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Schmerz

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Schmerz

FAZ 15.09.2035
Nach Verabschiedung der 3. Gesundheitsreform mehren sich Stimmen in der Bevölkerung, die sich nicht mehr in Deutschland operieren lassen wollen.
Bevorzugtes OP-Reiseland ist Prag.
Kritische Stimmen warnen jedoch vor allzu kostengünstigen Angeboten.

Henry lag ausgestreckt auf dem Tisch, die Arme am Körper anliegend und nur mit einer grünen Leinendecke bedeckt. Jemand sprach zu ihm, während er sich an der komplizierten Apparatur zu schaffen machte. Er verstand ihn zwar –akkustisch - konnte den Worten aber keinen Sinn zuordnen. Er starrte die weiße Decke an und hoffte, daß er bald einschlafen würde. Eine rundliche Frau mit energischem Blick hantierte an einer Spritze herum. Sie kam auf ihn zu, sprach noch etwas beruhigendes zu ihm, während der Zeigefinger gegen die Venüle schnippte. Dann stieß sie ihm die dünne Nadel in den Handrücken und drückte ihm das in der Spritze befindliche Anästhesiemittel in seine Venen.
Henry spürte zunächst nichts. Doch wenige Augenblicke später entfaltete sich die Wirkung der Droge und eine schwarze Wolke benebelte sein Hirn.
"Ich denke wir können losmetzgern", krächzte sie, während sie auf Henrys Oberschenkel klopfte.
"Der Patient schläft also??....Gut!". Mit einigen Mühen quälte der Doktor seine Hände in ein paar Gummihandschuhen. Anschließend besprühte er diese mit einem Desinfektionsmittel.
"Na dann wollen wir mal!" Er rieb sich die Hände, während Schwester Anne den nackten Körper Henrys freilegte, indem sie das Leinentuch beiseite schob.

Henry befand sich indes in einem tiefen Schlaf in dem er von abstruden Dingen träumte.
Er träumte unter anderem davon, wie er auf einem Tisch lag und eine Decke anstarrte.
Seltsam! Wo er sich doch auch auf einem solchen befand.
Ihm gefiel dieser Traum nicht. Er wollte etwas anderes träumen. Etwas schönes. Ein Strand mit wunderschönen Badenixen oder etwas ähnliches. Er konzentrierte sich darauf. Aber sein Blick war weiterhin auf einer weißen Decke fixiert. Er vernahm Stimmen, die sich unterhielten. Irgendetwas stimmte nicht.

Der Doktor beugte sich über den Körper und betrachtete die Stelle die er operieren wollte, wobei er eine schwenkbare Lampe solange bewegte, bis er befand, daß sie gut platziert sei.
"Anne! Kommen Sie mal her! Schauen Sie sich das einmal an." Er deutete auf den Schamhaarbewuchs in der Nähe des Operationseinstiegs.
"Na, sieh mal einer an...", sie kratzte sich am Kinn "das ist ja mal ein Winzling. Vielleicht sollte man ihn ein wenig aufrichten.!" Sie befingerte ihn.
"Hören Sie sofort auf mit dem Unsinn und rasieren sie endlich. Wir haben noch zwei weitere OP´s heute morgen."
"Sind wir aber heute schlecht gelaunt." Mißmutig ergriff Schwester Anne das Rasiermesser und begann schmollend die Haare rund um den Operationseinstieg zu rasieren.

Henry erschrak. Nicht nur, daß er jedes dieser Worte erfassen und verstehen konnte, er hatte es gespürt, wie Schwester Anne seinen Penis befingerte. Selbst das Zwicken beim rasieren, wenn einzelne Härchen hakten, konnte er spüren. Ihm überkam ein Ekelgefühl. So eine Mist! Dachte er sich. Jetzt schlägt die Betäubung nicht richtig an und wir müssen nochmal von vorne anfangen.
Er wollte seinen Kopf heben um bescheid zu sagen. Doch es ging nicht. Er schaffte es nicht den Kopf auch nur einen Millimeter zu bewegen. Unglaublich. Dachte er. Dann werde ich es halt nur sagen. Er spürte, wie seine Gesichtsmuskulatur schlaff herabhing, dennoch glaubte er, es schaffen zu können, einen Hilferuf oder etwas ähnliches zu artikulieren. Doch es mißlang.
Er lag auf diesem OP-Tisch, spürte jede Berührung auf seiner Haut, aber konnte nicht eigenständig irgendwelche Bewegungen ausführen.

"Na bitte..Es geht doch". Abermals beugte sich der Doktor über den Körper und betrachtete ihn eingehend. Diesmal hatte er sich schon mit einem scharfen Skalpell bewaffnet.
"Entschuldigung" Schwester Anne sah ihn hilfesuchend an. "Schauen Sie sich das mal an!" Sie deutete auf einen der komplizierten Geräte, die die Blutkreisläufe Henrys maßen.
"Das ist doch nicht möglich, oder?" Ihre Stimme klang verzweifelt.
"Diese verdammten Billiggeräte aus Rußland. Natürlich ist das nicht möglich. Wenn das hier stimmen würde, dann wäre der Patient bei vollem Bewußtsein." Er ging zu Henrys Kopf und starrte ihm in die Augen.
Gleich würde der Doktor feststellen, daß er noch bei Bewußtsein war, dachte Henry. Der Doktor packte seine Nase und drückte feste zu. "Sehen Sie. Der rührt sich überhaupt nicht. Der schläft. Machen Sie sich keine Sorgen und vor allen Dingen schalten sie dieses verdammte Gerät ab. Das macht mich noch ganz verrückt."

Das war doch nicht sein Ernst?! Henry hatte gespürt, wie der Doktor ihm die Nase gepackt hatte und es schmerzte höllisch. Aber war das etwa alles??! Sah so seine Art von Untersuchung aus? Und was bedeutete das: Schalten sie das Gerät ab?! An diesem Gerät hing er.
Er versuchte nocheinmal mit aller Konzentration die er aufbringen konnte, zu schreien. Stattdessen blieb es bei der Erkenntnis, daß er sich nicht regen konnte.
Selbst als er diesen Schmerz gespürt hatte, als er ihm die Nase zudrückte, konnte er nicht schreien.
Allmählich formte sich in ihm ein grausamer Gedanke. Wie würde es wohl sein, wenn der Doktor ihn aufschneiden würde. Oh mein Gott!

Abermals war der Doktor über den Körper gebeugt, bewaffnet mit einem Skalpell und entschlossen sich diesmal nicht ablenken zu lassen.
In seiner langjährigen Erfahrung hatte er bestimmt schon tausende Körper operiert und bestimmt schon mehrere hundert mit einer solchen Blinddarmentzündung. Es stellte kein Problem für ihn da. Er wußte was zu tun ist. Auf solche Geräte konnte er mittlerweile verzichten. Insbesondere dieses Gerät hatte nur unterstützende Funktionen.
Einfach das Messer in den Körper eintauchen und durchziehen, möglichst ohne die Hauptvenen zu treffen.

Schmerz. Wie soll man etwas beschreiben, was Henry in dem Moment erlitt. Schmerz. Nicht dieser gewöhnliche Schmerz, den man kennt, wenn man sich verbrennt oder wenn man eine Faust ins Gesicht bekommt. Es war eher der Schmerz, den man empfindet, wenn bei einem Fußballspiel elfmeter gegeben wird und der Star der Mannschaft – ein zweimeter Hüne mit einem derart harten Schuß, daß er Wände zum Einsturz bringen könnte, Anlauf nimmt, alles reingibt, was er an Können und Kraft hat und du zwei Meter entfernt stehst, nichtsahnend was auf dich zukommt,beide Arme winkend in den Himmel gestreckt, damit deine Liebste dich im Fernseher sieht und dir der Ball, den er voll abzieht, deine Eier zermanscht. Du sinkst zusammen und kannst kaum atmen oder sprechen vor lauter Schmerz.
Henry glaubte er müsse sterben. Er war nicht besonders wehleidig, aber jetzt wünschte er sich nichts so sehr, wie daß er bei seiner Mama sein könnte.
Aufhören! bettelte und flehte er inständig. Bitte aufhören. Das tut so weh.

Blut bespritzte den weißen Kittel des Doktors und schnell bildete sich eine kleine Lache auf dem Bauch Henrys. Schwester Anne tupfte so gut sie konnte mit einem sterilen Tuch um die Wunde herum.
Für einen Moment lang dachte sie, der Patient hätte sich gerührt. Sie hatte geglaubt gesehen zu haben, wie sich ein Finger des Patienten gekrümmt hatte. Aber das konnte nur Einbildung sein, oder?
Der Doktor nahm eine Zange zur Hand um eine Vene abzuklemmen und abschließend den entzündeten Blinddarm abzutrennen.
Er führte die Zange in die Öffnung und klemmte die Vene ab.

Henry der nahe an der Ohnmacht stand spürte, wie seine Gedärme nach außen drängten, so als fühlten sie sich nicht mehr bei ihm wohl. Ihm wurde bewußt, aus welch eine weichen Masse er doch eigentlich bestand. Von wegen knallharter Typ. Er war weich wie ein Schwamm. Vermutlich dank des Körpereigenen Adrenalin ließ der Schmerz ein wenig nach, dennoch war
er kaum auszuhalten. Er hätte geweint, wenn er die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Er hätte geschrieen und gejammert wie ein kleines Baby, dem man die Nahrung verweigert.
Aber das alles ging nicht. Er konnte es nicht beenden. Sondern nur hoffen, daß es bald ein Ende haben würde.


Insgesamt dauerte die Operation nicht länger als 90 Minuten. Eine ganz gewöhnliche Dauer für eine Blinddarmoperation. Es waren die längsten 90 Minuten, die Henry je erlebt hatte.
Die längste und schmerzvollsten Erfahrungen seines Lebens.
Vermutlich war die Dosis des Narkosemittels nicht ausreichend. Oder das Haltbarkeitsdatum des Narkosemittels war abgelaufen.

Die Medizin untersucht die Möglichkeit, ob es sein kann, daß Patienten eine OP bewußt (mit Schmerzen) erleben können. Sogenannte Beta-Blocker können typische Reaktionen des Körpers bei Schmerzen unterdrücken und werden hin und wieder bei einer Narkose eingesetzt.

 

Ich hab ja JETZT erst bemerkt, daß Pain das Thema "Schmerz 2" geschlossen hat... :(

Somit hat der gute Andre meine Aufforderung natürlich nicht zur Kenntnis zu nehmen!!!!!!!!!!!

Ja, Andre?

Poncher

 

:confused: Was´n jetzt los?!? Warum wurde "Schmerz 2" geschlossen? Okay, gehört nicht exakt in Horror rein, aber das finde ich doch etwas hart...
@ Pain Verschiebst du ihn dann nach Satire? Wir wollen ja schließlich noch weitere Kommentare dazu lesen. Danke!

 

Also die Story ist ja echt gut gelungen, aber ich finde, sie stinkt am Ende zu sehr ab. Einfach so Schluss aus, ohne irgendeine Pointe... naja. Ansonsten ganz okay.

 

Ok, ich habe sie wie gefordert nach "Satire" geschoben... Ich hatte nicht direkt wegen des Inhaltes Sorgen, sondern nur deshalb, weil diese Geschichte eine übertriebene Darstellung einer anderen Geschichte ist... und das kam mir "verspottend" vor. Aber egal, solange sich keiner beschwert... Viel Spaß noch "SPAß, SPAß, SPAß!

 

...und genau deshalb passt die Geschichte in die Rubrik Satire, oder?

 

Aber die Story sollte schon im selben Folder sein wie das Original.
Hier sind nämlich unendliche Weiten im Forum... da stellt man den Zusammenhang dann wohl nicht her, der fürs Verständnis der Parodie nötig ist...

 

Sehr geschätzter André!

Ich habe auf deine Geschichte eine Antwort geschrieben und hätte gerne dass du sie ließt. Ich hab sie aber unter ´"SchmerzII" gestellt, da ich meine geschichte etwas verteidigen musste! Ich hoffe du liest dir meinen Respons einmal durch!

Dein treuer Leser, Peter Hrubi

 

Ach ja, eine Schamhaarrasur ist übrigens bei einer Blinddarmoperation, so viel ich weis, notwendig.

Ähem.
Mir wurde auch mal der Blinddarm operiert (und sogar entfernt, glaube ich) und es gab eine ordentliche Rasur. Im Nachhinein kann ich das aber nicht nachvollziehen, die Narbe ist recht weit von der Behaarung entfernt.

 

Leif, ich wäre Dir dankbar, wenn Du nicht mit solchen off-topic-Kommentaren Storys nach oben pusht. ;)
Wenn, dann bitte mit einer Kritik zur Geschichte. Danke.

Ugh

 

Die Grundidee ist zwar schon oft verwurstet worden, aber für mich immer noch schauerlich. Trotzdem geht mir der Ablauf etwas zu schnell und ich kann nicht richitg mit dem Patienten fühlen.
Besser fände ich es, wenn die Geschichte nicht erst auf dem Operationstsisch einsetzt, sondern wenn der Patient im Krankenhaus ankommt, oder so. Er schon nervös und und Angst hat vor der Operation und dann seine schlimmsten Befürchtungen eintreffen ...
Ein bisschen mehr noch auf seine Empfindungen und seine Angst eingehen wäre gut.

 

Hallo Andre,
nachdem mir mal eine Narkoseärztin erzählt hat, dass sie während der Operation am liebsten Pickel ausdrückt, und ich mich beim Kaiserschnitt gemütlich mit einer anderen Narkoseärztin unterhalten habe, mein Vater von einer anderen Ärztin eine Nierentransplantation mit dem Hinweis auf die eh kurze Lebensdauer ausgeredet wurde, kann ich mir jede Form von Sarkasmus und Ironie im OP vorstellen. Ganz zu schweigen von dem Narkosearzt, der dreimal nicht den Rückenmarkskanal meiner Frau getroffen hat. Ich freue mich jedesmal, wenn ich sie gehen sehe. Die Geschichte ist wohl etwas überzogen, aber durchaus nicht unrealistisch.
Lieber Rainer, lieber Poncher, es ist immer besser, wenn man optimistisch gestimmt ins OP gerollt wird.
Für einen guten Witz könnte Petrus einen vielleicht sogar durch lassen... :rotfl: JR

 

Ich glaube, dass im Krankenhaus auch nur Menschen arbeiten, die ebenso wie andere Menschen Fehler machen. Nur ist die Toleranzgrenze der Betroffenen nicht so hoch, wie bei anderen Berufssparten.
@JR: Pickel ausdrücken, Rückenmarkskanal verfehlen? Ich spüre, wie mich die Inspiration packt.

 

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