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Ringtheater

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12.04.2013
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Ringtheater

Der Regen wollte nicht nachlassen. In der Dunkelheit zeichnete sich Dylans Umriss kaum von den rohen Brettern in seinem Rücken ab, nur die Zigarettenspitze glühte rot wie ein Hoffnungsschimmer. Müde fuhr Dylan mit der Hand durch sein feuchtes Haar. Es wurde allmählich zu lang, er musste es wieder schneiden lassen. Die kahle Stelle an seinem Hinterkopf ließ sich ohnehin kaum noch verbergen. Ein letztes Mal zog er an dem Zigarettenstummel, warf ihn in eine Pfütze und trat mit dem Absatz darauf. Seine Schuhe waren durchgelaufen, Feuchtigkeit drang durch die Sohlen. Das Geld reichte nicht für neue. In ein paar Monaten, vielleicht. Die Kinder brauchten Wintersachen. Sie wuchsen so schnell. Anne sollte mehr arbeiten. Sie wusste, dass sein Geld nicht reichte. Dylan kauerte sich in den spärlichen Schutz des überstehenden Wellblechdaches. Seine Hände zitterten, nicht nur vor Kälte, und er kramte hastig nach Löffel, Pulver und Feuerzeug. Kaum gelang es ihm, die Flamme lang genug am Brennen zu halten. Die Flüssigkeit war bernsteinfarben, fast zu bernsteinfarben. Trotzdem zogen seine tauben Finger sie begierig in die kleine Spritze auf. Der Stempel war gebrochen, und er mühte sich, beinahe hätte er etwas verschüttet. Vorsichtig schob er die Kanüle in seinen linken Handrücken. Oft konnte er die Vene nicht mehr benutzen. Schließlich richtete Dylan sich auf, vergrub die Spritze tief in der Manteltasche. Die Kanüle warf er fort, mit dem Plastikschutz darüber in die große schwarze Tonne. Unschlüssig blieb er daneben stehen. Er sollte nach Hause gehen, zu seiner Frau und den Kindern, doch er wartete. Die Tür mit den verwitterten roten Buchstaben, die sich mit Mühe noch als „Bühneneingang“ entziffern ließen, öffnete sich nur wenig später. Fannys Schritte eilten durch die Pfützen. Als sie Dylans Silhouette neben der Mülltonne entdeckte, blieb sie stehen. „Willst du mitfahren?“ fragte sie leise. Er nickte und löste sich aus dem Schatten des Hinterhofes.
Fannys Auto war alt und zugig. Sie schwiegen, während sie den Wagen durch den Regen lenkte, nur das gleichmäßige Quietschen der Scheibenwischer unterbrach die Stille. Dylan zündete sich eine Zigarette an.
In Fannys kleiner Wohnung saßen sie am Küchentisch. Fanny hatte Tee gekocht. Sie nahm seine Hand und streichelte mit dem Daumen über den Handrücken. Dylan schloss seine Finger um ihre. „Ich bin wieder drauf“, sagte er.
„Ich weiß“, erwiderte sie.
„Ich hab es versucht, so oft. Ich schaffe es nicht.“
„Mir ist kalt“, sagte Fanny, „lass uns ins Bett gehen.“
Fannys Bett war groß, doch sie krochen zusammen unter eine Decke, bis sie warm waren.
„Du mußt dir helfen lassen.“ Fanny legte den Kopf auf seine Schulter, und er hielt sie fest mit seinen langen Armen.
„Sie wollen immer, daß man redet. Ich will nicht reden.“
Fannys Hand strich zärtlich über seine Brust. „Bleibst du hier, heute nacht? Oder musst du zu deiner Frau?“
Er sah zur Decke hinauf. „Anne weiß, dass ich hier bin. Ich bin sicher, sie weiß sich zu amüsieren.“
„Stört es dich nicht? All die anderen Männer?“
Ein Muskel zuckte auf seiner Wange, aber er sagte: „Nein.“ Und nach einer Pause. „Sie würde es trotzdem tun. Wenn ich es nicht wollte. Eine offene Beziehung, das war immer ihre Bedingung. Sie hat ihre Affären, und ich habe meine.“
„Immer noch? Ich meine, hast du immer noch Affären?“
„Nein, nicht mehr. Mir fehlt die Lust.“
Am nächsten Morgen war Fanny früh wach. Dylans Wärme streichelte ihren Körper, und sie schälte sich ein wenig unter der Decke hervor und strich ihm sachte das Haar aus dem Gesicht. Er sah entspannt aus. Nur die dunklen Ringe unter den Augen waren nicht verschwunden, und im Licht der hereinfallenden Sonne sah sie die hässlichen Narben auf seinen Armen und Händen. Zärtlich fuhr sie mit dem Finger darüber, als könne sie ihm so Linderung verschaffen. Dann ging sie in die Küche und setzte Wasser auf, um Kaffee zu kochen. Sie holte die Zeitung herein und blätterte darin. Sie musste sich ein neues Engagement suchen, die Tage des alten Ringtheaters waren gezählt. Die Stadt förderte lieber andere Projekte, mit mehr Prestige und mehr Glamour. Fanny brühte den Kaffee auf und setzte sich an den Küchentisch. Dylans Uhr lag noch darauf, sie nahm sie in die Hand und roch daran. Ein Hauch von schalem Tabak und Männerschweiß. Auf der Rückseite entdeckte sie eine Gravur. Für Dylan, zum 30. Geburtstag, in Liebe, Anne. Fanny behielt die Uhr in der Hand. In Liebe, dachte sie, sie hat eine seltsame Art, jemanden zu lieben. Sie, Fanny, sie liebte Dylan. Für immer. Das war es, was sie gravieren ließe. Fanny goss Kaffee in zwei angestoßene Becher, rührte etwas Zucker in den einen und gab einen Schuss Milch in den anderen. Gerade wollte sie aufstehen und Dylan den Kaffee bringen, als er hereinkam. Trainingshose und Hemd von Fannys Exmann schlotterten um seinen mageren Körper. „Der Kaffee hat mich geweckt.“
Sie lächelte. „Guten Morgen. Geht's dir besser?“
„Ich glaube schon.“ Er setzte sich und umschloss den Becher mit beiden Händen. Der heiße Dampf stieg ihm ins Gesicht. „Du hast recht“, sagte er, „dass ich Hilfe brauche. Ich habe immer gedacht, ich brauche nur ein bisschen Willen. Aber es reicht nicht.“
„Was wirst du tun?“
Er hob den Blick. „Ich habe Angst.“
Sie suchte seine Hand und hielt sie fest. „Ich auch“, sagte sie.
Am Abend ging Dylan zu Fuß zum Theater. Er hatte Anne nicht gesehen, aber er nahm an, daß sie bald nach Hause kam. Sie ließ die Kinder nicht alleine über Nacht, so war sie nicht. Sie brachte die Männer mit nach Hause. In sein Zuhause. In sein Bett. Am Anfang hatte er geglaubt, es mache ihm nichts aus. Ihre Männergeschichten. Er war auch nur eine davon gewesen. Geheiratet hatten sie nur wegen der Kinder. Dylan lief Slalom um die Pfützen im Hinterhof. Jetzt, im Dämmerlicht, sah er noch schäbiger aus als bei Nacht. Durch den Bühneneingang trat er in den muffigen Korridor. Der Theatersaal war heute weniger leer als sonst, und das Publikum spendete Dylan langen Applaus. Nach der Vorstellung kam Bert in seine Kabine. Er druckste ein wenig herum, dann fragte er: „Gehen wir was trinken?“
In einer kleinen verrauchten Eckkneipe saßen sie am Tresen, und Bert spendierte schottischen Whisky. „Es ist vorbei“, sagte er, „noch diesen Monat, und dann werfen sie uns raus. Es wird wohl abgerissen. Und dann stellen sie einen Einkaufstempel hin, einen von diesen scheußlichen Türmen, wo es im Untergeschoss nach Fisch und Fritten riecht und man auf dem Weg ins Multiplex-Kino oben noch rasch Klamotten und billigen Schmuck kauft.“ Bert sah immer traurig aus mit seinen hellen Augen und dem schiefen Mund.
Dylan erwiderte nichts. Der Whisky brannte in seiner Kehle.
„Ich werde wahrscheinlich fortgehen“, sagte Bert. „Ein Freund hat mir was angeboten, in London. Musical. Wäre das nicht auch was für dich, Dylan?“
Dylan verzog das Gesicht. „Ich weiß nicht. Ich habe doch keine ausgebildete Stimme.“
Bert orderte mehr Whisky. „Hör zu, Dylan. Du bist gut. Ich mein das ernst. Du kannst überall was finden. Fernsehen. Versuch's doch mal beim Fernsehen.“
„Ja. Vielleicht.“ Dylan blickte in sein Glas.
In dieser Nacht kam er spät nach Hause. Bert und er waren noch lange durch die dunklen Straßen gegangen und hatten geredet. Über das Theater. Über die Kollegen. Über Anne und die Kinder. Dylan zog die Haustür leise zu. Er streifte die Schuhe von den Füßen und hängte den Mantel an die Garderobe, spähte vorsichtig ins Kinderzimmer. Anna hielt ihr Pony im Arm und Philipp das kleine Huhn, das überallhin mit musste. Einen Augenblick blieb Dylan dort stehen und lauschte ihren Atemzügen, dann schloss er die Tür leise und ging ins Wohnzimmer. Auf dem Tisch stand eine geöffnete Flasche Wein und zwei benutzte Gläser. Anne hatte also Besuch gehabt. Dylan griff nach der Flasche und nahm einen großen Schluck. Er ließ sich auf das Sofa sinken und schloss die Augen. Langsam trank er den Wein, genoss den Schwindel, den er ihm nach und nach in den Kopf trieb.
Als er aufwachte, fiel Tageslicht durch die Fenster. Sein Hals war steif. Langsam richtete Dylan sich auf und warf einen Blick auf die Uhr. Halb sieben. Er stand auf und ging in die Küche. Die schmutzigen Gläser und die leere Weinflasche nahm er mit. Er öffnete die Tür zu dem winzigen Balkon, kochte Kaffee und setzte sich an den Tisch. Auf dem Regal neben der Balkontür stand ein Foto. Anne, Dylan und die Zwillinge. Letztes Jahr im Zoo, vor dem Straußengehege. Anne hatte es mit dem Selbstauslöser aufgenommen. Dylan rührte Zucker in den Kaffee.
Als Anne hereinkam, war sie nur mit Shorts und einem dünnen Oberteil bekleidet. Sie nahm einen Becher aus dem Schrank und schenkte sich Kaffee ein. „Warum bist du nicht ins Bett gekommen?“
„Ich wusste nicht, ob du alleine bist.“
Sie setzte sich und schlug die Beine übereinander. „Du warst letzte Nacht bei Fanny.“
„Ja.“ Das Oberteil verbarg Annes kleine Brüste kaum. „Sie machen das Theater zu.“ Stumm begann er, sich eine Zigarette zu drehen.
„Was hast du jetzt vor?“ fragte Anne.
„Ich versuche, einen Platz in der Klinik zu bekommen.“
„Hat Fanny dir das eingeredet? Du wirst es doch wieder abbrechen.“
Er sah sie an. „Du willst gar nicht, dass ich aufhöre, stimmt's? Dann könntest du mir nicht mehr drohen. Deswegen hilfst du mir nicht.“
„Mach dich nicht lächerlich. Die Kinder werden so oder so mir zugesprochen, ob du einen Entzug machst oder nicht. Und du und ich, wir wissen beide, dass du es nicht durchhältst. Du hast noch nie durchgehalten.“
Dylan sagte nichts. Er zündete die Zigarette an und beobachtete die rotglühende Spitze.

 

Lieber Trip

Dies ist mein erster Kommentar in diesem Forum, sollte ich gegen irgendeine ungeschriebene oder auch irgendwo geschriebene Regel verstoßen - sieh es mir bitte nach.
Du beschreibst deine Hauptperson sehr einfühlsam, sie nimmt in meinem Kopf Gestalt an. Dennoch habe ich eine grundsätzliche Kritik. Ich finde es schade, dass sich Dylan nicht weiterentwickelt. Er ist am Anfang ein mutloser Junkie, und er ist bis zum letzten Satz ein mutloser Junkie. Ich finde, er sollte sich ein Stück aufrichten oder ganz abstürzen. Das klingt jetzt so abgewichst, ist aber nicht so gemeint. Ich sehe einfach keine Entwicklung bei deiner Hauptperson. Das ist für mich aber eine Grundforderung. So fließt die Geschichte dahin - ohne Spannungsbogen.
Nochmal - es finden sich schöne Beschreibungen, aber sie haben keine Konsequenzen und manchmal ist mir da auch einfach zu viel Beschreibung.
Ein letztes Mal zog er an dem Zigarettenstummel, warf ihn in eine Pfütze und trat mit dem Absatz darauf.
Das ist so eine Stelle. Wenn er die Kippe in die Pfütze wirft, dann verlöscht sie. Dann muss er nicht noch mal drauftreten. Warum sollte er das auch tun. Er weiß doch, dass er löchrige Schuhe hat und noch schneller nasse Füße bekommt.
Irgendwie komme ich mit der Zitierfunktion noch nicht klar. Ich kleide es also in einen Satz. Wie gesagt, ich lerne noch.
Die Beschreibung des zu langen Haares muss meiner Meinung nach nicht sein. Denkt ein Junkie, der sich gleich einen Schuss setzt, wirklich an seine Frisur?
Anne sollte mehr arbeiten. Sie wusste, dass sein Geld nicht reichte.
Diese beiden Sätze haben mich umgehauen. Der antriebslose Dylan, der selbst nichts auf die Reihe bekommt, verlangt von seiner Feindin, dass sie mehr arbeiten soll!!!! Das ist doch ein wirklich widerlicher Charakterzug, der nach meinem Gefühl zu deiner Hauptperson überhaupt nicht passt. Dylan ist, trotz seines Hängenlassens für mich immer noch kein Widerling. Er sorgt sich um seine Kinder, er liebt seine Freundin.
Ich will jetzt auch nicht zu ausführlich werden, aber das Bild mit der Uhr ist mir noch wichtig.
Dylans Uhr lag noch darauf, sie nahm sie in die Hand und roch daran. Ein Hauch von schalem Tabak und Männerschweiß. Auf der Rückseite entdeckte sie eine Gravur.
Das ist zumindest unglücklich. Eine kalte, glatte Uhr trägt doch keinen Geruch. Den Gedanken dahinter findet ich sehr gut - den Geliebten mit seinem Geruch noch einmal ganz in sich aufzunehmen. Sie sollte aber sein T-Shirt oder ein anderes Kleidungsstück nehmen. Das wäre glaubhafter. Der Geruch - da liegst du vollkommen richtig, ist für alle Lebewesen bedeutungsvoll. Ich erinnere noch, dass ich meinem Hund auf Anraten eine Fachmannes ein altes T-Shirt mitgegeben habe, als er zum ersten Mal während eines Urlaubs in die Hundepension kam. (Habe ich übrigens nie wieder gemacht - das mit der Pension).
Eine Sache noch zum Schluß. Hüte dich vor Klischees. Dass das kleine Theater einem großen Multiplex und ein paar Boutiquen weichen muss, finde ich zu abgegriffen. In meiner Stadt müssen die freien Theater manchmal aufgeben, weil sie keine Förderung mehr bekommen. Das ist oft traurig und willkürlich und hängt manchmal einfach mit Animositäten in der Theaterszene zusammen. Ich glaube so eine Schleife wäre spannender.
Ohnehin glaube ich, dass du aus dem Theater noch mehr hättest machen können. Die Leute, die sich da, oft für einen Hungerlohn, die Seele aus dem Hals spielen, bieten Stoff für tausend Geschichten.

Hier soll Schluss sein. Ich hoffe, ich habe nicht zu viel kritisiert. Wie gesagt - es ist meine Premiere.
Grüße von
Ragnar

 

Ja, das ist eine Crux mit der vielfältigen Abhängigkeit heutigentags, von den sozialen (kollektiven) Zwängen bis hinab zu den individuellen (psychischen und physischen) Abhängigkeiten und dem meist vergeblichen Versuch, durch legale wie gesellschaftlich nicht erwünschte Drogen das reale und / oder vermeintliche Elend zu verdrängen und dann erst recht in einen Teufelskreis zu geraten, der das ganze Elend nur noch verstärkt und aus dem man i. d. R. ohne fremde Hilfe nicht mehr herauskommt, nicht jede(r) Dylan erzwingt den Ausbruch, und wenns zu Beginn heißt, dass

…, nur die Zigarettenspitze […] rot wie ein Hoffnungsschimmer [glühte],
also ein R a u s c h m i t t e l Hoffnung vorgaukelt, so endet die Geschichte, wie sie begonnen mit einer Zigarette
Er zündete die Zigarette an und beobachtete die rotglühende Spitze –
nun aber eher desillusioniert und ohne Hoffnung, wobei die allgemeine Situation Dylans es durchaus wahrscheinlich sein lässt, dass entgegenRagnars Meinung die Kippe tatsächlich sowohl in eine Pfütze geworfen und reflexartig ausgetreten wird. Abhängige sind selten rationalgesteuert.

Hallo Trip –

zwar heißt es grammatisch korrekt „der“ Trip(p), aber aufgrund Deiner zwo Geschichten, die ich bisher lesen durfte, vermute ich eher ein biologisch anderes Geschlecht dahinter versteckt, und da wäre es schwieriger für Dich als im Erstling, sich in den Prot hineinzuversetzen – was Dir m. E. durchaus gelungen ist.

Einiges zum Handwerklichen, wie Zeichensetzung! Hier ist die wörtl. Rede in einen umfassenderen Satz eingebettet, darum setzt das Fragezeichen nicht den Schlusspunkt

„Willst du mitfahren?“[,] fragte sie leise. / „Was hast du jetzt vor?“[,] fragte Anne.
Hier nun ist ein Komma zwischen gleichrangigen Adjektiven zu setzen
In einer kleinen[,] verrauchten Eckkneipe saßen …
(kannstu am besten feststellen, wenn Du die Komma-befreiende Regel einsetzt einer Konjunktion wie und oder oder …, also etwa hier
In einer kleinen [und] verrauchten Eckkneipe saßen …
Sollte ein Adjektiv das andere verstärken (also vom andern abhängig sein) funktioniert die Probe nicht mehr, z. B.
In einer kleinen[, sehr/mächtig/u. a.] verrauchten Eckkneipe saßen …

Auch alte Rechtschreibung (die nun durchaus nicht falsch ist - wie schon bei Joshuas Haus angedeutet – nur eben nicht so ganz richtig mehr. Die Neuerung ist aber sinnvoll hinsichtlich der Betonung, ob kurz – doppel-s - oder gedehnt –ß; Beispiel Fuß und Fluss)
„Du mußt dir helfen lassen.“
Besser: muss
Und gleich: dass
„Sie wollen immer, daß man redet.
(Weiter unten hab ich dann erkannt, dass die neue Regel durchaus bekannt sein muss – oder?, und zwar ausgerechnet an einem Fehler, also in einem Moment der Flüchtigkeit oder abgelenkt seins,
Anne weiß, dass ich hier bin.
Besser: das
aber auch hier beim
Schuss Milch
(alt: Schuß, das heute [’ʃu:s] ausgesprochen werden müsste) …
Einmal müsstestu in Zwiespalt Ein- oder Mehrzahl geraten sein
Auf dem Tisch stand eine geöffnete Flasche Wein und zwei benutzte Gläser.
Besser Plural „standen“ drei Teile, die zusammengehören: Flasche + Gläser

Ein besonderes Problem der Wahrnehmung taucht hier auf

Ein Muskel zuckte auf seiner Wange, …
Ob ein tic (automatisches Zucken) sich an einem einzelnen Gesichtsmuskel festmachen lässt wie etwa am Auge, ist eher unwahrscheinlich, aber mir fällt da außer einer ein wenig erweiterten kürzesten Fassung (sein Gesicht zuckte [nervös]) nix besseres ein.

Gruß

Friedel

PS: Um ein Haar wäre mir das härteste grammatische Problem im Deutschen durchgegangen, wahrscheinlich, weil ich Frisöre selten an meinen Kopf lass und sie für Barbaren halte (daher das frz. Lehnwort für sie: Barbier, wenn über Dylans Haar gesprochen wird – übrigens für mich noch ein Beleg meiner These, zum eingangs erwähnten Widerstreit zwischen grammatischem und biologischem Geschlecht:

Es wurde allmählich zu lang, er musste es wieder schneiden lassen.
Und weiter unten, wobei das Ende des Zitates eigentlich schon zeigt, dass Du den Konjunktiv (zumindest als indirekte Rede) durchaus beherrscht,
Er hatte Anne nicht gesehen, aber er nahm an, da[ss] sie bald nach Hause kam. … Am Anfang hatte er geglaubt, es mache ihm nichts aus,
wenn hier der Indikativ (Wirklichkeitsform, hier hieße es dann: „machte ihm nichts aus“) verlassen wird und durch den Konjunktiv I (Möglichkeitsform, hier: „mache ihm …“) ersetzt wird. Sagen wir es so: Dass er die Haare schneiden lassen müss(t)e hastu nicht so sehr nach seiner Anschauung (dann wär’s zumindest indirekte Rede („er müsse es wieder …), die seine, Dylans, Meinung wiedergibt (alternativ wäre da narürlich die wörtliche Rede einzusetzen, was aber – aus meiner Sicht – arg absurd wäre. Um es deutlich zu machen: Wer sitzt in der Scheiße und redet sich das Haareschneiden ein und ärgert sich über seinen kreisrunden Haarhausfall? Da empfiehlt sich auf jeden Fall der Konjunktiv irrealis (Konj. II), während in seiner „Annahme“ unten seine Erfahrung spricht, spricht oben die gesellschaftliche Norm. Besser ist also m. E.
Es wurde allmählich zu lang, er [müsste / altern.: sollte] es wieder schneiden lassen.
&
Er hatte Anne nicht gesehen, aber er nahm an, da[ss] sie bald nach Hause [komme].

 

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