler irgendwie passender.
War ein Schreibfehler. Sollte natürlich Iwan sein. Schön, dass es dir aufgefallen ist.

mit dem Hans aber nichts mehr zu tun haben wollte, als er erfuhr, dass das Schwein bei der SA war
Habe ich auch erst nicht ganz einordnen können, ähnlich wie RinaWu. Aber ich nehme an, die SA gilt eher so als dumpfe Schlägertruppe, während der feine Herr Lagerkommandant sich um die Rassenhygiene verdient macht?
Er distanziert sich von den SA-Leuten. Er hat ja für Ordnung gesorgt, die SA nur wild geprügelt. Das zeigt, wie kaputt Hans ist.

Oha, und den Holocaustleugner auch gleich noch dazu ... vielleicht ein bisschen viel für eine einzige KG? Ich fände es aber gut, den einzubringen, wenn er nicht so isoliert da rumstehen würde. Das könnte z.B. ein guter Anknüpfungspunkt sein, um den Karl etwas zu vertiefen, der es ja besser weiß. Aber das verschenkst du an der Stelle so ein bisschen, denn Karl zahlt einfach und geht. (Okay, man merkt, er ist kurz angebunden, aber das richtig zu interpretieren, ist dem Leser an dieser Stelle noch nicht möglich, weil er noch nicht weiß, was Karl im Krieg war.)
Das ist ein sehr gute Idee, das noch ein wenig zu vertiefen. So geht er einfach, als hätte er keine Meinung dazu. Aber die kann er ja ruhig haben, egal was der Leser zum Zeitpunkt darüber weiß.
Habe es minimal erweitert:
Nichts als Lügen!“ Jupp verharrte noch einen Augenblick in der Stellung, bevor er weiter das Glas polierte.
Karl unterdrückte ein Seufzen. „Dein Kotelett war lecker, der Kartoffelsalat auch. Ich möchte zahlen.“ Er nahm seinen Aktenkoffer

Ohne den Blick von den beiden Männern abzuwenden, hatte Krüger das Gespräch verfolgt
Ich denke, er ist fast taub. Wie viel bekommt er da mit? Und ist das wichtig? Man denkt jedenfalls, es müsste wichtig sein, aber du greifst das später gar nicht wieder auf.
In den Augen/Gedanken von dem Wirt war Krüger fast taub. Wahrscheinlich dachte er das, weil er ihm oft ein Bier gebracht hatte und da den Eindruck gewonnen hatte. Krüger hat sich fast taub gestellt.Dann musste er auch nie beim Thema mitreden, da er ja vorgab, nichts verstanden zu haben.
Er ist aber weit aufmerksamer, als alle denken.
Krüger wird nur insoweit später wieder aufgegriffen, dass er anschließend verschwunden ist (und womöglich erst wieder auftaucht, als die Verjährungsfrist abgelaufen ist).
Soll bedeuten: Es sind noch viel mehr Leute in der Sache eingebunden/schuldig/mitwissend, als man es sich erträumen kann.

Libsche versuchte zu sprechen, brachte aber keinen verständlichen Laut heraus.
Dabei hätte sie bestimmt einiges zu sagen …
Wie schon oben erwähnt, hätte es ja auch ein Mensch sein können, der z.B. geknebelt ist. :Pfeif:

Er kippte den Dreck in den Pizzakarton
Ich hätte Hans nicht als Pizzaesser gesehen, aber das kann man natürlich wieder als beabsichtigten Bruch ansehen. (Und die Italiener waren ja auch Verbündete ...)
Waren diese Kartons zum Mitnehmen (oder gar das Liefern) damals schon üblich?
Er ist angepasst. Womöglich hätte er sich auch ein Döner geholt, wenn es das schon gegeben hätte. Pizza in Kartons (zumindest Abholung) hat es schon gegeben.

Das Tier bewegte den Kopf auf und nieder und begann, die beiden Schnabelseiten gegeneinander zu wetzen.
Die linke gegen die rechte?! Vielleicht eher die beiden Schnabelhälften?
Ja, Hälften hört sich besser an. War mir aber sicher, das vorher extra gegoogelt zu haben. Finde es aber nicht mehr …

Er hinkte näher und ahmte mit den Fingernägeln das Knirschgeräusch nach.
Aber seine Finger waren (fast) zu steif, um die Käfigtür zu öffnen …
Oh. Die stehen Finger kamen erst viel später hinzu, hatte das mit dem Fingernägelnknirschen gar nicht mehr auf dem Schirm. Danke.
Es sind nun „fleisichige“ Finger.

Im Tierladen hatte ihm das Jungtier so gut gefallen
WW. Vielleicht „Zooladen"?
Auch wieder so ein Überarbeitungsfehler. Da abstand zunächst „der Junge Wellensittich“, aber das hatte zu einer anderen WW geführt :Pfeif:

Als sich das Braun an der Wachshaut des Schnabels durchsetzte
Gut, dass wir früher auch Wellensittiche hatten, sonst müsste ich das jetzt nachschlagen ...
Ja, das „braun“ passte so gut zum Text.

Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, als die schüchterne Brünette, die wie die Anderen kein Gepäck mit sich führte, an der Endstation aus dem Zug gestiegen war.
Und da dachte ich noch: Flüchtling oder so. Gut gemacht! Aber in der Sache natürlich unglaublich widerlich, was dann alles kommt.
Danke. Ja, das sollte sich vom vermutlich Harmlosen steigern bzw. verändern zu einer ganz schlimmen Sache ...

Unter anderen Umständen hätte Hans sie vielleicht geheiratet.
Fiel mir zuerst schwer zu glauben. Aber wenn Hans ähnliche Vorstellungen von Ehe wie von Liebe hat - warum nicht.
Ein kaputter Mann. hat es tatsächlich für Liebe gehalten. Dachte vielleicht wohl auch, er würde wegen seinen Narben und dem Bein keine andere Frau mehr bekommen.

Von wegen hart wie Kruppstahl. Sensibelsten.
Sensibelchen?
Nicht meine Schuld; ich schwöre! Im Originaltext ist das richtig. Und oben im Fenster für mich auch. Hat Wortkrieger eine eigene RS-Kontrolle? :Pfeif:

Süssmann. Jonathan. Jakob. Rebecca. Westlich des Jordans. Du hältst deine Leser aber nicht für völlig vernagelt, oder?
Im Ernst: mindestens zwei von den fünf Hinweisen sind entbehrlich, ich habe schon bei dem Kneipengespräch mit Jupp geschnallt, dass sein Chef Jude ist.
Habe da wohl mit zu vielen Zaunpfählen gewunken. Ist nun entschlackt.
Gut, dass es bei dir schon beim Kneipengespräch rüberkam („… die“).

Und waren Basecaps damals schon gängig?
Die Story ist Ende der 70er angesiedelt. Wikipedia sagt: „In Deutschland wurde die Baseballmütze erstmals in den 1970er Jahren unter Jugendlichen beliebt.“
Aber danke, dass du nachgehakt hast. :thumbsup:

Hier hatte Er an der Kasse gestanden.
"Er" mit großem E?
Okay, hier geht auch ein kleines kursives er. Zu der Sache mit „den Anderen“ komme ich später.

Ahmed verzog die Stirn. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“ Dann schaute er zu der Wohnungstür am Ende des Gangs, die gerade geöffnet wurde und hinter der eine lächelnde Frau im Kittel in den Flur schaute. „Ich komme sofort, Mama. Bringe nur noch den Müll für Herrn Schultz raus.“
Das Antiklischee ist ein bisschen dick aufgetragen. Aber vielleicht funktioniert es auch nur so mit einem Typen wie Hans?
Da hatte ich ja auch schon RinaWu geantwortet, dass er das extra macht, um nicht aufzufallen. Er ist soweit es geht äußerlich angepasst. Nur so konnte er die ganzen Jahre untertauchen. Könnte mir aber vorstellen, dass er sich anschließend in der Wohnung oben die Hände gewaschen hat.

Karl trat hinter einem Kinderwagen hervor
Das klingt, als hätte er sich dahinter versteckt. Aber so groß kann ein Kinderwagen wohl kaum sein, oder?
Das ist eine Stelle, wo ich ewig herumgebastelt habe. Erst sollte das Flurlicht ausgehen, damit Karl da quasi hinter dem Kinderwagen im Dunkeln steht. (Aber es ist ja früher Vormittag).
Dann fand ich es zu albern, dass er sich hinter dem Kinderwagen versteckt/beugt. Dann sollte er vor einer Wohnungstür stehen und so tun, als hätte er angeschellt und wartet aufs Öffnen usw.
Herausgekommen ist nach vielem Grübel aber trotzdem nichts Ganzes, wie du mir bestätigst.
Es ist nun:
Karl, der hinter einem Kinderwagen verharrt hatte, trat einen Schritt vor und starrte den Alten an. Da standen sie sich nun gegenüber, von Angesicht zu Angesicht.

Merkwürdig, dass noch keiner den Kinderwagen weiter angesprochen hatte.
Wie das Schicksal so spielt, ist es gerade der Kinderwagen der „Schwatten“, unter dem er auf der Treppe gefunden wurde, mit dem er zusammen die Treppen heruntergestürzt ist. Hat ja versucht, sich an dem Kinderwagen noch festzuhalten …

Die Stimme des ehemaligen KZ-Leiters hatte nichts an Schärfe verloren. ...
„Vielleicht hilft Ihnen das weiter, Lagerkommandant Hans Schultz!“

Eins von beiden ist unnötig.
„scharfe Stimme … KZ-Leiter“ finde ich schon wichtig. Das ist der Moment, wo Hans wieder ganz „der Alte“ ist, sich entlarvt.
„Lagerkommandant“ finde ich auch richtig, da Karl ihn dort mit dem Titel anspricht, wie er es im Krieg immer tun musste.

Der ist nicht mein Kumpel!“ Jupp sah Karl böse an.
Da gibt's aber feine Abstufungen unter den Altnazis: KZ-Kommandanten, SA-Leute, Holocaustleugner. Die wollen nicht in einen Topf geworfen werden ...
Ja, selbst in Friedenszeiten gibt es ja feine Abstufungen beim Bund. Wenn ich an meine Wehrpflichtzeit zurückdenke … :D
Ganz zu schweigen von den Pazifisten.

Der taube Münzen-Krüger hatte ihn öfter nach Hause begleitet.“
Jupp blickte kurz zum Spielautomaten herüber, der schon seit Tagen nicht mehr gelaufen war.

Die Bedeutung erschließt sich mir nicht. Was ist mit Krüger passiert? Hat das doch was damit zu tun, dass er das andere Gespräch verfolgt hatte?
Ja, er ist zunächst abgetaucht, bis die Sache durch ist (siehe auch oben).

Woher weißt du das alles?“
„Hallo! Ich bin Wirt!“

:D
Ja, fand ich auch gut. :lol:
Die Story hätte auch nicht in einem piekfeinen Restaurant spielen können. Vielleicht noch an einer Trinkhalle.

Einen Judenstern. Und Haare. Stell dir das Mal vor! Und so einen hab ich hier bedient.“
Oder will Jupp nur deshalb nichts mit Hans zu tun haben, weil der was mit einer Jüdin hatte? Ach du dickes Ei ...
Auch eine gute Interpretationsmöglichkeit

„Sag mal, du bist doch alleine, … einsamer Single. Du kannst Libsche haben.“
Aber hat man damals schon "Single" gesagt?
Gebe mich geschlagen, Holg.
Ist nun Junggeselle

ans ist nicht tot, oder? Karl und Jupp reden immer noch im Präsens von ihm, also lebt er wohl noch. Dann darf man ja gespannt sein, was noch passiert, wenn der wieder aus dem Krankenhaus kommt.
Ja …, er lebt noch …
Offenes Ende halt.

In dem Stoffbeutel hatte Karl alte Sülzekonserven aufbewahrt? Die ihm Hans damals immer als Belohnung gegeben hatte? Darüber habe ich lange nachdenken müssen und weiß immer noch nicht, ob ich richtig liege …
Ja, hatte den Beutel extra so beschrieben, dass er noch nach feuchter Erde riecht.
Als hätte er die Konserven, die er ja auf keinen Fall essen wollte, begraben und später, nach der Befreiung wieder ausgebuddelt.

So, nach der laaangen Liste sieht das jetzt vielleicht nach Gemecker aus, aber so ist es nicht gemeint. Denn wir machen uns ja immer dann die meiste Mühe, wenn die Geschichte es wert ist, gelle? Die hier ist es jedenfalls, die hat mich enorm gefesselt und zum Nachdenken gebracht.
Ich weiß das sehr zu schätzen, mein Bester.

Mit Gewinn gelesen!
Vielen lieben Dank nochmal.

Schönen Tag noch.

Liebe Grüße,
GoMusic


*** wird fortgesetzt ***

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej GoMusic,

"Verbrechen und Strafe" würde zweifelsohne ebenso gut passen und der Begegnung Täter-Opfer und meiner Meinung sogar besser. Obwohl dein Täter eher kein Gewissen zu haben scheint.

Hans was fassungslos, als kürzlich sogar Schwatte in seinem Haus einzogen, deren Blag die ganze Nacht durch flennte.

Was he? ;)

Als ihm im kleinen Spiegel Gram, Hass und Wut entgegenschlugen, fragte er sich, was die letzten Jahrzehnte aus ihm gemacht hatten.

Das hätte ich ihm bis dahin gar nicht zugetraut. So viel Selbstreflexion im Käfigspiegel.

Ich habe deine Geschichte mit den gleichen Gefühlen gelesen, die ich immer habe, wenn ich mich mit diesem Thema auseinandersetzen muss: Trauer und große Betroffenheit.
Leider hatte ich persönlich Schwierigkeiten, all diese ähnlichen Namen innerhalb der vielen Szenen zuzuordnen. Was aber sicherlich ein sehr persönliches Problem ist.

Danke für die Auseinandersetzung mit diesem Thema.

Freundlicher Gruß, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber GoMusic,

man muss deine Geschichte mindestens zweimal lesen, um sie zu verstehen. Ich bin noch nicht genau dahintergekommen, warum das so ist. Du springst natürlich von einer Szene zur anderen und das Gesamtbild erschließt sich dem Leser nur ganz langsam wie ein Puzzle. Das geht nicht so schnell wie bei einer linearen Handlung und ich war verwirrt. Nach dem dritten Lesen hatte ich es endlich raus:

Es geht um Hans, einen jetzt gebrechlichen Rentner, der früher KZ-Leiter war, und um Karl, der sein Gefreiter war und den Hans zum Sex gezwungen hat mit Libsche, einer gefangenen Jüdin, in die Hans verliebt war. Karl hat diese Situation nicht verwunden, ist unfähig zur Liebe und beschließt, als er hört, das Nazi-Verbrechen in zwei Monaten verjährt sein werden, Hans aufzusuchen und ihn zur Rede zu stellen.

Deine Geschichte ist eine Was-wäre-wenn-Geschichte. Du stellst an ihren Anfang die Möglichkeit, dass das Parlament der Bundesrepublik beschlossen hätte, die Verjährungsfrist für Mord und Völkermord bestehen zu lassen. Das hätte die Konsequenz gehabt, dass Menschen, die während des Dritten Reiches Verbrechen begangen haben, straffrei davongekommen wären. Das klingt als fiktive Ausgangssituation interessant und ich habe das als Leser erst einmal so hingenommen. Aber dann sind mir doch so meine Bedenken gekommen. Erst einmal halte ich es für fast undenkbar, dass irgendein Parlament der Bundesrepublik so hätte entscheiden können. Überleg nur einmal die Konsequenzen: 1979 (und das ist der Zeitpunkt der Debatte) liefen noch sehr viele Menschen frei herum, die in den Konzentrationslagern Menschen direkt oder indirekt umgebracht haben, viele Verantwortliche waren noch gar nicht gefasst worden. Nein, das hätte kein deutsches Parlament verantwortet, und auch das Ausland hätte mit großem Protest reagiert.

Aber es ist deine Geschichte und deine Fiktion.

Bei der Gestalt des Hans schien es mir so, dass dir da Amon Göth aus ‚Schindlers Liste’ als Vorlage gedient haben könnte. Göth, der „Schlächter von Plaszow“ wird in einer Zusammenfassung des Films so charakterisiert:

- Mord und Totschlag in ihrem grauenvollsten Ausmaß. Aus diesem Grund lässt er auch immer wieder unschuldige Menschen per Genickschuss mitten auf den Straßen hinrichten.
Du schreibst:
… oder wurden, wenn er Lust danach verspürte, auch schon Mal fast totgeprügelt. Oder der Einfachheit halber erschossen, wenn sein …

Auch Göths ambivalente Liebe zu seiner jüdischen Haushälterin scheint mir sehr nah an der Darstellung der Beziehung Hans-Libsche zu sein. Natürlich kann das Zufall sein, aber mir ging das beim Lesen so durch den Kopf.

Dein Erzählstil gefällt mir viel besser als früher, da finde ich nicht viel zu bekritteln. Aber das, was du erzählst, ist mir insgesamt zu verschachtelt, zu sprunghaft. Ich musste wirklich immer wieder innehalten und überlegen, wie sich die Dinge zueinander verhielten. Wenn das nicht nur mir so geht, so solltest du vielleicht überlegen, wie du deine ganze Geschichte ein wenig linearer hinbekommst.

Bei der Charakteristik der beiden Protagonisten bin ich mir nicht sicher, ob sie in sich schlüssig gezeichnet sind: Mir fällt es schwer, mir den Hans vorzustellen: Einerseits kenne ich ja am Ende seine brutale Vorgeschichte, andererseits gibt es aber auch so Stellen wie diese:

„Komm, Libsche. Komm, meine Liebste“, hatte Hans ihr damals immer zugeflüstert und sie an die Hand genommen. Das Waffenholster gab er dann immer dem jungen Gefreiten, damit sich die Kleine nicht daran verletzen konnte.

Aber vielleicht möchtest du ihn ja auch so ambivalent darstellen. Ich kann mir eine Person, die so sensibel darauf achtet, dass sich die Frau nicht verletzt, gleichzeitig diese aber auch schlägt und zum Sex zwingt, und die, nur weil ihr ein Bein schmerzt, wahllos Menschen erschießt, nicht vorstellen. Außer sie ist so krank wie Amon Göth in ‚Schindlers Liste’.

Und auch bei Karl bleiben mir eine ganze Menge Fragen. Was willst du mit der Szene in der Kneipe? Ich verstehe ihren Sinn nicht. Das Hin und Her endet damit, dass Jupp sagt, dass er an den Holocaust nicht glaubt. Vorher geht es um Karls Chef und um ‚die’. Es handelt sich wohl um eine jüdische Familie:

Süssmann. Wie kann ich Ihnen helfen?“
„Guten Morgen, Jonathan. Ich bin’s, Karl. Tut mir leid. Ich … muss wohl was Falsches gegessen haben. Mir geht es nicht gut.“
„Du Armer. Ich sag Jakob Bescheid, dass er deine wichtigen Termine wahrnimmt. Ruhe dich aus und werde wieder gesund. Soll ich Rebecca vorbei schicken (vorbeischicken), Karl? Sie macht die beste Hühnersuppe westlich des Jordans.“
„Ist schon gut, danke. Morgen komme ich wieder.“

Keine Ahnung, was du damit bezwecken willst. Arbeitet Karl jetzt bei einer jüdischen Familie? Und welche Bedeutung hat das für die Geschichte?

Und außerdem: Wenn ich deine Prämisse richtig verstehe, so spielt deine Geschichte um 1979. In diese Zeit passt die Ausländerproblematik ('Schwatten') nicht hinein, kommt mir wie ein Anachronismus vor.

Mein Fazit:
Ich tue mich schwer mit den einzelnen Elementen deiner Geschichte. Es gibt mMn zu viele Nebensächlichkeiten, die ich nicht in ein stimmiges Ganzes einordnen kann, die mich verwirren und von der eigentlichen Handlung ablenken. Das fängt an mit dem alten Krüger (Was soll er in der Geschichte?), führt weiter über Ahmed und die Kanacken und Schwatten’ und endet bei der jüdischen Familie von Karls Chefs. Ich finde, da hast du einfach zu viel an Problematik reingepackt, vielleicht einfach zu viel gewollt.

Sprachlich und stilistisch hast du dich unbedingt verbessert, das liest sich alles sehr gut und hält den Leser bei der Stange.

Schnell noch zur Rechtschreibung: Ich habe jetzt nicht markiert, aber es gibt ein paar Probleme mit der Zusammenschreibung von Verben. Und auch ich finde dieses Großschreiben der ‚Anderen’ nicht ganz nachvollziehbar, obwohl ich es nicht als Fehler bezeichnen würde.

Liebe Grüße
barnhelm

Ps:
Heute in Spiegel Online: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/nazi-jaeger-finden-mutmassliche-ns-verbrecher-a-1106771.html

 

Hallo GoMusic,

ich muss ganz ehrlich gestehen, dass ich Schwierigkeiten damit habe, eine Geschichte mit dieser Thematik erzähltechnisch zu bewerten.

Zunächst zum Inhalt.
Hier erfahre ich nichts Neues. Dass es Unbelehrbare, an ihren Vorurteilen klebende Altnazis gibt, weiß wahrscheinlich jeder. Die beklemmende Mischung von Grausamkeit, Sentimentalität und fehlendem Unrechtsbewusstsein ist auch gut dokumentiert. Vielleicht gibt es noch Leute, die hier betroffen reagieren. Wen hast du dir denn als Leser gewünscht? Junge Leute oder Zeitzeugen, abgebrühte Achselzucker oder Totalleugner? Vielleicht wäre es gut gewesen, den Bezug zur Gegenwart deutlicher zu machen, z. B. an der Ambivalenz deines Prots seinen Hausbewohnern gegenüber.

Was den Aufbau der Geschichte angeht, hatte ich ähnliche Schwierigkeiten wie barnhelm.
Zu viele unnötige Querverweise, damit ja kein Missverständnis entsteht. Der Bezug auf einen fiktiven Bundestagbeschluss über Verjährung als Erklärung für Karls Racheakt kommt mir sehr künstlich vor. Vielleicht könntest du doch einen Auslöser in seinem persönlichen Umfeld finden, z. B. eine Krankheit, die ihm nicht mehr viel Zeit lässt ...

Lieber GoMusic, im Grunde finde ich es sehr verdienstvoll, dass du dich dieser Thematik annimmst. Es ist halt keine, die der Unterhaltung dient.
An meinem persönlichen Interesse musst du nicht zweifeln.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo GoMusic,

noch mal kurz:

Ahmed verzog die Stirn. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“ Dann schaute er zu der Wohnungstür am Ende des Gangs, die gerade geöffnet wurde und hinter der eine lächelnde Frau im Kittel in den Flur schaute. „Ich komme sofort, Mama. Bringe nur noch den Müll für Herrn Schultz raus.“
Das Antiklischee ist ein bisschen dick aufgetragen. Aber vielleicht funktioniert es auch nur so mit einem Typen wie Hans?
Da hatte ich ja auch schon @RinaWu geantwortet, dass er das extra macht, um nicht aufzufallen. Er ist soweit es geht äußerlich angepasst. Nur so konnte er die ganzen Jahre untertauchen. Könnte mir aber vorstellen, dass er sich anschließend in der Wohnung oben die Hände gewaschen hat.

Da habe ich wohl meinen Komm etwas missverständlich formuliert. Ich meinte, dass die türkische (?) Familie etwas zu sehr als Vorzeigeausländer dargestellt ist, fast deutscher als die Deutschen.

Der unterstrichene Satz war unklar; was ich ausdrücken wollte, war: Vielleicht würde Hans tatsächlich nur bei so einer super-vorbildhaften Ausländerfamilie freundlich zu dem Kleinen sein?

Grüße vom Holg ...

 

Liebe Ella Fitz,

habe mich gefreut, dass du meine Geschichte gelesen und kommentiert hast. :)

wow, das nenne ich eine Geschichte mit Inhalt. Die habe ich verschlungen. Sprache, Dramaturgie und Figuren passen für mich soweit. Insbesondere bewundere ich die dezente Art, mit der du das Grauen andeutest und es damit noch bedrückender machst.
Danke für dieses Lob. :thumbsup:

Und der Schlusssatz ist klasse.
Ich liebe solche Schlusssätze bzw. Geschichten, wo sich entweder der Titel wiederholt (wie bei „Der Fall der Fälle“) oder ein markanter Satz, der plötzlich eine ganz dramatische Bedeutung bekommt.

(…) die Nazimorde wären zwei Monate später verjährt. Karl hätte also schon bei der ersten Begegnung mit Schultz wissen können, dass er sich beeilen muss mit der Rache. Beim zweiten Überlegen kann ich mir aber schon vorstellen, dass der Mann das nicht so parat hatte und ihn erst die Radionachricht daran erinnert hat.
Ja, genau so war das gedacht. Er war zu überrascht, Hans nach etwa 30 Jahren als „Normalo“ gesehen zu haben.
Seine bösen Erinnerungen kamen wieder hoch, und als dann der Beschluss kam, fasste er seinen Entschluss. Dann musste er sich beeilen.

Aber selbst wenn sie im Radio das tatsächliche Ergebnis verkündet hätten, hätte er dann einfach die Schultern gezuckt und sich gedacht: "Dann hab ich ja noch Zeit."? Denn wenn er ihn sowieso nicht anzeigen will (weil er als Mittäter gelten würde), sondern zur Selbstjustiz greift, wieso juckt ihn dann die Verjährung? Oder hat er gehofft, durch den "Unfall" würde man Schultz' wahre Identität auf die Schliche kommen?
Karl war unsicher, was er machen sollte. Der "Unfall" kam ihn gerade Recht. Er musste nur schnell unerkannt verschwinden und hoffen, dass der Alte das womöglich nicht überlebt.
Dass sich Hans im Krankenhaus fast selber verplappert hatte (weil er auch endlich das Bein amputiert haben und damit wohl auch alle Schuld von sich ablegen wollte), und die Zigarrenkiste gefunden wurde, spielte ihn in die Karten.

Es ist auf jeden Fall eine spannende Geschichte, die zum Nachdenken anregt.
Freut mich :shy:

„Ist schon gut, Libsche. Brauchst keine Angst haben“, säuselte er, als er aus dem Innenhof ein Kreischen vernahm.
Soll sie vor dem Knall der Dose auf dem Tisch keine Angst haben oder vor dem Kreischen aus dem Innenhof?
Schön, dass du das ansprichst.
Einerseits poltert er selber herum, andererseits macht er sich Sorgen, dass sie sich wegen des Kreischens erschrecken könnte. Er darf Krach machen, das ist ihm egal, wenn es aber die ausländischen Kinder draußen sind, ist es natürlich was anderes, das nicht sein darf, das will er seiner Libsche nicht antun.

Ich finde, dass es "seit er erfahren hatte, dass das Schwein bei der SA gewesen war" heißen müsste. Denn Krüger wird ja wohl zur Erzählzeit nicht mehr bei der SA sein.
Hier lockst du den Leser einfach auf eine falsche Fährte, denn man könnte es auch so verstehen, dass Hans zwar Soldat war, meinetwegen Patriot, aber Nazis trotzdem verachtete. Überhaupt machst du das ganz clever mit der falschen Fährte, weil es dann, wenn es dämmert, dann besonders schockierend ist. :thumpsup:
Wobei ich nicht ganz verstanden habe, wozu es den Krüger denn nun tatsächlich braucht.
Habe Zeitfehler korrigiert, danke.
Das mit der falschen Fährte bzw., dass es noch schockierender wird, ist das, was das bezwecken sollte. Gut, dass du das hier thematisierst.

Krüger ist zum Einen für die falsche Fährte da, zum Anderen aber auch als eine Hassperson für Hans (SA-Schwein schlimmer als KZ-Kommandant) und auch als eine weitere Person, die irgendwie ganz tief mit drin steckt - er verschwindet ja spurlos.
Wenn man das weiterspinnt, stellt sich eigentlich auch die Frage, ob Jupp, der Wirt, auch etwas zu verbergen hat. (Ganz sauber ist er ja nicht im wahrsten Sinne des Wortes. Das Spülwasser hat passenderweise auch noch braune Flecken auf seiner Schürze verursacht :-)
Alles nur Andeutungen, die auch zum Nachdenken anregen sollten.

„Was hast du gegen meinen Chef?“ Seine Worte kamen ein wenig barscher und härter über seine Lippen. „Hast du Probleme mit ihm oder seiner Familie? Spuck’s aus!“
Das zieht er alles aus Jupps doch recht harmlosen Frage: "Vielleicht sogar bei euch in der Firma?"? Wirkt ein bisschen aufgesetzt.
Jupp macht sich darüber lustig, dass Karl in einer von Juden geführten Firma arbeitet.

Hans hatte sich noch später beim Stammtisch darüber lustig gemacht, dass sich die Mimose so geziert hatte und ihn erst die geladene Knarre vor seinem Schädel Manneskraft verlieh.
Das funktioniert? Erektion aus Todesangst?
Wie oder was genau Hans da im Detail beobachtet hatte, weiß man nicht.
Auf jeden Fall war diese Sache neben der regelmäßigen Vergewaltigung (Karl bekam ja nur ab und zu eine Konserve und am Ende hatte er Dutzende aufbewahrt) für Karl der Grund, warum er nie „eine Familie hatte“, wie er sagt.

Die kleine Libsche war immer genau so aufgeregt wie er, als Hans sie in die Baracke begleitete, in der frische Bettwäsche, Schweinesülze und französischer Rotwein für die Offiziere gelagert wurden.
Müsste es nicht "wenn Hans sie in die Baracke begleitete" heißen? Oder das "immer" ist zuviel. Und wer ist hier "er"? Karl?
Stimmt, habe es korrigiert in:
Die kleine Libsche war immer genau so aufgeregt wie Hans, wenn er sie in die Baracke begleitete,

„Süssmann. Wie kann ich Ihnen helfen?“
Ja, ich stimme Holg zu: dass er nicht auch noch jiddelt und meschugge und Mazzeltov sagt ist alles. Zu dick aufgetragen. Süssmann alleine würde schon reichen.
Okay. Ist gestrichen.
(Aber sprach Holg nicht davon, dass im Telefonat zu viele jüdische Hinweise aufkamen …? Die waren übrigens schon entfernt.)

Wie alt war Hans denn während des Krieges? Es geht doch um die letzte Verjährungsdebatte 1979, also 40 Jahre nach Ausbruch des Krieges, bei dem Hans wohl von Anfang an dabei war. Wenn er aber '39 erst in seinen Zwanzigern war, dann wäre er zum Zeitpunkt der Geschichte in den Sechzigern, und damit doch noch nicht alt und gebrechlich. Es wurden natürlich schon zu Kriegsbeginn auch Ältere einberufen, aber die hatten dann doch irgendein Leben vor dem Krieg, das vielleicht durchschimmern müsste in der Geschichte. Zumindest dürfte Libsche dann nicht die erste große Liebe gewesen sein.
Ja, die Story spielt 1979.
Hans war nicht mehr jung, er hatte halt 1939 in seinem mittleren Alter noch keine Beziehung gehabt. So etwas soll es ja geben. Vielleicht hat ihn schon der Erste Weltkrieg kaputt/krank gemacht/traumatisiert.
Ich hatte ihn mir als etwa Mitte/Ende siebzig vorgestellt.

Deine Idee ist gut, das Leben vor dem Krieg durchschimmern zu lassen.
Eine kleine Andeutung ist ja schon drin:
Jungs aus dem Pott waren gute Jungs. Kinder aus Bergmannsfamilien, Kinder von Kruppianern. Hart wie Stahl. Wie er einst. Vor der Granate.

Das könntenich sicher noch ausbauen.
Ich mache mir dazu Gedanken. Danke für die Anregung. :)

Er hatte einen kranken Alten mit Krückstock …
"einem kranken Alten“
Jetzt merke ich, dass du nicht die aktuelle Version von 13:23 h gelesen bzw. zum Kommentieren herangezogen hast. Ist nicht schlimm :shy:

Er war nochmals um Jahre gealtert.
Warum? Die Begegnung in der Apotheke war doch nur Tage her. Und unter der Last der Schuld scheint Schultz doch nicht groß zu leiden.
Hans kam ihm beim zweiten Mal noch hilfloser vor (der Junge brachte seinen Müll weg; Hans quälte sich am Geländer die Stufen hoch) und somit auch älter. Das war sein Eindruck. Letztendlich hat er Karl „nur“ die Konserven an den Körper gestossen, vielleicht hatte er viel mehr vorgehabt (und halbes aus "Mitleid" sein lassen ...?)

Also mich beeindruckt es schwer, dass es immer noch möglich ist, neue Geschichten über diese alte Zeit zu schreiben. Ich dachte, ich hätte da schon alles gelesen. Gerne mehr.
Danke für diese schönen Schlusssätze. Habe mich sehr gefreut.

Schönen Abend noch und liebe Grüße,
GoMusic

Hallo ernst offshore, barnhelm, Holg,

danke, dass ihr die Dudenregel herausgesucht und mir die Hinweise gegeben habt. :thumbsup:
Habe das gar nicht vorher geprüft, sondern "aus dem Bauch heraus" geschrieben, obwohl ich so etwas schon Mal irgendwo gelesen hatte. Weiß nur nicht mehr, wo genau.

Ja, diese große Schreibweise („die Anderen“) mag zulässig ein, aber wie ich gesehen habe, wird sie wohl eher bei philosophischen Texten etc. verwendet.
Könnte mir auch vorstellen, das bei Tagebucheinträgen, Briefen und überall dort einzusetzen, wo der Prota bewusst diese Schreibweise wählt bzw. niederschreibt.
Bei meinem Prota ist das nicht so. Wie sollte er steuern können, dass der Autor weiß, dass er es groß geschrieben haben möchte ... ;)

Habe nun „die Anderen“ klein geschrieben, aber beim ersten Aufkommen noch kursiv, um das herauszustellen.

Danke für eure Bemühungen.

Liebe Grüße,
GoMusic


*** wird fortgesetzt ***

 

Liebe barnhelm,

habe mich gefreut, dass du reingeschaut hast. :)

man muss deine Geschichte mindestens zweimal lesen, um sie zu verstehen. Ich bin noch nicht genau dahintergekommen, warum das so ist. Du springst natürlich von einer Szene zur anderen und das Gesamtbild erschließt sich dem Leser nur ganz langsam wie ein Puzzle. Das geht nicht so schnell wie bei einer linearen Handlung und ich war verwirrt. Nach dem dritten Lesen hatte ich es endlich raus:
Ich schreibe meine Geschichten oft in kleinen, szenischen Happen, da ich sie immer wie im Film vor mir habe, wo das ja auch Gang und Gäbe ist.
Aber schön, dass du sie mehrmals gelesen hast, das bedeutet ja, dass du sehr interessiert warst und wissen wolltest,wie sie ausging. Auch schon Mal gut ;)

Deine kurze Reflexion/Inhaltsangabe ist richtig.

Das hätte die Konsequenz gehabt, dass Menschen, die während des Dritten Reiches Verbrechen begangen haben, straffrei davongekommen wären. Das klingt als fiktive Ausgangssituation interessant und ich habe das als Leser erst einmal so hingenommen. Aber dann sind mir doch so meine Bedenken gekommen. Erst einmal halte ich es für fast undenkbar, dass irgendein Parlament der Bundesrepublik so hätte entscheiden können. Überleg nur einmal die Konsequenzen: 1979 (und das ist der Zeitpunkt der Debatte) liefen noch sehr viele Menschen frei herum, die in den Konzentrationslagern Menschen direkt oder indirekt umgebracht haben, viele Verantwortliche waren noch gar nicht gefasst worden. Nein, das hätte kein deutsches Parlament verantwortet, und auch das Ausland hätte mit großem Protest reagiert.
Du hast vollkommen Recht. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Regierung das jemals zugelassen hätte. Gut, dass es anders gekommen ist.

Aber ich war so vertieft in die Idee, dieses eigentlich Unmögliche als Annahme bzw. Ausgangspunkt zu nehmen und daraus eine Geschichte zu schreiben. Ich habe mal gehört, dass Andreas Eschbach mehrere Bücher geschrieben haben soll, wo bestimmte, bekannte Ereignisse anders ausgegangen sind als in der Wirklichkeit und der Verlauf der Geschichte sich entsprechend geändert hat.

Bei der Gestalt des Hans schien es mir so, dass dir da Amon Göth aus ‚Schindlers Liste’ als Vorlage gedient haben könnte.
Auch Göths ambivalente Liebe zu seiner jüdischen Haushälterin scheint mir sehr nah an der Darstellung der Beziehung Hans-Libsche zu sein. Natürlich kann das Zufall sein, aber mir ging das beim Lesen so durch den Kopf.
Ist Zufall. Ich habe den Film noch nicht gesehen.

Dein Erzählstil gefällt mir viel besser als früher, da finde ich nicht viel zu bekritteln.
Das ist schon Mal gut. Danke dafür. :thumbsup:

Aber das, was du erzählst, ist mir insgesamt zu verschachtelt, zu sprunghaft. Ich musste wirklich immer wieder innehalten und überlegen, wie sich die Dinge zueinander verhielten. Wenn das nicht nur mir so geht, so solltest du vielleicht überlegen, wie du deine ganze Geschichte ein wenig linearer hinbekommst.
Du warst die erste, aber wieselmaus sagt später ja Ähnliches. Dennoch denke ich, den szenischen Aufbau zu behalten.
Es ist ja nichts anderes, als eine Person kurz einzuführen, evtl. ein Geheimnis anzudeuten, was sie innehat und zum Weiterlesen zu animieren.
Dann kommt eine neue Person mit ihren Gefühlen, Gedanken etc. und am Ende treffen diese beiden Personen zusammen und man erkennt erst dann den Zusammenhang, welche Rolle die beiden zwischenmenschlich spielen und warum sie zuvor wie interagiert haben.

Klar würde das in einer linearen Schreibweise auch funktionieren. Dann wüsste man aber schon direkt am Anfang, dass Hans eine Jüdin vergewaltigt, viele Menschen getötet hat und hätte sofort beim Lesen in einem Rutsch ein vollständiges Bild über die Figur. Das gerade wollte ich aber nicht. Ich wollte vielmehr, dass der Leser nachdenkt, spekuliert, was die Figur getan hat und sich erst nach und nach alles Grauen offenbart.

Schnell noch zur Rechtschreibung: Ich habe jetzt nicht markiert, aber es gibt ein paar Probleme mit der Zusammenschreibung von Verben. Und auch ich finde dieses Großschreiben der ‚Anderen’ nicht ganz nachvollziehbar, obwohl ich es nicht als Fehler bezeichnen würde.
Zusammenschreibende Verben schaue ich mir nochmal an. Danke für den Hinweis.
Bei der Großschreibung „der Anderen“ habe ich schon eine Lösung gefunden, damit das nicht immer als falsch angesehen wird. (Siehe Kommentar weiter oben.)

Danke auch für den Link zum Artikel. Das sind übrigens so Artikel, die ich mir gerne ausdrucke, um vielleicht mal später eine Story daraus zu basteln. Bei meiner „Ananasrenetten“-Story war auch ein Zeitungsartikel über Fahrerflucht der Auslöser. :hmm:

Vielen lieben Dank für deine Zeit und deinen wertvollen Kommentar.

Wünsche dir auch noch einen schönen Tag.
Liebe Grüße,
GoMusic

Liebe wieselmaus,

dir auch vielen Dank für deinen Kommentar. :)

Zunächst zum Inhalt.
Hier erfahre ich nichts Neues. Dass es Unbelehrbare, an ihren Vorurteilen klebende Altnazis gibt, weiß wahrscheinlich jeder. Die beklemmende Mischung von Grausamkeit, Sentimentalität und fehlendem Unrechtsbewusstsein ist auch gut dokumentiert.
Ja, Neues zu erfinden ist schwierig, habe aber versucht, vieles neu zusammenzumischen.

Vielleicht gibt es noch Leute, die hier betroffen reagieren. Wen hast du dir denn als Leser gewünscht? Junge Leute oder Zeitzeugen, abgebrühte Achselzucker oder Totalleugner?
Ich finde es bei längeren Projekten/Romane wichtig, sich die Zielgruppe zu überlegen, denn ansonsten legt der enttäuschte Leser das Buch zur Seite. Bei Kurzgeschichten bzw. KG-Anthologien sehe ich es etwas anders. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mir hier bei dieser KG darüber gar keine genauen Gedanken gemacht, ob junge Leute, Zeitzeugen, Leugner etc.
Die Kurzgeschichte habe ich unter „Alltag, Gesellschaft, Spannung“ eingeordnet, was ja auch (Zeit)Geschichte beinhaltet und alle daran Interessierte ansprechen sollte.

Vielleicht wäre es gut gewesen, den Bezug zur Gegenwart deutlicher zu machen, z. B. an der Ambivalenz deines Prots seinen Hausbewohnern gegenüber.
Das ist ein sehr guter Hinweis. Ich denke darüber nach, dies stärker einzubauen, genauso wie Hans` Leben vor dem Krieg, wie das Ella Fitz schon gesagt hat.
Da sind insgesamt noch zwei, drei Sachen die ich verstärken könnte und auf die ich ohne die Hinweise euch Wortkrieger nicht ohne weiteres gekommen wäre :thumbsup:

Was den Aufbau der Geschichte angeht, hatte ich ähnliche Schwierigkeiten wie barnhelm.
Danke für deine Meinung. Momentan sieht es aber so aus, dass ich es auch nach einer größeren Überarbeitung wohl in unterschiedliche parallel Szenen belassen werde. Aber man weiß ja nie …

Der Bezug auf einen fiktiven Bundestagbeschluss über Verjährung als Erklärung für Karls Racheakt kommt mir sehr künstlich vor. Vielleicht könntest du doch einen Auslöser in seinem persönlichen Umfeld finden, z. B. eine Krankheit, die ihm nicht mehr viel Zeit lässt …
Ist auch eine gute Idee, dann müsste ich die Story aber komplett oder in großen Teilen umschreiben.
Ich überlege sogar noch, weitere Geschichten zu schreiben, wo ein bekanntes (Welt-)Ereignis ganz anders ausging … (Siehe sich oben die Antwort an barnhelm).

Lieber GoMusic, im Grunde finde ich es sehr verdienstvoll, dass du dich dieser Thematik annimmst. Es ist halt keine, die der Unterhaltung dient.
Danke dafür.
Nein, Unterhaltung weniger, eher Nachdenken. Und das scheint die Geschichte ja erreicht zu haben.

An meinem persönlichen Interesse musst du nicht zweifeln.
Natürlich nicht.

Liebe wieselmaus, ich danke dir.

Schönen Tag noch und liebe Grüße,
GoMusic


Lieber Holg,

danke schon mal für deine weitere Rückmeldung.
Habe jetzt verstanden, was du gemeint hast.

Die Idee gefällt mir. Ich mache mir dazu Gedanken. Zu klischeehaft soll der Text ja schließlich nicht sein. Da sind schon zu viele drin.

Melde mich später. Und vorher schaue ich mir erstmal dein „tödliches Hobby“ an. ;)

Liebe Grüße,
GoMusic

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo nochmal GoMusic,

um deine Frage fix zu beantworten: Leider finde ich die Szene in der Kneipe noch immer ziemlich verwirrend. Auch das Telefonat, das darauf folgt - also das zwischen Karl und seinem Chef. Da schließe ich mich barnhelm an und frage: Welche Sinn haben diese Szenen für die Geschichte an sich? Und Jupp verwirrt mich nach wie vor. Seine Rolle kann ich so gar nicht einordnen und ist (für mich persönlich!) keine wichtige Figur.

In einem deiner Kommentare über Hans schreibst du: "Könnte mir aber vorstellen, dass er sich anschließend in der Wohnung oben die Hände gewaschen hat." Beschreib das! Unbedingt! Und wenn du ihn nur an Seife denken lässt. Das würde sein Wesen so treffend beschreiben!

Aber wie gesagt, bis auf die kleinen Holpersteine eine gute Geschichte!
Liebe Grüße
RinaWu

 

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