Was ist neu

Salsa

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21.12.2015
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Salsa

Grit hat es schon wieder getan. Sie hat die Aufsatzblätter zusammengerafft und in die unterste Schublade des Schreibtischcontainers gepackt. Sollen die Azubis doch noch eine Woche warten. Oder sie gibt die Arbeit erst nach den Weihnachtsferien zurück. Machen ja viele Kollegen. Es ist so langweilig zu korrigieren. Immer dieselben Einfälle, immer dieselben Fehler.
Ein Hauch von schlechtem Gewissen lässt sie einen Moment innehalten, dann aber holt sie doch die angebrochene Flasche Weißburgunder aus dem Kühlschrank, schneidet die Riesentüte mit den Kartoffelchips auf und versinkt, in eine Wolldecke gewickelt, im Fernsehsessel.
Der ist neu. Sie hat nicht viele Möbel bei ihrem Umzug in die Zweizimmerwohnung mitgenommen. Wozu auch? Bernd ist ja in der alten Wohnung geblieben, hat auch Geschirr, Bettwäsche und den Kater behalten. In den ersten Wochen nach der Trennung war es noch aufregend, sich neu einzurichten. Soll das Bett hundertzwanzig oder hundertvierzig Zentimeter breit sein? Ach was! Hundertzwanzig reichen. Da hat sie in dem kleinen Schlafzimmer noch Platz für ihr geliebtes Ergometer.
Nach zwei Monaten hat sie aufgehört zu trainieren. Es ist ja niemand da, der sie dazu antreibt. Inzwischen dient ihr das teure Gerät nur noch als Kleiderständer. Die an zwei Silvesternächten gefassten Vorsätze sind verpufft, die schicke Kurzhaarfrisur ist zu halblangen, mausgrauen Schnittlauchlocken mutiert. Wozu auch? Das ist die Grundmelodie, die Grits Alltag derzeit orchestriert. Sie weiß das.
Nach der Tagesschau zappt sich Grit durch ihre dreiunddreißig Kanäle. Schließlich bleibt sie, wie fast immer, bei einem Krimi hängen. Liebesfilme und Talkshows meidet sie. Was gehen sie die Sorgen anderer Leute an? Oder erst recht die Liebesschwüre?
Heute kann sie sich gar nicht richtig konzentrieren. Weihnachten steht vor der Tür, ihr graust davor. Zwar hat sie eine Einladung nach München zu ihrem Bruder. Keine Lust. Zu viel Heile-Welt-Kulisse mit nur notdürftig verbrämten Konflikten, ganz zu schweigen von der nervigen Geschenkeauspackerei, bei der immer so viel Begeisterung geheuchelt wird. Ob sie einfach verreisen sollte? Am besten eine Pauschalreise, bei der sie sich um nichts kümmern müsste? Aber nein, da trifft sie doch wieder nur auf Paare, hinter denen sie herdackeln würde.
Als Grit die zweite Flasche öffnet, klingelt es. Es ist schon nach zehn Uhr. Verdammt, schon wieder einer aus der WG über ihr, der den Schlüssel vergessen hat. Bin ich denn die Herbergsmutter hier? Ich glaube, ich muss da mal Klartext reden.
Sie drückt den Türöffner und tritt ins Treppenhaus, um den Frechling abzufangen.
„Hallo Grit“, sagt Manu, ihre alte Bekannte aus dem Gemeindezentrum. Grit hat sich schon eine Weile nicht mehr mit ihr verabredet. „Entschuldige, dass ich so spät klingle, aber ich habe noch Licht gesehen und da dachte ich … Störe ich?“
„Komm rein. Nee, du störst nicht. Gib mir deinen Mantel. Magst du ein Glas?“
Grit räumt hastig die vollgekrümelte Decke auf die Seite. Sie hat Manus aufmerksamen Blick registriert. Die kennt die ganze Geschichte mit der Trennung. Hat selber eine hinter sich. Grit spürt einen Stich, als Manu auf der Couch die langen, schlanken Beine lässig übereinanderschlägt.
„Ich komm' gerade vom GZ. Wir bieten dort einen Salsa-Kurs an für Frauen. Ziemlich cool. Heute war der zweite Abend. Hat Spaß gemacht. Leider haben sich bisher nicht so viele angemeldet, wie wir erwartet haben.“
„Lauter Frauen? Ist das nicht doof?“
„Der neue Vikar hat ein paar junge Männer aufgetrieben, Studenten und so. Nette Jungs sind das, besonders Lamin ... Er kommt aus Gambia.“
„Können die Salsa? Ich dachte, der Tanz sei lateinamerikanisch?“
„Ist er auch. Der Tanzlehrer stammt aus Brasilien, lebt aber seit zehn Jahren hier. Er und der Vikar sind alte Freunde.
„Und was hat das mit mir zu tun?“
„Nun ja, ich dachte, das wäre was für dich. Du hast früher doch gerne getanzt, oder?“ Manu lässt den Blick durch das Zimmer wandern. „Da sind ein paar Sachen, die ich noch nicht kenne. Du hast es hübsch hier. Wirklich ... Aber darf ich ehrlich sein? Ich glaube, du vergräbst dich zu sehr in deinem Frust. Geh unter die Leute, Grit, trink deinen Wein lieber in Gesellschaft.“
Die Röte schießt Grit ins Gesicht. Sie verschluckt sich und das Weinglas klirrt, als sie es auf den Couchtisch stellt.
„Wie meinst du das …? Willst du damit andeuten, ich trinke zu viel?“
„Kann ich dir nicht sagen. Aber allein mit einer Flasche … Ich kenne das von mir. Und ruckzuck bist du ein Kandidat für die AA.“
Grit fällt ein, dass sich neulich im Lehrerzimmer zwei Kollegen auffällig laut über die Anonymen Alkoholiker unterhalten haben. War das auf sie gemünzt? Plötzlich schämt sie sich auch wegen ihres Schlabberlooks. Wenn sie wenigstens vernünftige Jeans anhätte. Aber die hängen seit Monaten ungetragen im Schrank. Keine Chance, dass die noch passen. Manu dagegen ist von Kopf bis Fuß makellos gestylt, klar, sie kommt ja auch vom Salsa-Kurs.
Lateinamerikanisch. Grit hat ein Faible für Tango.
„Erzähl mir was von den Frauen, die mitmachen. Kenne ich die? Sind die von der Gemeinde? Und ist sie schwierig, die Salsa? So sagt man doch, oder? Und was zieht man dazu an?“
Plötzlich hat Grit ganz viele Fragen, sie merkt, dass sie Feuer gefangen hat. Es ist reichlich nach zwölf, als sie Manu zur Haustür begleitet.

Im großen, nüchtern und spärlich möbilierten Saal der Herz-Jesu-Gemeinde begrüßt der Vikar vier Neulinge. Die stehen abwartend zusammen, während die anderen bereits Tanzpaare gebildet haben. Unter den Neuen sind zwei blutjunge Frauen, eine langhaarige mit rotgefärbten Strähnchen, eine mit schwarzen Rastazöpfchen. Sie könnten glatt aus Grits Friseurklasse stammen. Die dritte Neue ist eine üppige Hausfrau in den Vierzigern, wie sie gleich in den ersten Minuten preisgibt. Mit der wird Grit mithalten können.
Die Begrüßung durch den Vikar ist kurz, aber herzlich.
„Schön, dass noch ein paar hierher gefunden haben. Tonio ist euer Tanzlehrer. Er wird euch garantiert in Schwung bringen. Und ja, wir duzen uns hier alle. Nachnamen kann man sich sowieso nie merken. Ihr könnt mich Borro nennen“. Der Vikar klatscht in die Hände, „Tonio, vamos!“
„Bitte stellt euch in einer Reihe auf, die Damen und Herren gegenüber. Wir üben die basics, zuerst den Schritt nach vorne, dann den side step. Achtet auf eure Haltung. Der Oberkörper bleibt gerade, die Bewegung kommt vor allem aus der Hüfte. Die Arme sind locker angewinkelt. Ich mach's nochmal langsam vor.“
Dann gibt Tonio dem Vikar am CD-Player ein Zeichen. Mit einem Trommelsolo setzt die Musik ein.
Grit hat sich neben Manu platziert, da kann sie wahrscheinlich was abschauen.
Die ersten Schritte misslingen komplett. Wenn Grit ihren Fuß nach vorne setzt, tritt Manu nach hinten. Beim side step rempelt sie ihre Nachbarin links an. Das Tempo ist für deutsche Verhältnisse rasend hoch. Die Herren gegenüber tanzen dagegen perfekt on the line. Es sieht großartig aus. Den Hüftschwung beherrschen sie wie Profis.
Nach fünf Minuten hat Grit den Rhythmus halbwegs eingefangen und sie bewegt sich, ohne auf die Füße zu starren. Ein Gefühl von Freude und Genugtuung steigt in ihr hoch. Ich kann es ja doch noch, mein Gott, wie habe ich das vermisst! Manu lächelt breit und nickt ihr zu. Nach zehn Minuten gibt es die erste Pause und etwas zu trinken. Neben den Flaschen mit Orangensaft und Sprudel steht ein Körbchen, in dem Fächer für die Damen liegen. Tonio hat sie mitgebracht. Keine schlechte Idee.
„Man müsste etwas mehr Deko haben und auch die Beleuchtung runterdimmen, so discomäßig halt“, schlagen die zwei Mädels vor. Borro nickt.
„Nächste Woche gibt’s erstmal Weihnachtsdekoration. Aber dann geht’s Richtung Fastnacht. Ich denke, da lässt sich was machen. Helfer sind immer willkommen.“
„Nächste Runde, bitte paarweise nebeneinander. Und, meine Damen, denkt daran, dass ihr Hüften habt.“
Die Paare vom letzten Mal haben sich schon gefunden. Grit stellt fest, dass Manu schon wieder mit dem dunkelhäutigen, geschmeidigen Afrikaner aus Gambia tanzt. Ein wirklich hübscher Kerl. Wahrscheinlich der beste Tänzer hier. Die Hausfrau hat sich den Vikar geangelt. Als der Tanzlehrer auf Grit zukommt, fühlt sie, wie ihre Beine zu Holzstelzen werden. Bloß nicht, denkt sie, ich möchte um Himmels willen nicht im Mittelpunkt stehen. Aber es hilft nichts, er lächelt sie an und sagt: “Nur keine Panik, jede kommt mal dran.“
Und dann funktioniert es besser, als sie befürchtet hat. Wenn sie aus dem Takt kommt, passt sich Tonio sofort an, die anderen sind ohnehin mit sich selber beschäftigt.
In der dritten Runde geht es um die übliche Tanzhaltung als Paar. Tonio winkt Lamin heran, er soll mit Grit tanzen. Der Gambier schüttelt den Kopf. Erst nach einem von lebhaften Gesten begleiteten Wortwechsel bewegt sich Lamin auf Grit zu. Mit hängenden Armen bleibt er vor ihr stehen. Grit kann seinen schrägen Blick an ihr vorbei nicht deuten. Als die Musik beginnt, streckt sie die Arme nach vorne. Der Gambier zuckt zurück, dreht sich zur Seite und fängt schallend an zu lachen. Grit wird heiß und kalt, sie versteht überhaupt nichts. Macht sie etwas falsch? Sie hat noch nie mit einem Schwarzen getanzt. Zum Glück ist die Musik so laut, dass die anderen Paare keine Notiz von dem merkwürdigen Paar nehmen. Also nochmals auf Anfang. Grit hebt erneut die Arme und auch Lamin rückt bis auf einen halben Meter heran. Doch wieder dreht er ab, lacht und lacht, er kann überhaupt nicht mehr aufhören. Da wird es Grit zu viel. Sie stolpert wortlos davon, holt Tasche und Mantel aus der Garderobe, zieht im Treppenhaus ihre Stiefel an. Im Schneeregen auf dem Weg nach Hause kühlt sie allmählich ab. Das Experiment Salsa ist gescheitert. Der lachende Lamin begleitet sie bis in die frühen Morgenstunden. In den Traumphasen bilden die anderen um sie und Lamin herum einen Kreis, ebenfalls lachend, mit höhnisch verzerrten Fratzen.

Erst eine Woche später, in der letzten Schulwoche vor Weihnachten ruft Manu an.
„Ich dachte, du würdest dich mal melden. Lamin war völlig verstört. Es hat eine Weile gedauert, bis ich herausgefunden habe, warum er so unkontrolliert gelacht hat.“
„Was heißt 'verstört'? Wenn jemand verstört sein konnte, dann doch wohl ich. Wahrscheinlich hatte er keine Lust, mit der blöden grauen Maus zu tanzen. Tonio musste ihn ja fast hinprügeln zu mir.“
„Sag mal, spinnst du? Lamin ist ein sehr liebenswürdiger Mensch. Und er hat's nicht gerade leicht. Hab ich dir erzählt, dass er zur Zeit hier im Kirchenasyl lebt? Er hat wahnsinnig Angst vor der Abschiebung.“
„Aber das erklärt doch nicht, warum er sich geweigert hat, mit mir zu tanzen.“
„Nein, natürlich nicht. Gelacht hat er, weil der dich vom Sehen her kannte, aus deiner Schule, wo er in der Putzkolonne arbeitet. Verstehst du, er findet es unmöglich, dass der Putzmann mit der Lehrerin tanzt. Es passt überhaupt nicht in sein Weltbild. Lehrer sind für ihn Respektspersonen. Und weiße Lehrerinnen sind für ihn tabu. Es war ein Verlegenheitslachen, Grit, er konnte sich ja nicht verständlich machen in der Situation.“
„In meiner Schule, sagst du? ... Oh je, da habe ich wohl überreagiert. Es war halt eine ganz miese Situation für mich. Verdammt, da muss ich doch noch gründlicher darüber nachdenken. Tut mir Leid.“
„Und … kommst du im Januar wieder zum Kurs? Der Vikar würde sich freuen und ich natürlich auch.“
„Was ist mit Lamin?“
„Weiß ich nicht. Seine Lage kann sich jeden Tag ändern, der arme Kerl. Aber ich gebe dir Bescheid. Ach ja, ich wünsche dir noch Fröhliche Weihnachten. Du bist übrigens keine graue Maus.“

Die Weihnachtskonferenz ist zu Ende. Einige haben es sehr eilig, sich zu verabschieden. Es gibt ja noch so viel zu erledigen. Grit gehört zu den Letzten, sie musste das Protokoll übernehmen. Umständlich sortiert sie ihre Unterlagen, sammelt Geschirr ein und rückt Stühle zurecht. Schließlich wartet zuhause niemand auf sie. Ein letzter Blick ins Fach. Vielleicht hat ja jemand noch eine Botschaft für sie hinterlegt. Aber da findet sie nichts, auch nicht die Stofftasche für alle Fälle. Ausgerechnet sie hat das größte Hexenhäuschen gewonnen. Ein Glückslos, andere hätte es zu gerne gehabt. Aber es gehört zu den ungeschriebenen Regeln, keine Tauschgeschäfte. Die mit Zuckerguss und bunten Smarties fantasievoll verzierten Lebkuchengebilde werden jedes Jahr von den Azubis der Bäckerfachgruppe produziert, die damit ihre Klassenkasse füttern.
Vorsichtig trägt sie den Gewinn vor sich her, Richtung Ausgang. Von weitem sieht sie die Putzkolonne anrücken. Ihr Herz setzt kurz aus, als sie Lamin in der Gruppe entdeckt. Hoffentlich stolpere ich nicht, das gäbe eine schöne Bescherung, denkt sie, also ist er noch nicht abgeschoben. Gott sei Dank.
Sie nickt der Putzchefin zu. Lamin hat Grit ebenfalls gesehen, er zögert und will sich an Grit vorbeimogeln. „Hallo … Lamin“, sagt sie und stellt sich ihm direkt in den Weg. „Warte doch einen Moment, bitte. Ich möchte dir etwas sagen.“
„Du böse mit mir?“ Lamins Augen schauen überall hin, nur nicht zu Grit.
„Ich böse mit dir? Aber nein, ganz im Gegenteil. Ich möchte dir etwas geben. Hier, das ist ein Hexenhäuschen aus Lebkuchen. Die Schüler haben es gebacken. Es hält lange, man kann es aber auch essen. Es ist hier Tradition.“
Sie streckt es ihm entgegen, Lamin hat keine Chance abzulehnen.
„Schöne Weihnachten noch und vor allem viel Glück.“
Beschwingt eilt Grit dem Ausgang entgegen. Sie muss sich nicht umschauen, um zu wissen, dass Lamin mit offenen Mund, das Häuschen auf den Armen, hinter ihr herschaut. Und erstmals freut sie sich über die Ferien und ihr gemütliches Heim.

 

Hej @wieselmaus ,

wie aktiv du bist.:thumbsup: Ich habe deine neue Geschichte sofort entdeckt und ruckzuck weggelesen. Bin ja schon in deine Schreibmelodie eingegrooved. ;) Deine Protagonistin hab ich gleich ins Herz geschlossen. Sie macht das alles so wunderbar und hat’s ja nicht leicht. Es ist mir auch gleichgültig, ob sie alt oder jung, grau oder bunt ist. Ich spüre ihre Kraft unter der Enttäuschung. Sie weiß, wer sie ist und was sie kann und versucht das Leben anzunehmen. Das bisschen Wein und Chips. n Witz wenn der Kummer groß ist, find ich jetzt nicht bedenklich.

Grit hat es schon wieder getan.

Ein interessanter erster Satz. Dass es sich um weggelegte Aufsätze handelt, ließ mich schmunzeln. Grit ist eben pflichtbewusst.

gestilt,

gestylt - hab nachgelesen ;)

Das lässt sie nicht zu.

Meinetwegen brauchst du das nicht, ...

„Hallo … Lamin“, sagt sie und stellt sich ihm direkt in den Weg.

... weil du ja gleich darauf das geschrieben hast.

Ich habe auch eine Weile hin- und herüberlegt, ob du den Mann

Manu tanzt wieder mit dem dunkelhäutigen, geschmeidigen Afrikaner aus Gambia.

so doppelt und dreifach beschreiben müsstest.

Du hast Grits Lebensabschnitt gut skizziert und mit Schwung und Tanz vom Fleck bewegt, eine schlimme gesellschafts-politische Situation eingepflegt und bist wieder abgedreht mit einer frisch motivierten Protagonistin. Mir genügt das völlig. Du hast angeregt, ich denke weiter an Grit und Lamin, wie jeder für sich seine kommende Zeit meistern wird.

Danke für die Geschichte und noch schöne Spätsommertage, Kanji

 

Hoffentlich stolpere ich nicht, das gäbe eine schöne Bescherung
, denkt sie, also ist er noch nicht abgeschoben.

Eine interessante Geschichte stellstu uns hier vor, mit zwo Strängen – Grit lebt getrennt von ihrem Mann und Lamin kommt aus Gambia. Mit dem Zusmmentreffen der beiden in dem titelgebenden Tanzkurs in der Weihnachtszeit – der mythischer Ursprung eigentlich mit der Flucht der heiligen Familie nach Ägypten vor dem gewalttätigen Herodes (und auch davor gibt‘s den ägyptischen Mythos, wenn nach Osiris Tod Isis und das Horuskind, die wir als Madonna mit Kind kennen ins Abendland einwandert.
Gambia gilt als sicheres Herkunftsland …, das Kirchenasyl steht momentan auf wackligen Füßen. Da ist Spannung vorprogrammiert und also eine sehr offene Geschichte, die eigentlich nach einem nächsten Kapitel schreit,

emsige wieselmaus.

Paar Trviialitäten

Grit hat sich neben Manu pla[t]ziert, …
(fall ich i. d. R. Auch noch drauf rein, ist aber eigentlich logisch, wenn man eine Haltung oder einen Platz einnimmt ...
Im Schneeregen auf de[m] Weg nach Hause…
Schöne Weihnachten noch und vor allem viel Glück[.]“[...]

Wie immer, gern gelesen vom

Friedel

Nachtrag: Keine Ahnung, warum selbst nach dem dritten Versuch ein Zwoteiler aus dem Eingangszitat wird und bleibt ...

 

Hallo @wieselmaus,

das Salsatanzen als Mittel der Begegnung, als Berührungspunkt zweier Menschen, die sonst vielleicht nie ein Wort gewechselt hätten, ist eine schöne Idee. In die Figureneinführung der Grit hast du viel Zeit und Details investiert. Das liest sich für mich wunderbar authentisch. Ich konnte gut nachvollzeihen, wie Grit fühlt, leidet, sich Gedanken um ihre Wirkung auf andere macht. Beim dunkelhäutigen Schwarzen aus Afrika ;), der kurz vor der Abschiebung steht, hast du mMn etwas zu tief in die Vorlagen-Kiste gegriffen. Das wirkt auf mich dadurch aufgesetzt, was ich schade finde, weil du auf einiges verzichten könntest, ohne Grits Entwicklung zu schwächen. Ich bin tatsächlich froh, dass es nicht auf eine Liebesgeschichte zwischen Grit und Lamin hinauslief.


Wozu auch? Das ist die Grundmelodie, die Grits Alltag derzeit orchestriert. Sie weiß das.

“Sie weiß das.” könnte für mich weg.


Verdammt, schon wieder einer aus der WG über ihr, der den Schlüssel vergessen hat. Bin ich denn die Herbergsmutter hier? Ich glaube, ich muss da mal Klartext reden.
Sie drückt den Türöffner und tritt ins Treppenhaus, um den Frechling abzufangen.

Das leicht spießige „Ich glaube, ich muss da mal Klartext reden.“ könnte weg, weil du gleich im Anschluss schreibst, dass sie ihn zur Rede stellen will.

„Der neue Vikar hat ein…

Hm, habe ne Zeit lang in BaWü gelebt. Aber ich kannte nur den Kaplan.


Nette Jungs sind das, besonders Lamin aus Gambia.“
„Können die Salsa? Ich dachte, der Tanz sei lateinamerikanisch?“

Haha, Grits Spießerstädtchen ist wohl auch kaum in Lateinamerika. Dennoch geht sie zum Salsatanzen.


Nein, natürlich nicht. Gelacht hat er, weil der dich vom Sehen her kannte, aus deiner Schule, wo er in der Putzkolonne arbeitet. Verstehst du, er findet es unmöglich, dass der Putzmann mit der Lehrerin tanzt. Es passt überhaupt nicht in sein Weltbild. Lehrer sind für ihn Respektspersonen. Und weiße Lehrerinnen sind für ihn tabu. Es war ein Verlegenheitslachen, Grit, er konnte sich ja nicht verständlich machen in der Situation.“

Dieser Infoblock (für den Leser) kommt ziemlich kompakt daher.


„In meiner Schule, sagst du? ... Oh je, da habe ich wohl überreagiert. Es war halt eine ganz miese Situation für mich. Verdammt, da muss ich doch noch gründlicher darüber nachdenken. Tut mir Leid.“

Wenn ich das laut lese, klingt die Ausdrucksweise ein bisschen albern und überzogen.


„Weiß ich nicht. Seine Lage kann sich jeden Tag ändern, der arme Kerl. Aber ich gebe dir Bescheid. Ach ja, ich wünsche dir noch Fröhliche Weihnachten. Du bist übrigens keine graue Maus.“

Auch hier, mit dem “der arme Kerl“. Das hört sich für mich nach betagten Damen im Country Club an.


Ausgerechnet sie hat das größte Hexenhäuschen gewonnen.

Kommt da, ohne Vorankündigung. Und weil ich das Gebäckkunstwerk nur als Lebkuchenhäuschen kenne, bin ich etwas verwirrt über diesen scheinbaren Hauptgewinn einer Tombola(?), bis du nach und nach Hinweise über Inhalt und Herkunft sevierst.


„Ich böse mit dir? Aber nein, ganz im Gegenteil. Ich möchte dir etwas geben. Hier, das ist ein Hexenhäuschen aus Lebkuchen. Die Schüler haben es gebacken. Es hält lange, man kann es aber auch essen. Es ist hier Tradition.“
Sie streckt es ihm entgegen, Lamin hat keine Chance abzulehnen.

Diese Geste, Lamin das ungewollte Lebkuchenhäuschen überzuhelfen und dabei so großspurig und gönnerhaft aufzutreten, finde ich ganz schrecklich. Es macht Grit für mich auf den letzten Metern deiner Geschichte ein ganzes Stück unsympathischer. Und deshalb gönne ich ihr den Aufwind und die gute Laune nicht. :sealed:


Viele Grüße
wegen

 
Zuletzt bearbeitet:

Deine Protagonistin hab ich gleich ins Herz geschlossen. Sie macht das alles so wunderbar und hat’s ja nicht leicht.

Ich spüre ihre Kraft unter der Enttäuschung. Sie weiß, wer sie ist und was sie kann und versucht das Leben anzunehmen.

Liebe Kanji,
ich ich hätte gar nicht gedacht, dass man meine Prota sympathisch finden kann. Ich selber wollte sie mit Eigenschaften zeigen, die sehr durchschnittlich sind, nicht tapfer oder großherzig. Ihre Empathie für andere Leute scheint mir doch sehr oberflächlich. Klar hat sie selber Kummer und ist vielleicht deshalb nicht besonders sensibel, außer sich selbst gegenüber. Andererseits stimmt es schon, dass

Sie weiß, wer sie ist und was sie kann und versucht das Leben anzunehmen.

(einmal Lehrerin ist immer Lehrerin)
aber eben doch in ihrem Rahmen, der ein einfühlsames Zugehen auf einen Menschen mit fremdem kulturellen Hintergrund nicht zulässt. Vielleicht schafft sie es ja einmal, wenn sie sich wieder gefangen hat und die Fokussierung auf sich selbst nachlässt. Eine Krise ist eine Krise ist eine Krise, okay.
Aber die ihre ist nichts im Vergleich mit der Lamins, da geht es schon eher um Sein oder Nichtsein. Schade, dass ich bzw. Manu der Lehrerin erst beibringen musste, wie so ein kulturelles Missverständnis entsteht. Sie hat doch sicher auch SchülerInnen mit Migrationshintergrund. Wenigstens hätte sie außer dem lapidaren 'Schöne Weihnachten' noch eine Entschuldigung dazufügen können und nicht zum zweiten Mal davonlaufen sollen.

Zu meiner Erzählabsicht gehört in dieser Geschichte die Ambivalenz, die sich oft im Verhalten gegenüber den Asylanten manifestiert: nicht gerade abweisend oder feindselig, aber doch mit Indolenz und Berührungsängsten. Dass diese auch umgekehrt höchst konkret, sprich körperlich, auftreten können, ist mein persönlicher Darling:D in dieser Geschichte.

Danke für das ruckzucke Lesen und Kommentieren. Ambivalenz ist mein zweiter Nachname. Aber das weißt du ja.


Bis demnächst
wieselmaus

Lieber @Friedrichard,

Eine interessante Geschichte stellstu uns hier vor, mit zwo Strängen – Grit lebt getrennt von ihrem Mann und Lamin kommt aus Gambia.

Da ist Spannung vorprogrammiert und also eine sehr offene Geschichte, die eigentlich nach einem nächsten Kapitel schreit,

wenn du 'interessant' schreibtst, dann freut es mich, weil ich dich wörtlich nehme: inter-esse, dazwischen-sein, nach links und nach rechts schauen oder eben ambivalent denken, ja, das stand hier im Hintergrund. Meine Prota ist so eine, einerseits sehr bestimmt (Lehrerin!), andererseits tief verunsichert durch die gescheiterte Ehe. So kann sie die beiden Aufeinandertreffen mit Lamin nicht angemessen ( im Sinne von Empathie) gestalten. Ich finde, sie handelt in diesen Situationen höchst zweideutig.

Nachtrag: Keine Ahnung, warum selbst nach dem dritten Versuch ein Zwoteiler aus dem Eingangszitat wird und bleibt ...

Ich versuche mal, dir eine "Interpretation" zu liefern.
Die beiden Erzählstränge, beiehungsweise mein Thema, werden in einem Satz gebündelt, die kleine spießige (?) Welt der Grit und die große Welt mit dem schwierigen Thema Flucht und Abschiebung, dazu noch eingebettet ins heimelige Weihnachten!
Die Reihenfolge finde ich auch interessant: Was ist schon eine Abschiebung gegenüber einem zerbröselten Lebkuchenhaus!
So hatte ich es mir gedacht, und es freut mich sehr, dass du die Konstruktion bemerkt hast.

Könnte ich eine Fortsetzung schreiben? Ich weiß nicht. Da müsste ich mich entscheiden zwischen einem guten oder einem schlechten Ende. Und wenn es weder das eine noch das andere gibt? Ich glaube eher, hier würde eine unendliche Geschichte draus.

Hast du Vorschläge für mich?

Danke sehr für dein Interesse an diesem Text. Die Vorschläge zur Verbesserung sind eingearbeitet. Ebenfalls danke und

herzliche Grüße
wieselmaus

 

Hallo @wegen,

danke für deinen ausführlichen Kommentar.
Du rennst offene Türen ein, denn ich wollte die Prota keineswegs als zu bemitleidendes Wesen darstellen. Und ich erwarte gar nicht von den Lesern, dass sie meine "Helden" liebhaben. Unter uns gesagt, ist die Identifizierung mit den Protagonisten nur eine Möglichkeit, Texte zu adaptieren. Also schon mal vielen Dank für deine kritische Haltung.

Beim dunkelhäutigen Schwarzen aus Afrika ;), der kurz vor der Abschiebung steht, hast du mMn etwas zu tief in die Vorlagen-Kiste gegriffen.
Hier ging es mir darum zu zeigen, dass Grit in die Vorlagenkiste greift. Sie nimmt Lamin nur äußerlich wahr, reduziert ihn auf Klischees. Typisch für ihre derzeitige Verfassung.

Ich bin tatsächlich froh, dass es nicht auf eine Liebesgeschichte zwischen Grit und Lamin hinauslief.

Und ich erst!:lol: Hätte leicht zur Kitschfalle werden können. Zusammen mit dem Tag 'Weihnachten', den ich übrigens gelöscht habe, könnten die Erwartungen oder Befürchtungen von Lesern enttäuscht werden.

“Sie weiß das.” könnte für mich weg.

Hab ich erst nachträglich dazu geschrieben, weil ich befürchtete, dass Kritiker mal wieder Autoreneinmischung bemäkeln. Mal sehen, vielleicht streich ich den Satz wieder.

Das leicht spießige „Ich glaube, ich muss da mal Klartext reden.“ könnte weg, weil du gleich im Anschluss schreibst, dass sie ihn zur Rede stellen will.

Ähnliche Situation. So denkt Grit nunmal. Auch im Haus kann sie die Lehrerinnenrolle nur schlecht ablegen.

Hm, habe ne Zeit lang in BaWü gelebt. Aber ich kannte nur den Kaplan.

Ich bin in Südbaden aufgewachsen und kenne nur "Vikar". ;)

Haha, Grits Spießerstädtchen ist wohl auch kaum in Lateinamerika. Dennoch geht sie zum Salsatanzen.

In Grits Spießerstädtchen:rolleyes: hat Salsa, ebenso wie Tango, eine lange Tradition. Derzeit gibt es wieder einen Boom.

Dieser Infoblock (für den Leser) kommt ziemlich kompakt daher.

Hier kriegt Grit (nicht der Leser!) eine Lektion. Anders kann man einer Lehrerin nicht beikommen. Außerdem steckt hier natürlich das Thema drin: interkulturelle Missverständnisse.

Auch hier, mit dem “der arme Kerl“. Das hört sich für mich nach betagten Damen im Country Club an.

Nicht schlecht. :lol: Country Club und Kirchengemeinde sind gar nicht so weit auseinander. Doch, die Gleichsetzung gefällt mir. Vierzig aufwärts gleicht sich der Ton an.

Diese Geste, Lamin das ungewollte Lebkuchenhäuschen überzuhelfen und dabei so großspurig und gönnerhaft aufzutreten, finde ich ganz schrecklich. Es macht Grit für mich auf den letzten Metern deiner Geschichte ein ganzes Stück unsympathischer.

Ja, da hast du vollkommen Recht. Grit hat noch einen weiten Weg aus ihrer Krise. Lebkuchen ist nur bedingt hilfreich. Immerhin, falls sie weiterhin am Salsa-Kurs teilnimmt, hat sie ja neue Chancen, ihren Blickwinkel zu korrigieren.

Danke fürs Lesen und Anteil nehmen.

wieselmaus

 

Hey @wieselmaus,

Du rennst offene Türen ein, denn ich wollte die Prota keineswegs als zu bemitleidendes Wesen darstellen. Und ich erwarte gar nicht von den Lesern, dass sie meine "Helden" liebhaben. Unter uns gesagt, ist die Identifizierung mit den Protagonisten nur eine Möglichkeit, Texte zu adaptieren.

Da bin ich ja froh, dass ich Grit in deinem Sinn wahrgenommen habe. :shy:

wegen schrieb:
Diese Geste, Lamin das ungewollte Lebkuchenhäuschen überzuhelfen und dabei so großspurig und gönnerhaft aufzutreten, finde ich ganz schrecklich. Es macht Grit für mich auf den letzten Metern deiner Geschichte ein ganzes Stück unsympathischer.

Ja, da hast du vollkommen Recht. Grit hat noch einen weiten Weg aus ihrer Krise. Lebkuchen ist nur bedingt hilfreich. Immerhin, falls sie weiterhin am Salsa-Kurs teilnimmt, hat sie ja neue Chancen, ihren Blickwinkel zu korrigieren.

Nur eine Idee von mir: Du könntest die Geschichte mit einem kleinen Denkzettel oder besser mit einem Aha-Erlebnis enden lassen, etwas das Grits Entwicklung in die richtige Richtung einläutet, sie zwingt über ihren Tellerrand hinauszublicken und Lamin mehr Oberwasser bekommen lässt, anstatt sie beschwingt durch eine weitere oberflächliche Aktion in die Weihnachtsferien gehen zu lassen. Das bestätigt ihre Haltung und Engstirnigkeit für mich nur und lässt kaum Hoffnung auf einen baldigen Sinneswandel. Ich gönne Grit die gute Laune immer noch nicht, merkste? :Pfeif:

Viele Grüße
wegen

 
Zuletzt bearbeitet:

Könnte ich eine Fortsetzung schreiben? Ich weiß nicht. Da müsste ich mich entscheiden zwischen einem guten oder einem schlechten Ende. Und wenn es weder das eine noch das andere gibt? Ich glaube eher, hier würde eine unendliche Geschichte draus.

Hast du Vorschläge für mich?


Eine Lösung steckt verschwiegen in Deiner Einleitung,

liebe wieselmaus,

wenn es heißt,

Grit hat es schon wieder getan. … Sollen die Azubis doch noch eine Woche warten.

Da stöhnt man über Fachkräftemangel und will z. B. Pflegekräfte – wie schon vor Jahr und Tag – aus „fremden“ Ländern holen, das Handwerk jammert, dass niemand mehr an den goldenen Boden glaube und somit ausgebildet werden wolle usw.

Aber auch solche Gefahren gibt's, wenn der geflüchtete Arzt aus Syrien in einem Labor arbeiten darf– immerhin! - und Hilfsarbeiten verrichtet. Ein ausgebildeter, arabischsprechender Zahnarzt findet eine Gemeinschaftspraxis und wird - unterbezahlt, gar in den Abzügen betuppt (es spielt also ein Dritter mit - das Rechenzentrum oder der Programmierer der Steuersoftware(. Da will einer aus der Levante – der besser Deutsch spricht, als mancher Eingeborene – im Steuerrecht arbeiten in der Kombination Ausbildungsstelle im Finanzamt (eben dem, an dem auch meine Steuerklärung eintrudelt) und Studium. Der Versuch, eine Ausbildungsstelle zu bekommen, scheitert an den vermeintlich nicht vergleichbaren Abschlusszeugnissen. Für die Ausbildungsstelle wird Mittlere Reife verlangt. … Und die aus Schwarzafrika kommen, sind doch nur Wirtschaftsflüchtlinge – wie übrigens die meisten unserer Vorfahren, die z. T. noch im Wort „Lombardkredit“ weiter ihre langen Bärte pflegen und dem einen oder der andern als Burgunder munden. Der Vorläufer des Heimatministers führt gar einen auf Hugenotten verweisenden Namen ... Und sie hatten einen nicht unerheblichen Anteil an Preußens Glanz und Gloria.

usw. usf. bis zur Perversion unsres Heimatministers, wenn der sich freut, dass zu seinem Geburtstag für jedes seiner Lebensjahre eine arme Seele abgeschoben wird und etwa zeitgleich werden Hottentottenschädel an Herero, Nama usw. zurückgegeben.
Man will halt ein sauberes Heimatmuseum, wenn auch mit Braunem Untergrund und sei's des Hambacher Forstes.

Bis bald

Friedel

 

Hallo @wegen


Nur eine Idee von mir: Du könntest die Geschichte mit einem kleinen Denkzettel oder besser mit einem Aha-Erlebnis enden lassen, etwas das Grits Entwicklung in die richtige Richtung einläutet, sie zwingt über ihren Tellerrand hinauszublicken und Lamin mehr Oberwasser bekommen lässt, anstatt sie beschwingt durch eine weitere oberflächliche Aktion in die Weihnachtsferien gehen zu lassen. Das bestätigt ihre Haltung und Engstirnigkeit für mich nur und lässt kaum Hoffnung auf einen baldigen Sinneswandel.

Ich gönne Grit die gute Laune immer noch nicht, merkste? :Pfeif:

Ich verstehe ganz gut, dass du Grit nicht einfach so davonkommen lassen willst. Spätestens, wenn sie mit ihrer Freundin Manu zusammentrifft, z. B. an Silvester, wird Grit ja erfahren, wie Lamin auf das Häuschen reagiert hat. Ich möchte sie noch ein bisschen schmoren lassen. Und ich möchte auch nicht den Eindruck erwecken, als ginge es mir hier um einen Erbauungstext zu Weihnachten.

Das Abschiebeproblem und das Kirchenasyl sind zwei so schwierige Bereiche, dass ich mir erst noch gut überlegen muss, ob ich eine Fortsetzung überhaupt bewältige. Deshalb habe ich den offenen Schluss gewählt und riskiere dabei die Unzufriedenheit der Leser.
Eine Weiterführung der Geschichte, ginge, so glaube ich, weit über das private Setting hinaus. Ich habe leider noch keine glaubwürdige Idee.

Abber danke, dass du dir mit mir zusammen den Kopf darüber zerbrichst.
wieselmaus

 

Hallo @Friedrichard,

Eine Lösung steckt verschwiegen in Deiner Einleitung,

jetzt habe ich ziemlich lange gerätselt, was in meiner Einleitung für eine Fortsetzung sprechen könnte.
Ich komme partout nicht drauf. Deine folgenden Hinweise kreisen natürlich um das Thema Zuwanderung und welche Hindernisse der Staat aufbaut mit allen möglichen Einschränkungen und Vorbehalten, obwohl die Wirtschaftsbosse gar nicht so sehr abgeneigt sind, den Arbeitskräftemangel durch Integration von Flüchtlingen zu mildern. Auch ist es bestimmt nicht falsch, z. B. bei den Hugenotten auf sehr erfolgreiche Integration zum Wohle des preußischen Staates hinzuweisen.
Aber was hat dies mit meiner ich-bezogenen Prota zu tun, die, wenn auch lustlos, ihren Verpflichtungen nachkommt?
Ich bin sicher, du meinst etwas anderes. Es gäbe dramatische Möglichkeiten der Fortsetzung, wenn z. B. die Gemeindemitglieder verhinderten, dass Lamin aus der Kirche geschleppt wird, siehe Hambacher Fort, wo ja beim Namen Hambach bei guten Demokraten die Glocken leuchten. Oder Wyhl, wo die Badener "Nai gsagt henn". Meinst du derartige Szenarien? Im Roman "Tod unter Büchern" habe ich verwandte Aktionen beschrieben, so wie ich sie real erlebt habe. Ich weiß nicht, ob das in einer Kurzgeschichte Platz hat. @Isegrims hat mal so etwas versucht, in

Ein heißer Sommertag.

Gleich wird es losgehen. Ich habe nicht auf die Uhr geschaut. Ich zünde mir die Zigarette an, meine Tante fragt mich, wie es mit dem Studium läuft. Da hören wir den Knall. Eine Scheibe zerbricht über der Stelle, an der wir stehen. Rauch spuckt heraus, grauer, dunkler Rauch. Meine Ohren dröhnen. Schrecken bricht aus. Tante Muriel zittert, klammert sich an mich und den Onkel. Menschen rennen schreiend aus der Halle. Onkel Hicham schaut mich an, fragend, mit starren Augen. Er nimmt seine Frau an der Hand und drängt von der Halle weg. Dicht hinter ihnen folge ich. Meine Kehle schnürt sich zu. Angst. Beschleunigung. Alles wird schneller. Die Ruhe des Sommertags ist vorbei, wie ich es wollte, genau wie ich es wollte.

Meinst du so etwas?

Danke für deine Hinweise und Querverbindungen. Wenn ich eins nicht schreiben wollte, dann ist es eine erbauliche Weihnachtsgeschichte, wo die gutverdienende Grit dem armen Lamin einen Hunderter zusteckt oder in den Klingelbeutel wirft.

Tschüss
wieselmaus

 

Guten Morgen,

liebe wieselmaus,

es kommt selten vor, dass ich vorm Frühstück und gar vor der Sendung mit der Maus (da hätt' ich mein Wissen her, geb ich manchmal an, was natürlich so nicht stimmt) hier reinschau.

Aber dass ich solche Verwirrung angestiftet habe, muss schon schnellstöglich ausgebügelt werden-

Du fragtest
Könnte ich eine Fortsetzung schreiben? Ich weiß nicht. Da müsste ich mich entscheiden zwischen einem guten oder einem schlechten Ende. Und wenn es weder das eine noch das andere gibt? Ich glaube eher, hier würde eine unendliche Geschichte draus.
Hast du Vorschläge für mich?
und ich antwortete
Eine Lösung steckt verschwiegen in Deiner Einleitung,

Da heißt es nun
Grit hat es schon wieder getan. … Sollen die Azubis doch noch eine Woche warten.

Ab in eine Ausbildung seiner Wahl ...
Warum? Weil eine mögliche Abschiebung in sichere Herkunftsländer in dem Falle ausgesetzt wird. Und selbst mir haben nicht zwo Ausbildungen geschadet - Chemielaborant (Facharbeiter) und Industriekaufmann.

Nun gibt es aus Duisburg auch einen andersgearteten Fall, dass eine nepalesische Familie abgeschoben wurde, die - das ist das kuriose - angeblich vor Jahr und Tag durch mutmaßlich falsche Angaben ein Bleiberecht erschwindelt hatte. Die Familie wurde ausgeflogen - derweil organisierte sich an der Schule, in der die Tochter der betr. Familie Schüler war -hier streikte gerade mein Finger, wollte jetzt schon Präs. tippen - Widerstand, der derart anwuchs, dass die Familie wieder zurückgeholt wurde.

So viel oder wenig für itzo, einen schönen ersten Herbstsonntag und bis bald

Friedel

 

Hallo @wieselmaus,

Da mir deine Geschichte gefällt, möchte ich dir meinen persönlichen Leseeindruck dalassen.

Soll das Bett hundertzwanzig oder hundertvierzig Zentimeter breit sein? Ach was! Hundertzwanzig reichen.
Ich kenne niemanden, der in ein Möbelgeschäft latschen und sagen würde: "Ich suche ein hundertzwanzig Zentimeter breites Bett." Da das dreimal kurz hintereinander folgt, wirkt es auf mich noch stelziger. Ich würde "Meter zwanzig" oder sogar "eins zwanzig" vorziehen.

Es ist so langweilig zu korrigieren.
Nach zwei Monaten hat sie aufgehört zu trainieren
Kein Komma vor dem zu?

Schnittlauchlocken
Hä? Was ist das? Ich kenne Schnittlauch nur als schmale gerade Stängel. Wirft der irgendwann Locken?

Das ist die Grundmelodie, die Grits Alltag derzeit orchestriert
"Orchestriert" klingt für mein Leserohr zu hochgestochen. Würde es durch das einfache "begleitet" ersetzen.

dreiunddreißig Kanäle
Ihr TV, den sie neu gekauft hat, denn ihr Mann hat mit Sicherheit den alten behalten, hat nur 33 Kanäle? Also mein zehn Jahre alter Plasma hat derer etliche mehr, egal ob ich das gut finde oder nicht. Im Zweifel würde ich die genaue Anzahl weglassen, das birgt nur unnötiges Potential zum Stirnrunzeln.

Zu viele heile-Welt-Kulisse
Zu viel … Kulisse, alles im Singular. Heile-Welt würde ich großschreiben, da feststehender Begriff.

mit nur notdürftig verbrämten Konflikten
Verbrämen lt. Duden: etwas, was als negativ, ungünstig empfunden wird, durch etwas, was als positiv erscheint, abschwächen oder weniger spürbar, sichtbar werden lassen. Ich finde, das passt im Zusammenhang mit Konflikten nicht genau. Kaschiert fände ich treffender.

Da sind ein paar Sachen, die ich noch nicht kenne.
Das ist in einer neuen Wohnung quasi eine Selbstverständlichkeit und ich glaube nicht, dass Manu das explizit ansprechen würde.

Und ruckzuck bist du ein Kandidat für die AA
Hui, das ist zwischen Frauen, die sich nicht so wirklich nahestehen - gelinde ausgedrückt - gewagt.

Manu dagegen ist von Kopf bis Fuß makellos gestylt, klar, sie kommt ja auch vom Salsa-Kurs.
Würde ich trennen wollen, mit Punkt vor dem klar.

Die Paare vom letzten Mal haben sich schon gefunden.
Da eine Woche (?) vergangen ist, würde ich direkt davor einen Absatz machen.

Manu tanzt wieder mit dem dunkelhäutigen, geschmeidigen Afrikaner aus Gambia. Ein wirklich hübscher Kerl. Wahrscheinlich der beste Tänzer hier.
Das Stereotyp liegt mir etwas quer. Warum müssen Schwarzafrikaner immer weiß lächeln, geschmeidig tanzen und schnell rennen?

Hab ich dir erzählt, dass er zur Zeit hier im Kirchenasyl lebt?
Da wäre ich vorsichtig, denn da reißt du ein sehr komplexes Thema an mit Härtefallregelung, heißer Abschiebung und Dublin-Fällen, das sehr kontrovers diskutiert wird. Würde ich solo so nicht stehenlassen, denn damit steuerst du auf eine thematische Klippe zu, die du einfach auslassen kannst.

„Du böse mit mir?“ Lamins Augen schauen überall hin, nur nicht zu Grit.
Amtssprache in Gambia ist Englisch, also wird Lamin es beherrschen. Ein sauberes "Are you angry?" würde ich persönlich einem gestammelten „Du böse mit mir?“ in "Eingeborenem-Deutsch" vorziehen , weil es unbeabsichtigte Begleitschwingungen ausschließt.

Die Dialoge wirken authentisch und echt, ebenso die Schilderung des Innenlebens beim Tanzen. Schön, wie sie sich nach der Trennung selbst an den (Schnittlauch-)Haaren aus dem Sumpf zieht "... with a little help from her friends". Die auflösende Erklärung finde ich überraschend und stark, der sich daraus ergebenden Twist mit dem Lebkuchenhaus ließ mich Schmunzeln. Das ist gelungen konstruiert und liest sich gut. Wenn du die paar Ungenauigkeiten und heiklen Stellen entschärfst, steht einem bewegenden Leseerlebnis nichts mehr im Weg.

Wie immer gilt: Nimm, was du brauchst!

Peace, linktofink

 

Lieber Friedel,

du siehst das Naheliegende, natürlich. Grit könnte für Lamin nach einem Ausbildungsplatz suchen helfen, vielleicht im Bäckerhandwerk, falls ihm das Lebkuchenhaus geschmeckt hat.:)
Dazu müsste Grit sich erstmal schlau machen über die Hintergründe des Kirchenasyls im Falle Lamin. Die Meister nehmen ungern Azubis, deren Bleibesituation unklar ist.
Der andere Fall, Schulstreik, dazu müsste Lamin Schüler sein. Lamin ist aber kein UMF. Dazu kommt, dass der Salsa-Kurs keine Veranstaltung für Flüchtlinge ist, sondern für Frauen und Mädchen der Herz-Jesu-Gemeinde. Manu lässt ja auch zuerst bewusst die Informationen über Lamin außen vor. Der Vikar meint es gut mit Lamin, aber so richtig hat er sich vielleicht auch noch nicht mit Lamin auseinandergesetzt.
Interkulturelle Missverständnisse gibt es auch außerhalb der Asylantenszene, nur bekommen sie in diesem Kontext eine besondere Schärfe.
Ich glaube, ich lasse Grit zunächst in ihrem kleinen Aufschwung bis nach Weihnachten. Die nächste Krise für sie kommt bestimmt ...

Danke für deine Hilfe, sie hat mir zu mehr Einblick in meine eigentlichen Intentionen verschafft. Das zeichnet dich eben als Mentor aus.

Herzlichst
wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @linktofink,

schön, dass du dich so ausführlich meinem Text gewidmet hast. Da will ich mich ebenso ausführlich revanchieren, und zwar der Reihe nach. Zuvor aber eine allgemeine Bemerkung. An einigen Anmerkungen hat sich wieder einmal gezeigt, dass Wortschatz und Sprachstil doch sehr vom Alter des Autors geprägt sind. Ich kann deshalb nicht alles übernehmen, aber möchte mich für deine Vorschläge bedanken. Sie schärfen auf jeden Fall den Blick auf das eigene Schreibprodukt.

Ich kenne niemanden, der in ein Möbelgeschäft latschen und sagen würde: "Ich suche ein hundertzwanzig Zentimeter breites Bett." Da das dreimal kurz hintereinander folgt, wirkt es auf mich noch stelziger. Ich würde "Meter zwanzig" oder sogar "eins zwanzig" vorziehen.

Grit kämpft um jeden Zentimeter. Im Vergleich mit ihrer früheren Wohnung muss sie sich sehr einschränken. In den ersten Wochen ist sie nur mit dem Metermaßband um den Hals in der Wohnung herumgeschwirrt.

Kein Komma vor dem zu?

Komma nur vor dem erweiterten Infinitiv.

Hä? Was ist das? Ich kenne Schnittlauch nur als schmale gerade Stängel. Wirft der irgendwann Locken?

Das ist eine altmodische, ironische Bezeichnung für halblanges, dünnes und zuweilen strähnig herunterhängendes Haar. Dabei hätte Grit so gerne einen Kopf voll Locken.

"Orchestriert" klingt für mein Leserohr zu hochgestochen. Würde es durch das einfache "begleitet" ersetzen.

Kann ich übernehmen. Allerdings ist "orchestriert" als ironische Übertreibung zu Grits ereignislosem Alltag gedacht.

hr TV, den sie neu gekauft hat, denn ihr Mann hat mit Sicherheit den alten behalten, hat nur 33 Kanäle? Also mein zehn Jahre alter Plasma hat derer etliche mehr, egal ob ich das gut finde oder nicht. Im Zweifel würde ich die genaue Anzahl weglassen, das birgt nur unnötiges Potential zum Stirnrunzeln.

Es ging nicht um eine technische Information. Es sind die ca. dreiunddreißig Kanäle, die sie regelmäßig durchzappt.

u viel … Kulisse, alles im Singular. Heile-Welt würde ich großschreiben, da feststehender Begriff.

Danke, werde ich ändern.

Ich finde, das passt im Zusammenhang mit Konflikten nicht genau. Kaschiert fände ich treffender.

Die Duden-Definition trifft genau meine Intention. "Kaschieren" heißt einfach "verbergen, verstecken", nicht zwangsläufig durch etwas Besseres wie "verbrämen".

Das ist in einer neuen Wohnung quasi eine Selbstverständlichkeit und ich glaube nicht, dass Manu das explizit ansprechen würde.

Hui, das ist zwischen Frauen, die sich nicht so wirklich nahestehen - gelinde ausgedrückt - gewagt.

Manu ist keine flüchtige Bekannte, sonst hätte sie sich ja wohl kaum getraut, so spät noch zu klingeln. Sie kennt die Wohnung und sie kennt Grits Probleme. Es gab eine längere Sendepause, das kommt oft vor, wenn sich ein unter der Trennung leidender
Teil erstmal zurückzieht.


Da eine Woche (?) vergangen ist, würde ich direkt davor einen Absatz machen.

Dieser Satz läutet keine neue Szene ein. Wir sind ja schon mitten drin.

Das Stereotyp liegt mir etwas quer. Warum müssen Schwarzafrikaner immer weiß lächeln, geschmeidig tanzen und schnell rennen?

Es ist Grits Sicht, und ja, sie bedient hier ein Klischee. Es geht hier nur ums Tanzen.

Da wäre ich vorsichtig, denn da reißt du ein sehr komplexes Thema an mit Härtefallregelung, heißer Abschiebung und Dublin-Fällen, das sehr kontrovers diskutiert wird. Würde ich solo so nicht stehenlassen, denn damit steuerst du auf eine thematische Klippe zu, die du einfach auslassen kannst.

Aber nein, das muss ein! Wie sonst könnte der Salsa-Kurs für Frauen und Lamin in der Herz-Jesu-Gemeinde zusammenkommen? Im Fokus dieser Geschichte steht Grit mit ihren auf die eigene Befindlichkeit fokussierten Problemen. Selbstverständlich ist das Kirchenasyl eine schwierige Materie, aber hier nicht Thema. @Friedrichard schlägt ja eine Fortsetzung vor. Falls es dich interessiert, kannst du seine Kommentare zu diesem Text und meine Antworten darauf verfolgen. Ich weiß noch nicht, ob ich eine Fortsetzung schreiben will.

Amtssprache in Gambia ist Englisch, also wird Lamin es beherrschen.

Lamin lernt deutsch im Kirchenasyl. Einen Anspruch auf einen Sprachkurs hat er nicht. Warum sollte er plötzlich eine englische Konversation führen? Es ist übrigens keine Abwertung, wenn man bei Anfängern erste, unbeholfene Versuche als solche zeigt. Immerhin bringt er klar zu Ausdruck, worum es ihm geht: Die Lehrerin soll nicht "böse" auf ihn sein.

. Wenn du die paar Ungenauigkeiten und heiklen Stellen entschärfst, steht einem bewegenden Leseerlebnis nichts mehr im Weg.

Das ist jetzt ein langer Ausritt. Mich freut natürlich, dass du dich engagierst in der Frage, wie man mit Asybewerbern angemessen umgeht. Grit wird es auch noch begreifen, wenn sie aus ihrem Jammermodus herauskommt.

Nochmals danke für dein Interesse.
wieselmaus

 

Ich glaube, ich lasse Grit zunächst in ihrem kleinen Aufschwung bis nach Weihnachten. Die nächste Krise für sie kommt bestimmt ...
soll und wird so sein,

liebe wieselmaus,

denn schon der von mir verehrte J. Habermas hat in seinen 1970er Schriften zur Krise des Spätkapitalismus gewusst, die Krise, die mit dem Erdbeben von Lissabon begann, wird zum sich beschleunigenden Dauerthema - zehn Jahre nach Lehman (ob mit einem oder zwo m, Jacke wie Hose) und die knapp neun Jahre nach der Start-up Pleite usw. Ich sehe ein, ich konsumiere reichlich Bier und doch zu wenig, um Finanzen und Wirtschaft zu retten. Ja, seitdem meine Glotze auch über den Router läuft, gibt es neben den Öffentlich Rechtlichen (incl. Arte etc.) hundert und mehr Programme, da täte ich mich freuen, würde ich da mal sachgerecht beraten. Denn bisher erscheint mir nämlich nur noch eines interessant - das Hundefernsehen zum gemeinsamen, hoffentlich gesunden Schlaf für Tier' und Herrchen. Langsam begreif ich aber auch, warum Jean Paul inzwischen so gut wie unbekannt ist, obwohl er der Moderne voranschritt. Goethe aber nicht. Jean Paul soll einen Wortschatz von 95.000 gehabt haben, Goethe nur 75.000 (und beide ohne Neudeutsch, bestenfalls ein bisschen Französisch wie das zu ihrer zwoten Lebenshälfte bekannte Bourgois!). Da kann ich nicht mithalten und würd' doch lieber mit Herrn Richter denn Goethe ein Bierchen verzapfen. Aber das wird noch dauern ... da ist mir der Enkel (neue Wörter aus dem Kindergarten "Liebling" und "Schatzi", die er mit der entsprechenden Gestik anzuwenden weiß und einen auch schon mal kneift. Und wenn er dann wieder ruhig sein Förmchen nimmt und die Welt nach seinem Willen formt und auf Sand setzt.

Na, nun ist da fast 'ne Selberlebensbeschreibung draus geworden. Hätt' ich nie gedacht, dass Grit mich so verführen könnte.

Tschüss

Friedel

 

Hallo wieselmaus!

Ich habe deine Geschichte gerne gelesen. Besonders das erste Viertel, in dem du beschreibst wie deine Prot lebt, die Charakterisierung, hat mir gut gefallen. Man merkt auch, es ist eine Welt, die du kennst, entweder vom Sehen oder weil du dich zu Teilen womöglich in ihr bewegst. Mir ist diese Welt etwas fremd, aber dadurch, dass sie so echt wirkte, war es für mich interessant.

Deine Sprache hat mir gut gefallen; ich hatte an keiner Stelle das Gefühl, dass sich der Text ziehen würde oder Nebensächliches erzählt würde.

Nur zwei Punkte habe ich:

1. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich 27 Jahre alt bin und mir die erzählte Welt etwas weit weg erscheint. Aber anfangs (bis zu dem Wortlaut "graue Maus") konnte ich nicht ganz einschätzen, wie alt Grit ist. Ich dachte mir schon etwas 60+, aber ganz klar schien mir das nicht - vielleicht liegt es an mir, aber wäre herausgekommen, sie ist z.B. 50-55, hätte das auch noch in mein Bild zu ihr gepasst. Bei Grit fand ich das Alter nicht einschätzen können nicht störend, aber bei ihrer Freundin wurde ich etwas stutzig, weil du sie nicht so gut charakterisierst wie Grit. Für mein Gefühl hätte das auch eine 40-jährige Freundin von Grit sein können, vielleicht sogar jünger. Wenn du ihr Alter etwas klarer herausstellen würdest, wäre - so finde ich - dem Text etwas geholfen.

2. Ich weiß nicht, ob das schon zur Sprache kam, wenn ja, entschuldige: Aber mir ist aufgefallen, dass der Tänzer ja Kirchenasyl hat - und gleichzeitig in einer Putzkolonne arbeitet? Geht das? Ich könnte jetzt googlen, aber ich gebe die Frage einfach gleich mal an dich als Autorin weiter. Ist mir nur eben ins Auge gesprungen.

plötzlich hat Grit ganz viele Fragen, sie merkt, dass sie Feuer gefangen hat.
Der Leser merkt das auch! Ich fände diese Szene stärker, wenn du das Unterstrichene streichen würdest

Was ich mir noch gewünscht hätte, wäre - aber das ist meine subjektive Wahrnehmung -, dass das Lachen Limas noch etwas mehr an "Bedeutung" bzw. "symbolischer Bedeutung" in deiner Geschichte gewinnen könnte. Grit durchlebte eine Trennung. Anfangs bekomme ich als Leser mit, dass sie meint, gut damit klarzukommen. Mir scheint, die Trennung wäre auch zu großen Teilen durch sie ins Rollen gekommen. Aber gleichzeitig zieht sie sich zurück. Toll fände ich jetzt, wenn du die Brücke schlagen würdest, und Trennung und Tanz ein wenig verbinden könntest. Das Lachen wirft sie dann richtig aus der Bahn. Da passiert etwas in ihr. Ich finde, das ist mehr als Scham. Zumindest spüre ich das in die Richtung. Dass da noch etwas anderes mitschwingt. Für mich ist das die Trennung. An diesem Punkt, dieser Szene, würde ich nicht so schnell aussteigen. Ich glaube, da gäbe es noch etwas zu erzählen. Nichts, was die Gewichtung des Textes durcheinander bringen würde, aber vielleicht wird Grit in diesem Augenblick klar, wie einsam sie eigentlich ist. Wie verletzt. Vielleicht auch enttäuscht, vom Leben. Vielleicht wird ihr da klar, weswegen sie sich zurückgezogen hat. Ist nur ein Gefühl. Vielleicht kannst du etwas mit anfangen, wieselmaus.

Gerne gelesen!

Beste Grüße
zigga

 

@wieselmaus,

Zuvor aber eine allgemeine Bemerkung. An einigen Anmerkungen hat sich wieder einmal gezeigt, dass Wortschatz und Sprachstil doch sehr vom Alter des Autors geprägt sind. Ich kann deshalb nicht alles übernehmen, aber möchte mich für deine Vorschläge bedanken.
Frage: Woher willst du wissen, wie alt ich bin? Auf das Altersargument reagiere ich meistens allergisch (funny: kommt sowohl von Jüngeren als auch von Älteren), weil mir meine Lebenserfahrung eines gezeigt hat: Alter spielt so gut wie keine Rolle, allein der Kopf - und wo du geistig unterwegs bist - ist entscheidend! Punkt. Ich kann einem Gespräch mit meinen Kindern ebenso viel abgewinnen, wie dem mit meiner fünfzehn Jahre älteren Nachbarin. Nur zur Info: Ich bin Baujahr ´67. Sorry, damit aufgrund des (angenommenen) Alters kritische Anmerkungen abzublocken, machst du es dir mMn zu einfach.

Peace, linktofink

 

iebe @wieselmaus,

wieder mal gerne gelesen, deine neue Geschichte. Allerdings nicht alle Kommentare.

Missverständnisse scheinen dein Thema zu sein, und das gefällt mir sehr gut.
Auch hier ist wieder alles anders als es zunächst scheint. Und dabei kann ich mich sehr gut in deine Prota hineinversetzen, kenne die Situation selbst auch. Die anfängliche Erleichterung, nachdem sich endlich was verändert hat an einer festgefahrenen Situation, das Neue, das einen zunächst motiviert und dann ... Tja. Wozu auch ...? Man richtet sich ein in seinen vier Wänden mit Chips und Wein, ist doch irgendwie nett auch, was hat man der Welt schon zu bieten.
Und dann geht man endlich doch wieder mal unter Leute - meist auf Anraten anderer - und alles geht schief. Natürlich. Man ist ja auch nicht grad in Höchstform.

Wie immer sehr geschickt dargestellt von dir, dass die Welt immer so ist, wie wir sie sehen wollen. Und na ja ... Lamins Verhalten ist ja auch gemein. ( Aus unserer Sicht. :chaosqueen:) Klar, er ist unsicher, und öffentliches Auslachen, bzw. loslachen aufgrund von Unsicherheit, mag in seiner eigenen Kultur normal sein (ich kenne das aus Indien. Da wird oft auch kein Blatt vor den Mund genommen, bzw. ganz unverhohlen über andere gelacht ), aber bei uns ist es das nicht, und ausgerechnet in so einer Lebenslage ... Schwierig.

Du hast hier also nicht nur alltägliche Missverständnisse sondern auch kulturelle Differenzen verarbeitet und beides geschickt miteinander kombiniert. Einzig Manu will mir nicht gefallen, womit ich meine, dass sie mir nicht wirklich sympathisch ist. Gut, sie holt die Prota aus ihrem Schneckenhaus, zeigt aber wenig Verständnis für ihre Situation und ruft ja dann auch erst sehr spät an, scheinbar nur, um Lamin zu verteidigen.
Das ist jetzt keine Kritik an deiner Figurenzeichnung, ich kann mir Manu schon vorstellen, und du brauchtest ja auch Konfliktpotential zwischen den beiden Frauen. Ist 'ne reine Sympathiefrage bei mir.

wieselmaus schrieb:
schon wieder einer aus der WG über ihr
Das hab ich nicht so ganz verstanden. Wieso verlieren die ständig Schlüssel und klingeln dann bei ihr? Hat sie einen Ersatzschlüssel? Oder sitzen die dann bei ihr rum? Das schien mir in der Häufigkeit etwas zu übertrieben.

wieselmaus schrieb:
"Komm rein. Nee, du störst nicht. Gib mir deinen Mantel. Magst du ein Glas?"
Das ging mir ein wenig zu schnell. Vor allem das mit dem Mantel. Andererseits könnte man es natürlich auch so sehen, dass sie unsicher ist, grad, weil der Besuch so überraschend kommt und sie sich eh nicht gesellschaftsfähig fühlt.

wieselmaus schrieb:
Herz-Jesu-Gemeinde
:lol:

Na ja ... Die Zitate sind jetzt keine wirkliche Kritik, nur klitzekleine Stolpersteinchen meinerseits.

Liebe Grüße von Chai

 

Hallo @AWM,
ich glaube, wir hatten noch nicht das Vergnügen. Danke für deinen ausführlichen Kommentar.

Die RZG- Fehler habe ich beseitigt, Ich wundere mich immer wieder, dass nach so häufigem Lesen doch noch welche auftauchen. Deine Kürzungen habe ich zum großen Teil übernommen, bzw. von tell zu show verändert. Allerdings die längere Passage über den Tanzsaal war mir schon wichtig. Es ist das Ambiente, wie Grit es wahrnimmt und ihre Stimmung beeinflusst. Ich finde es lästig, immer zu ergänzen, dass hier der Prota etwas sieht oder denkt oder fühlt. Der ganze Text ist aus Grits Perspektive geschrieben.

Finde ich irgendwie seltsam den Lamin aus Gambia. Wenn ich jemanden besonders toll finden würde, dann würde ich sagen: Und da ist einer dabei, der macht das und das und am Ende vielleicht: Der kommt aus Gambia. Aber so wirkt der Satz künstlich und so, als ob du es dir recht einfach machen willst, eine für deine Geschichte wichtige Info schnell unterzubringen.

Die Info geht an Grit. Sie ist absichtlich so dürr und wirkt deshalb künstlich, weil Manu ihr persönliches Interesse an Lamin kaschieren will, andererseits Grit aber doch auf die Zusammensetzung des Kurses vorbereiten möchte. Entgegen ihrer späteren Behauptung erwähnt sie das Kirchenasyl nicht.

Woran erkennt Grit das? Hier hast du einen Perspektivenwechsel drin.

Kein Perspektivenwechsel. Ich habe allerdings den von dir monierten Satz geändert, indem ich drei Pausepunkte eingefügt habe, so, als ob sie überlegt, was sie preisgeben möchte.

Bisschen ausgelutscht.

Ist sicher Geschmackssache. Ich werde mal nachdenken, ob mir etwas "Aparteres" einfällt.

Diesen recht telligen Absatz bräuchte es meiner Meinung nach nicht. K

Ich bin inzwischen sehr weit entfernt von telligen Passagen (gegenüber früheren Texten), aber ganz verzichten möchte ich nicht darauf. Es sollte keine Flash-Fiction-Story werden. Sie ist ja ohnehin im Grenzbereich (etwas über 2200 Wörter).

Liebe wieselmaus, so richtig werde ich mit deiner Geschichte nicht warm. Das liegt zum einen am Thema und zum anderen daran, dass mir die Dialoge nicht gefallen (im Gegensatz zu @linktofink). Ich hoffe, ich konnte dir trotzdem ein wenig weiterhelfen.

Damit kann ich leben. Nicht jeder Text kann allen gefallen. Die Thematik ist zweifellos nicht jedermanns Geschmack. An den Dialogen scheiden sich die Geister.

Vielen Dank für dein Interesse. Ich werde mal bei dir reinschauen.
wieselmaus

 

Hallo @wieselmaus,

oftmals liest man die Geschichten hier ja wie deine Grit. Aber

Es ist so langweilig zu korrigieren. Immer dieselben Einfälle, immer dieselben Fehler.

Und deshalb ist es ein tolles Gefühl, hier schon nach wenigen Zeilen mit gutem Gewissen den Rotstift beiseite legen zu können und einfach nur zu lesen.

Es fühlt sich ein bisschen an wie eine @Kanji-Geschichte, finde ich, man darf einer Frau beim Menschsein zusehen, darf sich in ihr wiederfinden und denken ja, so geht's uns wohl allen. Schlechtes Gewissen beim Chipsfuttern, Ergometer, die zu Kleiderständern umfunktioniert werden, über allem schwebt die eine Frage:

Wozu auch?

Aber zum Glück fühlt es sich nie nach Aufgeben an, dann wäre es nämlich schwer verdaulich. Sehnsuchst trifft es eher - und es gibt schlechtere Süchte, finde ich.

Was ich an der Geschichte am meisten mag, ist Grit. Weil sie so wunderbar gezeichnet ist. Spätestens, als Manu ihr den Spiegel vorhält, sie sich verschluckt und das Weinglas klirrend auf dem Tisch abstellt, da fühlt es sich an, als würde ich sie ganz genau kennen. Hier standest du nämlich an einer Gabelung und hättest alles aus ihr machen können, sie hätte losschimpfen können, was der ollen Manu denn einfällt, son Mist zu erzählen, sie hätte losheulen und zusammenbrechen können, und was tut sie? Sie denkt daran, was die anderen wohl von ihr denken. Erinnert sich an das Gespräch im Lehrerzimmer.

Passenderweise habe ich vor ein paar Minuten das hier über eine andere Frau gelesen:

"Sie war imstande, vormittagelang dazusitzen und zu versuchen, sich die Details einer kurzen Begebenheit, einer Unterhaltung, ins Gedächtnis zurückzurufen und jede mögliche Auslegung einer Geste, eines Satzes, eines Mienenspiels oder einer Schwankung in der Stimme zu deuten und abzuwägen. Ein großer Teil ihres Lebens war mit der Sondierung von "Vorzeichen" ausgefüllt. Und so war es weiter nicht verwunderlich, dass ihre Fähigkeit, die Alltagsroutine zu ertragen, sich auf ein Minimum reduzierte, wenn ein Zweifel sie hinderte, diese Vorzeichen zu klassifizieren. Es schien dann, als sei sie von einer seltsamen Lähmung befallen ..."

Und stell dir vor - sie hieß Kit. Grit. Kit. Na ja, das nur nebenbei.

Du siehst, ich hatte schnell gar keine andere Wahl, als die Geschichte zu Ende zu lesen, nicht, weil ich an lateinamerikanischen Tänzen interessiert bin, sondern weil Gritkit jetzt ja quasi eine nahestehende Person ist und sie und ihr Schicksal mich interessieren.

Die dritte Neue ist eine üppige Hausfrau in den Vierzigern, wie sie gleich in den ersten Minuten preisgibt. Mit der wird Grit mithalten können.

Typisch Grit. Eine Vergleicherin.

Bloß nicht, denkt sie, ich möchte um Himmels willen nicht im Mittelpunkt stehen.

:Pfeif:

Kein Wunder, dass die Begegnung mit dem lachenden Lamin für Grit in höhnisch verzerrten Traumfratzen gipfelt. Ich mag das, ich weiß zwar, dass sie leidet in diesem Moment, aber das ist gut so, glaube ich. Bisschen leben.

Am versöhnlichen Ende habe ich nichts auszusetzen, auch wenn ich mir natürlich gewünscht hätte, dass ... Ich weiß gar nicht, was ich mir gewünscht hätte. Vielleicht, dass sie Lamin bei sich aufnimmt? Oder ihn aus der Putzkolonne herauszieht, seinen Besen in die Ecke pfeffert und gemeinsam mit ihm eine wilde Salsa aufs Parkett legt, während der erste Schnee fällt und der Weihnachtsmann die unbefristete Aufenthaltsgenehmigung für La-min durch den Ka-min schmeißt? Na ja, das wäre wohl zu viel des Guten. Ich bin auch so sehr zufrieden und glücklich darüber, diese schöne Geschichte gelesen zu haben und Grit kennengelernt zu haben.

Bas

 

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