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- 11.12.2003
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Schicksal eines Fischers
Der Fischer
Dieter Gschwend war seit 4 Jahren ein Witwer. Seine gesamte Familie war bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen. Doch mehr dazu später.
Dieter war ein sehr leidenschaftlicher Angler. Eines Abends hockte er nach der Arbeit, wie jeden Donnerstag, am Birnzersee. Er warf seine Angelrute aus und fing auch gleich mehrere hundert Fische. Er war schon so trainiert, dass er gar keinen Köder an der Angel mehr brauchte und auch jedesmal gleich mehrere Fische an einem Haken hingen. Er hatte früher immer einen Kessel zum Fischen mitgenommen. Heute kam er jedesmal mit seinem Ford-Kombi, damit die vielen Fische auch Platz hatten. Er verstaute diese dann jeweils im Kofferraum und fuhr dann nach Hause. Jedesmal, wenn er, bevor er heimfuhr, die Fische in den Kofferraum lud, musste er an den tragischen Unfall seiner Frau denken... Vor vier Jahren hatte er wieder mal mehrere hundert Kilogramm Fische gefangen und diese ins Auto geladen. Zuhause wusste er jedoch nicht, wohin mit den Fischen, die Vorratskammer und auch beide Kühlschränke waren bereits vollgestopft mit Fisch. Wenn man ein Joghurt oder die Butter wollte, musste man erst mit einer Taschenlampe durch die Fischberge leuchten und dann mit der Hand die vielen Fische zur Seite schieben um an ein Joghurt zu gelangen. Dabei rutschten natürlich jedesmal ein oder mehrere Fische heraus und blieben dann am Boden liegen, weil keiner Lust hatte, die Fische noch einmal anzufassen und zurückzustecken. Darum hatte die Familie Gschwend auch eine Putzfrau angestellt, die jeden Freitag morgen die Vorratskammer und die Kühlschränke reinigte und auch für die Verscheuchung der Ratten und Mäuse, die die Fische auffressen wollten, zuständig. Doch die Putzfrau rutschte eines Tages auf einem Fisch vor dem Kühlschrank aus und brach sich das Genick. Seit diesem Tag musste die Familie die Fische selber wieder in den Kühlschrank zurückstopfen.
Aber zurück zum Unfall vor vier Jahren. Dieter wusste also nicht, wohin mit den Fischen, und liess deshalb diese vorläufig im Auto, bis wieder irgendwo Platz war. Die Familie ass übrigens jeden Tag Fisch. Zum Frühstück gab’s meistens ein Fisch-Sandwich. Mittags gab es Fischeintopf und am Abend Fischsuppe, gebratener Fisch und zum Dessert ein feines Fisch-Sorbet. Die vier Kinder der Familie Gschwend verwandelten sich wegen des vielen Fisch-Konsums allmählich selber in Fische. Ärzte beobachteten kleine Schuppen an den Armen, oder auch wuchsen den Kindern bereits Flossen. Aber da die ganze Familie so irrsinnig gerne Fisch ass, nahmen die Kinder es in Kauf.
Aber zurück zum Unfall vor vier Jahren. Die Fische blieben also vorübergehend im Auto. Da das Auto auch die Mutter benutzte, um in den Supermarkt einkaufen zu gehen (meistens Fisch), geschah eines Tages etwas Schlimmes. Dieter war bei der Arbeit in der Fisch-Fabrik, als er von einem Kollegen davon erfuhr. Seine Frau war mit dem Auto auf dem Weg zum Fisch-Markt vor lauter Gestank bewusstlos geworden und rammte einen Schulbus, in dem sich per Zufall die beiden jüngsten Kinder der Familie befanden. Der Schulbus geriet in Flammen, und die Kinder konnten sich aus den Fenstern zwängen. Ausser Flips und Knut, wie die beiden hiessen, passten nicht durch das Fenster, weil die Flossen auf ihren Rücken bereits zu gross waren. Der Schulbus explodierte schliesslich und steckte das Gebäude neben sich in Brand. Es war ein Spital, in dem sich gerade Julius, der dritte Sohn der Gschwends aufhielt. Dieser wollte sich die Schuppen an den Armen operativ entfernen lassen und hatte an diesem Tag gerade einen Termin. Die Leute im Spital konnten sich durch die Notausgänge retten, nur Julius hatte kein Glück. Er rutschte auf einem Goldfisch aus, den ein Arzt zu Testzwecken benötigt, in der Hektik aber fallengelassen hatte. Dabei brach er sich das Genick. Als ob das nicht schlimm genug war, ass Verena, die Tochter der Gschwends, gerade einen Hot Dog am Hot-Dog Stand neben dem Spital. Als sie hörte, dass alle Leute flüchten konnten, ihr Bruder aber sehr wahrscheinlich tot sei, verschluckte sie sich vor Schreck so heftig, dass jede Hilfe zu spät kam. Sie erstickte an einem Hot-Dog.
Dieter’s ganze Familie war gestorben. Und er war schuld. Nur wegen diesen blöden Fischen. Seit diesem Tag machte er sich oft Vorwürfe. Doch er hatte eine neue Familie gefunden, die gleichzeitig auch seine besten Freunde waren; Die Fische im Birnzersee.
Ende