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Salz der Erde

Seniors
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20.12.2002
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Salz der Erde

Bevor wir fallen, fallen wir lieber auf

– Die Fantastischen Vier

„Ist das die 7a?“, fragte der Junge vorsichtig.
„Ja“, sagte Frau Loh mit einem Lächeln. „Setz dich.“
Er war groß und schlaksig, hatte strohblondes Haar, helle Augen.
Wir musterten ihn.
Und er uns. Er ging langsam durch die Reihen, ließ sich verdammt viel Zeit bei der Platzsuche. Etwas Suchendes lag in seinen Augen, etwas Wertendes. Ein Mädchen kicherte nervös.
Er sah mich an. „Ist hier frei?“
„Ja.“
Er setzte sich. „Ich bin Ben.“
„Hallo, ich bin Dani. Wo kommst du her?“
„Ich wohn jetzt in Lichtenheim.“
„Ich auch.“
Er sah mich an. „Fährst du mit dem Zug zur Schule?“
„Ja, jeden Tag ... wie alt bist du?“
„Vierzehn.“ Er holte ein Heft aus der Tasche. „Hab die Sechste wiederholt.“

Wir trafen uns jeden Morgen in dem Park hinter dem Bahnhof.
Eines Tages, wir kannten uns vielleicht einen Monat, erwartete er mich mit einem breiten Grinsen unter dem Klettergerüst. Es war dunkel. Die Luft war frisch, roch nach verbrannten Blättern. Bens Haare leuchteten im Licht der Straßenlaternen.
„Was ist?“, fragte ich.
Er hielt einen Fünfzigmarkschein nach oben. „Hab ich gefunden.“
Er grinste wieder, ein Ausdruck, der sich in den kommenden Jahren noch deutlicher in seinem Gesicht abzeichnen würde.
„Erzähl nicht ...“
„Doch, lag dort hinten auf dem Boden!“
Ich staunte. So etwas Unglaubliches war mir in meinem Leben noch nie passiert.
„Was machst du damit?“
Er zuckte mit den Achseln.
„Zeig mal her.“ Ich nahm den Schein, hielt ihn nach oben gegen das Licht. Mein Atem hüllte ihn in eine Dampfwolke.
Ben riss das Geld aus meiner Hand. „Komm, wir verpassen den Zug.“
Wir rannten durch den Park. Vor der Unterführung trafen wir auf einen alten Mann. Er saß auf einer Bank, eingewickelt in einer Decke. Er hielt eine Flasche Bier in der Hand.
Ich wollte weiterrennen, doch Ben blieb stehen.
Der Mann nahm die Kopfbedeckung ab, eine graue Baskenmütze. „Hast mir vielleicht ein paar Pfennig?“ Eine Stimme wie Kiefernholz.
Ben holte drei Mark aus der Tasche, das Geld, das er jeden Morgen von seiner Mutter bekam, und legte es in die Mütze.
Der Mann sah sich das Geld an, brummte verblüfft, und zog dann einen zweiten, imaginären Hut.
„Du bist ein guter Junge“, sagte er.
Ben nickte, sagte nichts.
Der Zug fuhr ein.
„Auf geht’s“, sagte ich, „wir müssen los.“
Ben bewegte sich nicht, sah den Mann einfach nur an.
„Los Junge, du musst zur Schule! Schau, dass du auch was lernst!“
„Okay“, sagte Ben, und dann rannten wir zum Zug.

Im Zug sagte ich zu Ben: „Das versäuft er doch eh.“
„Meinst du?“
„Ja, sicher, der trinkt jetzt schon Bier.“
Er zuckte mit den Achseln. „Egal ... hab doch fünfzig Mark gefunden. Gehen wir nachher Kippen kaufen?“
„Auf jeden.“

Nach der Schule rauchte ich meine ersten Zigaretten. Ich hustete, bis ich Sterne sah und mich übergeben musste. Ben lehnte sich zurück, blies Rauchringe und lachte mich aus.
Danach lud er mich zum Eis ein: eine Kugel Stracciatella und eine Kugel Joghurt. In der Waffel. Das weiß ich noch ganz genau. Das Eis ging durch meine Kehle wie Seelenschnee.
„Und? Hast was gelernt in der Schule?“, fragte der Mann, als wir aus der Unterführung kamen. Er trug Jeans und einen dreckigen Wollpullover, hatte die Arme über die Banklehne gelegt und sonnte sich. In der Linken das Bier.
Ben schüttelte den Kopf. „Nee.“
„Nee? Ha!“ Zähne blitzten durch den Vollbart. „Dann musst du besser aufpassen!“
Ben gab ihm ein paar Pfennig.
Der Mann zog wieder den imaginären Hut. „Vielen Dank, Junge!“
„Bitte Schön.“

So ging das los. Am nächsten Morgen war der Mann wieder da. Und am Nachmittag auch. Und nach den Herbstferien. Und nach Weihnachten ...
Und immer hatte Ben ein paar Pfennig für ihn dabei. Er griff in die Tasche, als wäre der alte Mann ein Zollbeamter auf der Fahrt zum Meer. Gelegentlich wechselten sie ein paar Worte über das Wetter oder die Bundesliga, manchmal machte der Mann auch große Augen, wenn wir mit Mädels durch die Unterführung gingen – da lächelten wir immer –, doch meistens zog er nur den Hut.
Schlief er wirklich jede Nacht auf der Bank? Gab es auch andere Orte, an denen er sich aufhielt? Was machte er am Wochenende?
Ich wusste es nicht.
Es gab Tage, da trug er plötzlich saubere Kleidung, hatte die Haare nach hinten gekämmt und war rasiert, grinste wie frisch gewichste Schuhe.
Manchmal fragte ich mich, wie es sein konnte, dass er plötzlich so normal aussah.
Wenn das schon möglich war, warum nicht immer?
Aber diese Gedanken waren selten. Mit dreizehn denkt man nicht so viel über alte Alkoholiker nach. Sie sind einfach da, und wenn der beste Freund meint, einem jeden Tag ein paar Pfennige zu schenken, dann ist das halt so.


In der achten Klasse wurden Ben und ich richtige Skater. Wir ließen uns die Haare wachsen, drehten unsere ersten Joints, bekamen Fress- und Lachflashs und flippten fast aus.
War eine spannende Zeit.
„Mensch, gehst denn nie zum Frisör!“ fuhr der alte Mann Ben eines Tages an, obwohl er im puncto Style nicht wirklich auf der Höhe war. Er sah meistens völlig zerfleddert aus, wie ein nasser Pudel, sein Bart manchmal so lang wie unser Haar.
Aber Ben blieb stehen, hatte anscheinend wieder Lust, sich mit ihm zu unterhalten.
„Das ist halt cool“, erklärte er.
„Cool nennt man das? Du siehst doch aus wie ein Mädchen!“
„Aber die Mädchen stehen drauf ...“
„Die Mädels mögen das?“
„Absolut.“
„O je ...“ Der Mann schüttelte den Kopf. (O je …) „Na dann hoffen wir, dass du recht hast, und es wirklich die Frauen sind, die das mögen.“


Gegen Ende der achten Klasse checkte sich Ben Melanie Kolb ab, ein Mädchen aus unserer Parallelklasse. Sie war gerade vierzehn geworden und hatte einen Körper wie eine Colaflasche. Sie wohnte auch in Lichtenheim, also teilten wir mit ihr den Heimweg.
Als der Mann Ben und Meli zum ersten Mal händchenhaltend sah, kam ein richtig dreckiges Lächeln über sein Gesicht. Ben gab ihm an diesem Tag eine ganze Mark.
Der Mann zog den Hut, und dann meinte Meli, ganz laut: „Aber das versäuft er doch eh.“
Ben ging weiter, wusste nichts darauf zu sagen.
„Warum gibst du ihm eigentlich immer Geld?“, hakte sie nach.
Er antwortete nicht.

Am nächsten Morgen hatte Ben kein Geld für den Mann dabei. Er ging schnell an ihm vorbei und sagte nichts.
In der Schule war er dann abwesend. Das kam schon hin und wieder vor, dass Ben nicht viel zu sagen hatte, doch an dem Tag war er stumm. Ich wollte ihn fragen, was los war, ließ es aber sein.
Nach der Schule trafen wir uns mit Meli. Ben legte den Arm um sie und lächelte, schien wieder er selbst zu sein.
Dann kamen wir zur Unterführung. Jetzt war es hell draußen, Ben würde sich nicht verstecken können. Er hörte auf zu reden, doch Meli quatschte weiter, wurde irgendwie lauter. Lachte. Ben hielt den Kopf gesenkt, und dann war der Mann da, auf der Bank, wie immer. Als wir ihn passierten, wagte Ben einen Seitenblick.
Der Mann nickte nur, ganz langsam. Ich sah Ben in die Augen und mochte den Ausdruck darin nicht. Er mied meinen Blick und schwieg, bis er zuhause war.

Zu meiner Überraschung – und sicherlich auch Melis – führte Ben sein Ritual am nächsten Morgen fort. Er löste sich beinahe zeremoniell von Melis Griff, holte ein paar Münzen aus der Tasche und legte sie direkt in die Mütze. Der Mann gab ein bellendes „Du musst zum Frisör!“ zur Antwort.
Ben lächelte.
„Aber das versäuft er doch eh!“, sagte Meli, als er zurückkam.
Er ignorierte sie, und sie zischte genervt.

Sie waren eigentlich ein nettes Paar. Sie neckten sich, gingen ins Kino, machten rum. Eben all die Dinge, die man so macht, wenn man in der achten Klasse ist. Vielleicht auch ein bisschen mehr. Und auch wenn ich mir manchmal wie das dritte Rad vorkam, so fühlte ich mich in meiner Freundschaft zu Ben nie bedroht. Meli war immer nett zu mir, stellte mir auch ihre Freundinnen vor, also eigentlich hatte ich sie gern.
Doch jedes Mal, wenn wir in die Nähe der Unterführung kamen, legte sich eine Last auf unser Gemüt. Meli hörte bald auf, eine Erklärung für Bens Verhalten zu suchen, sie hörte auch auf, zu betonen, dass der Alkoholiker das Geld ja nur versaufen würde, doch dieses Zischen, dieses genervte Seufzen, das ließ sie nie weg. Kein einziges Mal. Zweimal am Tag musste ich es hören. Manchmal höre ich es noch immer, es zuckt in meinem Geist wie eine Kobra.
Nach drei Monaten trennten sie sich.

In der neunten Klasse hatte Ben eine richtig heftige Schlägerei. Er hatte sich mit einem gewissen Patrick Schweitzer angelegt, ein Junge aus der Elften, und sich dabei mächtig verschätzt. Ben war klar unterlegen, kämpfte aber immer weiter. Er spuckte hinterher Blut ins Waschbecken und warf sein T-Shirt in den Mülleimer.
„Was ist denn mit deinem Gesicht passiert?”, fragte der Mann.
„Hab mich geschlägert”, sagte Ben, und senkte den Kopf. Die Schlägerei hatte auf dem Schulhof stattgefunden, und er hatte sich vom Rektor einiges anhören müssen. Man hatte sogar mit dem Schulverweis gedroht.
„Und? Hast gewonnen?”
„Nein.”
Der Mann zog die Brauen zusammen. „Ja, hast dich wenigstens tapfer geschlagen?”
Er sah auf. „Also ... ich denke schon.”
„Na dann, du wächst ja noch. Das kannst ihm sicher noch heimzahlen. Du musst immer fest zuschlagen, weißt du?” Der alte Mann ballte eine Faust, schlug in die Luft. „Wenn du zuschlägst, dann immer so fest du kannst. Mit halber Kraft bringt des nichts. Wenn schon, dann richtig.”
„Okay.”
„So fest du kannst!”
„So fest ich kann.”

Die neunte Klasse war die letzte, die ich mit Ben zusammen verbrachte. Er bekam eine neue Freundin, wurde sechzehn und hatte keinen Bock mehr auf Latein. Ich versuchte ihm zu helfen, aber als er endlich anfing, sich hinzusetzen, war es schon zu spät; die Grammatik wuchs ihm über den Kopf.
Als er die vorletzte Fünf bekam, war er ziemlich fertig.
„Was ist mir dir los?“, fragte der Mann.
„Läuft nicht so gut in der Schule.“
„Wieso? Hast wieder nichts gelernt?“
„Doch schon ... also jetzt auch nicht so viel, aber ...“
„Na woran hakt's denn? Mathematik?”
„Nein, Mathe passt schon, Latein ist das Problem.”
„Ach, Herrgott! Latein. Sind doch eh alles Arschlöcher, die Lateiner! Die mit ihren Sprüchen! Werd bloß nicht so ein Klugscheißer, Junge, bloß nicht.”
„Nein”, sagte Ben, „werde ich nicht.”

Danach verloren wir uns aus den Augen. Zwar schworen wir uns, weiterhin Homies zu bleiben – schließlich wohnten wir in derselben kleinen Stadt –, doch bald hatte ich eine Freundin, und er einen neuen Freundeskreis, und so ging halt jeder seinen Weg.

Eines Mittags, mitten in der zehnten Klasse, ging ich von der Schule nach Hause. Ich hatte Kopfhörer auf. Die Sonne schien. Lena wollte nachher vorbeikommen, und ich freute mich schon. Ich ging durch die Unterführung und dann merkte ich plötzlich, dass der alte Mann nicht mehr da war.
Wann hatte ich ihn das letzte Mal gesehen?
Ich runzelte die Stirn, drehte mich im Kreis.
Er war einfach verschwunden, so wie ein Kleidungsstück, das man früher häufig getragen hat, und dann irgendwann nicht mehr.
Ich nahm die Kopfhörer ab, suchte den Boden nach Bierflaschen ab.
Er war nicht mehr da.
Ich sah mich noch ein wenig um, dann setzte ich mich auf die Bank und breitete die Arme aus, spürte die Sonne auf meinem Gesicht. Die Schüler stampften an mir vorbei, die kleinen mit den bunten Rucksäcken, quietschend im Gespräch vertieft. Dann die großen: Hände in den Hosentaschen, dunkle Kleidung, Kopfhörer ...
Ich dachte an Ben und fragte mich, wie es ihm ging, und ob er noch mit Sina zusammen war. Ich fragte mich auch, ob der Alkoholiker noch lebte.
Irgendwann stand ich auf, und ging meinem Leben nach.

Eine Woche nach meinem achtzehnten Geburtstag bekam ich einen Anruf.
„Es ist für dich“, sagte mein Vater und reichte mir das Telefon.
„Hallo?“
„Hab gehört, du bist achtzehn geworden, du Hosenscheißer.“
Ich lächelte. „Ganz richtig ...“
„Na dann müssen wir das feiern. Heute Abend Zeit?“
„Heute Abend?“
„Ja, heute ist Freitag.“
„Also ... ja, eigentlich schon. Treffen wir uns in der Stadt?“
„In der Stadt? Welche Stadt denn? Lichtenheim, oder was? Wir fahren mit dem Zug nach Stuttgart, Mann. Du bist jetzt achtzehn!“

Wir trafen uns, wie all die Jahre zuvor, am Spielplatz. Ben war noch immer einen Tick größer als ich, aber nicht mehr so viel. Als er mich sah, schenkte er mir ein breites Grinsen. „Alles klar?“
„Ja, Mann.“
Ihm ging's gut. Er war von daheim ausgezogen, hatte eine eigene Wohnung in Lichtenheim, machte eine Lehre als Werkzeugmechaniker. Er wollte wissen, was mit Lena passiert war. Ich fragte, was mit Sina passiert war.
Als wir zur Unterführung kamen, traute ich meinen Augen nicht. Der alte Mann war zurückgekehrt. Er saß auf der Bank, trank sein Bier. Er war grauer und schmaler geworden, seine Wangenknochen traten hervor, doch die Mütze saß so schräg wie eh und je, und als er uns sah, da erwachte er zum Leben. Er grinste richtig, und mir fiel auf, dass es genau dasselbe Grinsen war, das mir Ben vorhin geschenkt hatte. Wirklich genau dasselbe. Manchmal denke ich, es war dieses Grinsen, das sie verband.
„Du hast ja deinen Freund wieder gefunden!“, sagte er.
„Ja“, sagte Ben. Er lächelte und klopfte mir auf die Schulter.
„Er ist ja auch groß geworden!“
„Das stimmt.“
„Wie geht’s dir?“, fragte mich der Mann.
„Ganz gut ...“
Alle lächelten.
„Ich bin Karle“, sagte der Mann.
„Ich bin Dani, freut mich.“
Ich reichte ihm die Hand, und er drückte sie fest.


Deutscher Hip-Hop war zu der Zeit voll in, und Stuttgart war, das glaubt man kaum, die Hauptstadt der Szene. Fanta Vier, Freundeskreis, Massive Töne ... alle aus Stuttgart. Ich war seit einer Woche achtzehn, hatte auch schon gefeiert, doch als ich am Stuttgarter Hauptbahnhof aus dem Zug stieg und die große Halle durchschritt, als ich all die jungen Menschen sah, den Alkohol roch, das Gelächter hörte ... da wusste ich, dass ich volljährig war.
Über so manchen Geburtstag habe ich mich schon gefreut, doch nie so sehr über einen wie in diesem Augenblick. Ich spürte es kribbeln in den Fingern, mein Herz schlug gegen meine Brust. Eine Handbremse war gelöst worden, und ich war mehr als bereit, Fahrt aufzunehmen. Rückblickend war dieser Ausflug nach Stuttgart vielleicht das coolste Geburtstaggeschenk, das ich je bekommen hab.
Ben lachte. „Wir sind noch nicht mal da, Mann.“

Er kannte sich wirklich aus. Er quatschte mit den Türstehern, stellte mir Unmengen Leute vor, zeigte mir zwei, drei Bars, und nahm mich mit in die „Röhre“. Wir tranken Bacardi aus der Flasche, bouncten auf der Tanzfläche und fühlte uns einfach nur verdammt cool.
Wir nahmen den ersten Zug um 5:20. Zu dritt. Ben hatte ein Mädchen dabei.
„Das ist Clara“, sagte er. „Sie kommt mit.“
„Hallo“, sagte sie.
„Hallo.“ Ich sah Clara an, stellte mir vor, wie meine Mutter sie im Bad antraf, wünschte mir auch eine eigene Wohnung.

Es regnete in Strömen, als der Zug in Lichtenheim hielt. Wir stiegen lachend aus, Claras Schuhe hallten durch die Unterführung.
„Hey Karle!“, sagte Ben.
Er lag auf dem Boden, bewegte sich nicht.
„Karle! Hey, alles klar?“
Er sah erschrocken auf, rieb sich die Augen, sah Claras Beine, rieb sich nochmal die Augen.
Ben lächelte, griff in die Hosentasche und legte eine Handvoll Kleingeld auf die Decke.
„Das versäuft er doch nur”, sagte Clara.
Ben ging weiter, nickte und dann, etwas leiser: „Und ich fick dich doch nur.”
„Was?”
„Hm?”
„Was hast du gerade gesagt?”
Ben wandte sich an mich. „Hab ich was gesagt?”
Ich zuckte mit den Achseln. „Ich hab nichts gehört.”

Wir gingen bald jedes Wochenende zusammen nach Stuttgart. Glühten in Bens Wohnung vor und rannten dann zum Bahnhof.
„Auf geht’s, Karle wartet!“
Das war unser Spruch, wenn die Zeit knapp wurde. Weiß gar nicht, wer damit angefangen hat, war aber irgendwann Tradition: „Auf geht’s, Karle wartet!“
Und wenn er nicht da war, waren wir enttäuscht. Es gehörte einfach dazu, dass er da war. War der Auftakt in die Nacht. Ohne ihn dauerte es ein bisschen länger, bis Ben er selbst war und die Party starten konnte. Bis der Alkohol und das Gras und die Frauen und die Beats und alles andere folgen konnte.

Und dann kam der Winter. Wir trugen fette Bomberjacken, hatten beide eine Flasche Bier in der Hand.
Karle saß auf der Bank. „Hallo Jungs.“ Er hob das Bier in die Höhe.
Wir stießen an.
„Ziemlich kalt, was?“, sagte Ben.
Karle rieb die Hände ineinander. „Das ist eine Scheißkälte, sag ich dir, eine Scheißkälte!“
Er sah eigentlich munter aus.
Ben gab ihm etwas Geld. „Vielleicht setzt du dich wo rein ...“
„Ja, ja ... ihr mit eurer komischer Musik da ... passt ihr besser auf euch selbst auf! “
„Okay, Karle.“

Am Ende der Nacht waren wir ziemlich betrunken. Wir übertrieben es gerne damals. Wenn wir nicht irgendwann das Gefühl hatten, durch ein Loch im Kopf ins Weltall zu stürzen, war es kein gelungener Abend. Damals war das mit den Hangovers auch nicht so das Problem.
In der Nacht hatte es zu schneien begonnen. Karle lag in der Unterführung auf seiner Decke. Embryonalstellung.
„Hey Karle!“, jaulte Ben. „Yo Karle! Was geht, altes Haus?”
Karle bewegte sich nicht.
„Hey, Karle!“ Ben beugte sich vor, rüttelte ihn. „Hey, Karle!“
Er schubste ihn. „Karle!“
Und schüttelte ihn und schüttelte ihn und schüttelte ihn ...
Ich ergriff Bens Arm. „Er ist tot.“
Ben blieb lange Zeit still. Dann richtete er sich auf und vergrub das Gesicht in den Händen.
„Es tut mir leid”, sagte ich, und es klang furchtbar platt in meinen Ohren.
Ben weinte, und ich wünschte mir, wir wären irgendwo anders, scheiß egal wo, Hauptsache nicht in diesem dunklen Scheißloch, das kalt war, und nach Pisse stank, und jedes von Bens Schluchzen lauter machte.
„Es war zu kalt”, sagte er.
„Ja ... war einfach zu kalt.“
Ben wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, ballte eine Faust und schlug sich mit ganzer Kraft gegen die Brust. Dann tat er es wieder. Und wieder. Das Geräusch brummte durch die Unterführung.
„Hör auf”, sagte ich.
Er tat es, atmete durch, rang um Luft.
Ich machte einen Schritt auf ihn zu. „Ben ...“
„Wir müssen ihn mitnehmen”, sagte er.
„Ben, er ist tot.”
„Aber wir können ihn doch nicht hier lassen ... bald kommen die Ratten.”
„Wir müssen die Polizei rufen, damit ...”
„Damit was? Er hat doch niemand. Wen soll denn der schon haben?” Ben kämpfte gegen die Tränen an. „Ich kann ihn nicht hier lassen, Mann.”
Ich seufzte. „Also gut, dann nehmen wir ihn halt mit.”

Er war federleicht. Ben nahm ihn auf den Arm und trug ihn aus der Unterführung. Karles Kopf ruhte auf seiner Brust.
Meine Augen blitzen in der Kälte hin und her. Ich versuchte Bens zielgerichteten Gang anzunehmen, möglichst normal zu wirken. Die großen Schneemonster fuhren vorbei und streuten Salz auf die Strassen.

Ben wohnte im obersten Stock eines alten Blockhauses. Er trug Karle nach oben, legte ihn auf den Balkon. Er war steif geworden, und wollte sich nicht in Sitzhaltung bringen lassen. Ich sah Ben zu, wie er mit Karles Muskelstarre kämpfte, wie er krampfhaft versuchte, Karles Beine zu krümmen und dabei schnaufte, verzweifelte, weinte. Ben ging auf die Knie, dann fiel Karle zur Seite, Ben fing ihn auf, dann ragten die Beine in die Luft.
„Ich helf dir.“
Ich hielt Karles Oberkörper fest, während Ben die Kniegelenke geschmeidig machte, auf und ab, auf und ab, wie ein Orthopäde. Und dann saß der Karle. Endlich saß er. Ich atmete auf.
Ben holte ihm eine Decke, wickelte ihn ein, setzte ihm die Mütze auf, drehte sie leicht zur Seite. So war's richtig. Nein, noch ein bisschen nach rechts. Er runzelte die Stirn. Oder doch so? Ja, ein bisschen nach rechts. Genau.
Ben richtete sich auf, bedachte seinen alten Freund mit einem liebevollen Blick.
„Was jetzt?“, fragte ich.
Ben blickte über das Geländer nach Lichtenheim. Es dämmerte.
„Willst du heim?“, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf.
„Okay, ich hol uns Decken.“
Wir setzten uns in eine Reihe auf den Balkon – Karle in unsere Mitte –, reichten eine Flasche Rotwein hin und her und schauten dem Sonnenaufgang zu. Es war bitterkalt draußen, aber der Wein floss gut und die Aussicht war schön. Vor uns taute Lichtenheim langsam auf. Rauch stieg aus den alten Fabriken, die ersten Autos schlitterten leise durch den Schnee, die Kirchenglocken läuteten.
Karls Augen waren noch offen, die Skleren gelb.
Ich deutete mit dem Kopf in seine Richtung. „Willst du sie schließen?“
„Was denn?“
„Seine Augen.“
Ben lehnte sich zurück, nahm wieder einen Schluck Wein. „Noch nicht ... lass ihn noch die Dämmerung geniessen.“

„Lust auf Musik?“, fragte Ben nach einer Weile.
„Ja, das wär cool. Freundeskreis?“
„Karle mag kein Hip-Hop.“
„Was mag Karle?“
„Er mag die Stones.“
„Die Stones?“
„Ja.“
„Aber ...“ – ich musste lächeln – „die haben doch auch lange Haare.“
Ben grinste. „Das hab ich ihm auch gesagt.“
„Und was meinte er?“
„Dass Mick Jagger ja auch wie ein Mädchen aussehe.“
Wir sahen Karle an, lachten beide.
„Ja, hast du Stones?“, fragte ich.
„Ein Album.“
„Exile on Mainstreet?“
„Nein ... Beggar's Banquet.“
Ich nickte langsam. Kannte ich nicht.
„Ist glaub ihr bestes Album.“
„Was ist drauf?“
„Es beginnt mit Sympathy for the Devil.“
„Und womit endet's?“
„Salt of the Earth.“

„Was hat Karle früher gemacht?“
Er zuckte die Achseln. „Gearbeitet, gelebt ...“
„Wo hat er gearbeitet?“
„Ich weiß es nicht ...“
„Weißt du, warum er manchmal draußen schlief?“
„Nein.“
„Hast du ihn denn nie gefragt?“
Er schüttelte den Kopf.
„Warum nicht?
Ben schloss die Augen, lehnte sich weit zurück. „Weil es nicht wichtig war.“
Ich runzelte die Stirn. „Warum nicht?“
„Weil ... es halt nicht wichtig war. Karle unterhielt sich lieber über Fußball ... stimmt's Karle? Der FCK, was? Der Otto hat's allen gezeigt!“

Die Zeit verstrich. Als Mick verstummte, erhob ich mich. Ben schien zu schlafen.
Ich machte die Schiebetür auf.
Er drehte sich schnell um. „Schaust du morgen vorbei?“
Ich nickte.

Drei Tage später. Ich saß im BK-Unterricht und versuchte etwas zu malen, das mich an etwas Konkretes erinnerte, ein Auto oder so was. Ich bin quasi malbehindert. Smiley-Sonne und Kringelwolke, mehr geht nicht. Ich seufzte, lehnte mich zurück, hörte meine Klassenkameraden quatschen. Die Stimmen schmolzen zu einem Geräuschbrei. Wie im Freibad. Ich sah aus dem Fenster. Die Sonne schien, und der Schnee ... war am Schmelzen.
Ich sprang hoch stürmte aus dem Raum.

„Ich kann mir keine Bestattung leisten“, sagte Ben. „Und Karle auch nicht.“
Wir standen bei ihm in der Wohnung.
„Aber wenn uns jemand sieht ...“
„Wir machen das heute Nacht. Uns sieht niemand.“
„Ben ...“
„Entweder bist du dabei, oder ich mach das alleine.“ Er zuckte mit den Achseln, ging in die Küche. „Pizza?“
Da hätte ich ihm glatt ne Faust geben können.

Wir saßen auf der Couch, hörten Musik, zählten die Stunden.
„Weißt du was das bedeutet, Salz der Erde?“, fragte Ben.
Ich nickte. „Bergpredigt. Ihr seid das Salz der Erde, das Licht der Welt. Hat Jesus zu seinen Jüngern gesagt.“
„Und kennst du den Rest?“
„Welchen Rest?“
Er sprang auf und holte eine Bibel vom Regal. Ich runzelte die Stirn.
Ben mit einer Bibel in der Hand, das war schon ein verdammt komisches Bild.
„Bist du jetzt fromm geworden?“
„Matthäus 5:13. Ihr seid das Salz Erde. Aber wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten.“

Wir packten Karle und zwei Schaufeln in eine schwarze Campingplane und trugen ihn zum Park. Ich hatte wieder eine Scheißangst, aber es war genau wie beim letzten Mal, niemand schenkte uns einen zweiten Blick. Wir fanden eine Stelle zwischen den Bäumen, ungefähr zwanzig Meter hinter Karles Bank, wo der Boden weich aussah.
In den Filmen sieht das immer so leicht aus. Man gräbt ein Loch, versenkt die Leiche und gut ist's. Unser Boden war oben schlammig und unten gefroren. Und dann die Steine, und die Wurzeln ...
Nach einer halben Stunde kam ich ins Zweifeln. Ich schwitzte unter meiner Jacke, das Loch sah nicht besonders tief aus, und meine Hände ... wir hatten nicht an Handschuhe gedacht. Ich hätte sofort welche holen gehen sollen, tat ich aber nicht. Ich sah Ben zu, wie er die Schaufel in die Erde stieß, total konzentriert, die Bewegung geschmeidig und kraftvoll, und dachte: Ach, das schaffen wir schon ...
Wir arbeiteten eine Stunde, ruhten uns eine Weile aus, arbeiteten eine weitere Stunde, und kamen irgendwie nicht voran. Die Schaufeln waren Scheiße. Wir mussten Karle doch mindestens einen Meter unter die Erde legen.
Mindestens.
Mit den Blasen verging mir die Lust. Die Rückenschmerzen, die Arme ... alles okay, aber diese Blasen an den Händen, damit kam ich nicht zurecht.
Wir mussten uns aus dem Staub machen, bald würden die ersten Menschen auftauchen, und sich fragen, was wir hier machten.
Wir packen das nicht. Das wollte ich Ben sagen, die Worte lagen schon auf meiner Zunge, doch dann sah ich den Ausdruck in Bens Augen und die Wut, mit der er gegen die Erde kämpfte. Ich sah auch die Flüssigkeit, die seine Arme herunterrann, kein Schweiß, sondern Blut. Seine Blasen waren aufgeplatzt.
Wir packen das nicht.
Nein, das konnte ich ihm nicht sagen. Lieber packten wir es einfach nicht.
Ich stemmte die Schaufel in die Höhe und warf sie in die Erde.

„Ist das tief genug?“, fragte ich Ben, als die ersten Schüler komische Blicke in unsere Richtung warfen.
Er lehnte sich auf die Schaufel, wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Es muss tief genug sein.“
„Okay.“
Wir legten Karle in das Loch.
Ben blickte lange in das Grab hinab, wirklich sehr lange. Ich wollte ihn nicht drängen, wollte aber auch nicht erwischt werden.
„Willst du noch was sagen?“, fragte ich.
„Nein.“
Ich reichte ihm die Schaufel.
„Warte ...“ – er blickte wieder ins Grab, atmete tief durch – „ich werde dich vermissen, Karle.“
Er fing plötzlich zu weinen an, hielt sich die Hände vors Gesicht. „O fuck, Mann ...“ Er schüttelte den Kopf. „Was mache ich jetzt?“
„Fest zuschlagen, würde ich sagen.“
Ben sah mich an, wischte sich eine Träne aus dem Gesicht – und nickte.

Wir schreiben das Jahr 2006. Hip-Hop ist tot und wir haben eine Bundeskanzlerin. Die Twin Towers gibt’s nicht mehr und die Mark auch nicht. Die Stones sind gerade auf Tour, und die Bayern sind immer noch oben.
Ben hat mich letzte Woche angerufen. Wollte wissen, wie es mir geht, hat gefragt, ob ich ein Klugscheißer geworden bin. Wir haben uns eine Weile nicht mehr gesehen. Er war verheiratet, drei Jahre lang. Ich war bei der Hochzeit, nettes Mädchen aus Kirchheim. Ist vorbei jetzt. Kinder gibt's keine. Ben hat sich eigentlich nicht viel verändert, er lebt und arbeitet in Lichtenheim, fährt noch immer mit dem Zug nach Stuttgart, ab und zu in Urlaub.
Ich studier so vor mich hin, mach grad mein Master. Kann nichts Besonderes berichten. Hab jetzt eine eigene Wohnung.
Nächste Woche fahr ich heim. Ich denke, wir werden über alte Zeiten quatschen, Karle besuchen und dann ordentlich einen drauf machen.
So wie immer halt.

 

Wie muss ich dieses Ausrufezeichen deuten? Insider? Ironisch? Sarkastisch? Feststellend?

Oh holla, sorry, dass das missverständlich rüberkam. Dion hatte geschrieben:
Diese Geschichte ist keine Geschichte.
(...)
Der ganze Text ist höchstens ein Bericht über das Erwachsenwerden,

Mein Ausrufezeichen sollte nur die Betonung auf "Geschichte" legen und somit aussagen, dass es sich um eine solche hier handelt. :)

 

Hallo Katzano,

Mein Ausrufezeichen sollte nur die Betonung auf "Geschichte" legen und somit aussagen, dass es sich um eine solche hier handelt.

Okay, da haette ich wohl auch selbst drauf kommen koennen. :)
Aber wie man sieht .. Dions Kommentar hab mich nicht sonderlich beschaeftigt.

Vielen Dank nochmal!

JuJu

Hallo Lollek,

Das gefällt mir sehr gut, diese Selbstverständlichkeit, mit der Ben hilft. Es ist schon beachtenswert, dass viele genau das hinterfragen; Warum tut er das? Naja, weil er eben ein guter Kerl ist ...

Freut mich, dass dir diese Erklaerung genuegt. Ich finde auch, im Endeffekt kann man das auch ganz einfach erklaeren. Ist schon schade, dass das man das so gross hinterfragen muss, andere Sachen nimmt man viel leichter hin, das stimmt.

Das ist echt rührend. Bens Charakter ist toll, eben das Salz der Erde. Er ist gut und Salz muss von sich aus salzig sein, denn es gibt nichts, womit man es salzen könnte... Ohne solche Jungs würde das Leben nicht mehr schmecken.

Das ist toll, dass du so viel mit Ben anfangen konntest.

Vielen Dank fuers Lesen und Kommentieren!

MfG,

JuJu

 

Hey JuJu,

und gleich vorab - falsche Rubrik! Wieso nicht Jugend? Warum sind wirklich gute Adoleszenzgeschichten irgendwo im Forum versteckt? Kommt doch auch keiner auf die Idee, einen Krimi unter Sonstige zu posten ... das ist so eine Forumsbewegung, die ich echt nicht verstehen kann. Aber sei es drum.

Ich habe die Kritiken jetzt nicht im einzelnen gelesen, also verzeih, wenn sich hier was doppelt. Für mich liegt der Fokus in der Beziehung der beiden, ihre Entwicklung, und ich finde es durchaus beachtenswert, wie es Dir gelingt, es über die Jahre zu ziehen. Also der Mut, über eine solche Zeitspanne die Erzählung zu strecken, davor Hut ab! Und für mein Empfinden auch wirklich gelungen. Der Erzählton - dieses bedächtig "normale", hat schon seine Wirkung in Hinblick darauf, so was wie Authentizität zu erzeugen. Jedenfalls hab ich das so empfunden. Karle, und die Frage, ob er nun der Vater ist, das ist das spannende und sogleich verbinde Element über die Zeit. Das ist das, was die Geschichte zusammenhält und vorantreibt - feiner Zug, Herr JuJu! Ich hab es gern gelesen.

Noch so Textkram:

„Mensch, gehst denn nie zum Frisör!“ fuhr der alte Mann Ben eines Tages an.
Die Bemerkung fand ich frech, schließlich finanzierte Ben seine Sucht mit. Außerdem war der Mann im puncto Style nicht wirklich auf der Höhe. Er sah meistens völlig zerfleddert aus, wie ein nasser Pudel, sein Bart manchmal so lang wie unser Haar.
Also bitte ...

Mag ich nicht. Ist so ein Ausläufer von Erklärungswut, all das Dicke. Für mich käme da gut der Rotstift durch.

Er löste sich beinahe zeremoniell von Melis Griff, holte ein paar Münzen aus der Tasche und legte sie direkt in die Mütze. Der Mann gab ein bellendes „Du musst zum Frisör!“ zur Antwort.
Ben lächelte.

:) - Hier verzichtest Du auf weitere Ausführungen, vertraust Deinem Leser. Deshalb funktioniert die Stelle so gut.

Meli war immer nett zu mir, stellte mir auch ihre Freundinnen vor, also eigentlich hatte ich sie gern.

Füllsel

Doch jedes Mal, wenn wir in die Nähe der Unterführung kamen, legte sich eine Last auf unser Gemüt. Meli hörte bald/(zwar) auf, eine Erklärung für Bens Verhalten zu suchen, sie hörte auch auf, zu betonen, dass der Alkoholiker das Geld ja nur versaufen würde, ...

dito

Ich hatte Kopfhörer auf. Die Sonne schien. Lena wollte nachher vorbeikommen, und ich freute mich schon/darauf/ auf sie oder gar nix. Ich ging durch die Unterführung und dann merkte ich plötzlich, dass der alte Mann nicht mehr da war./ der Platz des Alten war leer.
Wann hatte ich ihn das letzte Mal gesehen?

Ich sah mich noch ein wenig um, dann setzte ich mich auf die Bank und breitete die Arme aus, spürte die Sonne auf meinem Gesicht.
Die Schüler stampften an mir vorbei, die kleinen mit den bunten Rucksäcken, quietschend im Gespräch vertieft. Dann die großen: Hände in den Hosentaschen, dunkle Kleidung, Kopfhörer ...

Hier beginnt die Dann-Schwäche. Vertrau dem Wort nicht! Es will immer dazwischen, es schubst und keift, aber vertrauen darf man ihm nicht ;).

Er wollte wissen, was mit Lena passiert war. Ich fragte, was mit Sina passiert war.

Schön. So einfach und doch so viel gesagt.

Als wir zur Unterführung kamen, traute ich meinen Augen nicht.

Also manchmal hast Du echt nen Hang zum theatralischen :)

Über so manchen Geburtstag habe ich mich schon gefreut, doch nie so sehr über einen wie in diesem Augenblick.

Hä, was denn das für ein Satz? Wasn das für ne Ansage? Mein Rotstift, ich sag Dir ...

Und dann kam der Winter. Wir trugen fette Bomberjacken, hatten beide eine Flasche Bier in der Hand.

Es wurde Winter. An dem Satz ist nix, was eine sprachliche Aufblähung verdient hätte.

Ben wohnte im obersten Stock eines alten Blockhauses. Er trug Karle nach oben, legte ihn auf den Balkon. Er war steif geworden, und wollte sich nicht in Sitzhaltung bringen lassen.

Zwei Er - zwei verschiedene Personen. auch wenn es sich erschließt, würde ich ein Mal Namen bevorzugen.

Ben ging auf die Knie, dann fiel Karle zur Seite, Ben fing ihn auf, dann ragten die Beine in die Luft.

seine Beine ragten in die Luft

Beste Grüße
Fliege

 

Okay, ist das jetzt irgendein Gesetz von dem ich nichts weiß? Es muss in jeder Geschichte einen klaren Protagonisten geben, der wichtiger ist als alle anderen Charaktere, ansonsten ist sie formal nicht in Orndung? So wie es in jeder Fußballmannschaft einen Kapitän geben muss?
Ein Gesetz ist es nicht, aber es erleichtert die Identifikation, wenn man einen Protagonisten hat.

Also das wundert mich wirklich, dass manche so wenig mit Karle und Ben anfangen können.
Ich habe bis zuletzt auf etwas gewartet, das mir sagen würde, aha, das wollte der Autor sagen, oder deswegen hat er die Geschichte geschrieben. Als nichts dergleichen kam, war die Enttäuschung da, für die du natürlich nichts kannst.

Warum muss man erklären, warum Penner trinken? Oder warum manche Jungs diese Bedürfnisse haben?
Du musst nichts erklären. Aber wenn alle handelnden Personen im Ungefähren bleiben, d.h. deren Motivation nicht klar wird, so zu handeln und nicht anders, dann ist das für mich unbefriedigend. Es sind keine Personen aus Fleisch und Blut, sondern nur Bilder von Menschen, die man nicht kennt. Man weißt: Sie waren da, haben das und jenes gemacht, aber warum sie das gemacht haben, erfährt man nicht.

Das Problem, das ich sehe, hast du selbst so umschrieben:

„Ich denke, man fragt sich sicher, ob Karle sein Vater ist. Oder ob Ben vielleicht gar keinen Vater hat? Oder ob er das nur cool findet zu Beginn...“

„Nur der Ben, aus welchen Gründen auch immer, schätzt Karle noch, nicht aus Mitleid, und auch nicht weil er ihn heilen oder verbessern oder Sex mit ihm haben will, er schätzt einfach seine Anwesenheit. Ich denke, da gehts auch um Freundschaft, und die ist in manchen Dingen nicht so anspruchsvoll wie die Liebe.“

„Ich glaube, es geht hier irgendwie um Verlust, Verlust der Jugend, Verlust des Alten, es geht ums Mann werden, ums Erwachsen werden, und vielleicht auch ein Stück weit darum, dass man am Ende tot ist ...“

„Vielleicht ist Karle die Vaterfigur, die man nicht haben sollte, vielleicht denkt Ben so weit voraus, und sieht sich selbst in Karle, alt und alleine, ein einsamer Trinker, der die Frauen hinterhergafft. Ich glaube nicht, dass es Schuljungen gibt, die so was denken können, dass die Empathie so weit reicht, aber was wenn?
Vielleicht ist das nur jugendlicher Protest, der sich komisch auswirkt. Vielleicht ist Karle nur deswegen so besonders, weil er jeden Tag da ist, Ben sich an ihn gewöhnt hat und nun das Bedürfnis hat, dass das so bleibt, dass die Dinge ein paar Tage länger so bleiben, der will einfach, dass Karle bis in alle Ewigkeit jeden Tag da ist. Vielleicht tut er ihm auch einfach nur leid.“

„Da sieht man vielleicht, dass Dani es auch nicht so genau weiß, es könnte also nur irgendwie ein Grinsen sein oder so was, also nichts Spezifisches ...“

Das sind alles Vermutungen, denn nichts Genaues weiß man. Auch am Ende nicht. Das kann ein Trick sein, den Leser bei der Stange zu halten, aber irgendwann will er es wissen, was Sache ist. Zumindest ich wollte es wissen. Wäre schon mit wenig zufrieden, aber da ist gar nichts. Ein Beobachter, der beste Freund sein soll, weiß nicht, warum was geschehen ist? Wenig wahrscheinlich. Aber wenn es doch so sein sollte, dann ist das die Geschichte von einem, der mit offenen Augen blind durch das Leben geht. Das ist zwar wenig, aber auch eine Geschichte. Wenigstens das.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Fliege,

und gleich vorab - falsche Rubrik! Wieso nicht Jugend? Warum sind wirklich gute Adoleszenzgeschichten irgendwo im Forum versteckt?

Diese Rubrik ist für Geschichten gedacht, die FÜR Jugendliche (Zielgruppe etwa 12-16 Jahre) geschrieben worden sind.

Das hat mich abgeschreckt.

Da liegt ja die Betonung auf FÜR 12-16-Jährige. Ich hab die Geschichte halt nicht für 14-Jährige geschrieben .. nicht bewusst jedenfalls.
Aber ich gebe zu, ich bin da schon auch etwas verwirrt. Was ist eigentlich ein Jugendbuch? Hat Hesse Jugendbücher geschreiben? Harry Potter und Twilight sind glaub Jugendbücher ... warum werden die dann von allen Altersgruppen gelesen? Warum musste ich in der Schule Effi Briest lesen? Ist das etwa ein Jugendbuch?
Ist das so ein Altersbeschränkung, also kein Sex/Gewalt, oder etwas Thematisches, sprich Krimi mit Teenager ..?

und ich finde es durchaus beachtenswert, wie es Dir gelingt, es über die Jahre zu ziehen

cool

Also manchmal hast Du echt nen Hang zum theatralischen :)

Ist meine feminine Seite ;)

feiner Zug, Herr JuJu! Ich hab es gern gelesen.

Das freut mich sehr!


Danke fürs Lesen und Kommentieren und auch für deinen Rotstift, sehr brauchbar.

MfG,

JuJu


Hallo Sirius,


Danke für die erneute Rückmeldung.

Hmm.. also ich glaube nicht, dass die Charaktere so blass gezeichnet sind, wie du das sagst.

Aber wenn es doch so sein sollte, dann ist das die Geschichte von einem, der mit offenen Augen blind durch das Leben geht.

Auch das... glaube ich nicht.

Aber wenn du es so liest .. okay, dann ist das halt für dich so.

Ich habe bis zuletzt auf etwas gewartet, das mir sagen würde, aha, das wollte der Autor sagen, oder deswegen hat er die Geschichte geschrieben. Als nichts dergleichen kam, war die Enttäuschung da

Also das ist ja so eine bestimmte Lesart so, dass man denkt, der Autor will was sagen ... und die Aussage ist dann: Zu Viel Alkohol ist schlecht! Oder so..

Also ich denke schon, dass die Geschichte was sagt, aber vielleicht nicht so, wie du das gern hättest, und eventuell auch nicht das, was du gern hättest.

Jo hat auch schon im zweiten Anlauf zu erklären versuch, warum die Geschichte nicht ankommt, vielen Dank dafür.
Was ich mich halt frage ist: ist die Geschichte strukturell unstimmig, sind die Charketere wirklich zu blass, oder befinden wir uns in der Grauzone der Sympathie?
Also was musste ich tun, damit die Geschichte bei euch ankommt? Und da merke ich schnell, dass ich eine ganz andere Geschichte erzählen musste. Also auch wenn die hier zehn Kilo abnimmt, sich die Haare färbt und die Brüste vergrößern lässt ... du würdest sie glaub trotzdem nicht wollen.
Das ist auch legitim, ich hätte nicht gedacht, dass ausgerechnet diese Geschichte polarisiert, aber gut .. vielleicht tun das die anderen auch und werden dann nicht kommentiert oder so. Weiß ich nicht. Also vielen Dank für deinen Kommentar, das kommt jetzt hoffentlich nicht kritikresistent, aber ich habe jetzt auch viel Lob für die Geschichte bekommen, und sie gefällt mir eigentlich auch so wie sie ist. Oder anders gesagt, ich sehe noch keinen Weg, wie ich sie verbessern könnte, ohne die Geschichte als solche kaputt zu machen.
Vielleicht ist es auch einfach die Form, diese vielen Jahre, die euch zu schaffen macht, dass ihr da einfach mehr Tiefe gewohnt seid. Ist ja nicht unbedingt gewöhnlich, spontan fällt mir keine kg ein, die so aufgebaut ist ...
Aber gerade das fanden ja viele wiederum gelungen.

Vielen Dank auf jeden Fall!

MfG,

JuJu


ps:

Das ist zwar wenig, aber auch eine Geschichte. Wenigstens das.

Das ist so, als würde eine Frau sagen:

Du warst nicht gut. Aber immerhin, ich hab mich jetzt eine habe Stunde lang mit diesem Ding zwischen deinen Beinen beschäftigt, und ich kann dir versichern: Es ist ein Penis!

Also das ist schon ziemlich absurd, was Dion da ins Rollen gebracht hat :)

 

Moin JuJu!
Ich habe den Text vor ca. einer Woche gelesen und erst mal nicht kommentiert und ihn heute nochmals ausgedruckt auf Papier gelesen (ist doch besser bei so langen Texten).

Und dabei bin ich schon beim Thema. Der Text umfasst 19 Buchseiten und dafür steht für mich zu wenig drin (um es mal einfach auszudrücken). Zwei Schulkameraden mit gemeinsamem Schulweg treffen fast täglich einen (offensichtlich) Obdachlosen und der Freund des Ich-Erzählers hat (oder baut mit der Zeit auf) eine Verbindung zu diesem Mann. Dass sie ihn später tot auffinden, fällt ja quasi als Abschluss oder Abrundung in dieses Thema mit rein. Der Ausflug nach Stuttgart hatte für mich eher etwas Nebensächliches, da plötzlich der Ich-Erzähler in den Vordergrund trat – nur warum, hat sich mir nicht erschlossen.
Das alles hätte ausgereicht für ein Viertel des Umfanges und dabei wäre auch nicht so sehr ins Gewicht gefallen, dass wir wenig über die drei Protagonisten erfahren. So allerdings wartete ich ständig auf mehr Substanz, vieles wiederholte sich und nichts kam dazu.
Trotzdem: Ich musste mich nicht zwingen, die nicht wenigen Seiten zu lesen. Das passiert auch nicht häufig. Alles andere (siehe oben) ist ein sehr individueller Eindruck und kann von anderen Lesern (mit anderen Erfahrungen, anderem Alter, anderen …) ganz andere Assoziationen auslösen und eventuell auch genau die richtige Länge habe.

Herzliche Grüße Heiner

PS. Es wurde zu häufig gegrinst, gelächelt und genickt. Aber vielleicht ist es mir auch nur aufgefallen, da ich in manch einen meiner Texte einen ähnlichen Hang habe und versuche, es möglichst zu vermeiden. Auch die Nebensätze, die häufig nur durch ein Komma getrennt waren, tragen etwas zur Ermüdung bei. Sie machen den Text zwar schneller und direkter, aber nicht unbedingt „eleganter“.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Heimee,

Vielen Dank für deinen Kommentar. Ich bin gerade am Überlegen ... vielleicht ist diese Geschichte auch einfach ein Tick zu amerkanisch für manche. Ob da nicht zu viele Amimotive drin sind. Vielleicht habe ich eine amerkanische Geschichte nach Deutschland importiert.
Das Begräbnis unter Schweiß und Blut, die völlige Abwesenheit des Staates, die vielen Fragen, die hier fehlen: Warum macht er das? Warum gibt man ihm Geld? Warum ist er obdachlos? Wo ist das Sozialamt? Warum, warum, warum?
Das sind alles Fragen, die man sich in Deutschland stellt. In den USA ist das nicht so. Die Fragen stellt man sich dort aktiv nicht.
Auch der Titel: die "Salt of the earth".. das hat eine Bedeutung in den USA. Das einfach unprätentiöse Volk. Jeder weiß gleich was und wer damit gemeint ist. Gibt es ein vergleichbares Bild in Deutschland?
Ich denke, wenn die Geschichte in der Vorstadt von New Orleans spielen würde, und Karle ein alter schwarzer Mann wäre, und Ben und Dani zwei schwarze Teenager .. dann könnte man das alles verstehen, dann müsste man überhaupt nichts erklären. Also wenn die Welt, in der die Geschichte spielt, ein wenig härter und kälter wäre.. dann könnte man die kleinen Dinge besser verstehen, das bisschen Geld, die Lächeln, die Zeit... aber sie spielt halt in Baden-Württemberg .. :) Wir haben es zu gut hier.
Die Magie der Stones, der Grund warum die so lange präsent sind, liegt im Blues .. nicht im Rock. Viele können Krach machen. Jagger ist ein Blues-Sänger.
Ich übersetze meine Texte sehr selten hin oder her (zu viel Arbeit) aber bei der würde es sich lohnen.. ob das bei Amis nicht eine ganz andere Wirkung entfaltet.
Nichtsdestotrotz ... auch hier habe ich sehr viel positive Resonanz bekommen, also ganz so schwarz-weiß ist das sicher nicht.

MfG,

JuJu

 

Auch der Titel: die "Salt of the earth".. das hat eine Bedeutung in den USA. Das einfach unprätentiöse Volk. Jeder weiß gleich was und wer damit gemeint ist. Gibt es ein vergleichbares Bild in Deutschland?
Nein. Das hängt auch in der Mentalität wieder drin. In Deutschland geht es häufig um Hierachien und wo man dort steht, in der Arbeitswelt, wieviele Leute man "unter sich hat", Titel, usw.
Im Deutschen würde man sagen. "Der kleine Mann" oder "Die arbeitende Bevölkerung", "Der Mann von der Straße" (Otto Normalverbraucher, auch wenn es aus einem anderen Zusammenhang kommt, wird so verwendet) - aber das hat alles nicht die positive Beinote. Vielleicht im Ruhrgebiet, "Der Kumpel", da ist es noch am ähnlichsten, das ist ein riesen Kult um den Bergbau, aber dieses "Salz der Erde" kriegst du ins Deutsche nicht rüber, das ist auch ein seltsames Denken.

Ich denke, wenn die Geschichte in der Vorstadt von New Orleans spielen würde, und Karle ein alter schwarzer Mann wäre, und Ben und Dani zwei schwarze Teenager .. dann könnte man das alles verstehen, dann müsste man überhaupt nichts erklären. Also wenn die Welt, in der die Geschichte spielt, ein wenig härter und kälter wäre.. dann könnte man die kleinen Dinge besser verstehen, das bisschen Geld, die Lächeln, die Zeit... aber sie spielt halt in Baden-Württemberg .. :) Wir haben es zu gut hier.
Nein, ich denke es ist was anderes bei der Geschichte. Wir haben da im Chat auch noch paar mal drüber gesprochen und der Punkt ist einfach, ob man das sieht mit dieser Idee, dass Leute denken, sie seien intim, obwohl sie nie über Intimes sprechen.
Das macht für mich die Geschichte aus, weil die beiden Beziehungen darauf basieren. Die zwischen dem Erzähler und dem "Helden", und die ziwschen dem Helden und dem alten Mann. Beide sind sich nah, ohne irgendetwas je zu thematisieren. Als der alte Mann dann stirbt, fragt Dani Ben ja nach ihm. Und dann kommt raus, dass die nie über etwas "Tieferes" gesprochen haben, es war nur dieser allgemeine Kram. Fußball. Haare. Musik. So in Nebensätzen.
Und in der Beziehung von Dani zu Ben ist das ja auch so, die reden natürlich nie über Karle. Er fragt ihn ja 10 Jahre lang nicht: Warum machst du das?
Er fragt ihn einmal nebenbei, kriegt keine Antwort und dann ist das eben so. Dann wird das akzeptiert und nie wieder darüber gesprochen und irgendwann findet er das gut. Er ist dann "intim", weil er eben nicht darüber spricht.

Das ist für mich ein ganz interessanter Teil der Psyche und ich denke, da ist wirklich etwas, was Männer eher haben. Die leben da 10 Jahre parallel zueinander, und das, worüber sie sprechen müssten, das wird nicht einmal tangiert und gerade das verbindet sie dann. Wie Dani auf die Frauen herabblickt, die da fragen: Warum gibst du ihm denn was? Das versäuft er doch eh.
Und Dani selbst hat überhaupt keine Idee, aber er ist dann "intim"; weil er so tut, als wisse er das. oder weil er es akzeptiert.
Das ist schon, für mich, ein tolles Bild, auch ein ironisches Bild über menschliches Verhalten.

Als für mich geht es in der Geschichte darum, wie dieses Schweigen um ernste Themen Männer verbindet. Ich denke so funktioniert das auch da draußen. Das ist nichts, was aufgeht und literarisch befriedigend ist, aber wenn ich so nachdenke, kenne ich das aus meinem eigenen Leben ständig, da sind viele Sachen mit Leuten, die einem nahe stehen oder mal nahe standen, die man nie besprochen hat, sondern so stillschweigend dann akzeptiert hat. Es ist eine Geste männlicher Freundschaft nicht nachzuhaken, wenn der andere es nicht möchte. Und wenn einer einem Penner Geld gibt und nicht über die Gründe sprechen will, obwohl - das weiß Dani ja auch - es offenkundig ist, dass dort irgendetwas ganz und gar nicht stimmt, und dass es ein Syntomp ist für einen Stachel im Fleisch, dann ist es trotzdem (und das ist verquer) eine Geste der Männerfreundschaft, dort nicht rumzupuhlen.

Ich behaupte: Wer das sieht, dem gefällt die Geschichte. Wer zu diesem Gedanken keinen Zugang hat, dem wird das nicht gefallen. Oder wer diesen Gedanken banal findet, dem ist das dann auch zu lang.
Aber normal, und da richtet sich die Geschichte eben gegen literarische Konventionen, wenn man so will, ist es die Aufgabe einer Geschichte in diesen Wunden rumzupuhlen. Hier die Geschichte handelt davon, dass es zum Mannwerden gehört, genau das eben nicht zu tun.

 

“Talk low, talk slow and don't say too much.”
Marion Michael Morrison

 

Mein lieber heimee, Textarbeit und Interpretationen werden hier gern gesehen, zumal ich die Ausführung von Quinn als kein Gebrabbel sondern als spannend empfinde.
Also was soll dieses doofe Zitat?

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe JoBlack, das war selbstverständlich keine Verunglimpfung von Quinn, Gott bewahre, sondern ein Kommentar auf seinen Kommentar (und den darin enthaltenen These der "schweigsamen" Männerfreundschaft und beides bezog sich (selbstverständlich) auf die Geschichte von JuJu.
Herzlichst Heiner
PS. Etwas höher findest du meinen ersten Kommentar.

Übrigens: Die Anrede "Mein lieber ..." kenne ich noch aus der Schule. Da kam sie allerdings von der "Macht" hinter dem Pult.

 

He Juju,

deutlich gut ist das Thema, die bodenständige Sprache, dass es keine Extravaganzen gibt. Das wiederkehrende Motiv des Säufers und dass du die (äußeren) Wandlungen der beiden ohne deutlichen Bruch auf relativ wenig Raum durch die Jahre führst. Das ist insgesamt ne gute Basis. Finde ich wesentlich ansprechender als überdrehte Bizarro-Geschichten, die ich ja teils nur satirisch verstehen konnte.

Ärgerlich sind die ziemlich vielen schiefen Vergleiche, dass du immer mal wieder aus der Autorenstimme fällst und auch, dass hier noch Wendungen zu finden sind wie

Er grinste wieder, ein Ausdruck, der sich in den kommenden Jahren noch deutlicher in seinem Gesicht abzeichnet.
.

Das ist einfach Mist, dreißig Kommentare unter einer Geschichte, aber solche Wendungen sind noch drin.

Wir musterten ihn.
Und er uns.

Da kein Absatz zwischen. Absatz erst wenn eine Beschreibung, die des gegenseitigen Musterns, abgeschlossen ist. Ich sehe da auch keinen anderen Anlass, ein Cliffhanger kann das nicht sein.

Er grinste wieder, ein Ausdruck, der sich in den kommenden Jahren noch deutlicher in seinem Gesicht abzeichnen würde.

streichen. überlegen, was du sagen willst, und neu versuchen.

„Ja, sicher, der trinkt jetzt schon Bier.“
Er zuckte mit den Achseln. „Egal ... hab doch fünfzig Mark gefunden. Gehen wir nachher Kippen kaufen?“

Das kann ja nicht die eigentliche Begründung sein, das finde ich interessant.

Das Eis ging durch meine Kehle wie Seelenschnee.

Ihr mit eurem Seelenschnee. Passt bloß auf mit diesen phonetischen Hinkuckern ohne Inhalt. Zwei Kugeln Eis = Seelenschnee? :)

als wäre der alte Mann ein Zollbeamter auf der Fahrt zum Meer.

Warum zum Meer? Zollbeamte stehen an Grenzen, nicht vor Stränden. Vergleiche dürfen gewagt sein, aber nicht falsch. Hier weiß ich weder, was du sagen willst, noch passen Zollbeamter und Meer zusammen.

Ich wusste es nicht.

Gewöhn dir bloß solche Sätze ab. :)

grinste wie frisch gewichste Schuhe.

die grinsen nicht. strahlend wie gewichste Schuhe ginge. Aber das ist eben ein anderer Inhalt, wenn du dir bei solchen Sachen nicht sichter bist, musst du genauer kucken.

Man hat ganz andere Dinge im Kopf.

streichen. das wird ja gezeigt

War eine spannende Zeit.

weg damit, damit erzielst du bei eher die gegenteilige Wirkung, also ich denke mir, dass das nicht besonders spannend klingt. diese pubertären Lebensläufe sind ja schon länger keine Ausnahme mehr, die eine Hälfte hatte sie, die andere Hälfte behauptet, sie gehabt zu haben, die dritte Hälfte sagt mal wieder gar nichts. Für den Einzelnen eine aufregende Angelegenheit, haben diese Erfahrungen von außen betrachtet eher das Potential, andere Empfindungen hervorzurufen.

Wir ließen uns die Haare wachsen, drehten unsere ersten Joints, bekamen Fress- und Lachflashs und flippten fast aus.

Das klingt verplant und albern. Letztes Wochenende in Amsterdam habe ich Mengen von solchen Kollegas getroffen, die überall gebufft haben. Also es stimmt schon und es passt zu deinen Jungs, aber: Wenn sowas in Geschichten verarbeitet wird, unbedingt über die Stereotypen hinausgehen. Die bieten sich nicht ohne Grund an, aber das geht halt fast jedem so, deswegen liest man das ständig. Unabhängig davon, ob man eigene oder literarische Erfahrungen reproduziert.

Die Bemerkung fand ich frech, schließlich finanzierte Ben seine Sucht mit.

Die Logik beißt sich hier, bzw ist wenigstens hinterfragungswürdig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du meinst, was hier gesagt wird.

hatte einen Körper wie eine Colaflasche

klingt völlig unattraktiv. Außerdem gibt es verschieden geformte Colaflaschen. Du meinst wahrscheinlich die 033er, die wäre am ehesten in der Nähe von ansprechenden Rundungen.

Meli hörte bald auf, eine Erklärung für Bens Verhalten zu suchen, sie hörte auch auf, zu betonen, dass der Alkoholiker das Geld ja nur versaufen würde, doch dieses Zischen, dieses genervte Seufzen, das ließ sie nie weg.

Das scheint ja so dein Ding hier zu sein, also wenn man mal ganz direkt die Menge der Erörterungen nimmt. Was will Ben mit diesem alten Assi?
Mir gingen die Penner lange Zeit furchtbar auf den Sack, nicht weil sie nicht arbeiten, sondern weil sie furchtbar aufdringlich sein können. Genau wie die verdammten Punks. Da habe ich begonnen zu überlegen, warum man ihnen Geld geben sollte. Also diese ganzen Sprüche, die die so bringen: Brauche Geld für Essen, für meinen Köter, für meine kranke Mutti ... kann man in die Tonne kloppen. Das haben die Figuren deiner Geschichte kapiert, das ist gut.
Wir habe hier einfach keine Verhältnisse, in der existentielle Nöte bestehen. Diese Bettler sind also nicht nur faul, sondern außerdem lügnerisch. Warum sollte man einem faulen Säufer, der einen belügt, Geld geben?
Der Ablass funktioniert nicht, weil man bei genauer Draufsicht nicht glauben kann, dass man mit der Spende jemandem hilft.
Ist schwierig, manche erpresserische Bettler machen mich einfach wütend, aber ich habe da eine Begründung gefunden, warum man denen trotz allem Geld geben sollte. Was in deinem Prot vorgeht, was seine Gründe für die regelmäßige Spende sind, lässt du komplett im Dunkeln.

„Hab mich geschlägert

geprügelt, geschlagen ....

Ich runzelte die Stirn, drehte mich im Kreis.

drehte mich im Kreis? körperlich, in Gedanken?

Irgendwann stand ich auf, und ging meinem Leben nach.

gut

schenkte er mir ein breites Grinsen

ein Grinsen / Lächeln schenken ist eine verbrauchte Wendung und in den meisten Fällen wird sie auch noch falsch verwendet. Leute grinsen aus verschiedensten Motivationen, die meisten haben mit schenken nichts zu tun.

Er grinste richtig

hier wird zuviel gegrinst

Manchmal denke ich, es war dieses Grinsen, das sie verband.

Also eine Einstellung, die sich durch dieses Grinsen ausdrückt

Eine Handbremse war gelöst worden, und ich war mehr als bereit, Fahrt aufzunehmen

passt, ist gut

„Das versäuft er doch nur”, sagte Clara.
Ben ging weiter, nickte und dann, etwas leiser: „Und ich fick dich doch nur.”

Menschen tun, was sie eben tun. Ben will das eine nicht über das andere stellen, auch wenn die beiden Tätigkeiten unterschiedlich angesehen werden, der Fickende und der Saufende nicht dasselbe Prestige erhalten. Das geschenkte Kleingeld ist der symbolische Akt, diese Haltung auszudrücken. So lese ich das, Ben akzeptiert den Säufer als alternative Lebensform.

Wenn wir nicht irgendwann das Gefühl hatten, durch ein Loch im Kopf ins Weltall zu stürzen, war es kein gelungener Abend.

gut!

Die großen Schneemonster fuhren vorbei

so geschrieben sind das Monster aus Schnee

Ben wohnte im obersten Stock eines alten Blockhauses

in einer Holzhütte? Meinst du eventuell einen Neubaublock?

Matthäus 5:13. Ihr seid das Salz Erde. Aber wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten.“

Kuck dir mal den ersten Satz an, sowas darf nicht passieren. Sowieso ein seltsamer Absatz voller schiefer Bilder, Salz, das seinen Geschmack verliert, das zertreten wird ... Mit ein bisschen Mühe kann ich mir denken, dass es um das Kernhafte eines Menschen geht, das er sich erhalten soll. Es gäbe tausend einfachere Möglichkeiten, das zu sagen. Auch wenn du etwas anderes sagen wolltest: Diese wolkige Sprache der Religion passt kein Stück in den Text.

Das Ende mit dem Begräbnis ist schon bedeutungsschwanger. Mir ist das nichts mit diesen fetten Symbolen. Im Detail ist hier noch ne Menge zu tun, im Großen und Ganzen aber geht die Geschichte in eine sehr gute Richtung, da stecken interessante Themen drin, die beleuchtet zu werden verdienen. Und die Sprache ist eine, die sich nicht in den Vordergrund drängt, das gefällt mir auch, dass es hier nicht so überspannt zugeht.

Kubus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Quinn,

aber dieses "Salz der Erde" kriegst du ins Deutsche nicht rüber, das ist auch ein seltsames Denken.

Ja, also wenn man das genau überlegt, da wird das "einfache" Volk, das hart arbeitet und wenig hat und damit zufrieden ist irgendwie zelebriert ... das hat schon auch was von Propaganda.
In den USA ist das immer ein großes Thema, Sarah Palin kommt von einem "Small Town", das hat sie in den letzten Wahlen auf die Spitze getrieben, die anderen leben in Städten und haben studiert und benutzen komische Wörter und trinke Cafe latte und so, die haben keinen Zugang zu "echten" Menschen... das ist alles so dieses Denken da. Ich glaube im Kern ist es schon etwas Nobles, aber es wird missbraucht

Nein, ich denke es ist was anderes bei der Geschichte. Wir haben da im Chat auch noch paar mal drüber gesprochen und der Punkt ist einfach, ob man das sieht mit dieser Idee, dass Leute denken, sie seien intim, obwohl sie nie über Intimes sprechen.

Also ich frage mich schon länger jetzt, was genau bei dieser Geschichte ankommt und was nicht. Ich habe jetzt auch schon einige Erklärungsansätze rausgehauen, ich denke, das was du ansprichst ist sicher ein ganz wichtiger Punkt. Vielleicht ist das auch wirklich der Punkt.

Als für mich geht es in der Geschichte darum, wie dieses Schweigen um ernste Themen Männer verbindet. Ich denke so funktioniert das auch da draußen. Das ist nichts, was aufgeht und literarisch befriedigend ist, aber wenn ich so nachdenke, kenne ich das aus meinem eigenen Leben ständig, da sind viele Sachen mit Leuten, die einem nahe stehen oder mal nahe standen, die man nie besprochen hat, sondern so stillschweigend dann akzeptiert hat.

Es ist eine Geste männlicher Freundschaft nicht nachzuhaken, wenn der andere es nicht möchte.

Absolut. Genau so ist das auch in meiner Realität.
Das Problem mit Fragen ist auch immer, die implizieren, dass etwas nicht stimmt. Dass etwas falsch ist.
Was machst du hier? Wo hast du das Geld her? Bist du schwul? Warum gibts du dem Bettler Geld?
Wenn alles stimmig ist, fragt man gar nicht erst ...

Wenn man den Arm um den Freund legt und sagt:
Hey, du bist nur 1,60m, das ist schon ziemlich uncool, oder? Wie kommst du eigentlich damit klar? Willst du nicht darüber reden? Ich kann deine Schulter zum Ausheulen sein..
Da würden doch viele Männer spontan sagen: Verpiss dich! Ich zeig dir gleich, was uncool ist, du Homo!
Mit anderen Worten: komm mir nicht zu nahe, mir gehts doch gut .. und selbst wenn nicht, darüber reden ist unmännlich...

Das ist vielleichzt auch so ein Ding, dass man als Mann keine Schwäche zeigen will. Also wenn man bei dem Freund einen Schwachpunkt erkennt, dass es respektvoller ist, wenn man den aus dem Weg geht. Ich glaub auch, dass Ben irgendein Problem in irgendein Form hat... ist halt die Frage ob das hilft, wenn man die Wunde aufreißt.
Also das sind alles sind so Themen, da ist sehr viel Fingerspitzengefühl gefragt...
Vielleicht ist es wirklich besser, vielleicht sollten alle Männer permanent über ihre Gefühle und Probleme reden, und dann wäre die Welt einer bessere. Ist aber sicher nicht die Realität.

Und man muss auch sagen: Es kann manchmal auch etwas Egoistisches haben, wenn man in Wunden rumpuhlt. Es gibt so Leute, die drängen sich überall auf und kommen sich dabei ganz wichtig vor, wenn Leute mit ihnen über ihre Probleme reden. Und dann gibt es die Tratschtanten, die Sensationsgeilheit als Mitgefühl maskieren: O.. wie geht es ihr denn? Was ist passiert? Kann ich was für dich tun?
Und dann gibt es Leute ... die machen das eiskalt und unterrdücken damit.
Soll ich dein Lieblingspulli aus der Wäsche holen? Hast du noch immer so Bauchweh? Soll ich bei Dr. Hauser für dich anrufen? Lass mal deine Stirn fühlen..
Die Mutter, wenn man die erste Freundin nach Hause bringt ...

Du kennst bestimmt den Film Einer flog über Cuckoos Nest. Wie Schwester Ratchet da diese Fragen in die Männerrunde wirft, da rumbohrt ... das ist zum Teil bitterböse. Und in dem Buch ist das noch heftiger. Das kommt im Film nicht ganz so krass rüber, aber im Buch ist das ein richtiger Kampf der Geschlechter. Mcmurphy gegen die Krankenschwester im Kampf um die Männlichkeit der anderen Patienten. Sie will über Probleme reden, er will mit ihnen Fischen gehen, Basketball spielen und ihnen Nutten besorgen. Das ist sein Weg zur Heilung. Er scheißt auf ihre Probleme. Und am Ende ist es der große Indiander, der Chief, der wieder seine Kraft findet und flieht.
Ist natürlich nur eine Geschichte .. aber man muss sagen, sie trifft einen Nerv.

Also das ist schon ein ewiger Mann/Frau Konflikt, diese Gefühlswelt, wann man über was redet, das ist ja auch in dieser Geschichte so. Mit Ben und den Frauen .. die wollen wissen, was Sache ist, was auch verständlich ist, ihnen geht es um Nähe, sie wollen diese besondere Bezugsperson sein, da sind sie richtig ehrgeizig, doch mit der Karle-Sache kommen sie nicht voran.
Danis Verhältnis zu Ben ist ein anderes. Er hört das Zischen, und kann irgendwann nicht mehr verstehen, warum Lena nicht einfach die Fresse hält und es endlich gut sein lässt.

Und Dani selbst hat überhaupt keine Idee, aber er ist dann "intim"; weil er so tut, als wisse er das. oder weil er es akzeptiert.

Ja, er akzeptiert es einfach. Das Schweigen ist sicher ein Zeichen der Akzeptanz (was wiederum sehr mit dem Weltbild und der Mentalität zusammenhängt. Was ist okay? Was ist nicht okay?),
Man kann das Schweigen über "Probleme", je nach Fall, auch als das Fehlen von Einwänden interpretieren.
Der Quarterback hat ein kaputtes Bein, kommt aber zur Halbzeit in Uniform in die Kabine marschiert. Der obermännliche Trainer sieht ihn eine Weile lang an, und schnieft (mehr nicht) und schon flippen sie aus und knallen ihre Helme gegen die Wände, weil er spielen darf und jetzt werden sie das Spiel gewinnen.
Wie ist das bei Berggorillas? Wir drückt sich da zunächst Akzeptanz aus? Stillschweigend..
Wenn der Freund offensichtlich schwul ist, aber gerne so tut, als sei das nicht so ... wann stellt man ihn zur Sprache?


Ich behaupte: Wer das sieht, dem gefällt die Geschichte. Wer zu diesem Gedanken keinen Zugang hat, dem wird das nicht gefallen.

Da will ich dir nicht widersprechen. Das ist sicher so. Aber was ich mich immer noch frage ist: Ob es vielleicht auch ein Stück weit die Sachen sind, über die geschwiegen werden (und somit akzeptiert werden), die zusätzlich Probleme bereiten ...

Dass ich mich frage, ob das etwas Kulturelles ist, das liegt immer nahe, wenn der Hintergrund ein anderer ist, da hat man halt andere Einflüsse. Da rede ich auch häufig mit meiner Schwester drüber. Sind wir komisch, oder sind es die anderen?
Ist natürlich eine nette Ausrede, wenn man sich mal missverstanden fühlt, da kann man es immer auf die Kultur schieben, und man selbst ist nie der Komische. :)

Aber normal, und da richtet sich die Geschichte eben gegen literarische Konventionen, wenn man so will, ist es die Aufgabe einer Geschichte in diesen Wunden rumzupuhlen. Hier die Geschichte handelt davon, dass es zum Mannwerden gehört, genau das eben nicht zu tun.

Hätte nicht gedacht, dass es sich gegen literarische Konventionen richtet, Männerfreundschaften so darzustellen ... aber ich weiß, was du meinst. Echt cool, wenn das noch bei einigen klappt.

Vielen Dank für deinen Kommentar! Hat sehr zum Nachdenken angeregt.


Hallo Kubus,

Er grinste wieder, ein Ausdruck, der sich in den kommenden Jahren noch deutlicher in seinem Gesicht abzeichnet.

Das ist einfach Mist, dreißig Kommentare unter einer Geschichte, aber solche Wendungen sind noch drin.


Ja, der Satz ist nicht so toll.

Da kein Absatz zwischen.

Vielleicht übertreibe ich es ein wenig mit den Absätzen – gibt es da so richtig feste Regeln? – aber ich muss sagen: Ich mag sie.
Und es haben auch viele bei dieser Geschichte gemeint, dass man sie irgendwie gut lesen kann. Da liegt glaube ich auch daran.

Ihr mit eurem Seelenschnee.

Lollek mochte meinen Seelenschnee auch nicht ... vielleicht hab ich das auch unterbewusst geklaut (bestimmt hab ich das, sorry), aber ich denke mir: Wenn du 13 Jahre alt bist und deine ersten Zigaretten gerade geraucht hast, und dann kauft dir der Freund ein Eis ... also das ist so ein Eis, das geht wirklich runter wie Seelenschnee. So war das jedenfalls gedacht.

weg damit, damit erzielst du bei eher die gegenteilige Wirkung, also ich denke mir, dass das nicht besonders spannend klingt

Will ja auch keine Spannung damit erzeugen. Da ist fast witzig gemeint, dass man sagt: wir waren jung und rachten zu viel Weed, und es war geil. Da macht sich der Erzähler vielleicht auch über sich selbst lustig. Ich meine.. wer kann schon das, was er mit 14 angezogen und getan hat, wirklich ernst nehmen?

Wir ließen uns die Haare wachsen, drehten unsere ersten Joints, bekamen Fress- und Lachflashs und flippten fast aus.

Das klingt verplant und albern.


Ja genau, das ist der Satz vor "war eine spannde Zeit", das klingt schon etwas albern ... ist doch auch eine alberne Zeit.


hatte einen Körper wie eine Colaflasche

klingt völlig unattraktiv. Außerdem gibt es verschieden geformte Colaflaschen. Du meinst wahrscheinlich die 033er, die wäre am ehesten in der Nähe von ansprechenden Rundungen.


Ja.. weiß auch nicht, ob das mir so gefällt. Hab ich aus dem Englischen geklaut: http://www.urbandictionary.com/define.php?term=body like a coke bottle.

Dachte mir, Colaflaschen sind universell .. vielleicht geht das auch auf Deutsch.


als wäre der alte Mann ein Zollbeamter auf der Fahrt zum Meer.
Warum zum Meer? Zollbeamte stehen an Grenzen, nicht vor Stränden. Vergleiche dürfen gewagt sein, aber nicht falsch. Hier weiß ich weder, was du sagen willst, noch passen Zollbeamter und Meer zusammen.

Also ich glaube schon, dass du im Prinzip verstehst, was ich sagen will ...
Wie heißen denn die Leute an den Mautstellen, wenn man durch Frankreich ans Meer fährt? Gibt es da ein spezielles Wort für?
Es geht darum, dass es ganz selbstverständlich ist...


Wir habe hier einfach keine Verhältnisse, in der existentielle Nöte bestehen. Diese Bettler sind also nicht nur faul, sondern außerdem lügnerisch. Warum sollte man einem faulen Säufer, der einen belügt, Geld geben?
Der Ablass funktioniert nicht, weil man bei genauer Draufsicht nicht glauben kann, dass man mit der Spende jemandem hilft.

Ja, das war der Grund, warum ich das mit USA und Kultur gesagt hab.. wobei die Haltung wahrscheinlich überall auf der Welt dieselbe ist, nur in Deutschland kann man eher sagen: Wir sind in Deutschland, hier muss doch keiner auf der Strasse leben ... was willst du von mir?

Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen: Ich gebe auch nicht jedem Bettler Geld, aber ich kenn das nicht so, dass sie mich wirklich erpressen und nerven .. da höre ich immer nur davon. Hat auch eine vor einer Woche auf Facebook gepostet. Mafiabettler vor Cafe X in Ulm! Und die Leute sind so dumm, und geben ihnen Geld!
Mir ist noch kein Mafiabettler begegnet ..

Ist schwierig, manche erpresserische Bettler machen mich einfach wütend

Nur mal so .. die süßen Straßenkinder in Indien zocken dich auch ab, wenn du es zulässt. Der Mensch nimmt sich halt, was er braucht.


„Das versäuft er doch nur”, sagte Clara.
Ben ging weiter, nickte und dann, etwas leiser: „Und ich fick dich doch nur.”

Menschen tun, was sie eben tun. Ben will das eine nicht über das andere stellen, auch wenn die beiden Tätigkeiten unterschiedlich angesehen werden, der Fickende und der Saufende nicht dasselbe Prestige erhalten. Das geschenkte Kleingeld ist der symbolische Akt, diese Haltung auszudrücken. So lese ich das, Ben akzeptiert den Säufer als alternative Lebensform.


Ja, das ist ein interessanter Ansatz .. so kann man das auch sehen.

Die großen Schneemonster fuhren vorbei

so geschrieben sind das Monster aus Schnee


Bist du schon mal so ein Teil nachts begegnet? Also für mich sind das Schneemonster. Wie heißen die denn richtig? Bestimmt irgendwas Bürokratisches ... also ich glaube, Schneemonster drückt schon genau das aus, was ich sagen will. Ein Wassermonster ist doch auch nicht zwangsläufig etwas, das nur aus Wasser besteht.

Matthäus 5:13. Ihr seid das Salz Erde. Aber wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr; es wird weggeworfen und von den Leuten zertreten.“


Kuck dir mal den ersten Satz an, sowas darf nicht passieren. Sowieso ein seltsamer Absatz voller schiefer Bilder, Salz, das seinen Geschmack verliert, das zertreten wird ... Mit ein bisschen Mühe kann ich mir denken, dass es um das Kernhafte eines Menschen geht, das er sich erhalten soll. Es gäbe tausend einfachere Möglichkeiten, das zu sagen. Auch wenn du etwas anderes sagen wolltest: Diese wolkige Sprache der Religion passt kein Stück in den Text.

Das verstehe ich jetzt nicht.

Kuck dir mal den ersten Satz an, sowas darf nicht passieren.

Was darf nicht passieren? Google die Stelle mal. Das habe ich nicht selbst geschrieben, das ist ein Bibelzitat.

Es gäbe tausend einfachere Möglichkeiten, das zu sagen.

Ja klar, dann wäre es aber nicht Originalton Jesus ..

Vielen Dank dafür, Kubus! Viele wichtige/hilfreiche Sachen dabei, hat mich gefreut.

MfG,

JuJu

 

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