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Schlampe

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06.02.2002
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Schlampe

Schon früher musste ich kotzen. Ich musste kotzen, wenn er sie schlug, wenn sie schrieen, wenn sie stöhnten.
So erbrach ich mich durch meine Kindheit.

Mutter wollte Kürbisse auf den Köpfen der Menschen zerschlagen, sagte sie einmal zu mir, da war ich vierzehn.
Ich verstand nicht.
Ein andermal weinte sie wieder, bis er schrie, und ich hätte kotzen können.
Inzwischen ließ er regelmäßig den Geist aus der Flasche. Wenn Mutter schwieg kam er über mich, mit wunscherfüllten Augen, schweißigen Poren und Speichel im Mundwinkel. Ich schrie und wollte kotzen.
Mit sechzehn war ich fort.

Heute bin ich einunddreißig. Die Zeit pergamentierte meine Haut, ich habe die Echsenhaut am Hals von vierzig, fünfzig Jahren.
Inzwischen habe ich das Kotzen verlernt.
Sie haben noch die alte Wohnung. Hinterher tat ihm immer alles leid. Ich denke an Mutter und ihr Schweigen. Vaters Schnecke und zerschellte Illusionen. Ein Türke nebenan verkauft Obst und Gemüse, wo früher der Metzger war.

Der Flur war mal sauberer. Sogar mein Name steht noch an dem vergilbten Schildchen über der Klingel. Wie lange? Fünfzehn Jahre drei glorreiche zwei. Heinz, Marianne und Charlotte.
Kürbisse und Schnecken.
Ich erinnere mich ans Kotzen, dennoch klingele ich.
Einmal. Zweimal. Dreimal...
Die Tür öffnet nur einen Spalt. Fremde Augen und aufgequollene Gestalt. Mutter?
Mienenspiel.
„Charlotte...?“
Vater holte der Krebs schon vor neun Jahren. Ein alterndes Foto über dem Fernseher, da war er noch geliebt.
Die Leber, sagt sie. Noch ein Kaffee?
Was ist aus dir geworden, mein Kind, fragt sie schließlich.

Mutter, warum dein Schweigen?
Mittwochs bis Sonntags kommen Fremde über mich. Soll ich dir das sagen? Ich wurde besamt, bevor ich hätte richtig blühen können. Euer Erbe.
Ich hätte nicht herkommen sollen – oder doch?
Du weinst, und ich erzwinge mir ein Lächeln, warte auf ein Schreien.

 

Paranova,

Kurz und schmerzlich. Wuchtige Saetze, die ein altes Thema neu beleben.
Dass die Nutte so gut schreiben kann. Hätte Autorin werden sollen.;)

Gruss,

Claudio

 

Hallo Paranova!

Du hast es wirklich geschafft, dem Leser mit wenigen Worten viel schmerzlichen Inhalt zu vermitteln, und so kann ich mich meinen Vorgängern eigentlich nur noch anschließen: Eine sehr gelungene Kurzgeschichte! :thumbsup:

Eine Kleinigkeit noch:
Zitat: "andernmal" – andermal

Viele Grüße,

Michael :)

 

Hallo,

ich habe die Kommentare nicht gelesen aber die Geschichte und vielleicht ist meine Stellungsnahme vielleicht von jemand anderem schon beschrieben worden, daher entschuldige ich mich im voraus:

manchmal wünschte ich, dass mein Vater ein Trunkenbold, ein Schläger oder ein Kindesmißbraucher gewesen wäre. Nur aus dem Grund, damit ich ihm etwas hätte vorwerfen können, etwas... dass er verstünde. Denn das, was ich ihm vorwerfe, versteht er nicht...

mfg ~tfa

 

hi steffen,

meine dritte geschichte, die ich von dir lese und - TADA! - diese verstand ich sofort. :)
gut zu lesen und ausdrucksstark - gefällt mit.

trotzdem komme ich mit einigen sätzen, trotz deiner erklärungen weiter oben, nicht klar:

- Fünfzehn Jahre drei glorreiche zwei.
- ... da war er noch geliebt.

aber das thema wurde ja schon weiter oben zu genüge diskutiert. was mir grad auffällt, du schreibst gerne stories mit ner frau als protagonist. hat dies eine bestimmte bedeutung?

gruß

andi

 

Ich finde den Inhalt so langweilig. Sprache ist ausdrucksstark, vielleicht hinkt gerade deswegen der Inhalt so fühlbar hinterher. Zu romantisch ausgedrückt, würde eine Frau das wirklich so erzählen? Ich weiß es nicht.

 
Zuletzt bearbeitet:

Ach Gott, war ich wieder ungenau. Wie peinlich, tatütata. Ich meine natürlich nicht die Frau an sich, sondern eine Frau wie diese Deine Protagonistin eine ist. Also nicht Frau im allgemeinen, nein missbrauchte Frau im speziellen.

Zusatz: Die größten romantischen Deppen sind immer noch Männer. Frauen sind eher Kitsch-Deppen.

 

Bin wieder da!
Danke für´s Lesen und die Rückantworten.

ganje:aber das thema wurde ja schon weiter oben zu genüge diskutiert. was mir grad auffällt, du schreibst gerne stories mit ner frau als protagonist. hat ies eine bestimmte bedeutung?
Natürlich. Das liegt daran, dass ich so unheimlich gerne Frauenkleidung trage, wenn ich Geschichten schreibe.
:naughty:

Zaza:Ich finde den Inhalt so langweilig. Sprache ist ausdrucksstark, vielleicht hinkt gerade deswegen der Inhalt so fühlbar hinterher.
Jau, kann man nicht leugnen.

joh_oder_so:Kurz gesagt: hat mir sehr gefallen - ohne Abstriche.
Freut mich, natürlich. Danke!

 

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