Mitglied
- Beitritt
- 21.03.2021
- Beiträge
- 292
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 7
- Anmerkungen zum Text
Ein kleines Stück Pulp, zum Ende der Feiertage
Schlucke geht auf Reisen
»Äxkjus mi. Äxkjus mi!«, ruft Herr Schlucke und quetscht sich mühsam durch die Touristentraube. Wie in der Heimat scheint auch hier niemand so richtig Notiz von ihm zu nehmen. Hinter dem Pulk herrscht zwar weniger dichtes Gedränge, doch noch immer überwältigen ihn die zahlreichen fremdländischen Gerüche, die allgegenwärtige Farbvielfalt sowie die anstrengende Geräuschkulisse.
Der Markt in Jakarta brummt und summt, Herrn Schlucke kommt es vor, als befände er sich unter Insekten, deren Habitat über einen nahenden Feind alarmiert wurde. Bei diesem Gedanken wird ihm ein bisschen kodderig und er schaut sich nach einem ruhigeren Fleckchen um. Im Schatten eines über einer Garküche gespannten Baldachins bleibt er stehen. Mit höflicher Geste wehrt er den Verkäufer ab, nie im Leben würde er dessen mit faltigem, grauen Fleisch bestückte Bratspieße kaufen. Herr Schlucke holt das Stofftaschentuch hervor und wischt sich den Schweiß von Stirnglatze und Nacken. Ein Blick auf die Armbanduhr verrät, dass er noch zwei Stunden Zeit totschlagen muss, bevor das Kreuzfahrtschiff ablegt. Der nächste Halt ist Bali, vielleicht hat er dort mehr Glück bei seiner Suche. Er verstaut das Leinen und sieht sich um, als ein Schaufenster in der Nähe seine Aufmerksamkeit erregt.
»Dämonische Präsenz nähert sich«, säuselt es aus der taktischen Manschette am Handgelenk. Legionskleriker Schlucke sucht Deckung im verrußten Hauseingang einer ausgebrannten Ruine. Der heiße Wind weht Schwefeldämpfe heran, am Horizont glitzert eine kristalline Pyramide im Licht der schwarzen Sonne. Nicht weit entfernt brüllt ein Höllenritter.
Das Adrenalin peitscht Schluckes Sinne auf, er legt das MultiChoice-Sturmgewehr an und sucht im Visier die Umgebung nach Bewegung ab.
Im Fadenkreuz entdeckt er drei Blutsklaven, die ausgemergelten Körper treten hinter einem Knochenhaufen hervor. Ihre Bewegungen sind unnatürlich abgehackt, als würde die Zeit in der Gegenwart dieser Monster zu stottern anfangen.
Schlucke schaltet die Waffe auf Präzisionsmodus um und drückt einen Knopf am Trommelmagazin.
»Lasersalve … geladen«, flötet die KI aus der Manschette.
Er zielt und drückt ab. Die Sklavenköpfe zerplatzen wie mit Blut gefüllte Wasserballons, der Knochenhaufen rot bespritzt.
»Keine dämonische Präsenz in Reichweite«, meldet die Technik.
Legionskleriker Schlucke grunzt zufrieden und setzt sich in Bewegung, er hält Ausschau nach seinem nächsten Ziel. Die Leiche von Ostiarier Vasquez muss hier irgendwo sein.
»No. No, sänk juh. No.« Beiläufig verneint Herr Schlucke die Angebote der Straßenhändler, die ihm links und rechts penetrant ihre Waren feilbieten. Wie auf magische Weise wird sein Blick vom schmutzigen Fenster der Ladenzeile angezogen, er wandelt beinahe wie in Trance darauf zu. Je näher er kommt, umso besser erkennt er den Krimskrams in der Auslage: Silberne Dolche mit roten Troddeln an den Griffen liegen neben Perlenhalsketten, Sturmfeuerzeugen und kleinen Elefantenstatuetten.
Neben dem Eingang lehnt ein Junge von vielleicht zwölf Jahren und lässt ein Jojo rotieren. Als Schlucke die Scheibe erreicht, verschwindet das Spielzeug in der Hosentasche. In gebrochenem Englisch spricht er ihn an: »Ah, hallo, Sir. Kommen Sie. Drinnen noch viel mehr!«
»Ist das dein Laden?«, murmelt Schlucke, während er noch immer die Auslage bestaunt.
»Ist mein Großvater. Kommen Sie, drinnen noch viel mehr. Sie finden, was suchen!«
Bereitwillig lässt Herr Schlucke sich von dem Jungen mitziehen, verspürt jedoch einen Anflug von Abscheu, als ihn die kleinen, schmutzigen Finger an der Hand berühren. Bei ihrem Eintritt schellt über ihnen eine Zimbel.
»Verbündeter Signalgeber … zehn Meter entfernt.«
Vorsichtig setzt Schlucke einen Fuß vor den anderen. Vorbei an den rostigen Metallmonolithen voll Stapel gehäuteter Leiber, aufgespießt wie menschliches Schaschlik. Zu beiden Seiten ragen angehäufte Totenschädel empor, der Weg des Klerikers führt geradewegs hindurch.
»Verbündeter Signalgeber … drei Meter entfernt.«
Mit der Waffe im Anschlag wirbelt er um den Schädelberg. Da liegt Vasquez. Was von ihm übrig ist. Zwei Pesthyänen fressen sich satt, bei Schluckes Erscheinen schauen sie auf. Ihre ledrige, von schwarzen Beulen übersäte Haut verströmt fauligen Geruch, sie fletschen die Zähne, und spannen die Hinterläufe an.
Schlucke pustet sie mit zwei schnellen Schüssen vom Leichnam. Sie jaulen auf, winden sich am Boden und winseln. Er gibt ihnen den Rest.
»Verbündeter Signalgeber … erreicht.«
Vom Ostiarier ist bloß noch der Torso und der halbe Kopf übrig, Schlucke schließt mit einem Finger das verbliebene Augenlid und murmelt ein Stoßgebet. Rasch durchsucht er Vasquez Ausrüstung und wird fündig: Er nimmt das Missionslog, inklusive gespeicherter Kartenparameter sowie den tragbaren Sprengsatz aus Antimaterie an sich. Er stöpselt das Logfile in seine Manschette und lädt die Daten hoch, bestätigt das finale Missionsziel.
»Superblutnest … zwei Kilometer entfernt.«
Schluckes Blick streift über das pervertierte Kriegsgebiet, vorbei an qualmenden Erdspalten, aus denen Lava hervorquillt, entlang an Felsnadeln, auf deren Spitze Chiropteradämonen ihre Brutstätten errichtet haben und unter dem roten Himmel kreisend nach Beute suchen. Andere von ihnen verharren kopfüber im Schatten der Steinscharten. Schlucke erspäht Dutzende, sie erinnern den Kleriker an Fledermäuse in Menschengröße, mit dolchlangen Fangzähnen und rasiermesserscharfen Klauen.
Auf der glitzernen Pyramide kommt sein Blick zum erliegen.
Im schummrigen Licht erkennt Herr Schlucke hölzerne Regale, in denen allerlei Tand und Trödel liegt. An den Wänden hängen bemalte Holzmasken, von der Decke baumeln Traumfänger, bunte Tücher und grotesk grinsende Marionetten, bei deren Anblick es ihm kalt den Rücken herunterläuft. Die abgestandene Luft riecht nach Patschuli und ihm unbekannten Kräutern.
Der Junge zieht ihn sanft zum Tresen, vorbei an Puppenkörpern, Ganeshaskulpturen, goldenen Buddahköpfen und einem mit grünlicher Flüssigkeit gefüllten Einmachglas, in dem eine tote Schlange schwebt.
Als sie näherkommen, erhebt sich hinter dem Holztresen ein alter Mann, als hätte er dort unten die ganze Zeit über auf Kundschaft gewartet. Der Alte lächelt, beim Anblick der angefaulten Zahnstümpfe schaudert es Herrn Schlucke erneut. Der Junge verschwindet hinter einem Perlenvorhang.
»Willkom. Willkom. Du Amerikan?«, fragt der Verkäufer mit einer Stimme, so rau wie Schmirgelpapier.
»Dschörmänie«, murmelt Schlucke und schaut sich weiter um.
»Ah, gut, gut. Du suchen Present? Für Frau?«
Schlucke schüttelt abwesend den Kopf, während er in einen aufgeklappten Zerrspiegel schaut. Sein Gesicht gleicht einer langgezogenen Fratze. »Keine Frau, keine Freunde«, sagt er leise, mehr zu sich selbst, als zu dem Alten. »Ich suche ein außergewöhnliches Souvenir, für … meine Mutter.«
»Ah, Souvenir. Gut, gut.« Der Asiate langt unter den Tresen und holt einen lackierten Totenschädel hervor, die Augenhöhlen geschwärzt, die Zähne gebleckt. »Ist Totem. Mutter wird mögen. Mit ihm, Mutter noch lange wird leben.«
»Äh, nein danke.« Die Vorstellung, Mutter dieses Ding nach seiner Rückkehr zu überreichen ist so absurd, dass er … Mitten im Gedankengang funkelt etwas im Regal hinter dem Verkäufer auf, nur für einen Wimpernschlag. »Was ist das denn?«, fragt Schlucke und zeigt darauf.
»Hm? Ah«, macht der Alte, schlurft zum Regal und kommt mit einem goldenen Gegenstand zurück, eingebettet in rotem Samt. Es sieht aus wie eine zugeklappte Taschenuhr, etwa handtellergroß, mit einer filigranen Goldkette daran. Die Oberfläche ist mit verschnörkelten Gravuren ziseliert. »Ist Familienerbstück. Mächtiges Artefakt. Sehr alt.«
»Ist das eine Uhr?«, fragt Herr Schlucke. Fasziniert starrt er auf das Ding, dessen Behältnis der Verkäufer noch immer den Händen hält. Der schüttelt jetzt den Kopf.
»Nicht Uhr. Ist Weltenwandler. Tauscht den Platz mit anderem Ich. Sehr mächtig.«
»Ein Weltenwandler?« Was soll das sein?«
Der Alte nimmt das Ding aus dem Kästchen, legt es auf seine Handfläche und klappt es auf. In der Innenseite des Deckels befindet sich bloß ein kleiner goldener Dorn, genau im Zentrum. Die andere Hälfte wiederum besteht aus drei schmalen Drehscheiben, auf denen gravierte Ziffern und Symbole zu sehen sind. Der innere Ring scheint emailliert, dort sieht Schlucke ihm unbekannte, schwarze Glyphen auf glänzendem Grund.
»Das ist es«, flüstert Herr Schlucke. Wenn er Mutter dieses Kleinod mitbringt, dann muss sie sich einfach bei ihm entschuldigen. Sie wird ihm um den Hals fallen und alles zurücknehmen, was sie ihm vor seiner Abreise an den Kopf geworfen hatte. Dann würde sie einsehen, dass er kein jämmerlicher Versager, kein Stubenhocker ist, zu feige, sich endlich eine Frau zu suchen. Oh nein, damit hätte er endlich Oberwasser.
»Wie viel?«, fragt er und zückt seine Geldbörse.
Doch der Verkäufer legt das Schmuckstück zurück in den Samt und macht ein ernstes Gesicht. »Nicht kaufen. In falscher Hand, sehr gefährlich. Zu mächtig.« Er zeigt auf den lackierten Totenschädel: »Du wollen?«
Schlucke schüttelt den Kopf. »Nein. Ich will das da.« Er zeigt auf die goldene Uhr, holt Rupiah im Wert von fünfzig Euro hervor und hält sie auffordernd hin. »Hier. Gutes Geschäft.«
In den Augen des Alten blitzt es auf, er überschüttet Herrn Schlucke mit einem Schwall indonesischer Wörter, die kratzige Stimme schraubt sich in die Höhe, wird immer lauter und lauter.
Der Junge tritt durch den Perlenvorhang und es entfacht ein Streitgespräch zwischen den beiden Generationen, dessen Inhalt Schlucke nicht versteht. Hilflos steht er da, das Geld in der Hand, die Augen auf dem goldenen Gegenstand.
Nach einem weiteren, heftigen Wortwechsel erleidet der Alte schließlich einen Hustenanfall, er schlurft unter rasselnden Atemzügen hinter den Vorhang, das Kleinod nimmt er mit.
»Sorry«, sagt der Junge und zuckt mit den Achseln. »Großvater nicht wollen verkaufen. Du suchst etwas anderes?«, beschließt er und beschreibt mit dem Arm eine ausladende Geste auf den wertlosen Trödel.
Missmutig verstaut Herr Schlucke das Geld. »Nein. Danke. Ich wollte die goldene Uhr, diesen … Weltenwandler.« Frustriert lässt er den Jungen einfach stehen und geht zur Tür. Die Zimbel schellt und im Hinterzimmer hört er den alten Mann husten.
Die Ausweichrolle rettet Legionskleriker Schlucke das Leben. Der Stachel des Scorpioschnitters schlägt Funken auf dem Asphalt, genau dort, wo Schlucke sich noch vor einer Sekunde befand. Das Monstrum ist direkt über ihm, es schnappt mit den Scheren und stößt ein Zischen aus.
Schlucke rollt sich auf den Rücken, reißt das Gewehr hoch und zieht den Abzug durch, er entlädt das ganze Magazin in den weicheren Unterbauch des Ungetüms. Schluckes Willensschrei mischt sich mit dem Inferno der Vollautomatik. Chitinsplitter, Hautfetzen und glibberige Eingeweide besudeln seine Rüstung, seine Arme, sein Gesicht. Das Biest kreischt im Todeskampf, bis die Waffe schweigt und es nur noch leise klickt.
Der Spinnendämon taumelt, die haarigen Beine machen ein, zwei wankende Schritte … und schließlich bricht er zusammen.
»Dämonische Präsenz … nähert sich«, informiert die Manschette.
Schlucke rappelt sich auf. Er löst eine heilige Handgranate vom Karabiner, zieht den Sicherungsstift mit den Zähnen und wirft sie in Richtung des Rudels Wiedergänger, die soeben über einen Leichenberg in seine Richtung krabbeln. Ihre aufgeblähten Leiber glänzen schwarz, wie fette Zecken von der Größe kleiner Hunde. Der trockene Knall verkommt zu einem feuchten Platschen, als es die Körper in Stücke sprengt.
»Superblutnest … einen Kilometer entfernt.«
Mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern trottet Herr Schlucke durch die Straßen Jakartas. Das Bild vom goldenen Souvenir will einfach nicht aus seinem Kopf. Wieso hatte der Alte das Teil denn auch in der Auslage hinterm Tresen, wenn er es dann doch nicht veräußert? Oder will er es verkaufen, doch nur nicht an ihn?
»Psst.«
Dämlicher Verkäufer! Schlucke wäre bereit gewesen zu verhandeln, er dachte sogar, das gehöre hier zum guten Ton. Wie damals, in Antayla, als er mit Mutter das Clubhotel für einen Ausflug verlassen hatte. Fast wäre die Situation auf dem Basar eskaliert. Dieser Teppichhändler hatte Mutter von vornherein falsch eingeschätzt.
»Pssst!«
Herr Schlucke sieht auf. Da steht der Junge, in einer Seitengasse und winkt ihn zu sich. Schlucke kommt der Aufforderung nach. »Was willst du denn noch?«, fragt er verärgert. »Ich hab doch schon gesagt, dass ich kein Interesse an …«
Das Kind lupft ein schmutziges Tuch und darunter liegt das goldene Ding, glänzend im Licht der untergehenden Sonne. Schluckes Herz schlägt schneller, was für eine unerwartete, glückliche Fügung.
»Du wollen?«, fragt der Junge.
»Ja. Ja!«, antwortet Herr Schlucke schnell, zückt seine Geldbörse und holt Scheine heraus. »Wie viel?«
»Zweihundert Dollar!«
Schlucke hält inne. »Ich hab keine Dollar.« Er hatte wie viele andere Passagiere für den Landgang die Maximalsumme von einhundert Euro bereits an Bord umgetauscht. Zum Beweis hält er dem Jungen das aufgeklappte Fach der Börse hin.
Blitzschnell grapscht der Kleine nach sämtlichen Scheinen, fast entreißt er ihm dabei das Portemonnaie. Bevor Herr Schlucke reagieren kann, wirft der Junge ihm den Weltenwandler zu, geradeso fängt Schlucke ihn auf. Der Junge läuft weg, dreht sich jedoch nach wenigen Schritten noch einmal um. »Blut ist Schlüssel!«, ruft er, wirft ihm einen unsicheren Blick zu und rennt davon.
»Blut ist Schlüssel?«, murmelt Schlucke. »Hey! Was soll das heißen?« Doch der Junge ist weg.
Legionskleriker Schlucke watet durch den Blutsumpf, hüftoch schwappt ihm die stinkende, rote Brühe gegen die Rüstung. Mit jedem Schritt nähert er sich der glitzernen Pyramide.
»Superblutnest … fünfhundert Meter entfernt.«
Gleich geschafft. Den Sprengsatz anbringen und nichts wie weg zum Extraktionspunkt. Ein Kinderspiel.
»Dämonische Präsenz nähert sich.«
Schlucke bleibt stehen. Weit und breit ist kein Gegner zu sehen. Das aufgepflanzte Kettensägenbajonett knattert leise im Leerlauf. Schlucke schaut sich um. Hier und da durchbrechen dornige Ranken die Sumpfoberfläche, zu dünn, als dass sich etwas dahinter verstecken könnte. Die schwarze Sonne spiegelt sich im Karmesin.
»Dämonische Präsenz nähert sich.«
Schlucke bewegt sich behutsam, drückt einen Knopf am Magazin.
»Schrotmunition … geladen.«
Da umschlingt etwas sein Bein, reißt ihn um, zieht ihn hinab. Er bekommt einen Schwall Blut in Mund und Nase, schmeckt den kupfernen Gestank, bevor er die Luft anhält. Hinter dem roten Schleier ist er blind, spürt nur, wie dieses Etwas ihn am Bein wegzerrt. Schlucke spannt die Bauchmuskeln an, lässt die Kettensäge rotieren, beugt sich vor und stößt zu.
Es lässt sein Bein los, Schlucke taucht auf und schnappt nach Luft. Rasch wischt er sich das Blut aus den Augen, hebt die Waffe und sucht den Feind.
Da erhebt es sich aus dem Nass, urgewaltig und abgrundtief unheilig. Die acht Fangarme peitschen durch die Luft, Schlucke kann schwärende Saugnäpfe sehen, aus denen gelblicher Eiter tropft. Der Dämon öffnet den riesigen Schnabel und kreischt, dass es in den Ohren schmerzt.
Schlucke betätigt einen Knopf und stemmt seine Füße in den schlammigen Untergrund.
»Flammenwerfer … geladen.«
Herr Schlucke steht an der Reling auf dem Oberdeck, in den Händen hält er das aufgeklappte Schmuckstück. Der goldene Dorn auf der linken Seite ist tatsächlich sehr spitz, das hat Herr Schlucke vorsichtig mit dem Daumen getestet.
Die drei Scheiben lassen sich drehen, sowohl im als auch gegen den Uhrzeigersinn. Die Mechanik ratscht und klickt dabei leise, als würde er ein Tresorschloss öffnen. Was hatte der Alte im Laden nochmal gesagt? Tauscht den Platz mit anderem Ich. Herr Schlucke ist ein wenig frustriert, er kann die Symbole und Glyphen nicht entziffern. Er beschließt, die Scheiben so einzustellen, dass sie in etwa Mutters Geburtsdatum ergeben.
Gerade will er den Deckel schließen, da bläst das Schiffshorn, so laut, dass Herr Schlucke sich furchtbar erschrickt. Ein stechender Schmerz im Finger und das Souvenir rutscht ihm aus der Hand.
»Au«, murmelt er und steckt sich den blutenden Daumen in den Mund. Eine Brise frischt auf und trägt den Geruch nach verfaulten Eiern heran. Herr Schlucke rümpft die Nase. Er hebt den Weltenwandler vom Boden des Oberdecks. Das Gerät scheint in Ordnung, abgesehen von Schluckes Blut, das die Technik benetzt. Er holt das Leinentaschentuch hervor, um es zu säubern, als ihn plötzlich gleißendes Licht umhüllt und blendet.
»Superblutnest … erreicht.«
Da ist es, er hat es endlich geschafft. Im Innern der Pyramide ist es schwül und dunkel. Rot zischelnde Signalfackeln beleuchten seine Spur wie Brotkrumen, das Gewehr ist leergeschossen, es sind keine Handgranaten mehr übrig. Zu zahlreich stürmten die Scharen von Blutsklaven, Wiedergängern und Höllenrittern auf ihn ein, am Ende zersägte er mit letzter Kraft ihre Leiber, bis nur noch Einzelteile übrig waren.
Und da ist sein Ziel. Ein pulsierendes Geschwür aus organisch pervertierter Masse, von schwarzen Adern überzogen und nur dafür da, weitere dieser Kreaturen zu gebären. Irgendwo in der Ferne bläst ein Horn. Schlucke lässt die Waffe fallen, holt den Sprengsatz hervor, überprüft die Einstellungen und aktiviert den Nonrevers-Modus. Diese Brut soll keine Chance kriegen, ihren Untergang zu vereiteln. Er stellt den Timer ein.
»Annihilation in … zwei Minuten.«
Das sollte reichen, um es rechtzeitig aus der Pyramide zu schaffen. Gerade als er die Ladung am warmen, zuckenden Fleisch des Nests anbringen will, wird er in gleißendes Licht getaucht, es blendet ihn.
Schlucke blinzelt. Er steht im Freien unter einem wolkenlosen Himmel, um ihn herum endloser Ozean. Es weht eine kühle Brise. Frauenschreie dringen an sein Ohr. Buntgekleidete Menschen hasten aufgeregt umher, starren ihn an und zeigen mit dem Finger. Es dauert einen Moment, bis ihm klar wird, dass er selbst der Auslöser für die allgemeine Panik zu sein scheint. Noch immer hält er die Antimateriebombe in den Händen.
»Annihilation in … dreißig Sekunden«, verkündet die Manschette.