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Schlaf, Kindlein, schlaf nur ein

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19.05.2015
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Schlaf, Kindlein, schlaf nur ein

Der Schlaf verließ mich und ich verbrachte meine Nächte mit Büchern und fremden Gedanken. Die Tage versanken in Ödnis. Selbst eine neue Frisur half nichts. Dann tauchte er aus dem Nebel auf. Alles war anders an Paul, ich konnte ihn nicht berechnen, er antwortete, bevor ich etwas fragte, erstaunte mich, zog mich an und brachte die Träume zurück. Er erzählte begeistert von einem Schmetterlingsschwarm, den er in Südamerika gesehen hatte, und im nächsten Moment von der Verbindung zu Gott, die er in jeder Faser seines Körpers und Geistes spüre. Die Lebendigkeit, sein unmittelbares Da-Sein machte ihn zu einem unerwarteten Glück. Vielleicht hätte ich Angst haben müssen. Stattdessen entstand Hoffnung, als hätte ich ein zufällig gefundenes Samenkorn eingepflanzt und daraus wüchse ein Stiel empor, Blätter bildeten sich und ich sehnte mich nach der Blüte. Die Zeit, acht Wochen, seit ich ihn kannte, verrauschte in einem Dauerlächeln.

Der Sommer war längst vorbei und die nebligen Tage angebrochen, die Straßen, Plätze, Häuser und Gärten in das schemenhafte Licht eines undeutlichen Traums getaucht, als ich die Zeichen zum ersten Mal bemerkte. Ein Dämmerzustand, ein Nicht-Wirklich-Wach-Werden umfasste mich.

Auf dem Weg zu meiner Wohnung hallten die Worte des Professors nach, der wie ein runzliger Tom Cruise aussah. Ich versuchte mir zu merken, was er über die Preisbildung im Rahmen der Spieltheorie gesagt hatte, erinnerte mich aber nur daran, dass jeder Preis der Vorstellungskraft des Käufers schmeicheln müsse. Feuchtigkeit kroch mir in die Nase, breitete sich im Mund und auf der Haut aus. Ich fröstelte und schloss den Reißverschluss meiner Windjacke bis obenhin.

Paul wollte vorbeikommen. Ich freute mich auf seine Lippen, wollte ihn spüren, mich an ihn lehnen, seinen Ledergeruch aufsaugen, die Augen schließen und eins mit ihm sein. Er zog mich an, ich konnte mich gegen ihn nicht wehren, wollte es auch nicht und musste mich beherrschen, ihn nicht bei jeder Gelegenheit anzufassen. Obwohl er nicht muskelbepackt war wie andere Kerle, aber er fühlte sich fest an und ich liebte die harten Wölbungen des Bauches, der Hüften und des Hinterns. Wenn ich den Kopf an seinen Bizeps lehnte, wenn er sich zu mir beugte, mich mit seinen dunklen Augen anschaute und ich der tiefen Stimme zuhörte, die mich kitzelte und mich innerlich aufschreien und schaudern ließ, als jagte ein zuckender Orgasmus über mich hinweg. Etwas schmolz in mir, ich machte mich ganz klein und fühlte mich geborgen. Zum Glück bemerkte er das nicht. Zumindest sprach er nie davon.

Von der Bahnstation bis zu meinem Apartment begegnete ich kaum Menschen und alle, die ich sah, eilten in sich versunken an mir vorbei. Ich hörte die brüllenden Geräusche der Fahrzeuge mit den Lichtern, die wie Fühler die Umgebung abtasten, fragte mich, warum wir uns selbst und unsere Sehnsüchte in den Dingen, die wir benutzen und mit denen wir uns umgeben, spiegeln. Einige Wohnblocks waren besprayt, Buchstaben, rundlich ausgeformte Initialen in bunten Farben, rot, grün, gelb. Der Anblick war vertraut, wie die Hundehäufchen auf dem Asphalt, die Bierdosen und Flaschen, die vor den Häusern abgestellt werden. Anfangs nahm ich es gar nicht wahr, wie so vieles, das sich unter die Oberfläche unseres Bewusstseins legt, ohne jemals zum Vorschein zu kommen. Dennoch sah ich etwas Neues. Kreuze, Kreise, Runen, wie Chiffren einer Geheimsprache, mit Kreide auf die Mauern und Wände gleich neben den Eingängen gekritzelt, angebracht gerade an den Häusern, die bisher nackt, in makellosem Grau, Weiß oder Beige erstrahlten.

An der Bushaltestelle vibrierte das iPhone. Eine Nachricht von Paul.
„Kann leider heute nicht. Muss nem Freund helfen. Alles klar bei dir, Süße?“ Smiley mit Grinsebacke. Küsschen. Rose.

Ich war wütend, wollte ihm das Gesicht zerkratzen, blieb stehen. Das Display starrte mich an. Dann sog ich mit offenem Fischmund gleichmäßig feuchte Luft ein und der Zorn legte sich. Die Wut, die aus dem Nichts auftaucht und mich hilflos macht, ich hasse sie, weil sie mich an früher erinnert, an Vater, der mit einem Ruckeln und Zischen, das sich stets anhörte, als entferne er den Kronkorken einer seiner Bierflaschen, die Schnalle öffnete, den Gürtel aus den Schlaufen zog, und mich zu sich zwang, ohne auf meine Tränen zu achten.
„Okay. Meld dich einfach“, schrieb ich zurück. Ohne Smiley. Ohne Küsschen.

Vor mir auf der Wand bemerkte ich ein weiteres Zeichen. Ein schiefes Kreuz, von einem Kreis umgeben, hingeschmiert, ungleichmäßige Linien, an der Spitze ein Pfeil, der nach oben zeigte, ein Finger zum Himmel gereckt. Der Auslöser der Kamera klackte.

Zu Hause roch ich schale Luft, vermischt mit dem Schweiß der Nacht und der Suppe, die ich am Tag zuvor gegessen hatte. Ich riss alle Fenster auf. Wind zischte über Möbel und verstreute Kleider. Die Blätter der Palme bewegten sich, winkten mir, verspotteten mich. Der Wasserkocher blubberte und ich brühte mir den grünen Tee auf, den mir Xin aus China mitgebracht hatte. Die Blätter sind zu einem Ring gepresst und ich muss sie mit aller Kraft abreißen, um aus ein paar Krümeln einen starken, nach Heu duftenden Tee zu brauen. Nachdem ich die Fenster wieder geschlossen hatte, ließ ich den Duft durch den Raum ziehen, entspannte mich und kramte das iPhone aus der Tasche. Keine Nachrichten. Ich drehte die Musik lauter. Coldplay. ‘A Head full of Dreams’. Mein Herz wurde leichter. Ich tanzte durch die Wohnung und grinste dabei, versank in mir selbst, jeder Gedanke verschwand, versickerte, bis nichts mehr übrig war, außer der puren Seele, einer saftigen Frucht, deren Kern sich im Fruchtfleisch versteckt, hart, bissfest und wenn man ihn zertrümmert, findet sich darin eine Nuss, die von einer zarten Haut umgeben ist, eine Babuschka, ein Rätsel.

Die Stimme von Chris Martin verstummte, ein Reporter erzählte etwas von einem Sturm, der über die Stadt brausen sollte, von Starkregen und heftigem Wind. Mein Blick blieb auf dem Foto von Leonie hängen, das ich gerahmt auf die Kommode gestellt habe. Das Lächeln meiner Tochter beruhigte mich endgültig, ich hoffte, ich hoffte so sehr, dass ich sie eines Tages zu mir zurück holen könnte, stellte mir ihren Geruch vor, die feine Haut, die Augen, die ein Spiegel von mir selbst waren, die Verbindung zwischen uns. Mit diesem Bild im Kopf schlief ich ein.

*****

Ein paar Tage später holte Paul mich nachts aus dem Schlaf. Es dauerte, bis ich die Klingel hörte, weil ich von einem Sommerspaziergang träumte, dem Regen, der aufkam, Blitze sah, den Donner im Unterleib spürte und Unterschlupf in einem lichten Birkenhain fand, bis die Sonne wieder strahlte.

Er roch nach Zigaretten, Knoblauch und Wodka, als er mich in die Arme nahm, meine Augen, meinen Mund küsste, zitterte und schwieg. Im Bett schmiegte er sich an mich, mit einer Inbrunst und Sehnsucht, dass ich die Knochen spürte, die Muskeln, die Wärme. Ich liebte den Haarflaum auf seinem Bauch, der sich gegen meinen Rücken drückte und den Schwanz, der sich zwischen die Pobacken schob. Dennoch bewegte ich mich nicht. Statt mich an ihm zu reiben, die Gier zu steigern, ihn verrückt zu machen, führte ich Pauls Hände zu meinen Brüsten und strich über die Konturen seiner Finger, wollte eine Feder sein. Er saugte und schleckte über meinen Hals und nickte ein. Ich dachte wieder an den Sommertraum, aus dem ich aufgeschreckt war.

Er war früh wach. Ich hörte das Wasser der Dusche plätschern, ein Rascheln, als er sich die Hose anzog, die Vibration, das Kitzeln an den Ohren, als er mir zuflüsterte, dass er Brötchen hole und bereitete Espresso mit geschäumter Milch für ihn vor. Das mochte er und lächelte mir entgegen, als er die dampfende Tasse bemerkte. Neben den Augen bildeten sich Grübchen. Sein Nachtgeruch war verflogen, ich schnupperte an ihm wie ein Hund, der sich ein persönliches Aroma merken wollte.

„Wollte bei dir sein heute Nacht“, sagte er.
„Warum?“
„Weiß nicht genau, ein Gefühl.“
„Ist gut, so ein Gefühl.“
„Ja, vielleicht Bestimmung mit uns.“
„Mm, ja, vielleicht. Und wohin führt das?“
„Das weiß keiner. Ich muss sesshaft werden, weißt du. Ah, da fällt mir ein: Du hast gesagt, dass deine Tochter dich besucht. Wann kommt sie?“
„Nächsten Samstag. Ist was her. Vier Wochen. Sie war letztes Mal erkältet. Ich hasse den Scheiß mit dem vierzehntägigen Besuchsrecht.“
„Bin gespannt.“
„Magst du Kinder?“
„Ja, hab viele kennengelernt. Afrika ist ein Land voller Kinder.“
„Gut. Wir müssen was mit ihr unternehmen.“
„In die Stadt?“
„Ja, Kleider kaufen.“
„Wir könnten mit ihr in den Zoo gehn.“
„Super Idee, wird ihr gefallen. He, warum hast du selbst keine Kinder?“
„Mm, keine Ahnung, kann ja noch kommen.“
„Du, Paul?“
„Ja?“
„Ich glaube, du würdest gut aufpassen auf deine Kinder.“
„Klar, man muss gut aufpassen auf das, was man liebt. Du hast mir nie erzählt, warum Leonie nicht bei dir wohnt.“
„Siehst du doch. Ich bin eine arme Studentin.“
„Trotzdem, ein Kind muss bei der Mutter sein.“

Ich küsste ihn, steckte ihm die Zunge so tief es ging in den Mund. Dann zog ich ihn zu mir, aß ihn auf, zerfloss und spürte Paul tief in mir. Wir lagen nackt und schweigend nebeneinander, Millimeter trennten uns, die Haut mit einem Film bedeckt.

Die Zeichen auf der Mauer fielen mir wieder ein und ich zeigte ihm das Foto. Er richtete sich auf, die Beine baumelten über dem Boden, er beugte sich tief zum Display herab und löste die Haltung nicht, während er mit mir sprach.
„Sag mal, kennst du diese Zeichen?“
„Glaub schon.“
„Was bedeuten sie?“
„Habe ich in Afrika oft gesehen. In den markierten Häusern wohnen Hexen.“
„Hexen?“
„Ja, so werden Häuser von Hexen oder Hexenkindern gekennzeichnet.“
„Glaubst du daran?“
„Kein Scheiß. Hexen sind gefährlich. Ich hab welche gesehen im Kongo. Die bringen Unglück, Krankheiten, so Zeug.“
„Blödsinn!“
„Ist es nicht! Wo hast du die Zeichen gesehen?“
„Hier in der Straße.“
„Schau ich mir an.“

*****

Leonie mochte ihn. Es sah vertraut aus, wie er mit ihr lachte und plauderte. Sie nahm unsere Hände, wir warfen sie in die Höhe, bis sie vor Vergnügen jauchzte. Die Flamingos flogen auf der Wiese vor dem Raubtierhaus auf, als wir an ihnen vorbei lachten. Ein intensiver Geruch aus Kot, Futter und Heu schlug uns drinnen entgegen. Leonie ließ mich los, tänzelte mit Paul im Gleichschritt zu den Barrieren und Gittern, thronte auf seinen Schultern. Ein Leopard lag, die Beine weit von sich gestreckt, in einer Ecke und riss gähnend sein Maul so weit auf, dass die Reißzähne, gelbliche Hauer wie Pfeilspitzen, deutlich sichtbar wurden. Leonie gestikulierte, als wolle sie das Tier begrüßen und zu einer Bewegung veranlassen. Ohne auf sie zu achten, als ertrüge er den Anblick des Tieres nicht, ging Paul weiter, während meine Tochter einen letzten Blick auf den Leoparden warf. Weiter zum Exotarium mit den Pinguinen, zu den Menschenaffen, die ernst glotzten, wie Greise, die im Altersheim sitzen und sabbern. Zu den Bären, die sich um Futter balgten.

Ich stand abseits, dachte über Paul nach und es wurde mir warm ums Herz. Er war viel älter als ich, zehn Jahre Unterschied, war klug, hatte die Welt gesehen, Afrika, Amerika, und einen richtig guten Job als Anthropologe am Max-Planck-Institut. Mir schwirrte der Kopf beim ersten Date und im Bauch türmten sich Sterne. Dabei wollte ich nie einen Kerl über ein Dating-Portal kennenlernen.

Leonie und Paul befanden sich in einer Vakuumglocke und ich davor. Mit Paul könnte es klappen, Leonie zu mir zu holen. Peter, mein Ex, wäre wahrscheinlich froh. Er ist Staatsanwalt und lebt mit einer anderen Frau, die selbst Kinder hat. Das ist der Unterschied. Ich bin nichts, eine Studentin, eine Frau auf der Suche, die dreimal in der Woche nachts im Club arbeitet, betrunkenen Typen Bier und Shots bringt, lächelt und die Leute bei Laune hält. Das mag ich. Bis zu Leonies Geburt habe ich im Käfig getanzt. Peter hat mich im Club gesehen und angesprochen. Meine Moves wären was Besonderes, sagte er. Titten und Arsch meinte er. Paul habe ich bisher nichts vom Go-Go-Dancing erzählt. Weil er gläubig ist und in die Kirche geht. Ich wollte es unbedingt richtig machen, lieben.

Als ich bei ihnen war, brauchten sie eine Weile, bis sie mich überhaupt bemerkten. Ich musste Paul erst am Arm berühren und mich bemerkbar machen. Er sah mich an, als wäre er aus einem Traum erwacht, hob Leonie von seinen Schultern, stellte sie auf den Boden.

„Genug jetzt.“ Paul veränderte sich im selben Augenblick, als Leonie wieder die Erde berührte, er verhärtete, wie ich ihn nicht kannte. Schweigend lief er neben uns her. Leonie löste sich von ihm. Auf dem Weg zum Aquarium begegneten wir Familien, die ihren Kindern Getränke und Sandwiches reichten. Leonie schielte nach ihnen und erklärte, dass sie Durst habe. Wortlos zog Paul los, um Wasser und Saft zu kaufen. Wir stießen mit Plastikflaschen an und saugten an dem Wassereis, das er uns in die Hand drückte.
„Ich will die bunten Fische sehen!“
„Wie bunt sind die?“, fragte Leonie.
„Ganz bunt. Alle möglichen Farben“, antwortete Paul.
„Auch pink?“
„Mm. Vielleicht finden wir welche, die pink sind. Suchen wir sie zusammen?“
„Oh ja!“
„Wenn du einen pinken Fisch siehst, bekommst du eine Überraschung.“
„Ein Riesen-Eis?“
„Verrate ich nicht.“
In der dritten Halle erstrahlten die Farben der Fische. Leonies Augen weiteten sich. Sie raste zwischen den Glasfronten hin und her.
„Die da sehen pink aus.“
„Nein, die sind rot. Siehst du, was für lustige Flossen die haben? Gezackt, wie Kronen. Und sie flattern im Wind.“
„Gibt es im Wasser Wind?“, fragte sie Paul.
„Na ja, Wellen sind ein bisschen wie Wind.“
„Schau mal, die sind aber pink.“
„Na ja, hellrot.“
„Fast pink.“
„Und die?“
„Sind gelb. Guck mal, wie sie leuchten.“
Sie einigten sich darauf, dass die hellroten Fische pink wären.
Danach standen wir vor den Becken mit den Haien. Leonie rannte hin.
„Wie schön die sind!“, murmelte sie.
Sie glitten ohne erkennbare Mühe elegant durch das Wasser und lachten fratzenhaft. Leonie war fasziniert.
„Du darfst ihnen nicht in die Augen schauen. Haie sind die Teufel der Meere“, sagte Paul.
„Was ist ein Teufel?“
„Etwas ganz Böses.“
„Lass sie mit sowas in Ruhe, Paul. Sie ist ein Kind.“
„Sie muss kapieren, was gut und böse ist. Wer Gott und wer Teufel ist. Wegen der Dämonen. Die entern dich, wenn du dich nicht wehrst. Deswegen schaut der Hai deine Tochter an.“ Danach schwieg Paul.
„Was denkst du, Leonie? Lust auf shoppen?“
„Klar, Mama.“
„Was dagegen, wenn ihr alleine in die Stadt geht?“, fragte Paul.
„Wann krieg ich die Überraschung?“, wollte Leonie wissen.
„Wart mal kurz.“
Er kaufte ihr einen Teddybär mit dem Logo des Zoos, drückte ihr das Plüschtier in die Arme, lachte nach innen und verschwand.

Das komplette Trinkgeld der letzten Woche gab ich für ein gelbes Kleidchen, Lackschuhe, Tops, Strumpfhosen, einen breiten Gürtel mit Glitzersteinen, ein Trägerkleid und eine mintgrüne Hose aus. Ich ärgerte mich, dass wir aufhören mussten, weil mein Portemonnaie leer war und dachte mir, dass ich mit Table-Dance anfangen sollte. Mich vor den Kerlen ausziehen und ihnen dabei auf den Schwanz starren, damit sie die Scheine aus der Tasche ziehen, machte mir nichts aus, gefiel mir sogar. Paul dürfte ich niemals davon erzählen. Unmöglich.

*****

Das Klingeln an der Haustür ließ mich aufschrecken. Paul war nicht allein, brachte einen Mann mit, über dessen Gesicht sich ein Streifen Bewuchs zog, der mich an englischen Rasen erinnerte. Sie blickten mich an, als kämen sie aus der Kirche.
„Das ist Pater Christopher. Er ist der Pfarrer unserer Gemeinde. Hab ihn zum Abendessen mitgebracht. Ist okay, oder?“
Anfangs war ich sauer und dann fühlte es sich gut an. Er vertraute mir. Ein Geistlicher, bestimmt ein Freund, als ob ich bei seinen Eltern eingeladen wäre, um mich einer Prüfung zu unterziehen. Meine Frisur fiel mir ein, ich musste unbedingt vor den Spiegel, die Jeans loswerden und vor dem Essen in ein Kleid schlüpfen.
„Freut mich, dich kennenzulernen, Anna! Und das ist deine liebe Tochter. Sie heißt Leonie, nicht?“, sagte er.
Zum Glück hatte ich das Essen vorbereitet, ein Hühnchen im Ofen geschmort und mit Käse überbacken, mein Spezial-Gericht, gelingt mir immer. Es reichte für alle. Pater Christopher stopfte sich erst den Mund und begann danach zu kauen. Nach den freundlichen Worten zur Begrüßung, kümmerten sie sich nicht mehr um mich. Im Gegenteil. Ich spielte eine Dienerin, die dafür sorgen musste, ihre Mägen zu sättigen, Gläser zu befüllen. Die klassische Frauenrolle, die ich hasse und dennoch ausfüllte. Wegen Paul, weil es für ihn wichtig war, ihm das Gefühl gab, eine richtige Frau zu haben. Ich wollte die Idylle, ich wollte sie unbedingt.

Die Männer beschäftigten sich mit Leonie, sie zeigten ihr, wie man das Essen segnet und lasen ihr aus einer Mini-Bibel vor, die Christopher aus der Jackentasche zog. Ein Gleichnis aus dem Neuen Testament: ‚Vom Unkraut unter dem Weizen‘. Den Titel hörte ich, während ich in der Küche beschäftigt war, mehr nicht. Zum Nachtisch servierte ich Eis mit Himbeeren. Die heißen Beeren flossen wie Lava über Gestein und bildeten eine Haut, die das Darunterliegende versteckte. Über und über beschmierte sich Leonie das Gesicht, schlang das Eis in sich, ohne darauf zu achten, wie viel sie auf den Löffel häufte. Ihre Lippen waren so rot, als hätte sie sich meinen Dior-Lippenstift genommen und sich damit geschminkt. Die Männer starrten sie an, die Unterhaltung verstummte und ich riss hastig ein Küchentuch von der Rolle, um ihr Gesicht zu säubern. Sie blickte mich enttäuscht an, weil sie vergeblich auf die Küsse wartete, mit denen ich ihr die süßen Reste sonst vom Gesicht schlecke.
„Wird Zeit fürs Bettchen, Prinzessin!“
„Jetzt schon?“
Den Mokka, den ich den Männern zubereitete, füllte ich in die Wedgwood-Tässchen mit dem Goldrand, die mich an die Großmutter erinnerten, an ihre Seidenkleider, an ihre Flüsterstimme. Sie stammten aus ihrem Nachlass und Oma Sabina strömte aus ihnen zu mir. Die Tassen dampften und an der Oberfläche schwammen Schlieren. Danach brachte ich Leonie in ihr Zimmer und sang ein Gute-Nacht-Lied mit ihr.
‚Schlaf, Kindlein, schlaf nur ein.‘
Leonie drückte die Lider fest zusammen, aber ich spürte, dass sie wach bliebe, bis draußen die Stimmen erloschen.
Den restlichen Abend nahm ich durch einen Schleier wahr und genoss den Grünen Veltliner, der nach Heu roch. Immerhin beachteten sie mich. Sie sprachen über Erziehung und Gott. Genau erinnere ich mich nicht. Paul brachte den Freund bis zur Straße. Ich hörte sie über die Treppenstufen poltern. Wir räumten danach auf. Über das benutzte Geschirr ließ ich kaltes Wasser laufen, bevor ich es in die Spülmaschine steckte. Unsere Körper berührten sich und zuckten zurück, als wäre die Müdigkeit zu groß, als gäbe es eine unbekannte Barriere. Im Bett drehte ich mich zur Seite und schloss die Augen. Er nahm meine Hand, streichelte sie, küsste meine Haare, ließ die Hand wieder los.

Mitten in der Nacht wachte ich auf. Paul lag nicht neben mir und ich hörte ein leises Murmeln aus der Ferne. Benommen stand ich auf und überlegte, woher es kam. Meine nackten Füße glitten über das Parkett. Ich schwebte, weil ich in Wirklichkeit im Bett lag und auf den Sonnenaufgang wartete, die orangerote Kugel suchte, die morgens am Horizont erschien.

Die Tür war angelehnt. Leonies Zimmer, das ich für ihre Besuche eingerichtet hatte und sonst niemals benutzte, füllte sich mit Grauschattierungen und Konturen. Ohne Sonne gibt es keine Farben. Was ich sah, schlich sich langsam in mein Bewusstsein, fügte sich nach und nach zu einem Bild. Ich saugte die Luft tief ein, um die Wirrnis zu ordnen. Leonie lag tief versunken auf dem Rücken, die Beine angewinkelt, einen Arm zwischen Rücken und Matratze versteckt. Die Bienen auf dem Stoff ihres Schlafanzugs surrten mir entgegen. Sie war aufgedeckt. Paul kniete vor dem Bett. Er bemerkte mich nicht. Seine Schultern schimmerten, als wären sie eingeölt. Er murmelte etwas, das ich nicht verstand, ein Sing-Sang in einer Sprache, die ich nicht kannte. Silben, die wie Vogelgezwitscher klangen. Währenddessen wippte er mit dem Oberkörper, um eine Trance aufrechterhalten, die ich nicht verstand. Ich wollte schreien und konnte nicht. Ein kalter Stein verschloss meinen Mund. Ein Gegenstand löste sich aus dem Nebel, den er mit der rechten Hand umklammerte, der sich nach und nach aus dem Nebel löste, die Wirklichkeit sichtbar machte, den Traum versinken ließ, während er selbst reglos blieb.Leonies Mund war offen. Ich sah, wie sich ihr Brustkorb hob und senkte, wollte zu ihr, um sie zu bedecken. Pauls Mund hörte auf, sich zu bewegen und er richtete den Oberkörper gerade. Die Konturen des Armes, die Muskeln, kamen zum Vorschein. Wenn er jetzt aufgestanden und zu mir gekommen wäre, hätte ich ihn verschlungen. Aber das geschah nicht. Stattdessen näherte sich der Bohrer, das pralle, grüne Gehäuse des Akkugeräts, Leonies Kopf. Er streifte ihre Haare zur Seite und setzte an. Ich schrie mit einer Stimme, die ich nicht kannte und Paul schreckte auf, drehte sich um, kein Erstaunen in den leeren Augen.
„Es muss sein, Anna. Sie ist ein Hexenkind. Ich muss die Dämonen verjagen.“
„Geh weg von ihr!“
Es schauderte mich, ich zitterte vor dem Fremden und bemerkte den Blutstropfen auf der Kopfhaut meiner Tochter. Sie fing an, sich zu bewegen und suchte nach der Bettdecke. Ich wollte zu ihr.
„Hast du es nicht bemerkt, Anna?“
Mit einem Eisengriff umfasste er meinen Arm und schleuderte mich weg.
„Was soll ich bemerkt haben?“
„Sie ist besessen, ein Hexenkind!“
Ich brachte keinen Ton raus, sank auf den Boden, während der Bohrer vor meinen Augen hin und her schwang wie ein Taktstock, mit dem er die Rede unterstützen wollte.
„Ich habe den Pfarrer geholt, um sicher zu gehen. Gibt keinen Zweifel. Christopher hat das Zeichen am Haus angebracht. Er ist sich sicher. Das Haus ist markiert, lässt sich nicht ändern. Geh jetzt raus! Wenn ich fertig bin, ist alles gut. Glaub mir, Anna.“
Es heißt ja, dass eine Mutter ungeheure Kräfte freisetzt, wenn ihr Kind in Gefahr ist. Nichts dergleichen habe ich empfunden. Ich erstarrte und mein Kopf war leer, alles war leer in mir.
„Paul, Liebster, bitte!“, heulte ich.
Stille. Keine Reaktion. Danach geschah ein Wunder. Leonie hatte sich aufgerichtet, aus ihren Augen schoss Feuer. Im Zimmer regte sich etwas, das wir nicht sahen. Daran erinnere ich mich. Paul sank in sich zusammen, als ertrage er nicht, was jetzt den ganzen Raum füllte, jede Faser, jedes Staubkörnchen, jedes Atom ergriff. Er zögerte, schnaufte, schwitzte und streckte ihr mit letzter Kraft den Bohrer entgegen. Leonie lachte lauthals, ihre Stimme dröhnte, jagte wie ein Gummiball durch den Raum. Während er einen weiteren Schritt auf sie zu machte, beschleunigte sich die Zeit.

Am Ende einer Kette von Ereignissen, die mich verwirrte, keinen Anfang, kein Ende kannte, lag Paul auf dem Teppich mit den bunten viereckigen Rastern, die den Hintergrund für Schmetterlinge und Blumen bildeten. Der Bohrer steckte im Auge, Blut sickerte über das Gesicht. Er wimmerte und verlor das Bewusstsein. Ich konnte mich ihm nicht nähern.

Leonie hielt ihre Lieblingspuppe Penny im Arm, die in einem rotkarierten Kleidchen steckte, schmiegte sich an mich und sagte nichts. Wir flüchteten aus dem Zimmer und legten uns in mein Bett, ganz eng beieinander, suchten mit geschlossenen Augen die Sterne am Himmel und warteten. Die Tränen verdampften, ich fühlte mich leicht und stark, weil ich plötzlich wusste, dass ich nicht einmal die Augen öffnen brauchte, um zu sehen, dass alles, alles in mir war. Die Zeichen in meinem Herzen verschwanden. Das Gepolter der Schritte im Treppenhaus, das zitternde Licht des Krankenwagens änderte nichts an der Sicherheit, die ich bis heute empfinde.

 

Hallo Isegrims

Eine seltsame Geschichte hast du da geschrieben. Vieles ist schön formuliert, ich finde es gut, dass du dich abseits von Standard-Formulierungen bewegst, auf sprachlicher Ebene finde ich den Text wirklich kreativ. Aber es bleiben nach dem Lesen doch auch viele Fragen offen.

Vielleicht hätte Angst haben müssen.

Da fehlt das "ich".

ich machte mich ganz klein und fühlte mich geborgen,.

Komma weg.

ch hörte die brüllenden Geräusche der Fahrzeuge mit den Lichtern, die wie Augen die Umgebung abtasten, fragte mich, warum Autos zwei und nicht drei oder mehr Scheinwerfer haben, um unser eigenen Gesichter nachzuahmen.

unsere eigenen Gesichter

Die Formulierung hier gefällt mir nicht so gut. Warum sollten Autos drei Scheinwerfer haben, um Gesichter nachzuahmen? Ein Gesicht hat ja auch nur zwei Augen. Hat sich mir nicht erschlossen, was du damit sagen willst.

Ja - man sagt ja oft, damit das Besondere, die Anziehung einer Person sich auf den Leser überträgt, soll man das anhand von konkreten Szenen beschreiben. Das tust du hier nicht, du bleibst relativ abstrakt auf der Gefühls-Ebene deiner Erzählerin, aber wie schon erwähnt fand ich das sprachlich sehr schön - sodass mich dann auch der Mangel an konkret Inhaltlichem (was ich eigentlich lieber habe) nicht so gestört hat. Also um es genauer zu sagen:

Alles war anders an Paul, ich konnte ihn nicht berechnen, er antwortete, bevor ich etwas fragte, erstaunte mich, zog mich an und brachte die Träume zurück.

Stattdessen entstand Hoffnung, als hätte ich ein zufällig gefundenes Samenkorn eingepflanzt und daraus wüchse ein Stil empor, Blätter bildeten sich und ich sehnte mich nach der Blüte.

Wenn ich den Kopf an seine Bizeps lehne, wenn er sich zu mir beugte, mich mit seinen dunklen Augen anschaute und ich der tiefen Stimme zuhörte, die mich kitzelte und mich innerlich aufschreien und schaudern ließ, als jagte ein zuckender Orgasmus über mich hinweg.

Anstatt solcher Beschreibungen habe ich in der Regel lieber eine oder zwei konkrete Szenen mit beiden Figuren ... nur hier, wie gesagt, ist das ok.

Die Wut, die aus dem Nichts auftaucht und mich hilflos macht, ich hasse sie, weil sie mich an früher erinnert, an Vater, der mit einem Ruckeln und Zischen, das sich stets anhörte, als öffne er eine seiner Bierflaschen, die Schnalle öffnete, den Gürtel aus den Schlaufen zog, und mich zu sich zwang, ohne auf meine Tränen zu achten.

Du springst immer wieder in die Gegenwart, wenn du einen allgemein gültigen Zustand beschreibst, also etwas, das nicht nur zu dem Zeitpunkt gilt (hier: "ich hasse die Wut"). Das ist sicherlich ok so, aber manchmal hat es mich auch etwas verwirrt. Ich fände hier durchgehend Vergangenheit besser.

Ich tanzte durch die Wohnung und grinste dabei, versank in mir selbst, Jeder Gedanke verschwand,

jeder

Nach dem Abschnitt hab ich gemerkt, dass ich keinen richtigen Zugang zu dieser Frau finde. Sie ist Studentin, sie hat ein Kind, das nicht bei ihr lebt, sie liebt diesen Paul und ist ungeheuer wütend, dass er nicht vorbeikommt, fotografiert trotzdem aus irgendwelchen Gründen diese Zeichen und tanzt dann durch die Wohnung. Das sind Fragmente, die sich bei mir nicht zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen wollen.

Du hast gesagt, deine Tochter dich besucht. Wann kommt sie?

dass

„Wir könnten mit ihr in den Zoo geh ‘n.“

würde ich einfach "gehn" schreiben, so sieht es komisch aus.

„Sag mal, kennst du diese Zeichen?“
„Glaub schon.“
„Was bedeuten sie?“
„Habe ich in Afrika oft gesehen. In den markierten Häusern wohnen Hexen.“
„Hexen?“
„Ja, so werden Häuser von Hexen oder Hexenkindern gekennzeichnet.“
„Glaubst du daran?“
„Kein Scheiß. Hexen sind gefährlich. Ich hab welche gesehen im Kongo. Die bringen Unglück, Krankheiten, so Zeug.“
„Blödsinn!“
„Ist es nicht! Wo hast du die Zeichen gesehen?“
„Hier in der Straße.“
„Schau ich mir an.“

Also das mit diesen Zeichen ist alles sehr seltsam. Auch dass Paul da so drauf abfährt. Das muss ja ein extrem komischer Typ sein, mit seinem übertriebenen Glauben und dem Aberglauben. Warum macht das deine Erzählerin nicht stutzig, sie kommt ja im Vergleich eher bodenständig rüber. Sie ist eine junge Frau, und sie will ihre Tochter und hofft auf Beständigkeit, aber auch wenn sie ein Kind hat - sie würde doch sicherlich auch einen "normaleren" Typen treffen können als diesen Paul. Oder? Das kam für mich nicht so richtig rüber.

Ich bin nichts, eine Studentin, eine Frau auf der Suche, die dreimal in der Woche nachts im Club arbeitet, betrunkenen Typen Bier und Shots bringt, lächelt und die Leute bei Laune hält. Das mag ich.

Hm, irgendwie wird sie mir hier unsympathisch. Ich verstehe nicht, warum das Kind nicht bei ihr lebt. Sie wäre ja nicht die einzige alleinerziehende Studentin, und es gibt auch andere Jobs als ihren hier. Wenn ihr so viel an dem Kind liegt, warum legt sie das nicht ab und schaut, dass sie anders über die Runden kommt? Klar ist das kein Zuckerschlecken - aber hey, es geht hier um ihr Kind. Dann zu sagen: "Das mag ich." - da frage ich mich schon, ist ihr das wichtiger als ihr Kind? Ich dachte eigentlich die ganze Zeit, es kommt noch eine schlüssige Erklärung, warum sie das 14-tägige Besuchsrecht hat und nicht der Mann, aber eine solche Erklärung ist nicht gekommen.

Auf dem Weg zum Aquarium begegneten wir Familien, die ihren Kindern aus mitgebrachten Taschen und Rucksäcken, Getränke und Sandwiches reichten.

Das Komma ist falsch, aber ich würde auch auf das doppelte "und" verzichten.

Die Missstimmung war verschwunden.

Ich hab gar nicht kapiert, woher die gekommen ist. Es ist ein wenig typisch für den Text. Geschrieben ist es zwar schön:

Paul veränderte sich im selben Augenblick, als Leonie wieder die Erde berührte, er verhärtete, wie ich ihn nicht kannte.

(finde ich wirklich toll formuliert)

aber irgendwie fehlt mir die Substanz hinter dem Gesagten. Was ist da jetzt eigentlich genau passiert?

„Lass sie mit in Ruhe, Paul. Sie ist ein Kind.“

Da fehlt vermutlich ein "sowas".

„Sie muss kapieren, was gut und böse ist. Wer Gott und wer Teufel ist. Wegen der Dämonen.

Mhm. Toller Typ. Dem würde ich sicher meine kleine Tochter anvertrauen :rolleyes:. Warum wird deine Erzählerin da nicht misstrauischer?

Die klassische Frauenrolle, die ich hasse und dennoch ausfüllte.

Hier auch wieder so ein Wechsel in die Gegenwart. Sicher nicht falsch, aber ich finde Präteritum klingt hier auch besser. Auch dass sie hier nicht aufbegehrt - Mensch, sie ist diesem Paul anscheinend schon fast hörig. Das hat mich etwas genervt, ich hätte sie mir hier stärker gewünscht, mit dem was sie bislang im Leben mitgemacht hat müsste sie da für mein Verständnis auch mehr Selbstvertrauen haben.

Christopher nagte jeder Fleischfaser der Knochen ab.

jede Fleischfaser

Würde den Satz streichen, der steht auch an einer komischen Stelle ("während ich in der Küche beschäftigt war" - da dachte ich, sie ist schon beim Abwasch und hab mich gewundert, warum du wieder zum Essen zurückkehrst).

Die Bienen auf dem Stoff ihres Schlafanzugs, surrten mir entgegen.

Komma auch hier raus, würde aber evtl. den ganzen Satz streichen.

Als der Pfarrer ins Spiel kam hatte ich schon die Befürchtung, das läuft jetzt auf eine Missbrauchs-Geschichte raus. Das ist es zum Glück nicht geworden ... aber ehrlich, ich bin nicht sicher ob ich kapiert habe was da zum Schluss passierte. Die Formulierungen sind schön vage und erinnern an einen Traum, und hier passt dann auch das Inhaltliche zur Form. Nur den Satz hier würde ich nochmal überarbeiten:

In der rechten Hand hielt er einen Gegenstand, der sich nach und nach aus dem Nebel löste, die Wirklichkeit sichtbar machte, den Traum versinken ließ, während er selbst reglos blieb.

Klingt komisch.

Also wenn Leonie wirklich übernatürliche Kräfte hätte, wäre das natürlich ein cooler Twist, aber wie gesagt, ganz sicher bin ich mir nicht.

Leonie hatte sich aufgerichtet, aus ihren Augen schoss Feuer. Im Zimmer regte sich etwas, das wir nicht sahen. Daran erinnere ich mich.

Das ist gut geschrieben, finde ich, aber auch vage, vermutlich beabsichtigt. Na ja, irgendwer muss Paul ja den Bohrer ins Auge gerammt haben, aber das kann Leonie oder die Erzählerin ja auch in einem Anfall von Notwehr getan haben.

Die Tränen verdampften, ich fühlte mich leicht und stark, weil ich plötzlich wusste, dass ich nicht einmal die Augen öffnen brauchte, um zu sehen, dass alles, alles in mir war. Die Zeichen in meinem Herzen verschwanden. Das Gepolter der Schritte im Treppenhaus, das zitternde Licht des Krankenwagens änderte nichts an der Sicherheit, die ich bis heute empfinde.

Mein Gefühl bleibt hier bestehen: einen richtigen Zugang finde ich nicht. Vielleicht muss ich auch etwas nachdenken, aber du machst es dem Leser hier nicht einfach. Ist immer auch die Frage, was deine Absicht war - wie gesagt, vieles in dem Text klingt gut, aber ganz schlau werde ich nicht daraus.

Die ganze Geschichte mit den Runen finde ich seltsam. Wer ist da am Werk? Was soll das mit den Hexen, so etwas ist in unserer Kultur ja schon lange kein Thema mehr, warum taucht das in dieser Stadt auf, und warum glauben sowohl Paul als auch dieser Christopher daran? Das mit dem Bohrer kommt schon sehr plötzlich, würden streng Gläubige da nicht eher einen Exorzismus machen (Paul sagt ja an einer Stelle, er muss die Dämonen verjagen). Oder das Mädchen verbrennen? Das fände ich irgendwie passender als es mit einem Bohrer zu töten.

Also Isegrims, einen interessanten Text hast du geschrieben. Ich hab den schon gern gelesen und mich auch über einige Formulierungen gefreut, aber inhaltlich bleiben für mich zu viele Fragen offen, da müsstest du hin und wieder konkreter werden für meinen Geschmack.

Viele Grüsse,
Schwups

 
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Hallo, Isegrims,

Ich habe deine Story gelesen und war erstmal sprachlos. Dann ging ich eine Runde Tee trinken, kam wieder zu deiner Geschichte, und bin immer noch sprachlos.

Okay, ich mache es mir einfach. Erstmal Grammatik. Die Anrede - immer mit Kommas auf beiden Seiten. Ein Komma im Titel fehlt auf jeden Fall. Im Text, hier und da, auch.

Jetzt zu deiner Story! Ich bin immer noch sprachlos... Ich denke, ich kann deine GEschichte nicht verstehen. ETwas muss ich übersehen haben. Irgendwelche Indizien!!! Aber...

Also, es gibt Grossmutter Sabina, Leonie, Paul, den Ex-Mann mit der neuen Frau etc. Alle haben Namen: Ex-Mann, die Frau vom Ex-Mann, Pfarrer. Ich habe aber nicht mitgekriegt, wie die geheime Frau heisst bzw. bezeichnet wird, die gleich Erzählerfäden in den Händen hat: nur ihr sozialer Stand kommt ins Spiel: "arme Studentin" und "Mama". Es wird über Paul, über Leonie, über den Ex-Mann berichtet, die interessanteste, da geheimnisvollste, Person in dem ganzen Geschehen bleibt für mich aber allein die "Mama". Eine Studentin, die, wie sie sagt, arm dazu ist. Nicht nur ARM im Sinne der finanziellen Mitteln, sondern ARM im Sinne der geistigen Leistung, so kommt mir vor. Eine Person, die voller Widersprüche ist. Jemand, der keine Phantasie hat und immer wieder auf ältere Männer reinfällt, wie auf der Suche nach einer Vaterfigur: erst Staatsanwalt und dann Paul!!! Ein Magnet, das meine vollste Aufmerksamkeit angezogen hat.

Ich habe erst versucht, mir ein Bild über diese, ich nenne sie Mama, zu machen! Ihr Alter? Sie hat bereits eine Tochter, die ich auf 6-11 Jahre alt einschätzen würde. Sie hatte einen Ex-Mann als Staatsanwalt, der bestimmt keine Beziehung zu einer minderjährigen Tänzerin gepflegt hätte. Also, die Mama ist etwas zwischen 25 und 33. Etwas verspätet für ein Studentenleben, und ziemlich jugendlich verantwortungslos für ihr Alter. Andererseits war für mich nicht ganz ersichtlich, warum sie eigentlich studiert! Nur arme Studentin, diese Bezeichnung finde ich unzureichend. Es gibt keine weiteren Hinweise auf Studium: lästige Hausarbeiten in den Semesterferien, Wege zur Uni, Kontakte zu Kommilitonen etc. Nichts von all dem, nur Paul. Da steckt schon der erste Widerspruch in dieser Person. Sie ist keine Studentin! Also, eine ewige Studentin vielleicht. Es ist nicht auszuschliessen, dass "Mama" eine Lügnerin ist. Zumindest Paul gegenüber oder? Und noch ein Stück mehr, sich selber gegenüber. Sie belügt sich selbst, indem sie die Geschichte von Paul abnimmt, die er ihr aufgetischt hatte. Ich glaube Paul auch nicht. Ich kann mir keinen Neurologen an der Uniklinik vorstellen, der "sehr" gläubig ist. So was wird dort nicht lange überleben! Paul könnte vielleicht ein Patient in dieser Klinik sein, genau so wie sein "Pfarrer". Niemand weiss, was die Jungs tatsächlich sind und so machen. Keine Hinweise aufs Berufsleben! Für mich auch Lügner!

Dann erzählt sie fortwährend, wie arm sie ist, kann sich aber eine mindestens Zweiraumwohnung leisten!!! Nette Klamotten für ihre Tochter leisten, die bei einem gut betuchten Vater sonst lebt und alles hat, was sie braucht. Dann versorgt sie ihre Gäste zum Abendbrot mit einer aufwendigen und teuren Kost den Paul, "Pfarrer", Leonie und sich selbst. Sehr merkwürdig.

Ich könnte hier noch weitere Beispiele einführen, wie widersprüchlich diese Figur ist: Käuflichkeit, Promiskuität der Dame, die ich immer mehr und mehr als eine Lügnerin bezeichnen möchte...

Zwischendurch kommt von ihr das Thema "Misshandlung", oder evtl. sogar sexueller Missbrauch durch den eigenen Vater! Sehr spannend!!! Und abschliessend erscheint die ENTSCHEIDENDE Szene, die bei jedem, der eigene Kinder hat, das Blut in Adern erfrieren lässt!!! Die Szene, nachdem "Mama" Pauls Wunsch miteinander zu "schmusen" abgeschlagen hatte, wie "Mama" nachts ins Leonies Zimmer geht und den Paul vor dem Bettchen findet.

Und diese Szene wird widergeben durch eine Person, die mir die ganze Zeit kleine Lügen auftischt! Eine Person, die ich als psychisch instabil bezeichnen würde. Sehr spannend!!!

Als Kripomitarbeiter würde ich ihr kein Wort abnehmen. Spannend!

Vielen Dank für deine Story, die an manchen Stelle ziemlich unverständlich in die Länge gezogen wurde, im Großen und Ganzem aber eine äuérst spannende Angelegenheit war.

Viele Grüße
Herr Schuster

 
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Hallo Isegrims,

deine Geschichte habe ich gestern gelesen und sie lässt mich nicht mehr los.
Der Einstieg ist intensiv, er hat eine traum-hafte Sprache, die nicht nur als Vorausschau für die späteren Ereignisse fungiert, sondern mir auch zeigt, wer deine Protagonistin ist.
Ich erlebe sie als eine Frau, die mit den Füßen nicht auf dem Boden der Realität steht. Sie entzieht sich dieser Realität vielleicht mehr oder weniger bewusst, weicht ihr aus, oder ist zu irgendeinem Zeitpunkt in ihrem Leben aus der Spur geraten und hat nicht mehr hineingefunden. Ausgelöst durch ihre Kindheit, durch das fehlende Fundament einer Sicherheit und Normalität in der Familie?
Dann die Entscheidungen, die sie getroffen hat, ältere Männer, die einen Fixpunkt bilden sollten, der auch alles andere in ihrem Leben geraderückt, damit sie nicht weiter driftet, durch ihr Studium, durch die Jobs, mit denen sie sich über Wasser hält. Gleichzeitig keine Bereitschaft, keine Kraft, selbst einen Schnitt zu machen. Auch bei Paul führt sie ihr seltsames Doppelleben weiter.
Mir kommt der Verdacht, dass er gar nicht so besonders ist, wie sie sich selbst einreden will. Wie oft hat sie das schon getan? Bei wie vielen Männern?
Ich spüre ihren verzweifelten Wunsch, ihr Leben zu ändern, und ihre Lähmung, ihren Selbstbetrug, ihre Schwäche, der Text transportiert das alles.
Und du hast Sätze da drin, die scharfkantig sind, die mich packen, mir unter die Haut gehen.

Trotzdem gefällt mir die Geschichte nicht, die du erzählst. Das mag daran liegen, dass ich mir nicht sicher bin, welche Geschichte das sein soll. Du hast meiner Meinung nach mehrere Ansätze drin, lässt dich aber auf keinen vollständig ein.
Das Ende der Geschichte ist die konsequente Fortsetzung dessen, was ich eingangs über die Protagonistin erfahren habe. Für mich passiert da keine Auflösung, es lässt mich unbefriedigt und traurig zurück, aber mit einer schalen Traurigkeit.
Eine Mutter, die auf ganzer Linie versagt hat, die von ihrer Tochter gerettet werden muss. Da ich mir nicht sicher bin, ob das Hexenthema eine Metapher für sexuellen Missbrauch sein soll, befremdet mich das um so mehr.
Versteh mich nicht falsch, das Ende ist aus der Geschichte heraus logisch, ich würde in der Realität von deiner Protagonistin nichts anderes erwarten, es passiert nun einmal nicht, dass man sich plötzlich ändert, dass man plötzlich schafft, was man sein Leben lang nicht zustande gebracht hat.
Aber das Ende bleibt unklar, uneindeutig, es schließt deine Geschichte, die Geschichte deiner Protagonistin nicht ab, sondern setzt sie fort.
Es wird nicht greifbar für mich, dass sich durch dieses Erlebnis wirklich etwas für die Protagonistin, in der Protagonistin, verändert hat. Es wird aber auch nicht klar, dass sich nichts verändert hat. Der ganze Schlussmoment ist deine Protagonistin auf den Punkt gebracht. Und mir reicht das als Ende nicht, nicht bei dieser Geschichte.


Gruß,
Gefrierpunkt

 

Großartiger Text, Isegrims.

ich fand das gerade ein sehr erstaunliches Lesererlebnis, deiner von Anbeginn an sehr unsicheren Erzählerin zu folgen bis hin zu diesem horrorartigen Schluss, der dem Leser nicht offenbaren will, wie die Sache sich in der Realität abgespielt hat. War alles nur eine Imaginatiion ihrer erkrankten Seele? War Paul vielleicht doch eine miese Figur, die sich Leonie auf fiese Weise genähert hat? Was steckt wirklich in Leonie?
Ein Leseerlebnis war es für mich auch deswegen, weil das Horrorelement so unvermutet in die story schneite. Aber deine Entscheidung, NICHT den Horrortag zu setzen, ist goldrichtig. Deine Intention ist jam, so nehme ich an, die Verschränktheit zwischen ihren Fantasien, ihrem realen Erleben und der realen Welt zu zeigen. Und das gelingt dir auch.
Du hast ein wirklich tolles Psychogramm einer sehr kranken Frau geschrieben.
Das geht los mit dem einlullenden Titel, der schwebenden, wellenartigen Sprache, ihrer irgendwie auch schwebenden, traumverlorenen Existenz.
Ihr Job zum Beispiel: nur ein eigentümlicher Beruf? Oder nicht vielmehr das, was der Missbrauch und ihr Empfinden dazu aus ihr gemacht haben? Nicht anders zu können, als auf sehr intensive und körperliche Weise auf Männer zu reagieren, ob sie will oder nicht.
Ihre Suche danach, sich an anlehnen zu können.
Ja, da komm ich noch mal auf den Titel zurück. Der ist so einlullend - wie ein Schlaflied, knüpft aber auch an der Sehnsucht an, wieder Kind zu werden. Und ist diese Frau nicht in ihrer Entwicklung irgendwo stecken geblieben aufgrund ihrer Erfahrungen? Die Launen, die fast bipolaren Verhaltensweisen zwischen Tanzen, Lachen und Wutanfällen. Die sprachlichen Andeutungen, was alles verborgen ist unter einer den Schein schützenden Schicht. Ob da nun die Rede davon ist, wie sie sich selbst als Fruchtkern sieht oder wie du das Dessert beschreibst, wenn sie später essen.
Ich finde, du machst da wahnsinnig viel richtig in deinem Text. Das ist schon saugut konstruiert.
Ihre Suche nach Sinn und Struktur, wenn sie die Zeichen entdeckt, liest und fotografiert. Ob Paul ihr nun den Dämonenscheiß in der Realität erzählt hat oder nicht - wir als Leser wissen es nicht und müssen es auch nicht wissen. Denn darauf kommt es gar nicht an.
Selbst die Sache mit dem Hexenkind lässt sich aus der Perspektive einer psychisch erkrankten Frau deuten. Schuld und Scham, die der Missbrauch in dem Kind ausgelöst haben, das sie mal war, drücken sich in dem Bild der Verführerin aus, der Hexe mit ihrem Hexenkind.

Ach Isegrims, das ist ein wirklich toller Text.
Um hier nicht nur sinnlos rumzuloben und zu erzählen, wie ich den Text verstanden habe, vielleicht auch mal ein Einwand.
Aber es sind lediglich ein paar sprachliche Stolperer de an ein paar Stellen. Wenn ich Zeit und Lust habe, vor allem aber, wenn du überhaupt Bock dazu hast, gehe ich da noch mal genauer durch, bestimmt finde ich noch eine Menge!! Irgendwie könntest du dir zuhause mal einen Kommaköter zulegen.
Jetzt nur paar Stellen, die ich noch gut im Koppe habe.

Gleich zu Beginn war das:

Der Schlaf verließ mich und ich verbrachte meine Nächte mit Büchern und fremden Gedanken, bevor ich ihn kennenlernte. Selbst eine neue Frisur half nichts. Dann tauchte er aus dem Nebel auf. Alles war anders an Paul, ich konnte ihn nicht berechnen, er antwortete, bevor ich etwas fragte, erstaunte mich, zog mich an und brachte die Träume zurück.
Du machst da sprachlich eine blöde Hüpfbewegung. Von ihr und ihrer Situation zu dem neuen Typ, gleich
wieder zu ihr, und sofort wieder zum neuen Typen. Dabei verlierst du den Kamerafokus und für den Leser ruckelt es. Wenn du das schwarz Markierte rausstreichst, ist das Problem erledigt. Du könntest sogar den Satz mit der Frisur rausstreichen, aber das ist nun echt Geschmackssache und bei dem Satz kriegt man eventuell ein gewisses Gefühl für das Geschlecht. Und dass die Person (ob nun Mann oder Frau idt da ja noch nicht wirklich klar) auf Äußerlichkeiten bedacht ist, sich von ihnen Sicherheit holt.

Stattdessen entstand Hoffnung, als hätte ich ein zufällig gefundenes Samenkorn eingepflanzt und daraus wüchse ein Stil empor, Blätter bildeten sich und ich sehnte mich nach der Blüte.
Na ich hoffe doch, es ist ein guter Stil. :p Ich glaube, du meinst Stiel - den Stängel einer Pflanze.


Sein Nachtgeruch war verhaucht
Das empfinde ich als zuviel.

Aufgefallen ist mir noch der häufige Zeitenwechsel. Ob der immer so ganz logisch war und passte, ich weiß es nicht, ich mach das immer davon abhängig, ob mir beim ganz normalen Lesen was auffällt, ob ich mal nach oben rutsche zum beispiel, um zu prüfen, in welcher Zeit der Text denn nun eigentlich geschrieben ist.

So - genug für heute.
Hat viel Spaß gemacht.
Bis denn
Novak

 

Hallo Schwups,

lieben Dank für deinen tollen Kommentar. Konnte ich ne Menge mit anfangen. :Pfeif:

Der Text war ursprünglich für die Challenge gedacht, hatte aber das Gefühl, dass der Text Zeit braucht und ich den nicht so schnell fertig schreiben kann, dass er reifen muss. Die Idee dafür basiert einerseits auf Berichten und Recherchen über Hexenkinder in Afrika (Kenia, Nigeria) und der Vermischung von Wirklichkeit und Traum, die sich derzeit ausbreitet und die ich an einer Person zeigen wollte. All die Beschädigungen, die manche unfähig machen klar zu sehen und zu denken.

Danke auch für die Korrekturen und die sprachlichen Anmerkungen, die ich größtenteils umgesetzt habe.
:thumbsup:

Vieles ist schön formuliert, ich finde es gut, dass du dich abseits von Standard-Formulierungen bewegst, auf sprachlicher Ebene finde ich den Text wirklich kreativ.
wow, danke, ich nähere mich einem eigenen(artigen) Stil

ch hörte die brüllenden Geräusche der Fahrzeuge mit den Lichtern, die wie Augen die Umgebung abtasten, fragte mich, warum Autos zwei und nicht drei oder mehr Scheinwerfer haben, um unser eigenen Gesichter nachzuahmen.
unsere eigenen Gesichter

Die Formulierung hier gefällt mir nicht so gut. Warum sollten Autos drei Scheinwerfer haben, um Gesichter nachzuahmen? Ein Gesicht hat ja auch nur zwei Augen. Hat sich mir nicht erschlossen, was du damit sagen willst.

ja, das stimmt, habe ich mittlerweile geändert, um verständlicher zu werden.
Folgendermaßen:
Ich hörte die brüllenden Geräusche der Fahrzeuge mit den Lichtern, die wie Fühler die Umgebung abtasten, fragte mich, warum wir uns selbst und unsere Sehnsüchte in den Gerätschaften, die wir benutzen und mit denen wir uns umgeben, spiegeln.

Du springst immer wieder in die Gegenwart, wenn du einen allgemein gültigen Zustand beschreibst, also etwas, das nicht nur zu dem Zeitpunkt gilt (hier: "ich hasse die Wut"). Das ist sicherlich ok so, aber manchmal hat es mich auch etwas verwirrt. Ich fände hier durchgehend Vergangenheit besser.
mag sein, dass es störend ist, aber ich wollte klar abgrenzen zwischen der Geschichte, die sie erzählt und dem, was in ihre Gegenwart wirkt.

Nach dem Abschnitt hab ich gemerkt, dass ich keinen richtigen Zugang zu dieser Frau finde. Sie ist Studentin, sie hat ein Kind, das nicht bei ihr lebt, sie liebt diesen Paul und ist ungeheuer wütend, dass er nicht vorbeikommt, fotografiert trotzdem aus irgendwelchen Gründen diese Zeichen und tanzt dann durch die Wohnung. Das sind Fragmente, die sich bei mir nicht zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen wollen.
sie hat nicht einmal Zugang zu sich selbst, nicht richtig jedenfalls, das ist ja das, was ich beschreibe.

Das muss ja ein extrem komischer Typ sein, mit seinem übertriebenen Glauben und dem Aberglauben. Warum macht das deine Erzählerin nicht stutzig, sie kommt ja im Vergleich eher bodenständig rüber.
in Afrika gibt es evangelikale Kirchen, die Kinder zu Hexenkinder erklären und Exorzismen durchführen, ganz schlimme Dinge passieren, Augen ausstechen, den Schädel anbohren, sehr gruselig

Dann zu sagen: "Das mag ich." - da frage ich mich schon, ist ihr das wichtiger als ihr Kind? Ich dachte eigentlich die ganze Zeit, es kommt noch eine schlüssige Erklärung, warum sie das 14-tägige Besuchsrecht hat und nicht der Mann, aber eine solche Erklärung ist nicht gekommen.
weil sie diese Widersprüche in sich trägt, lebt ihre Tochter nicht bei ihr.

Als der Pfarrer ins Spiel kam hatte ich schon die Befürchtung, das läuft jetzt auf eine Missbrauchs-Geschichte raus. Das ist es zum Glück nicht geworden ... aber ehrlich, ich bin nicht sicher ob ich kapiert habe was da zum Schluss passierte. Die Formulierungen sind schön vage und erinnern an einen Traum, und hier passt dann auch das Inhaltliche zur Form.
ja, was eigentlich in Wirklichkeit passiert und zuvor passiert ist, bleobt im Ungefähren, weil die Erzählerin nicht sehr zuverlässig ist

In der rechten Hand hielt er einen Gegenstand, der sich nach und nach aus dem Nebel löste, die Wirklichkeit sichtbar machte, den Traum versinken ließ, während er selbst reglos blieb.
Klingt komisch.
den Satz habe ich geändert

Ein Gegenstand löste sich aus dem Nebel, den er mit der rechten Hand umklammerte, der sich nach und nach aus dem Nebel löste, die Wirklichkeit sichtbar machte, den Traum versinken ließ, während er selbst reglos blieb.

Also Isegrims, einen interessanten Text hast du geschrieben. Ich hab den schon gern gelesen und mich auch über einige Formulierungen gefreut, aber inhaltlich bleiben für mich zu viele Fragen offen, da müsstest du hin und wieder konkreter werden für meinen Geschmack.
die Fragen sollte ja der Autor nicht beantworten, gerade dieser Text braucht verschiedene Lesarten.

lieben Gruß
Isegrims

Allen anderen antworte ich etwas später, vielen Dank :thumbsup:

 

Hallo Maxi

ich freue mich sehr über deinen Kommentar, besonders weil du ja erst ein paar Tage hier bei uns registriert bist. Vielen Dank für die kritische Auseinandersetzung mit einem Text, der keine einfachen Antworten gibt und eine widersprüchliche Persönlichkeit zeigen will.

Die Geschichte fängt mit fünf Absätzen Beschreibung an. Nur mein Vorhaben die Geschichte zu kommentieren hat mich nach dem ersten Absatz weiterlesen lassen.
ich versuche von außen aus Stück für Stück nach innen, zu der Person selbst zu gelangen

Ich wusste es, bevor ich sie las. <- Den Satz finde ein bisschen allein herum hängend. Ich würde ihn streichen.
habe ich entfernt, den Satz, danke für die Beobachtung:hmm:

Die Blätter sind zu einem Ring gepresst und ich __muss__ sie mit aller Kraft abreißen, um aus ein paar Krümeln einen starken, nach Heu duftenden Tee zu brauen. <- Die geänderte Zeitform reist mich aus dem Lesen heraus.
mit der geänderten Zeitform, dem Wechsel ins Präsens, bezwecke ich was, das soll da Danach von dem Davor trennen und hat Bedeutung für die Erzählerin.

Bei den Dialogen habe ich manchmal das Gefühl, dass Anna und Paul mal perfekt deutsch sprechen und dann wieder nicht, weil plötzlich Worte fehlen.
mm, die Dialoge schaue ich mir noch mal an, ich wollte da einen Unterschied zwischen einfachem Tonfall, wenn mehr oder weniger Belanglses gesagt wird, zu einem Tonfall, mit dem Meinungen geäußert werden

Gut gefallen haben mir die Bilder und Beschreibungen wie sich Anna abmüht die perfekte Frau zu sein, zu erfahren warum Leonie nicht bei ihr wohnt und was sie tut für ihren Lebensunterhalt, aber auch, wie sie nicht für sich eintritt.
darum geht es:Pfeif:

viele Grüße
Isegrims (ich weiß, dass ich verdammt lahm beim Beantworten der Kommentare bin, ich kann das aber nicht anders, muss drüber nachdenken, um auf die Komms angemessen zu antworten)

geht bald weiter

 
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"Wer Ohren hat zu hören, der höre", wer Augen hat zu sehen, der lese!

Der Schlaf verließ mich und ich verbrachte meine Nächte mit Büchern und fremden Gedanken. Die Tage versanken in Ödnis. Selbst eine neue Frisur half nichts
typisch Frau, ist mein erster Gedanke in einer verödenden Welt (Du ahnst, dass ich mir zwo Buchstaben – zurückhaltend, wie ich halt bin – verkneifen kann),

liebe Isegrims,

und dann eine Art von Liebesgeschichte, die übel endet – vor allem fürs Kind, bei aller Verwöhnung beim gemeinsamen Ausflug. Eine Geschichte zwischen Rationalität (Berechenbarkeit, Spieltheorie, Preisbildung, also Wirtschaftswissenschaften), und vermeintlicher Welterfahrenheit und doch mit einem unglaublichen Ende durch religiös verbrämten Aberglauben, der mir schon beim Gleichnis zu Unkraut unterm Weizen dämmerte, denn wer definiert, was Unkraut sei, das auf einer anderen Ebene der Interpretation in entarteter Kunst oder gar unwertem Leben endet.

Hier das Gleichnis: „24 Er legte ihnen ein anderes Gleichnis vor und sprach: Das Himmelreich ist gleich einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte. 25 Da aber die Leute schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. 26 Da nun das Kraut wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut. 27 Da traten die Knechte zu dem Hausvater und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät ? Woher hat er denn das Unkraut? 28 Er sprach zu ihnen: Das hat der Feind getan. Da sagten die Knechte: Willst du das wir hingehen und es ausjäten ? 29 Er sprach: Nein ! auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausraufet, so ihr das Unkraut ausjätet. „30 Lasset beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um der Ernte Zeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuvor das Unkraut und bindet es in Bündlein, dass man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheuer.“ (Matth. 13. 24 – 30)

Triviales

Hier wird der Anfang, nicht aber das Ende des Relativsatzes gekennzeichnet

Er erzählte begeistert von einem Schmetterlingsschwarm, den er in Südamerika gesehen hatte[,] und im nächsten Moment von der Verbindung zu Gott, die er in jeder Faser seines Körpers und Geistes spüre.

Hier ist das Genitiv -s nachzutragen (ersatzweise ein Apostroph!)
Anfangs nahm ich es gar nicht wahr, wie so vieles, das sich unter die Oberfläche unseres Bewusstsein legt, ohne jemals zum Vorschein zu kommen.

Jetzt wird‘s schwierig, denn m. E. wird das falsche Verb, zumindest die falsche Zusammensetzung gewählt

Sein Nachtgeruch war verhaucht,
Sicherlich, das Verb „hauchen“ gibt‘s auch in vielfältigen Kombinationen mit Vorsilben an- und aushauchen und Nachsilben wie bei hauchdünn bis hauchzart, aber(!) die Vorsilbe ver- kann es da nicht geben, weil sie – das Wort ver-laufen verräts am deutlichsten – den eigentlichen Sinn des Verbs „ver“kehrt bzw. das Ziel eines Tuns „ver“passt/-patzt, verfehlt.
Der Hauch ist i. d. S., wie Du es meinst „verflogen“.

Wäre hier nicht Konj. („pink wären“) angesagt?

Sie einigten sich darauf, dass die hellroten Fische pink waren.

„Klar[,] Mama.“

Sie blickte mich enttäuscht an, weil sie vergeblich auf die Küsse wartete, mit denen ich ihr die süßen Reste sonst vom Gesicht schleck[t]e.

... jede Faser, jedes Staukörnchen, jedes Atom ergriff.

Zum Schluss die Deutung des zitierten Gleichnisses nach Matthäus: „ 36 Da ließ Jesus das Volk von sich und kam heim. Und seine Jünger traten zu ihm und sprachen: Deute uns das Geheimnis vom Unkraut auf dem Acker. 37 Er antwortete und sprach zu ihnen: Des Menschen Sohn ist's, der da Guten Samen sät. 38 Der Acker ist die Welt. Der gute Same sind die Kinder des Reiches. Das Unkraut sind die Kinder der Bosheit. 39 Der Feind, der sie sät, ist der Teufel. Die Ernte ist das Ende der Welt. Die Schnitter sind die Engel. 40 Gleichwie man nun das Unkraut ausjätet und mit Feuer verbrennt, so wird's auch am Ende dieser Welt gehen: 41 des Menschen Sohn wird seine Engel senden; und sie werden sammeln aus seinem Reich alle Ärgernisse und die da unrecht tun, 42 und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird sein Heulen und Zähneklappen. 43 Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich. Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ Matth. 13, 36 -43

Novak hat's schon benannt: Wäre Horror vorweg angezeigt worden, ich hätte die Geschichte vielleicht gar nicht ... nee, nicht ganz so, aber nur wegen des Genitiv des Wolfes betreten. Aber wem sag ich das ...

Gruß und schönen Restsonntag, mich betört gleich ein Grüppchen wie Waldi

Friedel

 

Hallo Herr Schuster

lieben Dank für deinen Kommentar. :thumbsup:

Ich habe deine Story gelesen und war erstmal sprachlos. Dann ging ich eine Runde Tee trinken, kam wieder zu deiner Geschichte, und bin immer noch sprachlos.
wenn ich dich recht verstehe, positiv sprachlos, sonst hättest du kaum so viel geschrieben zu dem Text.

Die Anrede - immer mit Kommas auf beiden Seiten.Hallo, Isegrims,
:D

Ich habe aber nicht mitgekriegt, wie die geheime Frau heisst bzw. bezeichnet wird, die gleich Erzählerfäden in den Händen hat: nur ihr sozialer Stand kommt ins Spiel: "arme Studentin" und "Mama".
Anna:lol:

Eine Person, die voller Widersprüche ist. Jemand, der keine Phantasie hat und immer wieder auf ältere Männer reinfällt, wie auf der Suche nach einer Vaterfigur: erst Staatsanwalt und dann Paul!!! Ein Magnet, das meine vollste Aufmerksamkeit angezogen hat.
ja, so ist Anna, aber Fantasie hat sie durchaus

Nur arme Studentin, diese Bezeichnung finde ich unzureichend. Es gibt keine weiteren Hinweise auf Studium: lästige Hausarbeiten in den Semesterferien, Wege zur Uni, Kontakte zu Kommilitonen etc. Nichts von all dem, nur Paul.
das spielt für die Geschichte keine Rolle, ich brauche dafür keine Details

Sie belügt sich selbst, indem sie die Geschichte von Paul abnimmt, die er ihr aufgetischt hatte. Ich glaube Paul auch nicht. Ich kann mir keinen Neurologen an der Uniklinik vorstellen, der "sehr" gläubig ist. So was wird dort nicht lange überleben! Paul könnte vielleicht ein Patient in dieser Klinik sein, genau so wie sein "Pfarrer". Niemand weiss, was die Jungs tatsächlich sind und so machen. Keine Hinweise aufs Berufsleben! Für mich auch Lügner!
könnte sein, dass alle Lügner sind, sich selbst betrügen, interessanter Gedanke

Dann erzählt sie fortwährend, wie arm sie ist, kann sich aber eine mindestens Zweiraumwohnung leisten!!! Nette Klamotten für ihre Tochter leisten,
der Job als Tänzerin, da verdient sie was

Vielen Dank für deine Story, die an manchen Stelle ziemlich unverständlich in die Länge gezogen wurde, im Großen und Ganzem aber eine äuérst spannende Angelegenheit war.
:Pfeif:

vielen Dank Herr Schuster :hmm:
und viele Grüße
Isegrims

wird bald fortgesetzt

 

Hi Isegrims,

ach ja, die Praktiken des Mittelalters in der Neuzeit, das ist doch was Feines, nicht?

Nun, ernsthaft, ich weiß nicht recht, was ich von deinem Text halten soll. Sprachlich sicherlich gut ausgearbeitet, schön zu lesen, sehr rythmisch das ganze, aber inhaltlich doch sehr wirr. Vielleicht etwas zu wirr für mich.

Ich wusste und weiß nach wie vor nicht so ganz, worum es überhaupt gehen soll. Um die Bewältigung eines Traumas? Um das Zerbrechen an einem Trauma? Um einen abergläubischen Fanatiker, der Löcher in die Köpfe von Kindern bohrt, um sie von sogenannten Dämonen zu befreien? Schwierig. Da wird so vieles angedeutet, aber nichts so richtig ausgesprochen. An einer Stelle werden der Vater und eine Gürtelschnalle erwähnt, an anderer Stelle, dass es der Prota nichts ausmachen würde, sich vor Leuten auszuziehen, dann gibts da diese Zeichen an der Hauswand und und und. Ich blick da nicht so recht durch. Du hast dir das vermutlich vorher überlegt und bleibst bewusst uneindeutig, aber es macht den Umgang mit dem Text für mich auch sehr schwierig und kompliziert.

In dem Zeichen steht dann auch das Ende. Da weiß man ja gar nicht mehr, was passiert. Was ist real, was Einbildung? Gilt diese Frage vielleicht sogar für den gesamten Text? Aber wenn dem so ist, wie kann ich mich dann als Leser auf irgendetwas davon einlassen? Im Prinzip hab ich ja nichts dagegen, wenn mich eine Geschichte grübelnd zurück lässt, wenn mir nicht alles auf dem Silbertablett serviert wird, aber in diesem Fall gefällt mir die Sache nicht so, eben weil ich schon Schwierigkeiten habe, das Grundthema zu erkennen. Am Anfang geht es um eine Frau, die offensichtlich Probleme hat, die vielleicht sogar krank ist, und am Ende kommt ein Typ und will ihrer Tochter ein Loch in den Schädel bohren. Das sind zwei Dinge, die auf den ersten Blick erstmal nichts miteinander zu tun haben. Da muss man schon genauer hinschauen. Vielleicht habe ich das ja nicht getan, vielleicht habe ich nicht genau hingesehen, vielleicht muss ich den Text nochmal lesen. Und das ist jetzt natürlich auch alles total subjektiv, das sind alles bloß meine Leseeindrücke, aber vielleicht ist das ja auch ganz interessant für dich.

Also ich würde jetzt nicht sagen, dass der Text schlecht ist, keinesfalls, ich habe beim Lesen schon soetwas wie einen Sog gespürt, vor allem einen sprachlichen Sog, aber bei der Suche nach einem Zugang zum Geschehen war ich halt nicht so erfolgreich. Das ist mir alles eine Spur zu vage.

Liebe Grüße
Mix

 

Hallo Gefrierpunkt

(was für ein Name, vielschichtig und prägnant, wie kommst du dazu?)

lieben Dank für deinen analytischen Kommentar. Ich bin erstaunt, wie genau du den Text gelesen hast und freue mich sehr darüber.

sondern mir auch zeigt, wer deine Protagonistin ist.
Ich erlebe sie als eine Frau, die mit den Füßen nicht auf dem Boden der Realität steht.
genau das wollte ich zeigen, eine Frau, die zwischen Traum und Wirklichkeit

Mir kommt der Verdacht, dass er gar nicht so besonders ist, wie sie sich selbst einreden will. Wie oft hat sie das schon getan? Bei wie vielen Männern?
wieviel Hoffnung hat sie verschwendet?

Und du hast Sätze da drin, die scharfkantig sind, die mich packen, mir unter die Haut gehen.
:Pfeif:

Das Ende der Geschichte ist die konsequente Fortsetzung dessen, was ich eingangs über die Protagonistin erfahren habe. Für mich passiert da keine Auflösung, es lässt mich unbefriedigt und traurig zurück, aber mit einer schalen Traurigkeit.
wäre es denn richtiger gewesen ein schöneres, harmonischeres Ende zu inszenieren?

Es wird nicht greifbar für mich, dass sich durch dieses Erlebnis wirklich etwas für die Protagonistin, in der Protagonistin, verändert hat. Es wird aber auch nicht klar, dass sich nichts verändert hat.
so ist der Fluss des Lebens für sie, eine Spirale ins Nichts.

Toller Kommentar, vielen Dank, und willkommen hier, fühlt sich gut an, dass meine Geschichte dein erster Beitrag hier ist
viele Grüße
Isegrims

wird bald fortgesetzt

 

Liebe Novak,

ach, dein Kommentar, der macht mich ganz verlegen. Weil du so ne Horror-Spezialistin und feine Fühler für die Zwischentöne hast, die einen Text ausmachen

Und das:

Großartiger Text, Isegrims.
muss ich gleich noch mal zitieren, auch wenn es von nem Mod wieder rausgelöscht werden sollte :D
Großartiger Text, Isegrims.
macht mich verlegen, all das Lob:hmm:

in den Text habe ich wahnsinnig viel reingesteckt, kein Text habe ich bisher so genau geplant;
Gleichzeitig war ich so tief in dieser widersprüchlichen Frau.

War alles nur eine Imaginatiion ihrer erkrankten Seele? War Paul vielleicht doch eine miese Figur, die sich Leonie auf fiese Weise genähert hat? Was steckt wirklich in Leonie?
ja, das weiß man nicht, das wei´ß auch Anna nicht.

Aber deine Entscheidung, NICHT den Horrortag zu setzen, ist goldrichtig.
war ich hin und her gerissen, aber das hätte den Blick des Lesers verändert, ihn in eine nicht beabsichtigte Richtung gedrängt.

Das geht los mit dem einlullenden Titel, der schwebenden, wellenartigen Sprache, ihrer irgendwie auch schwebenden, traumverlorenen Existenz.
ich sehe so viele Menschen, die genau so sind, das berührt mich und die Sprache muss das ausdrücken

Nicht anders zu können, als auf sehr intensive und körperliche Weise auf Männer zu reagieren, ob sie will oder nicht.
mehr bleibt ihr nicht

Ob da nun die Rede davon ist, wie sie sich selbst als Fruchtkern sieht oder wie du das Dessert beschreibst, wenn sie später essen.
sie möchte gern selbst Kind sein, deshalb auch das Lied

Irgendwie könntest du dir zuhause mal einen Kommaköter zulegen.
wo gibts den? In der Kleinmarkthalle vielleicht?
Wenn ich Zeit und Lust habe, vor allem aber, wenn du überhaupt Bock dazu hast, gehe ich da noch mal genauer durch, bestimmt finde ich
also, wenn du echt List und Zeit hast, das wäre super, macht den Text bestimmt runder

Du machst da sprachlich eine blöde Hüpfbewegung. Von ihr und ihrer Situation zu dem neuen Typ, gleich
wieder zu ihr, und sofort wieder zum neuen Typen. Dabei verlierst du den Kamerafokus und für den Leser ruckelt es.
den Anfang habe ich geändert, hoffe so klingt es besser

Sein Nachtgeruch war verhaucht
Das empfinde ich als zuviel.
na ja, da kann ich mich nicht von trennen, jetzt jedenfalls nicht

Aufgefallen ist mir noch der häufige Zeitenwechsel. Ob der immer so ganz logisch war und passte, ich weiß es nicht, ich mach das immer davon abhängig, ob mir beim ganz normalen Lesen was auffällt, ob ich mal nach oben rutsche zum beispiel, um zu prüfen, in welcher Zeit der Text denn nun eigentlich geschrieben ist.
mm, das haben einige geschrieben, will ich aber derzeit nicht ändern, der Leser darf den Unterschied zwischen dem, was Anna erzählt und dem, was bleibt, zeigen.

Was für ein Kommentar:Pfeif:
viele Grüße
Isegrims

geht weiter

 
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Hey Isegrims

Das Lächeln meiner Tochter beruhigte mich endgültig, ich hoffte, ich hoffte so sehr, dass ich sie eines Tages zu mir zurück holen könnte, stellte mir ihren Geruch vor, die feine Haut, die Augen, die ein Spiegel von mir selbst waren, die Verbindung zwischen uns.

1. Es gibt eine sehr enge Verbindung zwischen Anna und Leonie, bis hin zur Identifikation.


an Vater, der mit einem Ruckeln und Zischen, das sich stets anhörte, als entferne er den Kronkorken einer seiner Bierflaschen, die Schnalle öffnete, den Gürtel aus den Schlaufen zog, und mich zu sich zwang, ohne auf meine Tränen zu achten.

2. Anna wurde als Kind vom Vater missbraucht.

Leonie und Paul befanden sich in einer Vakuumglocke und ich davor. // Als ich bei ihnen war, brauchten sie eine Weile, bis sie mich überhaupt bemerkten. Ich musste Paul erst am Arm berühren und mich bemerkbar machen. Er sah mich an, als wäre er aus einem Traum erwacht, hob Leonie von seinen Schultern, stellte sie auf den Boden.

3. Paul entwickelt sehr schnell eine sehr innige Beziehung zu Leonie. Nichts deutet darauf hin, dass er das Kind für bedrohlich hält, im Gegenteil. Überhaupt diese ganze Szenerie im Zoo: pinke Fische (wird von Paul ins Spiel gebracht, nicht von Leonie), die Überraschung, die Paul nicht verraten will. Also, ich finde das ziemlich eindeutig. Auch dass sich Anna und Paul über ein Dating-Portal kennengelernt haben und er ein starkes Interesse daran hat, dass Leonie bei ihrer Mutter lebt.

Kreuze, Kreise, Runen, wie Chiffren einer Geheimsprache, mit Kreide auf die Mauern und Wände gleich neben den Eingängen gekritzelt, angebracht gerade an den Häusern, die bisher nackt, in makellosem Grau, Weiß oder Beige erstrahlten.

An der Bushaltestelle vibrierte das iPhone. Eine Nachricht von Paul.
„Kann leider heute nicht. Muss nem Freund helfen.


4. Die Zeichen, die darauf hinweisen, dass etwas nicht stimmt, tauchen genau dann auf, als Paul bei einem Freund ist (dem Priester?). Was tut er dort? Wobei hilft er ihm?

Die Männer beschäftigten sich mit Leonie,

5. Paul hingegen lädt den Priester ein, um ihm Leonie zu zeigen.

Es muss sein, Anna. Sie ist ein Hexenkind. Ich muss die Dämonen verjagen.

6. Der seltsame Höhepunkt der Geschichte. Unter Einbezug all dessen, was mir bisher erzählt wurde (1-5), lese ich das so, dass es sich hier um einen Missbrauchsversuch (Bohrer) handelt, der von Anna, die ja selbst Opfer gewesen ist, als Dämonenaustreibung umgedeutet wird. Vielleicht war dies der Satz, den ihr Vater geäussert hat: Ich muss dir die Dämonen austreiben, du bist eine Hexe! Und sie als Opfer hat diese Wendung internalisiert, diese Schuldzuweisung. Jetzt aber, wo sich die Tochter wehrt, schafft sie es auch, sich für ihre Tochter zu wehren und sie tötet Paul. Dafür spricht auch, dass diese ganze Hexengeschichte sehr aus dem Nichts kommt, nicht objektiv im Verhalten von Paul angelegt ist.

So, lieber Isegrims. Ich habe eine stimmige Interpretation gefunden und ich finde grad kein Detail, das dieser Interpretation widerspricht: Ich bin zufrieden.

Im Ernst, finde ich einen starken Text. Ich konnte mich nicht mit allen Formulierungen anfreunden, z.T. war es mir etwas zu betont poetisch und z.T. auch zu viel Tell.

Gestört haben mich aber nur drei Dinge:

Der Schlaf verließ mich und ich verbrachte meine Nächte mit Büchern und fremden Gedanken. Die Tage versanken in Ödnis. Selbst eine neue Frisur half nichts. Dann tauchte er aus dem Nebel auf.

Der Satz hat da m.E. nichts zu suchen. Wie sollte eine neue Frisur gegen Schlaflosigkeit helfen?, habe ich mir da gedacht. Wenn es um Einsamkeit geht, musst du das vorher ansprechen.

Ich hörte die brüllenden Geräusche der Fahrzeuge mit den Lichtern, die wie Fühler die Umgebung abtasten, fragte mich, warum wir uns selbst und unsere Sehnsüchte in den Dingen, die wir benutzen und mit denen wir uns umgeben, spiegeln.

Also, ich finde das gefährlich, eine Figur "fragte mich" denken zu lassen und dann mit einer allgemeinen Erkenntnis / Frage / Tiefsinnigkeit aufzuwarten. Klingt zu sehr nach Autor. Ich finde diese Erkenntnis auch wenig relevant für die Geschichte. Ist aber ein schöner Satz / Gedanke. Heb dir den doch für eine andere Geschichte auf. :D

Die Wut, die aus dem Nichts auftaucht und mich hilflos macht, ich hasse sie, weil sie mich an früher erinnert, an Vater,

Den Satz habe ich Anna nicht abgekauft. Sie wird versetzt, d.h. die Person ist weiter weg als gewünscht und dabei denkt sie an den Missbrauch, wo die Person näher ist als gewünscht. Das passt für mich nicht, und die Wut ist als Bindeglied zu schwach. Natürlich musst / willst du diesen (je nach Interpretation wohl entscheidenden) Hinweis auf den Missbrauch irgendwo platzieren, aber da gibt's bestimmt andere Lösungen.

Trotz dieser Einwände: Bezüglich Plot, Stimmung, Figurenzeichnung (die fragile - gemäss Novak bipolare - Erzählerin finde ich sehr sehr gelungen), meiner Meinung nach eine deiner besten Geschichten.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Isegrims,

wie ich zu meinem Namen komme? Kurzes Brainstorming, keine weitere Bewandnis. Ich könnte auch sagen: Ich wollte einen, der vielschichtig und prägnant ist. Und anonym.
(Bestimmt verrät er trotzdem irgendwas über mich. Ist nicht so leicht, sich davon freizumachen.)

lieben Dank für deinen analytischen Kommentar. Ich bin erstaunt, wie genau du den Text gelesen hast und freue mich sehr darüber.

Ehrlich, du bist erstaunt darüber?
Oh. Nun, ich bin unter anderem deshalb hier, um Rückmeldungen zu gelesenen Texten zu geben. Genau zu lesen ist meine Mindestanforderung an mich.

wäre es denn richtiger gewesen ein schöneres, harmonischeres Ende zu inszenieren?
Richtiger.
Nein.
Deine Geschichte ist verdammt gut, und wenn du das Ende so erzählen wolltest, dann ist das wunderbar.
Wäre ein harmonischeres Ende mir wirklich lieber gewesen, als noch Tage später deinem Text nachzuhängen?
Auch das kann ich mit einem klaren 'Nein' beantworten.

Wovon ich eigentlich gesprochen habe, sind aber auch eher winzige Details, Feinschliff in einer Form, wie er mir selbst bei meinen Texten nicht gelingt.
Ich glaube, du hättest noch ein Quäntchen mehr aus dem Ende rausholen können.
Mit Betonung auf noch mehr.
Erwähnte ich schon, dass ich den Text verdammt gut finde?

Toller Kommentar, vielen Dank, und willkommen hier, fühlt sich gut an, dass meine Geschichte dein erster Beitrag hier ist

Ich danke.
Und: Gerne. Deine Geschichte war ein ausgesprochen angenehmer Einstieg für mich. Bei Gelegenheit sehe ich mich in deinem Profil um, ich bin gespannt, was du sonst so schreibst.

Ich hoffe, es ist hier kein Fauxpas, sich zu den Kommentaren anderer Leser zu äußern, wenn man nicht der Threadersteller ist.
Oftmals finde ich die Rückmeldungen zu fremden Texten ebenso lehrreich und anregend wie zu den eigenen, beziehungsweise den Austausch über verschiedene Standpunkte, Assoziationen und Interpretationen.
Hier hat Peeperkorn ein paar Dinge gesagt, die für mich auch noch deutlicher herauskristallisieren, was ich an ein paar Stellen über deine Geschichte dachte.

Beispielweise trifft die poetische Sprache meinen Geschmack und fühlt sich für mich durch das viele Tell sehr stimmig an.
Das ist aber eher nebensächlich, weil Geschmacksfrage. (Genauso wie die Sache mit der neuen Frisur - die fand ich dermaßen aussagekräftig über Anna. )

Diese Stelle hingegen finde ich erwähnenswert:

Die Wut, die aus dem Nichts auftaucht und mich hilflos macht, ich hasse sie, weil sie mich an früher erinnert, an Vater,
Den Satz habe ich Anna nicht abgekauft. Sie wird versetzt, d.h. die Person ist weiter weg als gewünscht und dabei denkt sie an den Missbrauch, wo die Person näher ist als gewünscht.

Der springende Punkt ist die Hilflosigkeit. Die empfundene Machtlosigkeit. Anna leidet, aber ihr Leid hat keinen Einfluss auf Pauls Handeln. So wie es keinen Einfluss auf das Handeln ihres Vaters hatte.
Der sie, meiner Interpretation nach, geschlagen hat - wozu sonst den Gürtel komplett aus den Schlaufen ziehen. Er war außerdem wohl Trinker, sicherlich unbeherrscht. Ich stelle mir jähzornige Ausbrüche vor, unkontrollierte Wut, die sich auf Anna entladen hat, Wut, in der er sich verloren hat, und in der jetzt Anna befürchtet, sich zu verlieren. Zu einem Zerrbild von sich selbst zu werden. Kein Wunder, dass sie zurückschreckt, wenn sie Aggression in sich aufsteigen fühlt.
Kein Wunder, dass sie nicht auf Paul losgehen kann, als er an Leonies Bett steht und ihr in den Kopf bohren will.

Gruß,
Gefrierpunkt

 
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Gefrierpunkt

Ich hoffe, es ist hier kein Fauxpas, sich zu den Kommentaren anderer Leser zu äußern, wenn man nicht der Threadersteller ist.
Oftmals finde ich die Rückmeldungen zu fremden Texten ebenso lehrreich und anregend wie zu den eigenen, beziehungsweise den Austausch über verschiedene Standpunkte, Assoziationen und Interpretationen.

Das kommt zwar eher selten vor, und diese Diskussionen sollten sich auch nicht verselbständigen, d.h. vom Text wegführen, ich sehe das aber ähnlich wie du.

Der springende Punkt ist die Hilflosigkeit. Die empfundene Machtlosigkeit. Anna leidet, aber ihr Leid hat keinen Einfluss auf Pauls Handeln.

Ich melde mich hier nochmal, weil ich das einen handwerklich spannenden Punkt von hoffentlich allgemeinem Interesse finde. Denn sehr häufig werden Rückblenden so eingeleitet: Ein Gegenstand / eine Handlung x, der / die an das Ereignis y erinnert etc. Und du hast recht mit der Hilflosigkeit als gemeinsamen Nenner, das hatte ich nicht auf dem Schirm. Ich bin mir dennoch nicht sicher, ob das reicht. Mit diesem Nenner liesse sich auch z.B. die Schläge durch einen Klassenkameraden mit der Erinnerung an den Wegzug des besten Freundes verknüpfen ("Ich konnte nichts dagegen tun"). Aber es handelt sich dabei m.E. um psychologisch doch sehr verschiedene Ereignisse - ähnlich wie hier im Text. Auf alle Fälle bin ich als Leser an dieser Stelle ins Leere gelaufen.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo Bea Milana

lieben Dank für deinen Kommentar und die Hinweise zum Text. Einiges habe ich übernommen. Macht den Text runder und ich lerne durch deinen genauen Blick weiter dazu.

deine mystische Geschichte hat mir gut gefallen. Ganz besonders die bildreiche Sprache, die eine eigentümliche Stimmung verbreitet, und das Eigenleben der Dinge darin, ebenso wie die Entwicklung, die die Handlung nimmt, bis sie in einem unerwarteten Grauen endet.
Msytisch? Mag an dem Tonfall, dr Sprache liegen, die zu der erzählten Geschichte und zu der Protagonistin passt, wie ich finde.

Ein schöner Anfang, aber "Selbst eine neue Frisur half nichts" wirkt deplaziert, weil man nicht weiß, worauf es sich bezieht. Schöner fände ich:
Der Schlaf verließ mich und ich verbrachte meine Nächte mit Büchern und fremden Gedanken, bevor er aus dem Nebel auftauchte. Alles war anders an Paul, ich konnte ihn nicht berechnen, ...
teilweise habe ich deine Formulierung übernommen. Aber das mit der Frisur, auch wenn durch den Satz ein kleiner Riss im Text entsteht, zeigt einiges über Anna.

Den Vergleich mit Cruise empfinde ich als unschön, will zu der bildreichen Sprache nicht passen. Vielleicht hast du Tom genommen, um auf Scientology hinzuweisen? Dennoch kommt mir das hier zu platt vor.
ja, wegen des Scientology-Verweises ist der drin und die Vorstellung gefällt mir und Anna, die denkt eben in dem Moment an ihn (muss ich nachdenken, ob ich das rausnehme

Ich hörte die brüllenden Geräusche der Fahrzeuge mit den Lichtern, die wie Fühler die Umgebung abtasten, fragte mich, warum wir uns selbst und unsere Sehnsüchte in den Gerätschaften, die wir benutzen und mit denen wir uns umgeben, spiegeln.
Diesen Satz drei Male gelesen. Was mich raushaut, ist das Wort "Gerätschaften". Ich weiß nicht, was du hier sagen willst.
ist geändert, der Satz

Hundehäufchen, die abgestellt werden? (Bezug; würde ich umformulieren)
hast du recht, habe ich was dran gemacht

"Fischmund" hat mich raus. Warum nicht: "Dann sog ich mit offenem Mund gleichmäßig feuchte Luft ein ..."
mm, ich finde den Fischmund ziemlich prägnant, da habe ich sofort ein Bild vor Augen.

Sie blickten mir mit dem einfältig-frommen Ausdruck entgegen, den ich von Kirchgängern kenne.
Hm. Ein Go-Go-Girl, das Kirchgänger kennt, ok meinetwegen kaufe ich das. Aber der Nebensatz wirkt zu erklärend, weil ja im Dialog danach sofort die Vorstellung vom Pater kommt. Also event. streichen?
auch geändert

Warum die kleine Leonie nicht gleich bei dem Geräusch des Bohrers oder dem Schrei ihrer Mutter aufwacht? Naja, sie hat wohl einen sehr tiefen Schlaf. Also weg mit der Logik, die stört hier nur!
tja, so sieht Anna die Szene, aber wie war es wirklich?

liebe Grüße
Isegrims


Lieber Friedrichard

zum Glück habe ch nicht gar so viele Fehler in dem Text drin, habe ich deiner Schule zu verdanken. :D

typisch Frau, ist mein erster Gedanke in einer verödenden Welt (Du ahnst, dass ich mir zwo Buchstaben – zurückhaltend, wie ich halt bin – verkneifen kann),
:D

und vermeintlicher Welterfahrenheit und doch mit einem unglaublichen Ende durch religiös verbrämten Aberglauben, der mir schon beim Gleichnis zu Unkraut unterm Weizen dämmerte, denn wer definiert, was Unkraut sei, das auf einer anderen Ebene der Interpretation in entarteter Kunst oder gar unwertem Leben endet.
das mit dem Gleichnis und den Hexenkindern habe ich nicht von ungefähr verwendet. Das ist real: lies mal was über Hexenkinder in Afrika
https://de.wikipedia.org/wiki/Hexenkind_(Kongo)

Sein Nachtgeruch war verhaucht,
Sicherlich, das Verb „hauchen“ gibt‘s auch in vielfältigen Kombinationen mit Vorsilben an- und aushauchen und Nachsilben wie bei hauchdünn bis hauchzart, aber(!) die Vorsilbe ver- kann es da nicht geben, weil sie – das Wort ver-laufen verräts am deutlichsten – den eigentlichen Sinn des Verbs „ver“kehrt bzw. das Ziel eines Tuns „ver“passt/-patzt, verfehlt.
Der Hauch ist i. d. S., wie Du es meinst „verflogen“.
habe ich geändert, obwohl mir verhauchen gut gefällt.

Des Menschen Sohn ist's, der da Guten Samen sät. 38 Der Acker ist die Welt. Der gute Same sind die Kinder des Reiches. Das Unkraut sind die Kinder der Bosheit. 39 Der Feind, der sie sät, ist der Teufel. Die Ernte ist das Ende der Welt.
:Pfeif:

Wäre Horror vorweg angezeigt worden, ich hätte die Geschichte vielleicht gar nicht ... nee, nicht ganz so, aber nur wegen des Genitiv des Wolfes betreten. Aber wem sag ich das ...
Horror hätte einfach nicht gepasst, wie erschreckend die Handlung auch ist.

mich betört gleich ein Grüppchen wie Waldi
:confused:

viele Grüße, vielen Dank für den erhellenden Kommentar und genieß den sonnigen Tag
Isegrims

wird fortgesetzt (geht leider nicht schneller, weil die Kommentare so gehaltvoll sind)

 
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Hallo Isegrims,

ich habe deinen Text mehrmals gelesen und glaube, jetzt ein Urteil wagen zu können.

Ich finde ihn beeindruckend, und zwar in wörtlichem Sinn. Damit meine ich Folgendes:
Viele Formulierungen sind bildstark auf sehr eigenwillige Art und Weise. Beispiel:

Die Zeit ... verrauschte in einem Dauerlächeln

oder

... und im Bauch türmten sich Sterne

Solche Formulierungen lassen mich für einen Augenblick innehalten, weil ich nachdenken muss. Finde ich sie gelungen, nachvollziehbar, oder sind sie kitschig oder zu gewollt?

Ich habe inzwischen für mich beschlossen, alles zu akzeptieren, solange sich meine Nackenhaare nicht aufstellen. Das ist nicht ironisch gemeint. Du hast das Recht, deine Sprache zu finden, Neues auszuprobieren. Wie soll man sich sonst weiterentwickeln?

Bei mir allerdings geht die Entwicklung gerade entgegengesetzt. Ich versuche, Ballast abzuwerfen, nur das Nötigste an Tell und Show zu schreiben, mir bloß keine Kürzungsvorschläge einzuhandeln. Ich weiß doch, wie schmerzhaft es ist, Elemente, an denen man lange gefeilt hat, auszumerzen.

Ich denke daher, einige Kürzungen könnte dein Text aushalten. Für mich wären es Passagen, in denen du ein (unnötiges) Ritardando einbaust. Da gibt es einige. Beispiel:

... die mich an die Großmutter erinnerten, an ihre Seidenkleider, an ihre Flüsterstimme. Sie stammten aus ihrem Nachlass und Oma Sabina strömte aus ihnen zu mir. Die Tassen dampften und an der Oberfläche schwammen Schlieren.

Dagegen finde ich, wie einige Kommentatoren auch, dass der Schluss sehr knapp ausgefallen ist.

Die Zeichen in meinem Herzen verschwanden. Das Gepolter der Schritte ... änderte nichts an der Sicherheit, die ich bis heute empfinde.

Noch ein kleiner Einwand. Muss Paul unbedingt Neurologe sein? Anthropologe würde besser zu ihm passen, wegen seiner Afrika-Reisen usw.


Alles in allem beeindruckend. Hat mir gut gefallen.

Freundliche Grüße
wieselmaus

 
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Hallo Isegrims,

Der Schlaf verließ mich und ich verbrachte meine Nächte mit Büchern und fremden Gedanken. Die Tage versanken in Ödnis. Selbst eine neue Frisur half nichts.
Ich habe jetzt lange hin und her überlegt, mir das immer wieder durchgelesen, aber der Anfang deiner Geschichte gefällt mir einfach nicht. Der erste Satz, irgendwas stört mich da. Ich glaube, es ist dieses "Der Schlaf verließ mich". Das ist mir irgendwie zu umständlich, da habe ich gleich am Anfang irgendwie abweisend reagiert. Aber das ist nur mein persönlicher Geschmack. Mir wäre hier etwas Klareres lieber. "Nächtelang lag ich schon wach und verbrachte ..." oder sogar ganz weglassen und anfangen mit "Ich verbrachte meine Nächte mit Büchern und fremden Gedanken. Die Tage versanken in Ödnis." Das wäre klar und der Gegensatz Nacht-Tag wäre schön deutlich. Der dritte Satz "Selbst eine neue Frisur half nichts" stört mich in der Tat so richtig. Das passt so gar nicht da rein und macht auch, finde ich, keinen Sinn. Was hat denn eine neue Frisur mit Schlafproblemen oder der Ödnis der Tage zu tun?

Die Zeit, acht Wochen, seit ich ihn kannte, verrauschte in einem Dauerlächeln.
Diesen Satz wiederum finde ich sehr schön.

Auf dem Weg zu meiner Wohnung hallten die Worte des Professors nach, der wie ein runzliger Tom Cruise aussah. Ich versuchte mir zu merken, was er über die Preisbildung im Rahmen der Spieltheorie gesagt hatte, erinnerte mich aber nur daran, dass jeder Preis der Vorstellungskraft des Käufers schmeicheln müsse. Feuchtigkeit kroch mir in die Nase, breitete sich im Mund und auf der Haut aus. Ich fröstelte und schloss den Reißverschluss meiner Windjacke bis obenhin.
Ich bin mir nicht sicher, ob es diesen Absatz braucht, zumindest in der Ausführlichkeit ... Der "runzlige Tom Cruise" klingt hier für mich ähnlich fehl am Platz wie das mit der neuen Frisur. Das passt irgendwie nicht zum Grundton der Geschichte.

Wenn ich den Kopf an seine Bizeps lehnte, wenn er sich zu mir beugte, mich mit seinen dunklen Augen anschaute und ich der tiefen Stimme zuhörte, die mich kitzelte und mich innerlich aufschreien und schaudern ließ, als jagte ein zuckender Orgasmus über mich hinweg.
Das ist mir ein bisschen too much. Aber vielleicht soll sie so auch wirken, deine Protagonistin.

Ich hörte die brüllenden Geräusche der Fahrzeuge mit den Lichtern, die wie Fühler die Umgebung abtasten, fragte mich, warum wir uns selbst und unsere Sehnsüchte in den Dingen, die wir benutzen und mit denen wir uns umgeben, spiegeln.
Das verstehe ich nicht. Wie kommt sie plötzlich auf so einen Gedanken? Was ist der Auslöser?

Der Anblick war vertraut, wie die Hundehäufchen auf dem Asphalt, die Bierdosen und Flaschen, die vor den Häusern abgestellt werden.
Zeitenwechsel. Ich würde ein "jeden Tag" oder "immer" vor "vor den Häusern abgestellt werden" setzen, oder aber insgesamt beim Präteritum bleiben, sonst klingt das holprig, finde ich.

Die Einführung der geheimnisvollen Zeichen gefällt mir, da dachte mein Horror geschultes Hirn gleich "Oh Ooooooh, wenn da mal nicht noch was Schlimmes passiert" ;)

Ich war wütend, wollte ihm das Gesicht zerkratzen, blieb stehen.
Sehr gut, hier zeigst du in einem einzigen Satz, wie extrem sie zwischen den Gefühlen schwankt.

Dann sog ich mit offenem Fischmund gleichmäßig feuchte Luft ein und der Zorn legte sich.
Den Fischmund pack ich hier gar nicht. Wer saugt den mit einem Fischmund die Luft ein? Da entstehen ganz komische Bilder in meinem Kopf ...

Der Auslöser der Kamera klackte.
Sorry, vielleicht bin ich zu doof. Wer macht denn da ein Foto?

Der Wasserkocher blubberte und ich brühte mir den grünen Tee auf, den mir Xin aus China mitgebracht hatte. Die Blätter sind zu einem Ring gepresst und ich muss sie mit aller Kraft abreißen, um aus ein paar Krümeln einen starken, nach Heu duftenden Tee zu brauen.
Zeitenwechsel. Für mein Gefühl müsste hier alles im Präteritum stehen. Weiter vorne, als sie an die Wut denkt, die sie spürt, macht das Sinn, weil es um einen Gemütszustand geht, der sie begleitet. Aber hier geht es um die Situation, in der sie sich befindet, da verstehe ich diesen Wechsel nicht.

Er saugte und schleckte über meinen Hals und nickte ein.
Das soll so klingen, oder? Da wurde mir gleich komisch, klingt irgendwie eklig. Aufdringlich, viel zu nass, schmatzend.

Ich küsste ihn, steckte ihm die Zunge so tief es ging in den Mund.
Ja, pfui, mit Erotik hat es die Dame aber nicht. Aber okay, das ist schon gut so, auch die Sätze danach beschreiben gut, wie sie ihn am liebsten mit Haut und Haaren verschlingen will.

Die Zeichen auf der Mauer fielen mir wieder ein und ich zeigte ihm das Foto.
Ahaaaa, ich Dummbatz, also hat SIE das Bild gemacht :)

„Ja, so werden Häuser von Hexen oder Hexenkindern gekennzeichnet.“
Das war der erste Moment, wo ich wirklich Böses geahnt habe. Und ich finde es richtig gut, dass du dir dieses Thema ausgesucht hast. Ich habe erst vor kurzem mehrere Berichte darüber gesehen und war schockiert, was da in den Dörfern abgeht, wie Menschen, die "gezeichnet" sind behandelt, gefoltert und ausgesetzt werden. Wirklich, toll, dass du darüber schreibst! Vor allem, dass es hier passiert und nicht nur "weit weg".

Leonie und Paul befanden sich in einer Vakuumglocke und ich davor. Mit Paul könnte es klappen, Leonie zu mir zu holen. Peter, mein Ex, wäre wahrscheinlich froh. Er ist Staatsanwalt und lebt mit einer anderen Frau, die selbst Kinder hat. Das ist der Unterschied. Ich bin nichts, eine Studentin, eine Frau auf der Suche, die dreimal in der Woche nachts im Club arbeitet, betrunkenen Typen Bier und Shots bringt, lächelt und die Leute bei Laune hält. Das mag ich. Bis zu Leonies Geburt habe ich im Käfig getanzt. Peter hat mich im Club gesehen und angesprochen. Meine Moves wären was Besonderes, sagte er. Titten und Arsch meinte er. Paul habe ich bisher nichts vom Go-Go-Dancing erzählt. Weil er gläubig ist und in die Kirche geht. Ich wollte es unbedingt richtig machen, lieben.

"Meine Moves ... Titten und Arsch ..." - versteh ich nicht. Das klingt irgendwie seltsam, nach eine Coolness, die nicht cool klingt und hier irgendwie nicht reinpasst.
Danach, als sie beschreibt, dass sie Paul bisher nichts erzählt hat, würde ich im Präsenz bleiben, also: "Ich will es unbedingt richtig machen." Das wäre konsequenter, vielleicht sogar ein bisschen eindringlicher.

„Ich will die bunten Fische sehen!“
„Wie bunt sind die?“, fragte Leonie.
„Ganz bunt. Alle möglichen Farben.“
„Auch pink?“
„Mm. Vielleicht finden wir welche, die pink sind. Suchen wir sie zusammen?“
„Oh ja!“
„Wenn du einen pinken Fisch siehst, bekommst du eine Überraschung.“
„Ein Riesen-Eis?“
„Verrate ich nicht.“

Wer spricht hier miteinander?

Die Augen Leonies weiteten sich.
Ich würde schreiben: "Leonies Augen".

„Was ist ein Teufel?“
„Etwas ganz Böses.“
„Lass sie mit sowas in Ruhe, Paul. Sie ist ein Kind.“
„Sie muss kapieren, was gut und böse ist. Wer Gott und wer Teufel ist. Wegen der Dämonen. Die entern dich, wenn du dich nicht wehrst. Deswegen schaut der Hai deine Tochter an.“
Wow, sehr gut, das sitzt!

„Was dagegen, wenn ihr alleine in die Stadt geht?“, sagte Paul.
Da er eine Frage stellt, würde ich "fragte Paul" schreiben.

„Wann krieg ich die Überraschung?“, fragte Leonie ihn.
Und dann hier vielleicht "wollte Leonie wissen", um die Dopplung "fragte", die sich daraus ergeben würde, zu vermeiden.

Er kaufte ihr einen Teddybär mit dem Logo des Zoos, drückte ihr das Plüschtier in die Arme, lachte nach innen und verschwand.
Wie lacht man denn nach innen? Versteh mich nicht falsch, ich finde es gut, wie du hier mit manchen Formulierungen spielst, aber das verstehe ich nicht.

Pater Christopher stopfte sich erst den Mund und begann danach zu kauen.
Fehlt da nicht ein "voll" nach "stopfte sich erst den Mund"?

Die Männer beschäftigten sich mit Leonie, sie zeigten ihr, wie man das Essen segnet und lasen ihr aus einer Mini-Bibel vor, die Christopher aus der Jackentasche zog.
Gruselig. Seltsam, dass sie das nicht komisch findet.

Die Männer starrten sie an, die Unterhaltung verstummte und ich riss hastig ein Küchentuch von der Rolle, um ihr Gesicht zu säubern.
Auch hier schwingt wieder etwas Bedrohliches mit. Leonie ist ein Kind, das noch nicht besonders ordentlich isst. Ihre roten Lippen sind unschuldig, die Männer jedoch scheinen davon schockiert zu sein.

Leonie lag tief versunken auf dem Rücken, die Beine angewinkelt, einen Arm zwischen Rücken und Matratze versteckt. Die Bienen auf dem Stoff ihres Schlafanzugs surrten mir entgegen.
Tolles Bild.

So - und dann das Ende. Und ich muss schon wieder sagen, ich verstehe es nicht. Aber muss ich auch nicht. Es gibt hier, glaube ich, mehrere Möglichkeiten, den Text zu deuten. Ich bin mir nicht ganz sicher, welches meine ist.
Die Protagonisitin ist für mich nicht zuverlässig, wer weiß schon, was real ist, und was nicht? Ist Paul überhaupt real? Falls ja, warum versteht er sich dann anfangs so toll mit Leonie, wenn er denkt, sie sei ein Hexenkind? An was macht er das fest? Ihr Verhalten ist ja nicht irgendwie seltsam, oder habe ich da etwas überlesen? Und sagt er nicht, die Dämonen entern, wenn man sich nicht dagegen wehrt und deshalb starre der Hai Leonie an? Also ist doch noch gar kein Dämon in ihr. Wann ist der denn in sie gefahren? Und ist es nicht so, dass Hexenkinder daran "erkannt" werden, dass jemand in der Familie oder im Haus erkrankt oder stirbt? Ist es vielleicht die Protagonisitin, die krank ist, und Leonie deshalb vielleicht selbst als Hexenkind betrachtet?

Du siehst, ich komme nicht so ganz drauf klar ;) Ich finde es gut, dass du hier experimentierst, diesen Tonfall habe ich bisher in noch keiner deiner Geschichten gehört, das ist echt was Neues und das ist super. Aber in meinem Kopf bleibt ganz schön viel offen. Ich lese mal in Ruhe die Kommentare durch, vielleicht verstehe ich dann mehr. Bin gespannt auf deine Antwort.

Liebe Grüße
RinaWu

 

Sein Nachtgeruch war verflogen, ich schnupperte an ihm wie ein Hund, der sich ein persönliches Aroma merken wollte.

„Schlaf, Kindlein, schlaf,
und blök nicht wie ein Schaf,
Sonst kömmt des Schäfers Hündelein
Und beißt mein böses Kindelein,
Schlaf, Kindlein, schlaf.

Schlaf, Kindlein, schlaf,
Geh fort und hüt die Schaf,
Geh fort, du schwarzes Hündelein,
Und weck mir nicht mein Kindelein,
Schlaf, Kindlein, schlaf“,​


endet in des Knaben Wunderhorn eines der bekanntesten Kinderlieder, das in der vorletzten Strophe das Kind auffordert, artig und stille zu sein (das Verb „blöken“ kommt vermutlich vom niederdeutschen und lautmalerischen bleken/bläken/blecken, die im Grunde alle auch „brüllen/schreien“ bedeuten), kurz Ruhe zu geben, worüber der Schäferhund wachen soll, der in der letzten Strophe dann die Rolle des Vaters der ersten Strophe („der Vater hüt die Schaf“) übernimmt und in dem „schwarzen Hündelein“ schwingt dann die Angst vorm schwarzen Mann gleich mit. Aus der Erfahrung mit einigen Hunderudeln kann ich nur bestätigen, dass schwarze Hunde von Fremden oft als gefährlicher angesehen werden als helle, wobei die Fellfarbe überhaupt keinen Einfluss auf den Charakter des Tieres hat.

So viel oder wenig zur Überschrift,
(die natürlich ein neueres, eher harmloseres Lied meint und ein Kind namens Anna besingt),

liebe Isa,

und was mag dererste Satz in der Formel

Der Schlaf verließ mich
in eineer eher ungewöhnliche Formulierung bedeuten.

Es klingt, als erhöbe sich der (zu personifizierende) Schlaf als vielgestaltiger Morpheus vom Beilager, statt dass die Erzählerin wie gewöhnlich auch bei andern Leuten üblich schlicht und einfach aus dem Schlaf aufzuwachen, also die Augen zu öffnen und das Bewusstsein einzuschalten, auf ein Tun, auf den der zwote Satz zu verweisen scheint

ich verbrachte meine Nächte mit Büchern und fremden Gedanken
, denn was ist das Bewusstsein anderes, als sich selbst zu ent-äußern und Äußerungen von anderen wahrzunehmen, wobei Anna eher von schlaflosen Nächten zeugt, die bei fehlendem Schlaf (wegen des Kindes schließ ich aus, dass mal eben ein Mittagsschlaf gehalten werden kann) zu „Ödnis“ des Bewusstseins führt, die Welt in Nebel verhüllt, aus dem dann das Licht der Hoffnung, „Paul“ (= der Kleine) =
der wie ein runzliger Tom Cruise aussah
erscheint, der geborene Homo oeconomicus, Hexenmeister des Kapitals und Priester des Religionsersatzes Konsumismus, der die eine Seite mittels linearer Optimierung zur Kostensenkung verhilft und dem Verbraucher ein Nullsummenspiel um die Ohren haut und den alten Cournot noch persönlich gekannt hat und im Schmalenbach Gedächtniskreis mit dem Schwiegersohn Gutenbergs Skat spielt mit dem Teufel und Meister Winterkorn als viertem Mann.

Vielleicht hätte ich Angst haben müssen
lässt bereits nix Gutes ahnen und kommt das Gleichnis noch von Menschenfischern (Peter/Simon Petrus war Fischer), so haben die Rattenfänger das Gedankengut auf den Kopf gestellt (zum Guten und Bösen, vom Anderen und Fremden, dem grundsätzlichen Feind, von der Trennung des Spreus vom Weizen) abendländisches Kulturgut gerettet, dass nach acht Wochen wieder auf den Anfang der Erzählung zurückweist. Doch schon der Täufer führt das Abendland im Munde: "Schon hält er die Schaufel in der Hand; er wird die Spreu vom Weizen trennen und den Weizen in seine Scheune bringen; die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen." (Matth. 3,12)

Ein Dämmerzustand, ein Nicht-Wirklich-Wach-Werden umfasste mich.
als wäre der Dämmerzustand ein ständiger mit einem Hauch von Utopie
Es dauerte, bis ich die Klingel hörte, weil ich von einem Sommerspaziergang träumte, dem Regen, der aufkam, Blitze sah, den Donner im Unterleib spürte und Unterschlupf in einem lichten Birkenhain fand, bis die Sonne wieder strahlte.

So viel oder wenig für heute vom

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Mix

vielen Dank für die Zeit, die Gedanken über den Text.

Mir ist bewusst, dass sich dieser Text nicht auf den ersten Blick offenbart, weil er versucht, die Seele einer Frau zu beschreiben, wie es sie gar nicht so selten gibt, weil ich in ihre ganze Widersprüchlichkeit gekrochen bin. Was Wirklichkeit, was Traum ist, wer weiß das genau=?

Sprachlich sicherlich gut ausgearbeitet, schön zu lesen, sehr rythmisch das ganze, aber inhaltlich doch sehr wirr. Vielleicht etwas zu wirr für mich.
ich glaube, es fügt sich schon zusammen, wenn man sich darauf einlässt :Pfeif: ja, sprachlich, war Arbeit, die sich gelohnt hat.

Um die Bewältigung eines Traumas? Um das Zerbrechen an einem Trauma? Um einen abergläubischen Fanatiker, der Löcher in die Köpfe von Kindern bohrt, um sie von sogenannten Dämonen zu befreien?
all das zusammengenommen, wie du es liest.

An einer Stelle werden der Vater und eine Gürtelschnalle erwähnt, an anderer Stelle, dass es der Prota nichts ausmachen würde sich vor Leuten auszuziehen,
das ist für mich kein Widerspruch, ganz im Gegenteil, mit dem Lap-Dance, beim Ausziehen übernimmt sie die Kontrolle

Da weiß man ja gar nicht mehr, was passiert. Was ist real, was Einbildung? Gilt diese Frage vielleicht sogar für den gesamten Text? Aber wenn dem so ist, wie kann ich mich dann als Leser auf irgendetwas davon einlassen
was genau passiert ist, warum kannst du das nicht selbst entscheiden? Hier spricht kein auktorialer Erzähler, sondern eine Erzählerin, die selbst nicht alles weiß und manches gar nicht wissen will, die nicht fest in der Wirklichkeit steht.

ich habe beim Lesen schon soetwas wie einen Sog gespürt, vor allem einen sprachlichen Sog, aber bei der Suche nach einem Zugang zum Geschehen war ich halt nicht so erfolgreich.
wenn der Sog entsteht, wenn du weiterlesen willst, das ist Lob genug, vielleicht hast du Lust dich darauf einzulassen deinen Sinn zu finden. So stelle ich mir einen Text vor, wie ich ihn schreiben will: er lässt Möglichkeiten.

viele Grüße
Isegrims
Peeperkorn: lieben Dank, super Kommentar RinaWu: wie genau du wieder gelesen hast, klasse Gefrierpunkt: freut mich sehr, dass du noch mal reingeschaut hast Friedrichard: oh ja, da gibt es ein neueres Schlaflied mit genau dem Titel.
melde mich später bei euch:Pfeif:

P-S. wieselmaus: dir auch vielen lieben Dank, antworte auch dir später omg, was bin ich nachlässig: dir auch vielen Dank Berniee, ich melde mich bei allem ausführlich

 

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