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Satt

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01.09.2005
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Satt

Die Bären hatten sie nicht gefressen. Katharina hielt das noch immer für einen bemerkenswerten Umstand, Carsten zeigte ihr einen Vogel und nannte sie überängstlich. In diesem Teil des Landes lebten keine Grizzly-, nur Schwarzbären. Die waren nachtaktiv und fraßen höchstens Fisch, gelegentlich vielleicht Aas. Am liebsten mochten sie Süßes, deshalb empfahlen die Einheimischen, beim Zelten keine Schokoriegel herumliegen zu lassen.
Jetzt, da sie auf den See hinaussahen, waren alle Gefahren ohnehin vergessen, tatsächliche und eingebildete gleichermaßen. Katharina schlug die Hand vor den Mund, Johannes pfiff anerkennend. Auf Bastians Gesicht konnten Beobachter ein ehrliches Lächeln ohne jeden Zynismus erahnen. Bei ihm kam das einem emotionalen Vulkanausbruch gleich.
Carsten freute sich mit seinen Begleitern über den märchenhaften Flecken Erde. Drei Jahre zuvor war er allein auf dem Bruce Trail gewandert. Der dichte Wald und die einsam gelegenen Seen hatten ihn nicht mehr losgelassen. Er hatte einfach hierher zurückkehren müssen. Mit ihr.
Katharina konnte sich schließlich als Erste von dem Anblick trennen. Sie drehte sich zu Carsten um. „Wunderschön“, flüsterte sie und legte die Arme um seinen Hals.
Er grinste. „Wenn ich jetzt sage ,So wie du' klingt das wie ein Arztroman, oder?“
„Jupp“, bestätigte Bastian, ohne den abwesenden Blick vom Horizont zu nehmen. Er hatte eine Hand in der Tasche seiner tarnfarbenen kurzen Hosen und fuhr mit der anderen durch Johannes' braune Locken. Carsten zeigte ihm den Mittelfinger.
„Das habe ich gesehen“, sagte Bastian.
Katharina kicherte. Sie streichelte Carstens Lippen und küsste sie. Schwache Wellen brandeten gegen das Ufer. Carsten schloss die Augen und genoss das Rauschen.
Als er sie wieder öffnete, sah er, dass auch Johannes und Bastian sich küssten. Er schluckte den Widerwillen hinunter, den er bei dem Anblick empfand. Katharina hatte Johannes im Studium kennengelernt. Er war der erste Schwule in Carstens Bekanntenkreis gewesen. Noch mit 23 hatte er Schlagzeug in einer Punkband gespielt, und der Hass auf Homosexuelle war für ihn gleichzusetzen gewesen mit dem Hass auf Ausländer im Allgemeinen und Besonderen, Schwarze, Juden und Frauen, die ihr Leben nicht dem Herd widmen wollten. Mit den Worten seiner vergangenen Jugend: Das ging gar nicht. Trotzdem revoltierte etwas in ihm, jedes Mal, wenn Bastian und Johannes Zärtlichkeiten austauschten.
Als Carsten wieder zu Katharina sah, grinste sie ihn an. Er hatte ihr seine Gefühle in dieser Sache nie gestanden, aber er wusste, dass sie es wusste.
„So, das reicht jetzt mit Romantik, sonst schlafe ich ein“, sagte Johannes. „Katta, lass uns schwimmen.“
„Bin gleich soweit“, erwiderte Katharina und begann, sich auszuziehen. Ihr karmesinroter Badeanzug, den sie bereits drunter hatte, leuchtete in der Sonne. Bastian und Carsten warfen sich einen verschwörerischen Blick zu, wie sie es immer taten, wenn ihre Partner sie so mehr oder weniger deutlich ausschlossen.
Während Katharina und Johannes laut wie Kinder im Wasser planschten, setzte Carsten sich neben Bastian ans Ufer, das aus medizinballgroßen Steinen bestand, die voller kleiner Löcher waren. Es sah aus wie ein solider Käse oder auch ein anthrazitfarbener Schwamm. Bastian rauchte eine Zigarette. Carsten vergrub seine Fingernägel tief im eigenen Fleisch. Zwei Monate zuvor hatte er aufgehört. Gierig folgte sein Blick dem Weg von Bastians Zigarette zum Mund und wieder zurück, zum Mund und wieder zurück. Gott, nur ein einziges Mal ziehen, dachte Carsten. Er brauchte Ablenkung.
„Und, wie gefällt dir Kanada bisher?“, fragte er.
„Ist ganz cool“, antwortete Bastian.
Johannes war untergetaucht. Kurz danach verschwand Katharinas Kopf, als würde sie etwas unter Wasser ziehen, einmal, zweimal, dreimal. Es erinnerte Carsten an die Anfangsszene in Der Weiße Hai. Johannes tauchte wieder auf, lachend und prustend. Katharina bespritzte ihn mit Wasser und keifte „Boah, du Arsch“, mit ihrer hohen, sich überschlagenden Stimme, von der Carsten wusste, dass sie viele Andere in den Wahnsinn trieb.
„Meinst du, dass sie's schon mal zusammen gemacht haben?“, fragte Bastian.
Carsten sah ihn an und verengte die Augen zu Schlitzen. Bastian starrte weiter auf den See hinaus.
„Was meinst du?“, fragte Carsten, ganz so, als wäre ihm dieser Gedanke noch nie gekommen.
Bastian stieß Luft durch die Zähne und grinste. „Was meine ich wohl? Deine Freundin und mein Freund. Waren die schon mal zusammen im Bett, was meinst du?“
Carsten schüttelte den Kopf. „Dein Freund ist schwul. Darum ist er dein Freund.“
Carsten rollte die Augen. „Du hast recht, das war mir noch gar nicht aufgefallen. Meine Güte, Carsten. Schon mal was von Bisexualität gehört?“
„Johannes ist bi?“
Bastian zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber wenn ich die beiden sehe, ist mir das unheimlich. Um nicht zu sagen, es tut weh, wenn ich mal ein bisschen kitschig werden darf. Außerdem ist schwul nicht gleich schwul. Ich würde keinen hochkriegen, wenn sich eine nackt auf mich drauflegen würde. Bei Johannes habe ich das Gefühl, er ist einer von diesen ,Das kann ich auch aber für die Liebe brauche ich Männer'-Typen. Eigentlich traue ich solchen Doppelagenten prinzipiell nicht über den Weg, aber was kann man schon machen, wenn man, du weißt. Verliebt ist, meinetwegen.“
Carsten nickte. Wenn Johannes für die Liebe Männer brauchte, war eigentlich alles in Ordnung. Eine triebgesteuerte Nacht wäre immer noch besser als das, was er sich zwischen Bastians Freund und Katharina ausgemalt hatte. Nachts, wenn sie neben ihm gleichmäßig atmete und er in die Dunkelheit starrte, in der sich irgendwann Bilder abzeichneten. Bilder voller Küsse zwischen ihr und Johannes, und das waren keine Sexküsse voller Geilheit. Es war die Art von Kuss, die er und Katharina sich gaben, nachdem sie sich lange in die Augen gesehen hatten.
„Kommst du mit ins Wasser?“, fragte Bastian.
Carsten schreckte aus seinen Gedanken hoch. Er war so darin vertieft gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, dass Bastian sich bereits bis auf die Unterhose ausgezogen hatte.
„Oh, ja, klar“, sagte er und stand auf. Bastian ging ein paar vorsichtige Schritte auf nackten Füßen über das schroffe Gestein. Dabei zog er ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. Carsten hatte gerade die Schuhe ausgezogen, als Bastian aufschrie.
„Ah! Au, scheiße, verdammter Dreck, verdammte Scheiße, so ein Scheiß, verdammt!“
„Was ist?“, fragte Carsten. Ein paar Meter vom Ufer entfernt ragten die Köpfe von Johannes und Katharina aus dem Wasser, trieben dort wie Bälle. Sie waren plötzlich still geworden.
„Was ist los bei euch?“, rief Katharina.
Bastian hob seinen rechten Fuß, von dessen Sohle Blut auf die Felsen tropfte. Bei dem Anblick schlüpfte Carsten hastig zurück in seine Schuhe und zog eine Sprühdose mit Desinfektionsmittel aus Katharinas Rucksack.
„Mach das bloß gleich richtig sauber“, sagte er. „Wie tief ist der Schnitt?“
„Hab ich Augen unterm Fuß?“, zischte Bastian und riss Carsten die Sprühdose aus der Hand. Mit obszönen Flüchen kommentierte er den Moment, in dem das Mittel in der offenen Wunde zu wirken begann. Katharina und Johannes schwammen zurück an Land.
Carsten sah die zugespitzte Stelle, über die Bastian gelaufen wahr. Sie ragte hervor wie das obere Drittel einer Messerklinge. Als der Stein das Blut aufsog, dachte er sich zunächst nichts dabei, so sehr ähnelte das Gestein mit den vielen Löchern einem großen, grauen Schwamm. Doch schließlich dämmerte ihm, was gerade geschehen war.
„Hast du das auch gesehen?“, flüsterte Carsten.
„Was?“, fragte Bastian ungeduldig. „Verdammt, wir laufen doch Stunden durch diesen Scheißwald bis zum nächsten Dorf.“ Aus dem Spalt, den das Steinmesser ihm in den Fuß geschnitten hatte, regnete mehr Blut auf den Felsen, und wieder wurde es aufgesogen. Carsten glaubte sogar, ein schlürfendes Geräusch zu hören.
„Hast du's jetzt gesehen?“, fragte er.
„Was?“, schrie Bastian. „Was denn, verdammt?“
„Oh Gott, Schatz!“, rief Johannes. Er kniete sich neben seinen Freund wie der Kamerad eines verwundeten Soldaten. „Gott, Basti, warum passt du denn nicht auf, wo du hintrittst?“
„Der Stein hat dein Blut getrunken“, sagte Carsten. Jetzt hörten sie ihm zu. Bastian atmete laut. Es klang, als könnte er jeden Moment in eine erneute Tirade von Flüchen ausbrechen oder auch heulen.
„Was?“, fragte Johannes.
Carsten zeigte darauf, und alle sahen sie mit offen stehenden Mündern zu, wie der Stein gierig jeden neuen Tropfen Blut in sich aufnahm.
„Was ist denn das jetzt für ein Rotz?“, fragte Bastian. Die rauen Worte täuschten nicht über die Furcht hinweg, die in seiner Stimme lag.
„Schatz, steh auf“, flüsterte Johannes, als hätte er Angst, etwas zu wecken. Zu spät, dachte Carsten.
Bastian stützte sich mit beiden Händen ab. Johannes griff ihm unter die Arme. „Ich kann nicht“, sagte Bastian und machte ein verwirrtes Gesicht.
„Was soll das heißen, du kannst nicht?“, fragte Johannes. „Basti, bitte, du machst mir Angst, jetzt steh auf, bitte.“
„Ich kann nicht aufstehen! Ich klebe an diesen scheiß Steinen fest, verdammte Scheiße!“
„Hilf mir!“, schrie Johannes Carsten an. Der sah zu Katharina. „Geh ins Wasser“, sagte er. Katharina machte einen Schritt zurück in Richtung des Sees, schrie plötzlich auf und hielt ihren Fuß, so als wäre sie auf ein Insekt getreten. Als hätte sie etwas gestochen.
Oder gebissen.
„Katharina, geh ins Wasser, sofort!“, rief Carsten. Unter anderen Umständen hätte sie ihm für den Ton vermutlich eine geknallt.
„Hilfst du mir jetzt, du Arsch?“, schrie Johannes. Zusammen griffen sie Bastian unter die Arme und zogen ihn in den Stand. Die Haut an seinen Beinen zerriss einfach und blieb an den Steinen hängen. Bastian schrie. Carsten erschrak über die Leichtigkeit, mit der das Fleisch nachgegeben hatte. Es war wie aufgeweicht, als hätte jemand etwas hineingespritzt, um es gefügig zu machen. Er musste unweigerlich an den Verdauungssaft denken, den Spinnen ihren Opfern verabreichen, um das verflüssigte Innenleben aus den Chitinpanzern zu saugen.
Carsten sah runter auf seine stabilen Wanderschuhe. Die Sohlen schienen zu schmelzen, so als wäre er mit billigen Flip Flops über eine glühende südländische Teerstraße gelaufen. Sein Blick ging zu Johannes' unbekleideten Füßen.
„Du musst auch zurück ins Wasser“, befahl er.
„Ich lasse ihn nicht hier!“, gab Johannes zurück.
„Johannes verdammt, deine Füße, geh zurück ins Wasser, ich bringe ihn von den Steinen runter!“
Johannes stolperte ungläubig blinzelnd zurück und fiel auf den Hintern. Carsten sah die Sohlen seiner Füße. Sie waren blutig rot, durch Adern und Venen schimmerten weiß die Knochen. Offenbar hatte das Adrenalin den Schmerz bis dahin blockiert, doch jetzt kroch Johannes wimmernd in den See. Die Haut seiner Handflächen und Knie folgte ihm nicht.
Da, wo kurz zuvor noch ein großer Teil von Bastians Oberschenkel auf dem Felsen gehaftet hatte, war jetzt lediglich etwas Blut zu sehen, das langsam im Gestein verschwand. Bastian ging in die Knie. Carsten zog ihn in Richtung der Bäume, auf den erdigen Weg, der in den Wald führte. Es waren noch einige Meter und er spürte, wie seine Schuhsohlen mit jedem Schritt dünner wurden. Anders als das Blut wurde der Kunststoff nur abgelöst, nicht konsumiert.
Anstelle von Bastians Gekreische war ein lautes, panisches Atmen getreten. Carsten spürte die Steine unter seinen Füßen. Sie hatten sich zu seinen Socken durchgefressen. Er stöhnte erleichtert auf, als sie die weiche Erde erreicht hatten. Schmutz puderte Bastians nasse Wunden. Carsten rollte ihn auf den Bauch.
„Seid ihr in Ordnung?“, rief er Johannes und Katharina zu, die im Wasser trieben. Bastians Freund hatte die Arme um sie geschlungen.
„Er kann die Beine kaum noch bewegen!“, rief Katharina. „Was ist denn das bloß, verdammt nochmal, Carsten? Was sollen wir denn jetzt machen?“
Er starrte die Schwammsteine an.
„Ich weiß es nicht“, sagte er und drehte sich um. Direkt hinter ihm führte der Weg, den sie gekommen waren, zurück in den Wald. Ihm fielen die einsam gelegenen Bauernhäuser ein, an denen sie vorbeigegangen waren.
„Ich gehe und hole Hilfe“, erklärte Carsten. „Es wird ein bisschen dauern. Du bist nicht verletzt?“
„Kaum“, rief Katharina. Und wenn du Johannes nicht mehr halten kannst, dachte Carsten, lass ihn einfach raustreiben. Entsetzt schüttelte er den widerlichen Gedanken aus seinem Kopf.
Katharina sah nach links und rechts. „Vielleicht können wir irgendwo aus dem Wasser raus“, schlug sie vor.
Carsten blickte in beide Richtungen. Die Schwammsteine erstreckten sich jeweils bis zum Horizont. Wenn sie irgendwo nicht mehr das Ufer bedeckten, dann war es bis dahin ein Marsch von ein oder zwei Stunden. Vom Schwimmen ganz zu schweigen.
„Nein“, rief Carsten. „Ich hole Hilfe, ihr wartet!“
Er kniete sich runter zu Bastian, der zitterte, als hätte er Fieber. Das Atmen war leiser geworden. „Das ist alles nicht so schlimm“, sagte Carsten. „Wir bringen dich ins Krankenhaus.“
Das Wort kam so unverständlich über Bastians blasse Lippen, dass Carsten es zunächst nicht verstand. „Kalt“, wiederholte Bastian.
Carsten zog sein T-Shirt aus und deckte die freiliegende Muskulatur damit zu. Die Körpersäfte würden verkrusten und mit dem Stoff verschmelzen, sodass das Entfernen dieser provisorischen Decke die Wunde wieder aufreißen würde. Aber wenn alles gut ging, übernahm diesen Teil ein Arzt, der Bastian mit ein paar Spritzen in eine Dimension ohne Schmerz schicken konnte.
Als Carsten sich auf den Weg machen wollte, schrie Katharina: „Pass auf!“
Der Pfad war blockiert. Ein Schwarzbär stand da auf allen Vieren und sah Carsten an. Er machte ein putziges Bärchengesicht, als wäre er von den Dreharbeiten eines Disney-Tierfilms zu ihnen herübergestreunert.
Carsten schluckte. „Hey“, sagte er. „Na, Kumpel, wie geht’s dir?“
Der Bär antworte mit einem Schnüffeln, wobei seine Vorderpranken vom Boden abhoben und er seine Nase gen Himmel reckte.
„Hör mal, wir haben hier ein paar Probleme“, sagte Carsten leise. „Ich muss da an dir vorbei, in den Wald. Ich will dir nichts streitig machen, oder so, wir brauchen hier nur ein bisschen Hilfe, okay?“
„Was tust du?“, rief Katharina. „Oh Gott, beweg dich bloß nicht!“
Carsten ging langsam auf den Bären zu. Sein Herz raste. Er hielt die Hände in die Höhe, als wäre er der Held in einem Krimi, den der Bösewicht mit einer Pistole bedroht.
„Ich gehe jetzt an dir vorbei und du ...“
Und wenn ich an dir vorbei bin, was dann?, dachte Carsten. Wenn er dich in Ruhe lässt, was ist dann mit Bastian? Vielleicht hat der Geruch des Blutes den Bären überhaupt erst angelockt.
„Keine Alternative“, flüsterte Carsten. „Wir haben keine Alternative.“ Wenn er einfach hier wartete, würde Bastian auf jeden Fall sterben. Schaffte er es zu einer Farm, hätte ihr Freund zumindest eine Chance.
Als Carsten nahe genug an dem Bären war, dass er ihn hätte berühren können, erwachte das Interesse des Tieres an ihm wieder. Es schnaufte zweimal wütend. Dann riss es das Maul auf und stieß ein wildes Brüllen aus. Zähne. Alles, was Carsten in diesem Moment sah, waren Zähne. Vor Angst verkrampfte sein Unterleib, und es war dieser Krampf, der verhinderte, dass er sich in die Hose pinkelte.
Carsten ging ein paar Schritte zurück. Der Bär folgte ihm nicht. Stattdessen setzte er sich hin und machte wieder sein anderes Gesicht, das für die Kinderstunde auf dem Tierkanal. Carsten fasste all seinen Mut zusammen und deutete mit einem Schritt an, dass er noch einmal die Richtung ändern wollte. Sofort stand das Tier wieder auf den Hinterbeinen und brummte ihn böse an.
„Carsten, mein Gott, was ist denn da los?“, wollte Katharina wissen.
„Ich weiß es nicht“, rief er halblaut, aus Angst, seine Stimme könnte den Bären weiter in Rage bringen. „Ich glaube, er lässt mich nicht vorbei!“
„Was?“
Carsten schüttelte den Kopf, so als könnte er selbst nicht recht glauben, was er gerade gesagt hatte. „Er lässt mich nicht vorbei!“
Wenn ich fünfhundert Meter von hier in den Wald gehe, dachte Carsten, ab des Weges, einfach mittenrein, vielleicht lässt er mich dann in Ruhe. Zwei weitere Bären kamen zwischen den Bäumen hervor und postierten sich links und rechts von Carsten. Er lachte auf, kurz und humorlos. Konnten die blöden Viecher etwa Gedanken lesen? Nun war er gefangen, zwischen drei Bären und den gefräßigen Steinen. Er drehte sich zu Katharina um und machte eine Geste der Hilflosigkeit.
„Komm ins Wasser!“, rief sie ihm zu. „Irgendwo kommen wir schon raus!“
Carsten schüttelte den Kopf. „Ich komme nicht über die Steine! Sie haben meine Schuhsohlen zerfressen!“ Einen Moment lang dachte er daran, seine Shorts und seine Unterhose auszuziehen und um die Füße zu wickeln. Doch dann fiel ihm wieder ein, wie schnell sich die Steine durch seine Schuhe gefressen hatten. Bis zum Wasser waren es fünfzehn, zwanzig Meter.
Er setzte sich auf den Boden und beobachtete die Bären. Sie taten es ihm gleich. Offenbar waren sie nicht gekommen, um zu jagen oder zu fressen. Solange er nicht versuchte, sich in Richtung des Waldes zu bewegen, zeigten sie keinerlei Interesse an ihm. Carsten vergrub sein Gesicht in den Händen. Katharina rief ihm etwas zu, aber er konnte die Worte zu nichts zusammenfügen, das einen Sinn ergeben hätte. Johannes weinte. Nach einer Weile sang das Geflenne Carsten in einen erschöpften Schlaf.

Dem Schmerz nach zu urteilen hatte ihm jemand eine lange heiße Nadel in den Schädel gestochen. Carsten blinzelte kurz in die gnadenlose Sonne. Bastian hatte ihn geweckt. Er sprach. Stammelte unzusammenhängendes Zeug von Johannes, seiner Mutter, der Uni und der Fußballmannschaft, in der er spielte. Er kicherte und stöhnte qualvoll, manchmal beides gleichzeitig.
Carsten wollte aufstehen, sank aber sofort wieder in sich zusammen. Er zitterte und ihm war schlecht. Hitzschlag, dachte er. Seine Finger zuckten erschrocken zurück, als er sich durch die Haare fuhr. Sie waren heiß wie eine Herdplatte, die jemand vergessen hatte auszustellen.
Zuerst dachte Carsten, der wabernde schwarze Teppich, der sich um Bastian gebildet hatte, sei eine optische Täuschung, der Sonne und der Nadel in seinem Kopf geschuldet. Dann erkannte er Beinchen und Fühler, Flügel und Beißzangen aller Größenordnungen, Ameisen, Käfer, Moskitos und Gott wusste was noch. Jemand schien den Inhalt eines Biologiebuches über Bastian ausgeschüttet zu haben. Der Anblick ließ eine Waschtrommel in seinem Bauch rotieren.
Das Erbrochene lief nicht einfach über seine Lippen, es sprudelte in druckvollen Stößen aus ihm heraus. Ein Teil davon platschte auf die Felsen. Carsten wischte sich mit der Hand über den Mund. „Komm schon“, sagte er. „Leck es auf. Lass es dir schmecken.“
Nichts geschah. Es war wählerisch.
„Geht weg!“ Katharinas Stimme. „Geht weg! Haut ab, verdammt!“ Sie schaukelte Johannes Körper im Wasser hektisch hin und her. „Fische!“, schrie sie. „Die Fische fressen seine Füße!“
Das Wasser des Sees war kalt. Carsten wusste das, weil er selbst darin geschwommen war, damals. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Katharinas Muskeln erkalteten und das Blut so zäh durch ihren Körper floss, dass sie schläfrig wurde. Ganz abgesehen von den immer langsameren Schwimmbewegungen …
„Halt den Mund“, flüsterte Carsten. Bastians Gebrabbel, mittlerweile vollkommen unverständlich, hörte nicht auf. Die Welt vor Carstens Augen hatte begonnen, genau wie seine Glieder zu zittern, als würde sie beben. Die Übelkeit und die Kopfschmerzen ließen nicht nach, auch wenn es langsam kühler wurde, weil der Tag zu Ende ging.
Er würde sie nicht retten kennen können, keinen von ihnen. Katharina könnte es zumindest versuchen, sie war sportlich, joggte täglich. Aber sie musste Johannes loswerden, der sie Kraft kostete. Wieder ekelten die eigenen Gedanken Carsten an. Doch er wollte leben. Dass Katharina es schaffte, war ihm sogar noch wichtiger.
Bastian stieß ein langgezogenes Stöhnen aus. Er starrte ungläubig auf die Hand, mit der er nach seinem Hintern gegriffen hatte, vermutlich in einem Versuch, das Kribbeln zu beenden, dessen Verursacher er auf dem Bauch liegend nicht sehen konnte. Durch seine Finger tropfte ein Stück von ihm selbst. Das Stöhnen wurde lauter und mündete in dem erschöpften Versuch eines hohen Kreischens.
„Halt den Mund!“, sagte Carsten. „Bitte!“
Seine Gedanken polterten ungelenk durcheinander. Hitze, Liebe, die Kreischversuche und der Geruch von Kotze. Kein Arzt der Welt würde jemals diese Beine wieder zusammennähen können. Blutvergiftung, unumkehrbar. Insekten sind der Soundtrack des Sommers. Katharina, Katharina, Katharina. Schwarzbären fressen manchmal Aas.
Carsten tastete vorsichtig nach einem Stein, der keinerlei Ähnlichkeit mit den Dingern hatte, die das Ufer bildeten. Nicht verschwägert, nicht verwandt, dachte er. Die Bären stellten sich auf die Hinterläufe. Einer von ihnen knurrte.
„Was tust du?“, rief Katharina. „Carsten, nicht!“
„Es tut mir leid“, sagte Carsten.
Ich lüge, ich lüge, ich lüge, dachte er. Die Dinger von seinen Beinen sind in meinem Kopf und fressen mein Hirn. Unumkehrbar, für jeden Arzt der Welt, schwul oder hetero.
Mit der Kraft, die ihm noch geblieben war, ließ er den Stein auf Bastians Hinterkopf hinabfahren. Mehr als diesen einen Hieb brauchte es nicht, der Stein war groß. Bastian zuckte wie ein geköpftes Huhn. Katharina schrie, Nein, Nein, im Kanon mit Johannes. Es klang so irrsinnig, dass Carsten nicht sicher war, wie lange er ein Lachen noch würde zurückhalten können.
Johannes begann schließlich, Carsten zu drohen. Er befreite sich aus Katharinas Armen und schwamm dem Ufer entgegen, mit Schmerzensschreien, die in Wutgebrüll übergingen. Er kroch aus dem Wasser, unfähig, sich auf den hautlosen Sohlen seiner Füße zu halten. Auf allen Vieren setzte er seinen Weg fort.
„Was hätte ich denn tun sollen?“, schrie Carsten. „Es ist die einzige Chance, die wir haben!“
Er schleifte Bastian zu dem Bären, der direkt auf dem Weg saß. Das Tier schnüffelte kurz an dem dargebotenen Opfer und sah Carsten dann fast ein wenig beleidigt an.
„Friss!“, schrie Carsten. „Friss und lass mich in den scheiß Wald, verdammt!“ Der Bär nieste.
Carsten drehte sich zu Johannes um. Hitze und Grauen hatten sein Hirn gekocht, das Taktgefühl war dabei verdampft. „Verdammt, Johannes, ich hätte schwören können, dass es klappt. Sieh dir seine Beine an.“ Carsten schluchzte. „Sieh dir die Beine an, verdammt.“
Johannes wurde langsamer, so als würde er sich über eine klebrige Fläche bewegen. Immer, wenn er Carsten ansah, schien ihm das neue Kraft zu geben. Aber das reichte nicht. Schließlich brach er zusammen.
Einen Moment lang dachte Carsten, der Aufschlag hätte ihn bewusstlos gemacht. Dann sah er, dass Johannes sich wand und versuchte, von den Steinen loszukommen. Als er es schaffte, seinen Kopf zu heben, glotzten riesige Augen Carsten an. Johannes hatte keine Lider mehr. An der Stelle seiner Nase klafften nur noch zwei große Löcher. Seine schiefen Schneidezähne wurden nicht länger von Lippen verdeckt. Er kann sie nie wieder küssen, durchfuhr es Carsten. Keine Männer, keine Frauen, gar nicht mehr.
Er war froh, als Johannes endlich still war. Er hielt sich die Ohren zu und summte laut „Jammin“ von Bob Marley, um das schlürfende Geräusch und Katharinas Schreie zu übertönen.

Carsten erwachte schreiend bei Sonnenaufgang. Der Albtraum war im dichten Nebel seines Unterbewusstseins verschwunden, als er sich wieder beruhigt hatte. Trotzdem wusste er, wovon der Traum gehandelt hatte. Fühlte es. Steine, Bären und tote Freunde. Er fuhr herum. Etwas verrenkte sich knackend in seinem Hals, aber er nahm weder das Geräusch noch den Schmerz wahr.
„Katharina?“ Es war ein Flüstern. Als ihm klar wurde, dass sie nicht mehr da war, schrie er ihren Namen. Dann fiel es ihm wieder ein. Versuch es, hatten sie miteinander abgemacht. Hatten sie doch, oder? Versuch es, solange du noch genug Kraft hast, hatte er gesagt. Stimmte das nicht?
Carsten stellte sich vor, wie sie an Land ging und durch den Wald lief, irgendwann einen Highway entlang, gerettet von einem Trucker, wie im Film. Er glaubte, weit entfernt einen karmesinroten Fleck im Wasser treiben zu sehen, aber das konnte alles mögliche sein.
Carsten warf Erdklumpen nach seinen Bewachern und brüllte sie an. Seine Arme waren schlaff, die Wurfgeschosse schafften nicht einmal die Hälfte des Weges. Die Bären waren in ihrer Verwunderung widerwärtig niedlich. Einer kratzte sich am Ohr.


Es wurde dreimal hell und wieder dunkel. Schließlich fiel der Letzte in einen so tiefen, erschöpften Schlaf, dass der Anführer ihn unbemerkt auf das harte Ufer rollen konnte. Er erwachte, hatte aber nicht mehr die Kraft, sich in Sicherheit zu bringen. Das Gebrüll war kurz, doch so früh am Morgen schreckte es dennoch ein paar Vögel auf.
Der andere war bereits an seinen Wunden gestorben. Als er gefressen wurde, war nur ihr Schlürfen zu hören. Der Anführer atmete langsam, als er eine Pfote aufsetzte, bereit, sie beim ersten Anzeichen von stechendem Schmerz zurückzuziehen. Er wollte Vorsicht walten lassen, auch wenn die letzte Opfergabe schon nicht mehr vollständig angenommen worden war. Das war eigentlich ein sicheres Zeichen dafür, dass sie es befriedigt hatten. Nichts geschah. Die anderen warteten darauf, dass er das Signal gab, ihm zu folgen. Er tappste auf den See zu und begann zu fischen.

 

Hallo Proof

Schauderhaft diese Idee, die du da süffisant ausgekostet hast! Und das vor der nächsten Badesaison. :D

Als der Stein das Blut aufsog, dachte er sich zunächst nichts dabei, so sehr ähnelte das Gestein mit den vielen Löchern einem großen, grauen Schwamm.

Ab da packte mich das nackte Grauen.

Die Schwammsteine erstreckten sich jeweils bis zum Horizont.

Also das ist pure Perfidität, mindestens einen kleinen Weg wie in einem Irrgarten hätten sie freilassen können.

Der Bär folgte ihm nicht. Stattdessen setzte er sich hin und machte wieder sein anderes Gesicht, das für die Kinderstunde auf dem Tierkanal.

Die Haltung der Bären überzeugte mich nicht so recht, auch wenn sie nicht unbedingt aggressiv sind. Sie waren da doch schon gereizt. Nun ja, mit dem Ende gibt es dann einen Sinn.

Es wurde dreimal hell und wieder dunkel. Schließlich fiel der Letzte in einen so tiefen, erschöpften Schlaf, dass der Anführer ihn unbemerkt auf das harte Ufer rollen konnte.

Der Schlussabsatz erscheint mir etwas kryptographisch, ich las ihn dreimal, um mir die Situation vorzustellen und die Figuren zu ordnen. Nach meiner Lesart rollt der Anführer der Bären nun Carsten auf die Steine als Opfergabe an diese blutgierigen Dinger. Dafür dürfen die Bären unbeschadet im See fischen gehen, falls die Steinmonster befriedigt sind.

Also künftig hüpfe ich, wenn überhaupt noch, nur schleunigst über die Steine an einem See, wenn sie porös wirken. Der tiefe Sinn der Geschichte liegt wohl darin, dass du vor der Benutzung nicht regulärer Badestrände warnen willst - damit du alleine dort frönen kannst. ;)

Also meine Tagesration an Unbehagen hast du für heute sattsam gestillt. Mit schauerlichem Gefühl ganz gern gelesen, auch wenn ich es sonst behaglich nervenkitzelnd vorziehe.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
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Hallo Proof,


Der Text konnte mir jetzt nicht so viel geben. Hab nichts gegen so was, aber sprach mich jetzt einfach nicht an. Ich bin auch nicht so gut in den Text reingekommen.
Hier wird aus Carstens Sicht erzählt, aber es dauert irgendwie eine Weile, bis man das merkt. Ich finde es immer gut, wenn man in so Texten, vor allem wenn man gleich vier Leute hat, gleich irgendwie klarstellt, wer hier die wichtigste Person ist. Dein personaler Erzähler ist halt nicht besonders nah an Carsten dran, vor allem am Anfang. So ist der Ezähler irgendwie neutral und dann gleich vier Leute und ja. Ich finde man könnte den Leser schon besser in den Text ziehen, auch wenn der erste Satz okay ist.


Wenn Johannes für die Liebe Männer brauchte, war eigentlich alles in Ordnung. Eine triebgesteuerte Nacht wäre immer noch besser als das, was er sich zwischen Bastians Freund und Katharina ausgemalt hatte. Nachts, wenn sie neben ihm gleichmäßig atmete und er in die Dunkelheit starrte, in der sich irgendwann Bilder abzeichneten. Bilder voller Küsse zwischen ihr und Johannes, und das waren keine Sexküsse voller Geilheit. Es war die Art von Kuss, die er und Katharina sich gaben, nachdem sie sich lange in die Augen gesehen hatten.

Sehr komisch finde ich das. Da hat einer Angst, dass sich seine Freundin in einen Schwulen verliebt, und dann wird ihm von dem Freund des Schwulen nahe gelegt, dass sie vielleicht mit ihm bumst ...
Aber es sei ja nur Sex – er hatte sich ja was viel Schlimmeres vorgestellt! Denken Männer so?


„Katharina, geh ins Wasser, sofort!“, rief Carsten. Unter anderen Umständen hätte sie ihm für den Ton vermutlich eine geknallt.

Ein sehr emanzipierter Mann, dieser Carsten. Es geht um Leben und Tod, und dann wird sein Tonfall halt ein bisschen schroffer, und sofort denkt er: Normalerweise würde sie mir jetzt eine scheuern, wenn ich so fordernd mit ihr spreche.
Also ich bin mir relativ sicher, dass sie ihn mit diesem Johannes betrügt :)

Aber die Charaktere sind nicht wirklich wichtig, sondern eigentlich alles andere, und da gibt es schon gute Stellen, wo es ordentlich geschildert wird, aber war jetzt nicht so mein Ding, so richtig kam bei mir keine Spannung auf. Den Titel find ich gut.


MfG,

JuJu

 

Hi Proof,

Das war gute Unterhaltung, die monströsen Steine und die Problemlösung der Bären gefallen mir sehr. :D
Handwerklich habe ich nichts zu meckern, was das Sprachliche angeht, die Geschichte liest sich sehr flüssig und ist nicht zu lang.

Mein einziger richtiger Kritikpunkt sind die menschlichen Figuren (sind das Protagonisten? Ich glaube, die Bären sind die eigentlichen Protagonisten in der Story :)) - mit denen wurde ich einfach nicht so recht warm. Das tut der Wirkung der Geschichte am Ende keinen Abbruch - JuJu hat das ja schon gesagt, dass die Charaktere eigentlich nicht so wichtig sind.

Die vier werden vor allem über ihre Beziehungen zueinander charakterisiert, fand ich - wer ist mit wem zusammen und wer versteht sich besonders gut. Darüber hinaus erfährt man sehr wenig über die Figuren, es gibt nichts, was sie mir besonders sympathisch machen oder besondere Abneigung hervorrufen würde. Ich habe es am Anfang auch ähnlich empfunden wie JuJu, dass nicht gleich klar wurde, dass aus Carstens Perspektive erzählt wird. In den ersten Sätzen könnte es genausogut Katharina sein.

Ob du jetzt an der Charakterisierung noch feilen willst, ist deine Entscheidung - ich habe die Geschichte wie gesagt trotzdem gerne gelesen, sie funktioniert als Horrorgeschichte und ist ja auch nicht als Charakterstudie angelegt. Aber die Figuren sind definitiv nicht das, was von der Geschichte in Erinnerung bleiben wird. Das wird in meinem Kopf zu der "Geschichte mit den Steinen und den Bären", und die Namen der vier Leute werde ich schnell vergessen.

Grüße von Perdita

 
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Hi Proof,

brr, was für eine fiese Geschichte - hat mir sehr gut gefallen!

Am Anfang hast du die 4 Personen für meinen Geschmack etwas zu schnell eingeführt, ich bin ab und zu zurückgesprungen, um zu gucken, wer wer war. Das könntest du u.a. verbessern, indem du einem oder mehreren Charakteren ein z.B. optisches Merkmal gibst; äußerlich wird keiner der 4 beschrieben. Gib einem doch blonde Haare und einem anderen eine Wampe oder so, mit solchen Sachen kann man sich besser merken, wer wer ist.
Ansonsten dachte ich gleich: Ah, klassischer Aufbau, ein paar junge Leute - mal sehen, wer überlebt.. ;)
Dazu gehört auch die Beziehungskiste, fand ich gut eingeführt, auch geschickt, dass dann später gerade Katharina und Johannes im Wasser, und Carsten und Bastian an Land sind..
Das mit den Bären fand ich dann schön vom Anfang aufgegriffen.
Was mir auch gut gefallen hat, waren die wirren Gedanken Carstens, als er sich den Stein schnappt ...

Ein bisschen Textkram:

Aus dem Spalt, den das Steinmesser ihm in den Fuß geschnitten hatte, regnete mehr Blut auf den Felsen, und wieder wurde es aufgesogen.
Finde ich zu krass. Ich meine, stell dir das mal bildlich vor.. Eher tropfen oder so, würde ich sagen.

die Leichtigkeit, mit der das Fleisch nachgegeben hatte. Es war wie aufgeweicht, als hätte jemand etwas hineingespritzt, um es gefügig zu machen.
Finde ich nicht so passend. Gefügig im Zusammenhang mit Fleisch? Fleisch ist ja von Natur aus schon nachgiebig (schreibst du ja auch), also da würde ich nochmal drüber nachdenken.. Evtl. nach "aufgeweicht" einfach streichen?

Jemand schien den Inhalt eines Biologiebuches über Bastian ausgeschüttet zu haben.
Es ist klar, was du meinst, aber ich würd's auf ein Biologiebuch über Insekten o.Ä. beschränken...

Das Wasser des Sees war kalt. Carsten wusste das, weil er selbst darin geschwommen war, damals. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Katharinas Muskeln erkalteten und
Das doppelt sich doof..

Er würde sie nicht retten kennen können, keinen von ihnen.
Merkste selbst..

Insgesamt eine gelungene Sache, war für mich echt rund!

(Ein bisschen hat mich die Geschichte an eine Kg von King erinnert, da sind ein paar junge Leute auf einem Floß auf einem See, und irgendwas ist im Wasser, sodass sie nicht mehr runter können. Keine Ahnung, wie die hieß oder in welchem Buch sie ist, aber kennst du die?)

Viele Grüße,
Maeuser

P.S.: Den Titel finde ich blöd. :P

 

Ein bisschen hat mich die Geschichte an eine Kg von King erinnert, da sind ein paar junge Leute auf einem Floß auf einem See, und irgendwas ist im Wasser, sodass sie nicht mehr runter können. Keine Ahnung, wie die hieß oder in welchem Buch sie ist, aber kennst du die?

Die heißt einfach nur "Das Floß" (The Raft), und ist in "Der Gesang der Toten" drin (das Buch hätte ich ohne Google aber auch nicht gewusst). An die fühlte ich mich auch ein bisschen erinnert - diese Eigenheit der Steine, ihre Opfer spurlos aufzusaugen, das hat schon was von dem Ölfleck-Monster unter dem Floß. Würde mich auch interessieren, ob die Geschichte hier Pate gestanden hat. :)

Außerdem wollte ich sagen, den Titel fand ich gut. Das ist ein Titel, den sich die Bären ausgedacht haben könnten. :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Moi Proof,

ich hab ne ganz andere Frage zu Kurzgeschichten: warum gibt es diese Mammoth Books of Horror, durch deren 750+ Seiten man sich durchquälen muss, bis man eine gute Geschichte findet, von der Autorin glücklich ein Buch kauft, nur um festzustellen, dass alles andere von ihr Schrott ist - und warum steht Dein Text hier in keinem Buch, für das ich mein Geld ausgeben kann, hm? :) Ich würde nämlich gerne.

Kurz gesagt: ich bin echt hingerissen. Mag ja sein, dass dies nicht Dein neuster Text ist, obwohl es sich von der Entwicklung her so liest, aber - womit ich die anderen Geschichten nicht runtersetzen will - Du hast hier eine andere Plot-Ebene erreicht. Soweit ich mich erinnere, hast Du schon twists und kombinierte Themen, aber die Erzählungen sind linear und einsträngig. Obwohl der Text hier bis zum Dreh am Ende keine Perspektiv- oder Settingwechsel hat, kommt mir die Sache mehr wie ein vielschichtiges Gewebe denn ein einzelner Faden vor. Wobei Du den äh ... roten nicht aus den Augen verlierst. (Das ist gar nicht als doofer Witz gemeint, sondern ernst! :-)

Die Charaktere sind mit wenigen Beschreibungen super getroffen - und was mir besonders gut gefällt: neben den persönlichen 'menschlichen' Merkmalen erzählst Du mit den Dialogen/Gedanken/Ansichten noch ein ganz anderes Thema, nämlich Ekel.

Carsten ekelt sich vor Bastian (und Johannes), dann kommt die Idee mit dem Bi/Fremdschlafen, die für Carsten und Bastian etwas Fieses haben könnte (auch wenn sie so locker drüber reden, was die Partner jeweils so getrieben haben könnten), und irgendwie ist das mit dem Bi Carsten auch unheimlich. Dann die Natur als etwas grundsätzlich Fremdes - für die Städter, dann diese Steine, der Ekel der Verletzungen am eigenen wie anderen Körper, der See, der auch plötzlich fies wird. Das ist ein perfekt durchgezogenes Thema, gleichwertig mit der Handlung, sehr schön sychronisiert. So dieses Natürlich/Unnatürliche, und die kulturelle Abscheu davor.

Und dann diese Befremdung der Bären ganz am Ende, die da wie über die ganze Szenerie selbst den Kopf schütteln, ganz intellektuell-abgeklärt ... wie geil.

Was mir auch gut gefiel: anders als der Hund in einem Text von Dir, der eine Katze statt dem Aasgeruch einer Leiche unter ihr anziehend findet, wird hier sofort klar, dass mit den Bären was nicht stimmt - und es ist zwar dezent, aber deultich genug eingeflochten, so dass man nicht denkt, es sei eine Unaufmerksamkeit oder Schusseligkeit des Autors. Man traut sich selbst nicht, an der Stelle ... sind die Viecher noch normal?

Super Unterhaltung, sehr vielschichtige Charakterisierung. Jemand meinte hier, die Prots würde man am wenigsten im Gedächtnis behalten - mir geht es anders. Es hätte alles mögliche passieren können, und das Thema, die Figuren wären in ihrer Verflechtung und Thematik immer noch stimmig & deutlich in Erinnerung gewesen.

Auf Bastians Gesicht konnten Beobachter ein ehrliches Lächeln ohne jeden Zynismus erahnen.
Ich bin nicht so ein Freund von diesen man-Einschüben, aber wenn Du die nichtvorhandenen Beobachter so beihaben willst: besser könnten. "Ohne jeden Zynismus" ist sehr schön. Ein Paradebeispiel für Adjektivvermeidung, wie es von Schirach nicht besser gekonnt hätte.

Warum Punk mit Schwulenhass/Rassismus gleichgesetzt wird geht mir ExPunk allerdings nicht in den Kopf - da war doch alles links und Männlichkeit nicht wichtig und alle Rollen aufgelöst. Hab ich was missverstanden im Text, oder gab es das mal so? Hätte ich mehr bei Ska oder Hardrock eingeordnet.

Egal, hier ein paar Lieblingssätze:
- Ein genialer Einstiegssatz, übrigens!

Bastian rauchte eine Zigarette. Carsten vergrub seine Fingernägel tief im eigenen Fleisch. Zwei Monate zuvor hatte er aufgehört. Gierig folgte sein Blick dem Weg von Bastians Zigarette zum Mund und wieder zurück, zum Mund und wieder zurück.
„Was ist?“, fragte Carsten. Ein paar Meter vom Ufer entfernt ragten die Köpfe von Johannes und Katharina aus dem Wasser, trieben dort wie Bälle. Sie waren plötzlich still geworden.
Bastian hob seinen rechten Fuß, von dessen Sohle Blut auf die Felsen tropfte. Bei dem Anblick schlüpfte Carsten hastig zurück in seine Schuhe und zog eine Sprühdose mit Desinfektionsmittel aus Katharinas Rucksack.
Das von Zugucken auf Bewegung (in den eigenen Schuh) ist eine tolle Beobachtung. Der Text fängt an, da so ein reales Zehenkrümmgefühl auszulösen, obwohl noch nix Heftiges passiert ist.
„Der Stein hat dein Blut getrunken“, sagte Carsten. Jetzt hörten sie ihm zu. Bastian atmete laut. Es klang, als könnte er jeden Moment in eine erneute Tirade von Flüchen ausbrechen oder auch heulen.
„Was?“, fragte Johannes.
Hihi, ich finde, so einfache, naive Stellungnahmen haben oft was Echtes, und das gruselt mich. Schwierig, das nicht kippen zu lassen, ist hier aber nie Slapstick.
Die Haut seiner Handflächen und Knie folgte ihm nicht.
Für solche Sätze lese ich Horror.
„Was tust du?“, rief Katharina. „Carsten, nicht!“
„Es tut mir leid“, sagte Carsten.
Ich lüge, ich lüge, ich lüge, dachte er. Die Dinger von seinen Beinen sind in meinem Kopf und fressen mein Hirn.
Iiihhiiii, "ich lüge ..." - das ist so gemein. Klasse Dynamik, schönes Tempo überhaupt. Und toll, wie dann alles in diese fragmentierte Wahrnehmung rutscht, die das eben sehr gut nachfühlbar macht, sehr realistisch. Ich mag es, wenn Erzählstimme und Handlungsebene so zusammenfallen.

Mir hat das 'gefügig' übrigens gerade gut gefallen, weil es eben andere Konnotation hat, und diese Doppeldeutigkeit gemein ist.

"Einer kratzte sich am Ohr" - hehe, wie geil! Ja, fies niedlich. Schöner Dreh, mit dem die Menschen plötzlich völlig aus dem Plot gedrängt werden und ihre ganzen Ängste und Dramen mit einem Schlag irrelevant geworden sind. Gefällt mir aus Ausstieg super, auch dieser surrealistische twist.

:) Und Glückwunsch, sowieso! Das ist sowas von verdient!!! Ich wünsche noch viel mehr in dieser Richtung.

Herzlichst,
Katla

edit: Verdammich, ich wollte mit dem Komm doch warten, bis das mein Beitrag 1.666 ist, Dummchen ich! :P

 

Hallo Proof

Nachdem ich den Einstieg durch die etwas verwirrende who-is-who Liste geschafft habe, zog es mich dann doch noch in die Geschichte hinein.
Irgendwie müsste man den Anfang entwirren, das wäre toll, denn so habe ich spätestens als das blutsaugende ES ins Spiel kam den Einstieg bereits wieder verdrängt.

Viel wurde bereits gesagt, so bleiben mir nur noch Kleinigkeiten:

Wenn ich jetzt sage ,So wie du' klingt das wie ein Arztroman, oder?
war für mich wie Komma und Apostroph.
Besser: Wenn ich jetzt sage 'So wie du' klingt das ...

dass sie viele [Andere] in den Wahnsinn trieb.
würde ich Andere streichen.

Die rauen Worte täuschten nicht über die Furcht hinweg, die in seiner Stimme lag.
Da vorher bereits schon wüstere Wörter geflogen sind, würde ich hier aufs wesentliche kürzen:
Doch in seiner Stimme lag Furcht.

Nichts geschah. Es war wählerisch.
:D

Es klang so irrsinnig, dass Carsten nicht sicher war, wie lange er ein Lachen noch würde zurückhalten können.
Den Wahn prima getroffen!

Süss und gemein und berechnend, diese Bären, aber so ist das in der Natur. Fressen und gefressen werden.
:D

Nach dem (für mich) wirren Einstieg hat es sich dann doch noch zu einer prima Horrorgeschichte gemausert.

Gerne gelesen,
Gruss dot

 

Hi Proof

Ich habs hier glaub schon öfter geschrieben, ich bin ein Fan dieser Art von Geschichten - man bringe einen oder mehrere Protagonisten in eine Lage, aus der sie sich nicht aus eigener Kraft befreien können und schaue, wie sie in einer solchen Situation reagieren. Da gibts dann nämlich immer zwei Aspekte: Zum einen, wie reagieren sie auf die Gefahr von aussen, und zum anderen, wie verändert die äussere Gefahr ihr Verhalten zueinander? Ich finde die zweite Frage viel interessanter, und ich bin froh, dass in deiner Geschichte auch beide Aspekte eine Rolle spielen.

Aber der Reihe nach: Zu Beginn gefällt mir nicht so gut, dass in den ersten zwei Absätzen gleich mit vier Namen herumgeworfen wird - da muss ich meinen Vorrednern recht geben, ich denke die Figuren lassen sich eleganter einführen. Sie tun am Anfang ja auch nichts Weltbewegendes - jemand schlägt die Hand vor den Mund, ein anderer pfeift, ein dritter lächelt. Das ist ziemlich statisch und austauschbar, ich würde es vielleicht über direkte Rede versuchen, würde glaub besser kommen. Was mir dann gut gefällt, ist, dass du trotz typischem Horror-Setting (das hab ich schon als Kommentar in deiner letzten Geschichte geschrieben, ist aber auch hier nicht negativ zu verstehen!) bei den Figuren abweichst - das homosexuelle Pärchen ist jedenfalls nichts, womit man es in einem Durchschnitts-Slasher zu tun hat, sowas find ich gut wenn man da mal bisschen was anderes macht, auch wenn es nur ne Kleinigkeit ist.

Noch mit 23 hatte er Schlagzeug in einer Punkband gespielt, und der Hass auf Homosexuelle war für ihn gleichzusetzen gewesen mit dem Hass auf Ausländer im Allgemeinen und Besonderen, Schwarze, Juden und Frauen, die ihr Leben nicht dem Herd widmen wollten.

Abgesehen davon, dass ich "im Allgemeinen und Besonderen" streichen würde, finde ich das zu dick aufgetragen. Das ist ja schon mehr als eine latente Durchschnitts-Homophobie, das geht ja schon schwer in Richtung Neo-Nazi, dem nehme ich irgendwie diese "Ich-möchte-meinem-Mädchen-den-idyllischen-See-zeigen"-Haltung nicht so recht ab - klar gibts Aussteiger, die sich komplett ändern, aber das ist dann schon eine recht komplexe Figur; ein Aspekt, den du thematisieren solltest - was jedoch ausbleibt. Dies und die Tatsache, dass diese Vergangenheit im Rest der Geschichte keine Rolle mehr spielt (also auch nicht was die Beziehung der Figuren in der geschilderten Situation angeht), würde ich als hinreichenden Grund ansehen, es zu streichen. Das macht es glaub einfacher, und den Widerwillen beim Anblick der küssenden Männer kannst du trotzdem glaubhaft rüberbringen.

Ihr karmesinroter Badeanzug, den sie bereits drunter hatte, leuchtete in der Sonne.

Muss er karmesinrot sein? Bin jetzt kein Modeexperte, ist das jetzt eher ein helles oder dunkles Rot, geht das Richtung violett oder orange? Einfach "rot" hätte hier auch gereicht, finde ich. "leuchtete in der Sonne" - hm, naja.

Bastian und Carsten warfen sich einen verschwörerischen Blick zu, wie sie es immer taten, wenn ihre Partner sie so mehr oder weniger deutlich ausschlossen.

"Verschwörerisch" klingt so kumpelhaft, aber gerade im Absatz vorher hast du ja gezeigt, dass da schon eine gewisse Distanz zumindest seitens Carstens vorherrscht - finde das Wort hier unpassend, zumindest Carsten sollte ja eigentlich besorgt sein, Bastian ja auch.

„Boah, du Arsch“, mit ihrer hohen, sich überschlagenden Stimme, von der Carsten wusste, dass sie viele Andere in den Wahnsinn trieb.

"andere" ist hier glaub passender, auch wenn man es in Ausnahmefällen gross schreiben kann.

Der Dialog, der dann zwischen Carsten und Basti kommt, gefällt mir ausgesprochen gut, den hast du sehr realistisch hinbekommen. Diesen Satz allerdings:

Wenn Johannes für die Liebe Männer brauchte, war eigentlich alles in Ordnung.

finde ich auch befremdlich, aber da hat JuJu ja schon was dazu gesagt.

„Ah! Au, scheiße, verdammter Dreck, verdammte Scheiße, so ein Scheiß, verdammt!“

Da wird mir ein bisschen zu viel geflucht an der Stelle.

Jetzt kommt ja die erste entscheidende Stelle in der Geschichte, die "äussere" Gefahr kommt ins Spiel - find ich gut mit den Steinen, ist auch mal was Neues (sonst tauchen in einem solchen Setting ja gern die verrückten Hinterwäldler auf, wahlweise auch degeneriert). Finde es wird einen Tick zu schnell klar, was Sache ist:

Aus dem Spalt, den das Steinmesser ihm in den Fuß geschnitten hatte, regnete mehr Blut auf den Felsen, und wieder wurde es aufgesogen. Carsten glaubte sogar, ein schlürfendes Geräusch zu hören.

Denke da könnte man noch ein wenig mehr Spannung reinpacken und die "Auflösung" hinauszögern, ist aber ne Kleinigkeit.

Was dann kommt ist gut geschriebener Gore-Horror, mit der abgerissenen Haut, das hast du schon drauf solche Stellen. Als dann Katharina und Johannes im Wasser sind und die Bären auftauchen, hast du eigentlich eine solche Stelle, in der das Verhältnis zwischen den Figuren wieder in den Vordergrund rücken kann. Ist hier jetzt natürlich ein bisschen schwieriger, weil sie nicht direkt am selben Platz sind und zwei von den vieren schon schwer verletzt sind, das finde ich ein bisschen schade. Auch, dass du den anfänglichen Konflikt zwischen Carsten und dem schwulen Pärchen oder seine Befürchtungen hinsichtlich eines Verhältnisses zwischen Johannes und Katharina nicht wieder aufgreifst, sehe ich da ein bisschen als verpasste Chance. Ich bin da nah bei Katla was die Figuren angeht, ich finde die auch interessant, gerade zu Beginn bringst du eigentlich in sehr wenigen Sätzen eine Menge Konflikte auf - nach hinten raus verpufft mir das, da hätte ich es besser gefunden, wenn irgendwas davon nochmal eine Rolle gespielt hätte. Denn gerade in Extremsituationen brechen solche schwelenden Konflikte ja gerne auf, und ich dachte eigentlich auch, das sei deine Intention gewesen, sie einzuführen.
Dass er Bastian tötet zählt für mich da nicht richtig - zum einen entfaltet sich der Konflikt dadurch ja nicht, zum anderen ist er schon fast tot - auch wenn ich zugeben muss, dass er einen langjährigen Jugendfreund, mit dem er durch dick und dünn gegangen ist, vermutlich nicht so rasch erschlagen hätte.

Nach einer Weile sang das Geflenne Carsten in einen erschöpften Schlaf.

Da finde ich komisch, dass er so schnell schlafen kann. Ist es an der Stelle nicht immer noch nachmittags / früher Abend am selben Tag? Und dann soll er schlafen, trotz der ganzen Aufregung?

„Komm schon“, sagte er. „Leck es auf. Lass es dir schmecken.“
Nichts geschah. Es war wählerisch.

:D

Aber sie musste Johannes loswerden, der sie Kraft kostete. Wieder ekelten die eigenen Gedanken Carsten an. Doch er wollte leben. Dass Katharina es schaffte, war ihm sogar noch wichtiger.

Das finde ich ziemlich gut, wie oben erwähnt. Er wollte leben. Der Moment, wenn es ums eigene Überleben geht, auch wenn er Katharina (noch?) eher schützen will.

Er starrte ungläubig auf die Hand, mit der er nach seinem Hintern gegriffen hatte, vermutlich in einem Versuch, das Kribbeln zu beenden, dessen Verursacher er auf dem Bauch liegend nicht sehen konnte.

"Verursacher" klingt hier irgendwie so ... technisch, ich weiss auch nicht. Hab jetzt aber auch keinen besseren Vorschlag.

Der letzte Absatz gefällt mir nicht so gut, aber ich mag es generell nicht, wenn eine Geschichte aus der Perspektive eines Tieres geschrieben ist - das ist glaub auch sehr sehr schwer das gut zu machen, weil das Tier eine eigene "Stimme" braucht, und das kann dann auch sehr schnell albern werden. "Opfergabe" und so, weiss ein Bär, was das ist?

Dieses Bild kurz zuvor, mit dem roten Fleck auf dem Wasser, von dem sich Carsten nicht sicher ist, ob er ihn überhaupt sieht - das finde ich ein gutes Bild, mit dem diese Geschichte eigentlich auch ausklingen kann, es ist dann schon klar, was passiert.

Insgesamt fand ich das eine sehr unterhaltsame Geschichte (die ich auch übrigens dreimal gelesen habe, was ich auch nicht bei jeder tue). Grösstes Manko ist wie geschrieben, dass das Verhalten der Personen untereinander im Angesicht der Gefahr ein wenig kurz kommt, vor allem eben, weil du in einem guten Intro eigentlich beste Voraussetzungen dafür schaffst.

Viele Grüsse - und bis zum nächsten Mal.

 

Hallo Proof,

für meinen Geschmack dauert es zu lange, bis es in dieser Geschichte zur Sache geht. Menschenfressende Steine sind außerdem nicht gerade furchteinflößend.

Sehr gefallen haben mir die Beschreibungen, besonders die des Anführers der Bärengruppe. Überhaupt finde ich das Ende, mit den Bären und dem Menschenopfer, großartig.

Um die Geschichte noch besser zu machen, könntest du an zwei Punkten ansetzen: Erstens kommt mir dieses Stein-Lebewesen nicht sonderlich unheimlich vor. Auch kann ich mir nicht so recht vorstellen, dass es in so einer gottverlassenen Gegend von den Tieren, die an den See kommen, leben und so riesige Ausmaße annehmen könnte.

Zweitens war mir die Beschreibung des Verhältnisses zwischen den Vieren zu lang. Spannend wird es erst, als dieses seltsame Etwas Carsten in die Fußsohle sticht.

Wie du ja weißt, bin ich ein Fanboy. ;) In der vorliegenden Form reicht diese Geschichte allerdings MMN nicht an deine besten Sachen heran.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Wow, Proof, das ist eine echt coole, widerwärtige story.
Du schreibst einfach toll und schlürfst einen in deine Geschichte rein, als geistigen Nachtisch für deine Monstersteine.

Und das alles machst du, ohne, dass du dir supergescheite, innovative Wortbilder ausgedacht hättest, sondern viel einfacher und möglicherweise gerade dadurch so eindringlich und spannend. Da sitzt einfach jeder Satz und jedes Wort. Und wenn ein Bild kommt, dann knallt es.
Wie hier zum Beispiel:

Seine Gedanken polterten ungelenk durcheinander. Hitze, Liebe, die Kreischversuche und der Geruch von Kotze. Kein Arzt der Welt würde jemals diese Beine wieder zusammennähen können. Blutvergiftung, unumkehrbar. Insekten sind der Soundtrack des Sommers. Katharina, Katharina, Katharina. Schwarzbären fressen manchmal Aas.

Ich fand die ganze Idee stark, denn normalerweise hätten ja schon die Steine gereicht, um eine Horroratmosphäre zu erzeugen und die Spannungen zwischen den vier Kumpel zu beleuchten.

Schon wie du in die Szenerie einführst, das ist gelungen, das kleine Filmzitat. Das wirft ein Licht auf die Freunde und ihre Beziehung, auf Carsten und sein hohes Veratwortungsgefühl Katharia gegenüber und ist gleichzeitig die Ankündigung von fiesem Schrecken:

Johannes war untergetaucht. Kurz danach verschwand Katharinas Kopf, als würde sie etwas unter Wasser ziehen, einmal, zweimal, dreimal. Es erinnerte Carsten an die Anfangsszene in Der Weiße Hai. Johannes tauchte wieder auf, lachend und prustend. Katharina bespritzte ihn mit Wasser und keifte „Boah, du Arsch“, mit ihrer hohen, sich überschlagenden Stimme, von der Carsten wusste, dass sie viele Andere in den Wahnsinn trieb.

Nur den letzten Satzteil würde ich weglassen, also das Fette, eventuell auch das davor, denn es steckt schon im Keifen drin, das maht man halt mit hoher und in der Regl sih übershlagender Stimme. Oder du formulierst es eben ein bisschen um. Die Anspielung auf Kattas Stimme ist ansonsten nicht weiter handlungstragend. Fragt man sich als Leser also nur, warum du darauf eingehst.

Durch die Bären baust du dann eine neue Schwierigkeit auf, hältst dadurch die Spannung und steigerst sie sogar noch. Und die Wendung am Schluss ... genial. Geile Viecher, diese Bären. Und du hast sie auch klasse charakterisiert. Diese vordergründige Walt-Disney-Putzigkeit, die einen schon merken lässt, dass das unerbittliche Biester sind.

Zwischendrin blitzte mal, als ich die story schon gelesen hatte, der Gedanke auf, dass die Bären ja reichlic wenig zwischen die Zähne kriegen, wenn sie immer auf ein paar seltene Wanderer warte müssen, aber was solls, so was ordnet man gerne einer guten Geschichte unter. Und wir essen la auch nicht jeden Tag Fisch.
:D

1. Andere Fragen, die Vorkommentatoren aufgeworfen haben, scheinen mir ein bisschen zwingender. So z. B., ob die Bären wirklich drei Tage warten würden. Aber das kannst du ja ein bisschen abkürzen oder anderswie logischer machen. Oder Bergs Frage, wie die Steine überhaupt in der kurzen Zeit so groß werden konnten. Wovon ernähren sie sich, oder wie sind sie in der Zwischenzeit überhaupt entstanden. Carsten, der doch schon da gewandert ist, hat sie vorher jedenfalls nicht erlebt, und er stellt sich diese Frage gar nicht, woher die auf einmal kommen. Und vielleicht wär die Frage angesichts der Panik, die ja zwangsläufig entstehen muss, ja auch blöd.

2. Dann fiel mir auf, dass einige über das Aussehen der Steine, ihren Gruselfaktor gemeckert haben oder sie fühlten sich an Spongebob erinnert. Mir ist das zwar nicht so ergangen, aber ich finde den Hinweis der anderen wichtig, vielleicht solltest/könntest du den Steinen das Schwammartige nehmen, damit sie unheimlicher werden. Und das Schlüren würde ich rausnehmen. Ein schlürfender Stein ist einfah ein bisschen komisch. Man kann ihn nicht so ernst nehmen, sondern will ihm eher ein Lätzchen umbinden.
Ansonsten - versteh den Hinweis oben nicht falsch, der Rest, das was dieFresssteine den Menschen antun, das ist on the top beschrieben.

Hier, das ist das Beispiel:

Aus dem Spalt, den das Steinmesser ihm in den Fuß geschnitten hatte, regnete mehr Blut auf den Felsen, und wieder wurde es aufgesogen. Carsten glaubte sogar, ein schlürfendes Geräusch zu hören.
Sowohl regnete als auch schlürfendes will mir nicht gefallen.
Bringt einfach eine kleine unfreiwillig komische Nuance rein. Anders ging es mir übrigens bei dem Spruch von Carsten:

„Der Stein hat dein Blut getrunken“, sagte Carsten. Jetzt hörten sie ihm zu.

Zuerst dachte ich, der kann das doch nicht einfach sagen, der muss doch schreien und er würde sich doch auch nicht so gewählt ausdrücken. Aber dann fand ich es gerade gut. Es klingt, wie wenn einer vor lauterEntsetzen ganz ruhig wird und zurückfällt in Sprache und Benehmen eines Kindes. Wiewenn sich die Erkennntnis noch durch einige Synapsen durhwinden müsste. Das erhöht für mich das Grauen und die Unfassbarkeit.


3. Auffällig ist, wenn man die Kommentare deiner Leser so durchliest, dass die sich da etwas spalten. Eine Reihe gibt es, die nicht schnell genug zur Action kommt, für die der Anfang nur unnötiges Beiwerk ist, bis es endlich saugt und schmatzt und frisst. Und andere, denen die Personenschilderung am Anfang zu knapp ist, zu wenig differenziert, denen die Namen zu schnell eingeführt wurden. Das teilt sich richtig in zwei Lager.
Ich glaube, da kommt es ein bisschen auf den Horror-Geschmack an. Und auf das, was einem beider Erzeugung von Horror wichtig ist. Ob es uf den Horror pur ankommt, das Blut, den Eiter, die panishe Situation oder darauf, wie sich das auf die Menschen auswirkt, die in dieser Situation stecken.
Wenn ich viele deiner Geschichten richtig verstehe, dann stehst du neben all dem Blut, das da fließt doch auch ziemlich darauf, wie die menschliche Psyche reagiert. Na ja, und wenn dir das wichtig ist, dann wüde ich schon noch ein bisserl an der Einführung der vier feilen. Sie kommen schon arg schnell hereinspaziert.
Alles weiter hinten, den Ekel, den C. empfindet, sein Ekel vor Schwulen, die Eifersucht. Das Mitleid mit B., sein Opfer, weil er Katharina retten will. Wie er sich immer wieder vor seinen eigenen Gedanken erschreckt und ekelt. All das verstärkt für mich den Horror und macht die Geschichte für mich zu einem wunderbaren Lesevergnügen.

Liebe Grüße von Novak

 
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Alles weiter hinten, den Ekel, den C. empfindet, sein Ekel vor Schwulen, die Eifersucht. Das Mitleid mit B., sein Opfer, weil er Katharina retten will. Wie er sich immer wieder vor seinen eigenen Gedanken erschreckt und ekelt.
Moi Novak,

also ehrlich, nicht, dass ich dir meine Meinung aufdrängen wollte, wirklich nicht. :lol: Aber mich interessiert das: was für ein stundenlanges Blabla soll denn vorher noch kommen? Das ist doch kein Familienepos. In medias res ist ein gängiges Stilmittel, das im Kopf einiger verloren gegangen scheint. Ist es nicht genug, dass wir uns gefühlte 1000 Teenies in the Woods reinziehen müssen, 45 Minuten lahme Witze, bis dann endlich etwas für die Figuren Relevantes passiert? Was sonst ist show don't tell, wenn eine Figur nicht über ihre Handlungen/Dialoge (als Teil des Plots) und ihre Ansichten zum Geschehen charakterisiert werden. Müssen wir etwa immer wissen, welchen Familienhintergrund bis ins 18. Jahrhundert es gibt, was die Oma gestern gekocht hat, welche Cornflakes-Marke (und ob crispy oder soft?!) oder Turnschuhe bevorzugt werden, BEVOR irgendetwas passiert?

Ich hoffe, nicht. Ich kann nämlich nicht mehr. Diese Einführungen hier allg. bei Kurzgeschichten sind oft unerträglich - Leser sind keine kleinen Kinder, die man an der Hand nehmen muss und Autoren keine Busfahrer, die Leute irgendwo "abholen" müssen. Hier ist doch ein Intro, das charakterisiert, warum sollte man denn Irrelevantes über die Figuren wissen wollen? Es gibt zu viel Gelaber (ich bin auch kein gutes Gegenbeispiel, was meine Komms angeht ... :D).

Sori, aber das ist eine Sache, die mich schon lange tierisch nervt, und ich kann das nicht verstehen... puha. (sori, Proof, Du magst das ja auch anders sehen).
:-) Viele Grüße,
Katla

P.S. edit
: Welchen Regen? Hier scheint wunderbar die Sonne. :-)
Ich denke mir nix aus und ich suche keine Gründe, mich aufzuregen, was ein Blödsinn - dafür hab ich Dich zitiert: wenn das alles weiter hinten kommen soll, muss ja was anderes davor kommen, worüber die sich unterhalten. Gelle?

 

Hey Katla,
ich weiß nicht, was du gerade gelesen hast, mein Kommentar wars jedenfalls nicht. Um das mal wieder ein bisschen sachlich zu machen: Ich habe von alldem hier

stundenlanges Blabla ... Familienepos ... 45 Minuten lahme Witze, bis dann endlich etwas für die Figuren Relevantes passiert ... Müssen wir etwa immer wissen, welchen Familienhintergrund bis ins 18. Jahrhundert es gibt, was die Omi grad strickt, welche Cornflakes-Marke (und ob crispy oder soft?!) oder Turnschuhe bevorzugt werden, BEVOR irgendetwas passiert?
nichts geschrieben.

Ich habe mich lediglich darauf bezogen, dass mehrere der Kommentatoren fanden, dass sehr schnell vier Namen eingeführt werden. Das hat einige gestört, auch ich musste noch mal gucken, wer wer ist. So, und wenn das mehrere Leute anmerken, dann wird das ja wohl auch in Ordnung sein, mal darüber nachzudenken, ob man das nicht besser lösen kann. Auch wenns nur einer wäre übrigens.

Deinen Satz hier

Hier ist doch ein Intro, das charakterisiert, warum sollte man denn Irrelevantes über die Figuren wissen wollen?
kann ich unterschreiben.
Um die Schnelligkeit der Namen gings und nicht um eine ellenlange Einleitung. Die würde ich auch nicht wollen. Ich denke, dass deine und meine Sichtweise auf die Charakterisierung der Prots in Proofs Geschichte sich um vielleicht einen Satz unterscheidet. Und - nein, nicht um einen von einer Seite.

Warum du mich da so (absichtlich) hast missverstehen wollen?
Ich hätte da ja eine Theorie, aber auch ich möchte dir meine Meinung ja nicht aufzwingen. :)
Und das hier:

Ich kann nämlich nicht mehr ... Diese Einführungen hier allg. bei Kurzgeschichten sind oft unerträglich ... das ist eine Sache, die mich schon lange nervt, und ich kann das nicht verstehen... puha.
Das will ja sowieso keiner :lol:
Ich glaub einfach, du hast mir eins auf die Mütze gegeben für Sachen, die du bei mir unbedingt herauslesen wolltest, weil du dich über irgendwas ärgerst, was mit mir jedenfallls nix zu tun hat. Dass du dazu einiges dazuerfinden und anderes weglassen musstest, naja, das ist eben dichterische Freiheit.
Ich trags mit Fassung.
Also auch dir viele Grüße und ärger dich lieber über den Regen, Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

- Cut -
@Katla/Novak
Bleibt bitte bei Proofs Text, Kinders. Ihr liefert hier Stoff für einen ganz neuen Thementhread, der sicherlich unter der Rubrik Autoren gut aufgehoben wäre, hier aber sich im Detail verliert und von der Geschichte ablenkt.
Weitere Animositäten werden gelöscht.

 
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Moin,


Anakreon:

Der tiefe Sinn der Geschichte liegt wohl darin, dass du vor der Benutzung nicht regulärer Badestrände warnen willst - damit du alleine dort frönen kannst.

Du hast mich …


Juju:

Aber es sei ja nur Sex – er hatte sich ja was viel Schlimmeres vorgestellt!

Es geht nicht um ein Verhältnis im Schatten, sondern um eine betrogene Nacht. Bei der hätte schon Herbert Grönemeyer vielleicht nichts gesagt. Also hömma, aber wenn der jetzt kein Mann ist.


Aber die Charaktere sind nicht wirklich wichtig, sondern eigentlich alles andere

Naja. Ich find die Charaktere eigentlich immer wichtig. Das mit dem verwirrenden Anfang kommt ja noch in anderen Antworten vor, von daher mag da was dran sein, aber ich denke nicht, dass die so „naja-wenigstens-splattert's“-blass sind, wenn auch nicht perfekt.


Perdita:

Ob du jetzt an der Charakterisierung noch feilen willst, ist deine Entscheidung

Ja, schaun.


Maeuser:

äußerlich wird keiner der 4 beschrieben

Hatte ich nicht irgendwo geschrieben, dass Katharina rote Haare hat, oder hab ich das geträumt? Die Geschichte ist schon drei Jahre alt, da komme ich nicht mehr so hinterher. Mit äußerlichen Beschreibungen bin ich immer zurückhaltend, weil ich festgestellt habe, dass mir die als Leser so gut wie nie was bringen. Ausnahme sind superauffällige Sachen wie fettleibig oder extrem dünn oder komplett keine Zähne im Mund oder sowas. Sachen wie „Er strich sich durch sein halblanges blondes Haar“ habe ich zwei Seiten später wieder vergessen. Ach, einen Absatz später. Sprachliche Eigenheiten finde ich da schon nützlicher, aber die sind nicht immer ganz leicht unterzubringen. Außerdem ist ja das Schöne beim Lesen, dass man eben nicht nur konsumiert, sondern im Kopf auch selbst aktiv wird, und je weniger vorgegeben ist, desto mehr Spielraum hat man.


dass dann später gerade Katharina und Johannes im Wasser, und Carsten und Bastian an Land sind

Stimmt, jetzt wo du's sagst, das ist drollig, das war gar keine Absicht.


Ich meine, stell dir das mal bildlich vor.. Eher tropfen oder so, würde ich sagen

Dick aber fein … hab erst vorgestern Hellraiser auf BluRay gesehen (Tolles Bild, Upgrade lohnt sich!), die Szene, in der Kirstys Papa sich an einem Nagel aufritscht und das Blut … watt soll ich sagen, in fetten Flätschen kuhfladengleich zu Boden platscht. Schon übertrieben, aber halt stylisch irgendwie. Vielleicht hatte ich das Bild unbewusst im Hinterkopf. Regen tropft ja auch, und Hände, Füße, Stirn bluten wie Sau. Mal gucken.


Gefügig im Zusammenhang mit Fleisch?

Man versucht ja, neue Wege zu gehen.


Ein „Biologiebuch über Insekten“ macht den Satz länger und nimmt ihm damit Kraft. Andererseits hast du recht, Biologiebücher behandeln nicht nur Insekten. Kurz die Subdisziplin gegoogelt und purzel, werde ich demnächst mal ein entomologisches Lexikon von machen, insofern Danke für den Denkanstoß.


Ein bisschen hat mich die Geschichte an eine Kg von King erinnert

Kreative Zündung war ein Kanadaurlaub, in dem ich eine recht abgelegene Ecke des Huron-Sees für mich entdeckt hab. Mit eben solchen Steinen, über die ich schuhlos marschiert bin und dann die Gedanken „Sehen aus wie Schwämme. Wenn ich mich jetzt am Fuß verletzte, saugen die's auf?“ und „Rutsch ich aus und hau mir den Kopf auf, lieg ich hier womöglich ein paar Stunden oder sogar Tage, bis das nächste Mal einer vorbeikommt“ miteinander vermengt habe. Im Flieger zurück nach Hause hab ich dann im Kopf die Geschichte gebaut, indem ich was von Ruinen beigepackt hab, den fand ich damals allein deshalb schon richtig klasse, weil er weder Folterporno noch Remake war. Und dann kam noch hinzu … du hast's richtig erkannt, King sein Floß. Wobei ich mich nicht mehr recht erinnere, ob bewusst oder unbewusst und im Nachhinein selbst staunend festgestellt. Tjo, und dann musste ich nur noch aus einem Pärchen ein schwules machen, um nicht diese 08/15-Teenie-Horrorfilm-Besetzung zu haben. Fettich.


Der Titel spaltet wohl, wa? So sei es.


Katla:

Obwohl der Text hier bis zum Dreh am Ende keine Perspektiv- oder Settingwechsel hat, kommt mir die Sache mehr wie ein vielschichtiges Gewebe denn ein einzelner Faden vor. Wobei Du den äh ... roten nicht aus den Augen verlierst.

Das freut mich echt, auch wenn ich für so einen Theoriekram beim Schreiben definitv keinen Gedanken übrig habe. Also, wer schon …


So dieses Natürlich/Unnatürliche, und die kulturelle Abscheu davor.

Wow. Das steht da alles drin? Nein, im Ernst, absolut sinnstiftende Interpretation, macht stolz, jemanden intellektuell so in Wallung zu bringen, vielen Dank!


Warum Punk mit Schwulenhass/Rassismus gleichgesetzt wird geht mir ExPunk allerdings nicht in den Kopf

Die Stelle ist wohl missverständlich geschrieben, beim Überfliegen der Komms hab ich gesehn, dass das später nochmal kommt. „Das geht gar nicht“ hieß es dazu in Carstens vergangener Jugend, und gemeint ist der Hass, nicht die Homosexualität. Er hat quasi einer Szene angehört, in der Homophobie geächtet wird – offiziell, nach dem Konzert reißen die Leute mit den revolutionär tätowierten Unterarmen schon mal dieselben dummen Schwulenwitze, die genau so auch im Bierzelt bei der Sportwerbewoche des TSV Hinterdorf gegrunzt werden – hat aber diesen anerzogenen Ekel vor küssenden Männern in sich. So wie viele nicht anders können, als Spinnen eklig zu finden, obwohl sie durchaus begreifen, dass die in der Natur nun mal vorkommen und damit ihre Existenzberechtigung haben. Auch anerzogen, im lateinamerikanischen Regenwald spielen die Kinder mit Achtbeinern, die du an einer Leine spazieren führen kannst, wenn du möchtest.

Hm, ich glaub ich hab noch nie was mit Spinnen geschrieben. Zu naheliegend und ausgelutscht, aber genau das könnte die Herausforderung sein.


Und Glückwunsch, sowieso! Das ist sowas von verdient!

Mein Geburtstag? Die Arbeit haben doch meine Eltern gemacht. Nee, vielen Dank.


dotslash:

Vielen Dank für deine Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge!


Schwups:

wie reagieren sie auf die Gefahr von aussen, und zum anderen, wie verändert die äussere Gefahr ihr Verhalten zueinander

Ja. Romeros of the Deads, Der Nebel, eine Menge Sachen, die ich toll finde, leben davon.


Abgesehen davon

Zum „rechtsradikaler Punk“-Missverständnis siehe auch Katla.


Muss er karmesinrot sein?

Ich musste erstmal nachschlagen, was karmesinrot überhaupt heißt. Ich wollte eine auffällige, kräftige Farbe, das Bild mit der ersoffen auf dem See treibenden Katharina hatte ich schon sehr früh in die Schublade mit den „must haves“ für die Geschichte gepackt.


dass da schon eine gewisse Distanz zumindest seitens Carstens vorherrscht

Och, weiß nicht. Sowas kann kompliziert sein, ich habe so eine Freundin-hat-einen-schwulen-besten-Freund-Situation im Bekanntenkreis. Da versteht man sich top, was aber den Freund, also den Sexpartner-Freund, nicht von einem quasi klaren Bekennntis zur Homophobie abhält. Der Bekannte ist dann eben die löbliche Ausnahme, so wie das bei anderen Formen der Xenophobie auch funktioniert, „der Türke bei mir nebenan ist eigentlich ganz nett“.


finde ich auch befremdlich, aber da hat JuJu ja schon was dazu gesagt.

Ist wohl was Philosophisches. Geht Sex ohne Liebe? So schrecklich viel habe ich da noch nicht drüber nachgedacht, aber stünde das älteste Gewerbe der Welt nicht längst vor einer globalen Insolvenz, wenn dem nicht so wäre?


nach hinten raus verpufft mir das, da hätte ich es besser gefunden, wenn irgendwas davon nochmal eine Rolle gespielt hätte.

Muss ich mal drüber nachdenken.


Da finde ich komisch, dass er so schnell schlafen kann.

Ist glaube ich mehr eine geschockte Ohnmacht, die wie Einschlafen daher kommt.


"Opfergabe" und so, weiss ein Bär, was das ist?

Ist Geschmackssache, glaube ich. Ich mag diesen Roman von Auster, der aus der Sicht eines Hundes erzählt, da steht ja jetzt auch nicht nur „Mh, wuff, Knochen, lecker!“


mit dem diese Geschichte eigentlich auch ausklingen kann

Dann könnt ich mir die Bären komplett schenken, und ohne Bären fragt man sich, warum Carsten nicht losläuft und Hilfe holt. Zwickmühle. Wobei, er könnte ja mit vermeintlichen Rettern zurückkommen, von denen sich dann rausstellt, dass sie degenerierte Hinterwäldler sind.


Berg:

Danke für deine Tipps!


maria:

die Homosexualität, über die du berichtest, ist für mich unnötige Information, die null Gewicht hat.

Was soll sie denn für ein Gewicht haben? Außer zu zeigen, dass es um Menschen geht, mit Gefühlen und Scheiß? Was hat es für einen Sinn, eine heterosexuelle Beziehung zu schildern? Außer ein Gefühl zu erzeugen von „Hey, sowas ähnliches habe ich auch schon mal empfunden, die sind wie ich, oder zumindest jemand, den ich kenne, ist nicht schön, was denen da passiert“. Ich überzieh's jetzt mal ein bisschen, aber deine Anmerkung klingt, als dürfte der beste Freund eines Protagonisten nur Russe sein, wenn's im Finale dann irgendwie um Wodkasaufen geht.


Das vielleicht seine Freundin das ganze Massaker überlebt hat, ist auch so ein wunderschöner Hoffnungsschimmer.

Du bist 'n Sonnenschein. Meine eigene Interpretation meiner eigenen Geschichte ist an der Stelle sehr viel pessimistischer.


Novak:

das kleine Filmzitat

Welches?


dass die Bären ja reichlic wenig zwischen die Zähne kriegen, wenn sie immer auf ein paar seltene Wanderer warte müssen

Und ist das Plot-Loch noch so klein, einer fällt bestimmt hinein.


Wovon ernähren sie sich, oder wie sind sie in der Zwischenzeit überhaupt entstanden.

Sowas ordne ich bei Horrorgeschichten immer dem „es passiert, weil es eben passiert“ unter. Wenn sich jetzt eine Erklärung beim Schreiben förmlich aufdrängt, dann gebe ich sie mit. Es gibt da eine Kurzgeschichte von dem Typen, der Rambo erfunden hat, mit einem Maler, der das Werk eines anderen rekonstruiert, der sich umgebracht hat, und auf den Bildern sind überall winzige schreiende Münder zu erkennen, und am Schluss kommt irgendwie raus, der hat Blumen abgemalt, die quasi aus außerirdischem Gezücht erwachsen sind. Die fand ich echt gut.

Ein Asteroideneinschlag vor ein paar Millionen Jahren wäre glaube ich auch hier eine Möglichkeit. Dadurch wird’s aber unter Umständen auch ganz schnell trashig. Das Fragezeichen hallt länger nach. Mit der Fraktion, die enttäuscht ist, weil du ihr nicht im Detail erklärst, was passiert ist – die gibt's immer – muss man halt leben. Außerdem sieht man so genau den Ausschnitt aus dem Lebenszyklus der Steine, den die am Ende toten Protagonisten sehen. Die werden nie erfahren, was es wirklich mit den Dingern auf sich hat.


Carsten, der doch schon da gewandert ist, hat sie vorher jedenfalls nicht erlebt

Die Frage kann sich stellen, das stimmt. Den Bruce Trail gibt’s wirklich, und der verläuft nicht auf einem Weg linear, von daher hab ich das quasi als gegeben genommen, dass der Prot nicht zwangsläufig an exakt denselben Stellen vorbeikommen müsste. Wäre wohl eine irgendwie geartete Erwähnung wert.


So, was ein Akt. Euch allen vielen Dank für Eure Mühe und nicht böse sein, wenn ich an der einen Stelle einsilbig antworte und an der anderen einen Roman schreibe, ich kann halt nur runtertippen, was mir so eínfällt.


Grüße
JC

 

Hallo Proof,

stilsicher, spannend und in positiver Weise klassisch aufgebaut. Hat richtig Spaß gemacht beim Lesen. Ein Hauch von King, seinen frühen Storys.

Man merkt, du bist in diesem Stoff/Genre zu Hause ud fühlst dich wohl. Und dieses Wohlfühlen, besser gesagt das wohlige Schaudern, das man bei solchen Geschichten gern hat, stellte sich bei mir als Leser ein.

Was soll ich noch sagen? Hat mir sehr gut gefallen!

Rick

 

Hallo Rick,

Man merkt, du bist in diesem Stoff/Genre zu Hause

Oh Mann, du willst nicht wissen, wo und wie ich wirklich wohne. :baddevil:


Spässken. Vielen Dank und Grüße
JC

 

Hey Proof,

ich weiß nicht, mich erreicht die Geschichte nicht ganz so. Ich find sie gut, aber nicht sehr gut. Mich gruselts einfach nicht, deshalb war ich nicht ganz so befriedigt nach dem Lesen, wie es deine Steine am Ende waren. Ich habs ja schon gern gelesen, aber es hätte auch ein bisschen mehr sein dürfen, finde ich. Das Ende vor allem, die Idee ist super, aber das wird mir zu schnell reingeschoben, da wäre mehr Spannung drin gewesen, also, ich meine, man hätte genau da den Grusel hinein bringen können, wenn man die Auflösung langsam gemacht hätte.
Trotzdem lese ich auch in Zukunft alle deine Geschichten und ich freue mich immer sehr, wenn ich sehe, dass du was Neues eingestellt hast. Ach ja, Glückwunsch zu dieser WDR Dingsbummsveröffentlichung. Hast dir das verdient, finde ich.

Hau rein

Lollek

 

MDR! Zone, Mensch! Achim Mentzel, "um lustig zu sein, muss die Spreewaldgurke her" usw. Trotzdem danke.


Grüße
Checkpoint Proof

 

Moin Proof!

Im großen und ganzen gefällt mir deine Geschichte. Der schon von mehreren Vorrednern angesprochene King-Flair hat sich auch in meiner Wahrnehmung eingestellt. (Was, denke ich, ein Lob ist).

Ich würde mich allerdings der Position anschließen wollen, dass du die Steine verändern solltest.
Mein Vorschlag: Weg mit dem Schlürfen, das wirkt (m.E.) in der Tat irgendwie albern. Auch die äußere Erscheinung würde ich profaner halten. So wie bisher beschrieben, sehen sie nicht wie Steine aus, die man an einem Seeufer zu finden erwarten würde. Und sie sind nicht gerade unauffällig. (Porös, gezackt - irgendwie vielleicht zu sehr von der physikalischen Möglichkeit Blut aufzusaugen her gedacht?)
Ich glaube, der Horror wäre viel größer, wenn die Steine sich optisch durch nichts von ganz gewöhnlichen Steinen (Flusskiesel o.ä.) unterscheiden würden.

Dann würde ich gerne noch was zu dem (scheinbaren) Hauptstreitpunkt deiner Rezipienten sagen.
Ich gaube die Diskussion um die Charakterisierung geht von der falschen Frage aus. Ich würde empfehlen zu fragen: Was ist dir wichtiger? Das Phänomen der Steine oder die sozialen, emotionalen etc. Krisen der Figuren?
Ist letzteres der Fall, würde ich tatsächlich dazu raten, der Entfaltung des Beziehungsgeflechts der vier mehr Raum zu geben.
Liegt der Schwerpunkt auf den Steinen, glaube ich dass man die Anzahl der Protagonisten runterschrauben könnte. (Schwelende Beziehungskonflikte könnten ja trotzdem noch eine Rolle spielen, nur das eben nicht alle Beteiligten anwesend sind.)

So weit meine 2 cents. Besten Gruß

Carter

 

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