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Replika

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21.04.2014
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Replika

Ich stand etwas abseits, unter einer kahlen Eiche, deren Äste mit Raureif überzogen waren, und zuckte zusammen, als Krähen hinter mir davonstoben. Es roch nach Schnee und nasser Erde. Blassrote Schlieren am Himmel wie Narben von Peitschenhieben.
Die Grabrede des Pfarrers war nicht zu hören – ganz gleich, wie sehr ich mich auch konzentrierte. Meine Hände spürte ich kaum mehr, ballte sie zu Fäusten, pustete hinein und suchte die Trauergemeinde nach bekannten Gesichtern ab. Ich fragte mich, ob ich den Mann wiedererkennen würde, der inzwischen in seinem bitterkalten Loch lag, und musste an diesen Film denken: 'Fireman', nein, 'Backdraft – Männer, die durchs Feuer gehen'.

Die Sonne war gut gelaunt, strahlte mit mir um die Wette und verwandelte den Mittwoch in einen echten Sommertag. Mutter hatte Eintrittskarten besorgt, ich durfte die Schule schwänzen, und wir feierten meinen Geburtstag in einem Freizeitpark.
Wenn ich in der Achterbahn an ihr vorbeisauste – Tränen vom Fahrtwind in den Augen –, riss sie die Hände nach oben, rief laut meinen Namen und johlte.
Am Abend sollte ich ihr eine weitere Flasche Wein aus dem Keller holen, da fand ich ein Polaroid in einer Schuhschachtel. Ein Mann war darauf zu sehen. Grübchen auf dem Kinn, schwarzes Haar – offenkundig schwer zu bändigen – und rote Augen, als blickte er nicht auf das Objektiv der Kamera, sondern in ein glühendes Inferno. Wie ein Firefighter in Amerika, der Buschbrände bekämpfte oder Feuersbrünste in New York. Einer der 'Männer, die durchs Feuer gehen'. 'Backdraft', der Film hatte mich damals gefesselt und wir Jungs unterhielten uns oft in der Schule darüber.
Als ich meiner Mutter das Foto zeigte, riss sie es mir aus der Hand, zerfetzte es und warf es in den Abfall.

Meine Zehen wurden taub, ich rieb sie am glatten Leder der Einlegesohlen. Mir war nach einer Zigarette, ich hatte genug von all dem hier – was sollte das auch bringen! Ein Mann löste sich aus der Gruppe und steuerte auf mich zu. Wie ein Signal zum Aufbruch war das. Ich wandte mich ab und marschierte Richtung Ausgang, trat durchs rostzerfressene Tor, steckte mir eine an und hielt auf die nächste Haltestelle zu.
»Jorma?«
Ich drehte mich um. Der Mann stieß Dampf aus wie eine alte Maschine, hielt die Hände in den Hüften und sagte: »Du bist es, oder?«
Ich nahm noch einen Zug, schmiss die Kippe zu Boden und drückte sie mit dem Absatz aus. »Wer will das wissen?«
Er pumpte noch ein-, zweimal nach Luft. »Dieselbe Statur wie dein Vater.« Er lächelte. »Als er in deinem Alter war, versteht sich.«
Was ich erst für einen Leberfleck neben dem rechten Auge gehalten hatte, entpuppte sich nun – bei näherem Hinsehen – als eintätowierte Spinne.
»Und du siehst ihm verdammt ähnlich«, sagte er. »Bei Gott! Wirklich wahr!« Er streckte mir die Hand entgegen. »Ich bin der Harald. Hab' dir geschrieben.« Die Spinne begann zu tanzen, während sein Lächeln noch breiter wurde.

Am dunklen Tresen saßen nur wir beide, John Coltrane blies im Hintergrund das Sopransaxofon.
»Pils?«, fragte Harald.
»Wasser, wenn es hier so was überhaupt gibt.«
Seine Stirn legte sich in Falten, ich zuckte mit den Schultern. Dann lächelte er. »Das hier war eine der Stammkneipen deines Vaters.«
Harald bestellte, ich sah mich um. Rauchschwaden hingen in der Luft, vergilbte Film- und Konzertplakate zierten die Wände. Das Mobiliar sah aus, als sei es Stück für Stück zusammengetragen worden, vielleicht vom Sperrmüll – so wie die Gäste hier.
»Nett«, sagte ich, Coltrane setzte zum 'Olé' an.
»Wie geht es deiner Mutter?«, fragte Harald, Schaum vom Bier hing an seiner Oberlippe. Er wischte ihn mit dem Jeansärmel ab und schob das Wasser in meine Richtung.
»Die kennen Sie auch?«
»Du.«
Ich stutzte.
»Sag doch du zu mir – also Harald, okay? Lass einfach diese Siezerei-Scheiße.«
»Alles klar. Harald, ja?« Wir stießen an.
Er spitzte den Mund und nickte kaum merklich. »Also, ich kenne sie nicht persönlich, deine Mutter, aber dein Vater hat von ihr erzählt.«
»Und du kanntest meinen Vater ... woher? Aus dem Knast?«
Die Spinne tanzte wieder. »Nein, nein.« Er winkte ab. »Alte Freunde.«
»So«, sagte ich. »Alte Freunde.«
»Das will ich meinen.«
Das Wasser war lauwarm, schmeckte nach Eisen. Ich spuckte es ins Glas zurück, winkte den Wirt herbei und bestellte ein Export. »Ich hatte mal ein zerfleddertes Foto von ihm.« Mein Blick wanderte wieder zur Spinne, ich konnte mich nicht dagegen wehren.
»Deinem Vater?«
Ich nickte. »Hab' es oft heimlich angesehen. Im Bett. Als ich noch klein war.« Meine Finger tasteten nach der Zigarettenschachtel in der Jackentasche. »Mutter hat's zerrissen und ich hab’s aus dem Müll gefischt. Mit Tesa zusammengeklebt. Mann! Wenn ich sie im Flur gehört hab' ... Das Foto war dann so was von schnell unter der Decke.« Ich zündete mir eine Kippe an, Rauch stieg auf, ich kniff ein Auge zusammen. »Richtig Herzrasen hatte ich. Und immer das Gefühl, was falsch gemacht zu haben.«
Harald stützte sein Kinn auf die Hand, mit der anderen ließ er die Biertulpe um die eigene Achse drehen.
»Manchmal hat sie gesagt: Du bist wie dein Alter.« Ich schüttelte den Kopf. »Konnte nicht wirklich was damit anfangen, Sie verstehen, warum – du verstehst, warum. Und als ich sie letzte Woche im Heim besuche, sagt sie echt, sie wär’ stolz auf mich.« Ich lachte kurz auf. »Naja, sie wird's beim nächsten Mal vergessen haben. Vergisst alles. Alzheimer.«
»Hm. Das tut mir leid«, sagte Harald.
»Das muss es nicht.«
»Thorsten hat auch seinen Alten verloren – deinen Opa. Allerdings durch einen Unfall, da war er noch kaum auf der Welt. Ich weiß nicht, ich hatte manchmal das Gefühl, er wär’ nie darüber hinweggekommen.«
Ich schnaubte. »Wie kann man was vermissen, das man kaum kennt?«
»Keine Ahnung«, sagte Harald, »war halt so ein Gefühl.«

Mir war Osteuropa gut vertraut, ich war in China unterwegs und im Urlaub schon sonst wo, aber Berlin hatte ich nie zuvor besucht. Dabei kannte ich die meisten Großstädte Deutschlands recht gut – das brachte der Job so mit sich. Ausgerechnet die Beerdigung meines Phantom-Vaters führte mich hin – ich hatte gleich mehrere Übernachtungen eingeplant. Wollte mir eine Auszeit gönnen, wusste nicht, was die ganze Geschichte mit mir machen würde. Also war ich damit einverstanden gewesen, mich ein weiteres Mal mit Harald zu treffen. »Ich hab' da noch was, das dich interessieren wird«, hatte er gesagt und ein Café zwischen Berliner Dom, der Alten National- und Gemäldegalerie vorgeschlagen. Vielleicht mochte ich ja Museen, hatte er auf meine hochgezogene Augenbraue erwidert und ins Schwarze getroffen. Das Pergamonmuseum interessierte mich. Vor allem die Rekonstruktionen – Markttor von Milet, die Mschatta-Fassade – , die Statuen.

Das Fenster des Cafés reichte bis zum Boden. Ich beobachte das Treiben ringsum, löffelte Milchschaum und gabelte Kuchen in mich rein. Eine Frau mit eisengrauem Dutt raschelte mit der Zeitung, hinter mir zischte die Siebträgermaschine und ich genoss den Duft nach Kaffee.
Klassisch in Schwarz – Ringelhemd, weiße Handschuhe und Barrett – heftete sich ein Pantomime draußen an die Fersen der Fußgänger. Einen Mittfünfziger im Businessmantel spiegelte er präzise wider. Der Imitierte blieb stehen, sah auf seine Armbanduhr und der Mime rempelte ihn von hinten an.
»Jorma?«
Der Teelöffel fiel mir aus der Hand und fiel klappernd auf die Untertasse. Die Frau mit Dutt blitzte mich über die Schulter hinweg an. »Entschuldigung«, sagte ich, dann: »Harald.« Der sah mir fragend in die Augen, ich erhob mich und reichte ihm die Hand, deutete mit der anderen eine einladende Geste an.
»Alles in Ordnung?«
Ich nickte. »Ja, klar, alles gut.« Dann setzten wir uns.
»Okay.« Er lehnte sich im Stuhl zurück. »Haste Lust auf Biedermeier? Was Zeitgenössisches?« Harald ließ den Blick umherschweifen, der Laden war geschmackvoll aus- und eingerichtet. Kleine Details, in Anlehnung ägyptischer Kultur hier und da. »Wir wär's mit Antike?«
»Nimm's nicht persönlich«, ich tupfte mir den Mund mit einer Serviette ab, schob den leeren Kuchenteller an den Tischrand, »aber, dass du so ein Kunstmensch bist, hätte ich ehrlich gesagt nicht vermutet.«
Sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, wieder schlug mich die Spinne in ihren Bann. »Tja, manchmal steckt eben mehr in Menschen, als man glaubt. Stimmt's?«
»Die Spinne«, sagte ich und nickte in die Richtung.
Harald traf sie exakt mit dem Zeigefinger und kniff kaum merklich das Auge zusammen. »Die? Sie erinnert mich an ein anderes Leben. Jedes Mal, wenn ich in den Spiegel sehe.«
»Verstehe.« Ich nickte. »Was willst du trinken?«
Harald kramte in seinen Hosentaschen und legte einen Schlüsselbund auf den Tisch, ein billig aussehender silberner Totenschädel hing daran. »Wir können auch gleich aufbrechen.«
»Was ist das?«
»Ich hab' einen Zweitschlüssel von Thorstens Wohnung. Ich dachte ... Vielleicht willst du mal sehen, wie dein alter Herr so gehaust hat, bevor sie die Bude ausräumen.«
Die Schlüssel lagen vor uns – die Bedienung trat an den Tisch – und ich fragte mich, welcher wohl in die Wohnungstür meines Vaters passte. »Zahlen, bitte.«
Harald spitzte die Lippen, griff nach den Schlüsseln und steckte sie ein.

Keine Hochglanzfassade – roter Backsteinklinker, aufgesprühte Schriftzüge –, ein Wohnhaus, wie es für Berlin wohl typisch ist. Vaters Reich befand sich im zweiten Obergeschoss. Der Name ‘Bode’ neben dem Klingelknopf irritierte mich.
Harald schloss die schwere Holztür auf und verschwand im Inneren. Ich folgte nicht gleich.
»Na, was denn? Kommst du?« Er stand wieder im Türrahmen.
»Ich weiß nicht. Was soll ich hier?«
Harald gab den Weg frei, verbeugte sich leicht und machte eine Geste, wie sie ein Hotelboy machen würde. Ich schüttelte den Kopf, trat aber ein.
»Na, also«, sagte er und klopfte mir von hinten auf die Schulter, »war doch gar nicht so schwer.«
Der Flur war hell. Abgeschliffener, geölter Dielenboden, hohe Decke, Stuckrosette und Industrielampe. An der Wand hingen Banksy Kunstdrucke – ‘Follow your dreams’, ‘Don’t forget to eat your lunch’.
Harald ging voraus, Richtung Küche. Ich setzte behutsam einen Fuß vor den anderen, sah nach rechts ins Wohnzimmer. Die antikbraune Ledercouch hatte schon bessere Tage gesehen, Bücherregale gaben kaum was von der Wand frei. Links das Schlafzimmer, Holzbett – vermutlich selbstgezimmert –, weißer Bauernschrank, floral bemalt.
In der Küche saß Harald bereits am kleinen Tisch. »Und?«
»Nett«, sagte ich.
»Setz dich doch, oder sieh dich um – irgendwas.«
»Hör zu, mir kommt das irgendwie nicht richtig vor, okay. Er hat meine Mutter geschwängert, hat einen umgelegt und das war’s dann. Ich hab’ den Mann nie kennengelernt und hier ist nichts, das irgendwas mit mir zu tun hätte. Außer dem Namen an der Tür vielleicht. Also ...«
»Warte mal einen Moment, ja?«
Ich schnaubte, setzte mich aber. Harald verschwand im Wohn-, gleich darauf im Schlafzimmer und kehrte mit ein paar eingerahmten Fotografien zurück, die er vor mir auf den Tisch drapierte. Da war ich, vielleicht drei Jahre alt und kickte gegen einen dieser aufblasbaren Wasserbälle mit Regenbogenmuster. Ein Klassenfoto daneben, kurz nach der Einschulung aufgenommen – ich konnte mich gut an die Schultüte erinnern, die ich zusammen mit meiner Mutter gebastelt hatte. Ein Foto von ihr war auch zu sehen. Eine noch kinderlose Frau strahlte in die Kamera. Sie war jung. Blonde Haarsträhnen und ein blaues Tuch um ihren schmalen Hals wehten wie Gebetsfahnen im Wind. Graue Gischt im Hintergrund, der Himmel wie aus Marmor.
»Woher hat er die?«
»Von deiner Mutter, schätze ich.«
»Das glaub’ ich nicht.«
Harald zuckte mit den Achseln.
Ich stapelte die Bilder zu einem schiefen Turm auf und schob ihn in die Tischmitte. »Was hat er eigentlich gemacht?«
Harald runzelte die Stirn.
»Nachdem er rauskam, meine ich.«
»Hat einen Job bei der Stadt bekommen. Straßendienst, Grünarbeiten und so.«
»Und du? Was machst du so – beruflich?«
»Bin ein waschechter Berliner Taxler und Ex-Fernfahrer.«
Ich nickte.
»Ich hab’ deinen Namen gegoogelt. Spedition Bode. Bist du das?«
»Spedition und Großhandel, ja, das bin wohl ich.«
»Hast es zu was gebracht, hm?« Harald sah auf meine Cartier am Handgelenk.

***​

Man nannte mich 'der Finne', klar, wegen 'Jorma', und tatsächlich hatte ich einen finnischen Urgroßvater, der genauso hieß. Ich spreche allerdings weder die Sprache, noch habe ich das Land je besucht. Schon Mutter verstand kein Suomi mehr.
‘Finnische Ware’ bedeutete für meine Abnehmer: gute Qualität, unter falschem Label, zu einem fairen Preis. Die Hersteller saßen in Indien, Afrika und China. Ich bevorzugte die Chinesen. Die dachten so: Wer wenig Geld hatte, bekam Schrott. Wer mehr hinblätterte, bekam auch ordentliche Ware. Und die Chinesen liebten Geld ebenso wie ich.
Ich hatte Schrott auf Flohmärkten und Kleiderbörsen verkauft, einiges auf eBay. Dem Verbraucher ging es ausschließlich um die Marke – Material und Verarbeitung waren ihm egal. Heuer belieferte ich, neben Auftragsbestellungen, sogar Einzelhändler. Die achteten auf Qualität und die bekamen sie halt auch, und wenngleich meine Gewinnmarge nicht mehr wie früher bei dreihundert, sondern nur noch um die zweihundert Prozent lag, ich hatte es vom Kleindealer zum Großhändler und Spediteur gebracht und gutes Geld damit verdient. War sogar lukrativer, als mit Drogen zu dealen, und niemand konnte sagen: Der da hatte seine Million mit Rauschgift gemacht. Höchstens: Der da hatte sie mit Klamotten und Taschen eingefahren. War schon ein großer Unterschied. Wer auf gefälschte Mode umstieg, veränderte sein ganzes Leben. Er musste nicht fürchten, bei Revierkämpfen eine Kugel einzufangen, und wenn man ihn erwischte, fuhr er höchstens für ein paar Jährchen ein.

Harald hatte mir mehrere Mails geschickt, noch einen Brief geschrieben. Wie hätte ich anders können, als ihn einzustellen? Die Schnauze voll von Taxen, Berlin, dem ganzen Scheiß um sich herum, hatte er darin zum Ausdruck gebracht. Er wollte neu anfangen, und ich respektierte das, mir war klar gewesen, dass sich da einer an mich ranmachte, der den Tod meines Alten dazu benutzt hatte. Aber hey, etwas am Schopf ergreifen war ja auch mein Ding. Wie gesagt, ich respektierte das und besorgte ihm sogar eine Bleibe für den Anfang.
»Hier holst du den Container, und da«, mein Finger wanderte zu der Adresse auf dem Schriftstück, »fährst du den Kram hin.«
»Kann ich ... Ärger bekommen?«, fragte er.
Ich runzelte die Stirn, einer meiner MAN fuhr heran, der Fahrer hupte, ich hob die Hand zum Gruß. »Wieso solltest du?« Die Papiere rutschten mir aus der Hand, ich stöhnte, als ich mich danach bückte, hob sie auf und ließ Harald erneut reinsehen. »Die Fabrik hier, nein, ich spreche das jetzt nicht aus, jedenfalls aus Zhengzhou«, er lachte auf, »liefert bestellte Ware an diese Firma in Marsdorf. Clemens August Heckmann heißt der Unternehmer. Meine Spedition hat dazu den Auftrag erhalten, und du, Harald, fährst nur den Laster. Wo liegt das Problem?«
»Kein Problem, ich dachte nur ... Keine Ahnung, ich hab’ hier ein bisschen was mitbekommen, und ...«
»Mach dir nicht so viele Gedanken, okay? Dir wird nichts passieren.«

Harald wuchs mir ans Herz, ja, hätte ich anders nicht sagen können. Er hatte sogar meine Mutter besucht und sie zum Lachen gebracht. Meine Mutter und Lachen. Keine Ahnung, wie er das geschafft hatte, Mutter übrigens auch nicht. Die konnte sich natürlich an nichts mehr erinnern.
Ich erzählte Harald bald, wie ich mich von ganz unten hochgearbeitet, ein Unternehmen gegründet hatte; dreißig, vierzig Mitarbeiter, zudem mehrere Firmen, auch wenn sie nicht immer auf mich eingetragen waren.
»Clemens August Heckmann?« Ich lachte. »Schau mal auf Wikipedia. War ein Verwaltungsarsch, längst verbuddelt.«
Er sprach über meinen Vater, wie ihn der Knast verändert hatte, dass er nach der Entlassung so was wie ein Geläuterter gewesen sei. Ich hörte mir das alles an, aber eigentlich interessierte es mich nicht.
»Sag mir, warum hat er den Mann umgelegt, Harald, hm? Hätte er ihm nicht ins Knie schießen können oder so was?«
»Ich weiß nicht. Der Mann stand halt zufällig zwischen Thorsten und dem, was er sich erhofft hat.«
»Und dafür einfach abknallen? Mann! Wusstest du, dass der Feuerwehrmann war? Der wollte ihn halt aufhalten. Muss man sich dafür gleich den Kopf wegschießen lassen? Ich versteh’s nicht.«
Harald hob nur die Schultern. Mein Blick war auf die Spinne gerichtet, sie blieb völlig regungslos.

Harald fuhr bald nicht mehr im Dreißigtonner, sondern neben mir im Benz. Er trug weiße oder schwarze Hemden – kein Denim, kein Fake, echte Ware – und seit Neuestem so eine lächerliche Texas-Krawatte, ein Bolotie, auf dessen Brosche ein silberfarbener Stern strahlte. Na ja, ihm gefiel das eben.
Er flippte schier aus, als ich ihn mit nach Hongkong einlud, auch wenn ich ihm klar gemacht hatte, dass kaum Zeit für eine Besichtigungstour sein würde. Es ging um eine größere Sache, ich kaufte Waren im Wert von dreihunderttausend Dollar ein. Harald war nicht nur bei den Vorgesprächen, sondern auch in der Sauna mit dabei. Immerhin musste ich dort die Schnürsenkel-Krawatte nicht ertragen. Wenn er wenigstens waschechter Texaner gewesen wäre. Egal. Details besprachen Chinesen jedenfalls stets in der Sauna, und mir gefiel das, ich mochte Saunen, schließlich war ich ja auch ‘der Finne’.
Der Deal wurde abgeschlossen. Hochwertige No-Name-Taschen, edle No-Name-Schuhe. Lief wie am Schnürchen.
Das nächste Geschäftsgespräch führten wir gleich am darauffolgenden Abend im hoteleigenem Dampfbad – dort ging es um Labels: Gucci, Prada. Der Mann verlangte zu viel, letztendlich einigten wir uns dann aber doch. Sogar die Strichcodes waren perfekt, ich musste einfach zuschlagen.
Zurück in Deutschland wurde gefeiert. Nur die engsten Mitarbeiter. Ich ließ mich nicht lumpen, es gab Schampus, Langusten, französischen Wein – und leichte Mädchen.
In der Bar fragte Harald: »Wieso hast du eigentlich keine Frau an deiner Seite?«
Ich drückte die Brünette in schwarzen Seidenstrümpfen noch enger an mich heran: »Hab ich doch!«
»Nein, du weißt schon.«
»Ich hab’s einfach nicht so mit Frauen, okay?«
Etwas gefror in Haralds Gesicht, er sah beinahe so ausdruckslos aus wie eine dieser Statuen im Museum. Dann verstand ich, lachte auf und schlug ihm aufs Knie; die Mädchen kicherten. »Nicht so wie du meinst, Mann! Ich bin kein Beziehungsmensch, wollte ich sagen.«

Und dann der Samstag. Alles war unter Dach und Fach und verkauft und überhaupt. Die Gewinnmarge lag nicht wie sonst bei etwa zweihundert, sondern dreihundert Prozent! Ich hatte mich in Schale geworfen, stolzierte leichtfüßig übers Firmengelände und rief Harald ins Büro.
»Hier«, sagte ich, der Umschlag war prall gefüllt, »dein Anteil. Gönn’ dir mal was Schönes!« Ich schob ihn Harald in die Innentasche des Sakkos, dann trat ich einen Schritt zurück. »Oh Mann! Jetzt vermisse ich doch tatsächlich schon deine Scheiß-Krawatte. Ist das zu glauben?« Ich prustete los, doch er verzog keine Miene, griff nach der Kohle und schmiss sie auf den Schreibtisch.
»Ich will dein Scheiß-Geld nicht, okay!«
Mir stand der Mund offen, ich schüttelte den Kopf, Harald drehte sich um und verschwand. »Hey!«, rief ich ihm noch nach, dann kreischten Bremsen und Blaulicht flackerte durch mein Büro.

Die Akte vor ihnen war dick, sie zeigten mir Videos: Lagerhäuser, Geschäftspartner, Waren, Labels. Auch von den Chinesen, die mich nicht gleich ernst genommen hatten, ein spöttisches Grinsen hier, eine gönnerhafte Geste da – mir fiel das erst jetzt auf, während ich mich selbst und die Asiaten auf einem Tablet betrachtete. Und all das aus einer kindlichen Perspektive heraus, als könnte ich die Filmszenen aus den Augen eines Sohnes oder einer Tochter mitansehen. Dann kapierte ich, die Scheiß-Krawatte! Der lächerliche Halsschmuck!
Ich hätte auf meinen Anwalt warten sollen, ich wusste das, konnte aber nicht widerstehen. »Fünfhundert Milliarden werden jährlich auf dem Schwarzmarkt umgesetzt, ich bin da bloß ein kleines Licht. Und«, ich legte die Hände auf den Tisch, die Handschellen klirrten, »ich hab’ niemandem wehgetan. Im Gegenteil.«
»Der Schwarzmarkt ist parasitär, ich muss da kotzen! Wissen Sie, wie viel Steuereinnahmen dadurch verloren gehen? Was das ihn«, der Scheiß-Beamte zeigte auf Harald, »und mich kostet?«
»Dreiunddreißig Angestellte arbeiten für mich. Alle zahlen Steuern, alle haben ein Auskommen, bestellen Kram im Internet und gehen bei Aldi einkaufen – oder bei Prada.« Ich zwinkerte den Männern zu.
Der Beamte schüttelte den Kopf, erhob sich und ging Richtung Tür, Harald, wenn er überhaupt so hieß, im Schlepptau.
»Hey!«, sagte ich.
Harald drehte sich um, den Mund wieder lächerlich zugespitzt.
»Eine Frage noch, Scheißkerl!« Ich trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Kanntest du meinen Vater überhaupt?«
Der Judas erwiderte nichts, nur die Spinne regte sich.

 

Wer auf gefälschte Mode umstieg, veränderte sein ganzes Leben. Er musste nicht fürchten, bei Revierkämpfen eine Kugel einzufangen, und wenn man ihn erwischte, fuhr er höchstens für ein paar Jährchen ein.

Hy hell,

feine Geschichte, die ich zum Deibel komm raus nicht nacherzählen werde (was ich eh nicht täte, weißte ja), nur so viel, dass Tausch und Täuschung Q-Säng und Q-Sine sind und Unrecht gut gedeuhet kaum und Liegen haben kurze Beine - womit wir zu den anfänglichen Schwächeanfällen kommen - nicht der Erzählung, sondern der eigenen Konzentration. Flüchtigkeit vermut ich mal -

wie hier z. B., wenn die Konjunktion das Komma ganz hervorragend vertritt

Die Sonne war gut gelaunt, strahlte mit mir um die Wette[...] und verwandelte den Mittwoch in einen echten Sommertag.
und die aufzählung weitergeführt wird.

Mein Vater war darauf zu sehen. Ein streng geschnittener Mann, ...
Geschnitten? Modisch - oder vom Körpermodell her?

Er pumpte noch ein, zwei mal ...
"ein-, zweimal"

Hier wird der Punkt vergessen

»Die selbe Statur wie dein Vater«
Als ich noch klen war.« ... ich hab’s aber aus dem Mül gefischt und mit Tesa zusammengeklebt.
kleen (Dialekt?) oder besser klein, dann noch Müll

Gezeitenwechsel Prät - Präs - Prät ...

Das Fenster des Cafés reichte bis zum Boden. Ich beobachte das Treiben ringsum, löffele Milchschaum und gabelte Kuchen in mich rein.

..., die Tätowierung am Auge hüpfte auf uns ab:
da werden wir uns aber bedanken, besser "und"

Gern gelesen vom

Friedel

 

Friedel, was bist du schnell! Ich bin echt beeindruckt :).


Flüchtigkeit vermut ich mal
Vermutlich schon, ach, ärgert mich immer wieder aufs Neue, aber gut.
Hab' dein Korrektorat soweit übernommen - über den "streng geschnittenen Mann" muss ich noch ein wenig nachdenken. Ist ein wenig manieriert, ich weiß. Na ja ... mal sehen, was ich daraus mache.

... feine Geschichte ...
Gern gelesen vom Friedel
Das freut mich schon mal. Schön, das gleich im ersten Komm lesen zu dürfen!


Lieber Friedel, herzlichen Dank für deinen Blitzbesuch!
Hat mich sehr gefreut, hast schon mal weitergeholfen und überhaupt ...


Lieber Gruß


hell

 

Hallo, hell

Auch mir sind einige Flüchtigkeitsfehler aufgefallen. Da ich die Geschichte im ersten Schritt verschlungen (!) habe, muss ich jetzt nochmal suchen, also kein Anspruch auf Vollständigkeit. Bitte schaue selbst nochmal drauf.

»Wie geht es deiner Mutter«,

Hier gehört doch ein Fragezeichen hin.

Wenn ich sie im Flur hörte ... Steckte es so was von schnell unter die Decke.«

Hier würde ich das „steckte“ klein schreiben.

Harald hatte mir mehrere Mails geschickt., noch einen Brief geschrieben.

Weg mit dem Punkt in der Mitte des Satzes.

»Fünfhundertmilliarden werden jährlich auf dem Schwarzmarkt umgesetzt,

„Fünfhundert Milliarden“, das fände ich persönlich schöner.

Wie gesagt, habe die Geschichte verschlungen, ließ sich sehr gut lesen, hatte für mich auch viele überraschende Wendungen. Der Prot war hervorragend in Szene gesetzt, baute sich langsam auf vom verletzten Jungen zum Gangster – cool.

Den streng geschnittenen Mann finde ich übrigens auch cool. Ich musste auch eine Weile darüber nachdenken, v.a., weil seine Haare wohl im Widerspruch dazu stehen, aber ich fand das dann doch sehr griffig, konnte mir viel darunter vorstellen. Ich an Deiner Stelle würde das so lassen.

Man nannte mich 'der Finne', klar, wegen 'Jorma', und tatsächlich hatte ich einen finnischen Urgroßvater, der genauso hieß. (...) Er musste nicht fürchten, bei Revierkämpfen eine Kugel einzufangen, und wenn man ihn erwischte, fuhr er höchstens für ein paar Jährchen ein.

Lediglich dieser Absatz, ich weiß nicht, der hat mich etwas rausgebracht. Der hängt da so außerhalb der Handlung in der Schwebe, passt irgendwie vorne und hinten nicht rein. Andererseits sind das natürlich wichtige Informationen. Aber vielleicht fällt Dir etwas ein, um das besser zu integrieren. Ich bin selbst zu viel Anfängerin, um da irgendwelche Tipps geben zu können. Lediglich meine Leseeindrücke kann ich hier raushauen. :D

Am Ende habe ich irgendwie erwartet, dass man Jorma doch nichts kann, weil schließlich alles Wichtige in der Sauna besprochen wurde – und da war die Krawatte schließlich nicht dabei. Aber vielleicht habe ich das mit der Sauna überinterpretiert … Oder Du wolltest es offen lassen?

Aber wie gesagt, sehr gerne gelesen. Nochmal gründlich Korrektur lesen, das könnte sich lohnen. ;)

Replizierte Grüße,
Maria

 
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Bonjour Monsieur hell,

das war heut früh mal ein deja vu. Ich habe mal früher eine Geschichte ähnlich begonnen. Nur war eine Frau die Protagonistin, aber auch sie besucht die Beerdigung des Vaters und setzt sich mit ihrer Vergangenheit auseinander. Aber entweder war ich gebunden an meine Erwartungen oder es ist tatsächlich so, dass du das so unerwartet und wendungsreich hinkriegst. Mit den Entwicklungen in deiner Geschichte hab ich nicht gerechnet. So ein Filou ein dreister, der Harry. Mehr will ich nicht veraten, sonst ists ja verraten.

Ich finde die Geschichte sehr spannend und hab mich heut früh wahnsinnig gefreut, hab ich mir doch erst kürzlich zum Geburtstag wieder eine Geschichte von dir gewünscht. Also das nenn ich doch mal Wunscherfüllung. Dafür ein dickes Dankeschön. Es hat richtig Spaß gemacht, sie zu lesen.
Sie gefällt mir gut, die Geschcihte. Spannend, wie gesagt, in den Charakteren gut vorstellbar und plastisch. Ich mochte die Idee mit dem Spinnentattoo sehr.

Ansonsten schreib ich mal ins Blaue, dass ich trotzdem im Moment die Geschichte noch ein bisschen ungewichtet empfinde. Ich plappere mal ins Blaue:
1) Der Teil, wenn Harry bei ihm arbeitet, ist ja weitgehend getellt, während vorher fast nur (glaub ich) geshowt ist. Das find ich im Verhältnis recht viel. Ist wie gesagt, erst mal nur Eindruck, ich müsste selbst erst mal prüfen, ob der Eindruck wirklich stimmt. Aber es gab bestimmt Passagen, die man aufs Tellen noch mal prüfen könnte. Aber das ist erst mal ein eher formaler Einwand, diese unterschiedliche Art des Schreibens fällt mir vielleicht nur deswegen auf, weil ich einen anderen Bruch merke. Dazu gleich mehr in Teil 2.
2) Der Übergang von der Szene in der Wohnung des Vaters auf den Finnen selbst und auf seine Arbeit und auf Harry, wie der darin vorkommt, ist sehr abrupt, wenn ich auch finde, dass du das sehr geschickt und elegant gemacht hast mit Harrys Blick auf die Uhr am Handgelenk. Das funktioniert jedenfalls im Nachhinein einwandfrei, und ich habe nichts dagegen, mal kurz verblüfft zu werden als Leser, wenn es sich für mich danach logisch schlüssig anfühlt - und das tut es. Im Gegenteil, da freue ich mich, wie auch hier, über den raffinierten Autor, der mich an die Angel nimmt. Das ist toll.
Was mir aber ein ungutes Gefühl verschafft, das ist Folgendes: Der Faden zum Vater, auf dessen Beerdigung er ja immerhin war, wo er irgendwie auf einer Art Spurensuche war, der ist damit so völlig gekappt. Mir kam der Protagonist selbst fast wie ein anderer Mensch vor, Jorma und dann der Finne, das ist sicherlich auch deine Absicht gewesen, aber so ist es als Bruch für meinen Geschmack zu hart.
Der Grund außerdem, warum Harry sich so in seine Welt einnisten kann, der ist aus meiner Sicht nicht genügend betont. Der Grund ist da, wird von dir erzählt, klar, aber er wirkt formell im Moment. Wenn sich die beiden aber als Personen begegnen würden, eine Beziehung aufnehmen würden, das wäre was anderes. Du machst das zwar alles, aber aus irgendeinem Grund wirkt das auf mich wie gesagt formell. Vielleicht wäre es mir schlüssiger, wenn der Faden zum verstorbenen Vater stärker verknüpft würde. Harry, ein Zeitzeuge des verlorenen Vaters, der verlorenen Zeit, der Kindheit, genau der wird zum Vaterersatz und nur so kann er überhaupt so eine Gewalt über denn Finnen kriegen. Dann hätten die Narben und Schlieren am Himmel zu Beginn deiner Geschichte auch eine mehr als bloß dekorative symbolische Bedeutung. Wie gesagt, das ist zwar alles vom Ansatz her da, aber iwie finde ich es als zu wenig ausgearbeitet. Daher auch als Missverhältnis dieser beiden Teile.

Ja, das ist mein Hauptbedenken. Gäbe noch ein paar stilistische Anmerkungen, aber das ist Kleinkram, mal schauen, ob ich dazu später komme.
Ansonsten finde ich die Geschichte von den Fährten her, von der Thematik, von der Hauptaussage her (also die Idee, Vaterersatz schleicht sich in Vertrauen eines Großdealers) sehr sehr gelungen. Und plastisch und schön schreiben tuste eh.
Aber für diese Idee, dafür eben fehlt mir noch son bisschen Fülle.

Ich hänge mal ein bisschen Kleinkram an, such dir raus, was du nutzen kannst.

Am Himmel zeichneten sich blassrote Schlieren wie Narben von Peitschenhieben ab. Es roch nach Schnee und Moder.
Den Vergleich der Himmel - kommt ja noch mal später aus Kindersicht, das fand ich toll. Trotzdem mir kommt der Moder zu schnell hinter dem Schnee. Für mich ist Schnee halt immer so was Metallisches in der Luft, das passt gar nicht zu Moder. Deshalb würde ich den Moder nicht so hinknallen, sondern viel vorsichtiger einführen. Als Relativierung vielleicht.
blassrote Schlieren wie Narben von Peitschenhieben
Also die "Narben von Peitschhieben" find ich klasse. Aber ich denke, du müsstest das ausprobieren, ich bin mir selbst nicht sicher, eventuell könnte man das "blassrosa" sparen. Ich finds erstens stilistisch nie so geschickt, wenn eine Sache durch einen recht drastischen Vergleich charakterisiert wird, dieser Sache dann vorher noch ein Adjektiv, gar ein nichtssagends oder redundantes Adjektiv anzupeppen.
Andererseits ist "Blassrosa" ein schönes Adjektiv, und du willst die Peitschenhiebe farblich absetzen, sie sind nicht frisch in den Himmel geschlagen, es sind alte Wunden. Und das merkt man nur durchs Adjektiv. Ach wurscht, iwie hab ich mich grad um Kopf und Kragen geredet. Aber jetzt weiß ich und lass meine Überlegungen einfach stehen, ich würde blassrosa extra lassen. Auch wenn Adjektivgegner wie ich wie Nachbars Lumpi eine Runde jaulen gehen.

Meine Hände spürte ich kaum mehr, pustete Atemwolken hinein
Übergenau vielleicht, aber das finde ich ungenau, ich weiß genau, was du meinst, aber du schreibst es nicht. Wenn er in die Hände hineinbläst, muss er sie zu einer Kugel oder Kuppel oder einem Rund geformt haben, er bläst ja auch streng genommen nicht die Atemwolken hinein.

Ihre Zähne leuchteten beinahe so hell wie die Sonne über uns.
Na also, das will ich nicht hoffen. Den Vergleich finde ich ungeschickt, ja fast unfreiwillig komisch.

Ein streng geschnittener Mann, schwarzes Haar – offenkundig schwer zu bändigen – und rote Augen, als blickte er nicht auf das Objektiv der Kamera, sondern in ein glühendes Inferno.
Streng geschnitten - nee.

Ein Firefighter in Amerika, der Buschbrände bekämpfte oder eben Feuersbrünste in New York. Wie einer der 'Männer, die durchs Feuer gehen'. 'Backdraft',
hübsch, die Wiederanknüpfung.

Hey, ich kann leider nicht mehr, ich muss an die Abbeit.
Wenn mir noch groß was auffällt, komm ich später nochmal, aber meine Hauptsachen sind eh gesagt.
Bis die Tage und Dankeschön für die Geschichte. Ich nehm die einfach als tolles Geschenk. :)
Novak

 

Hallo hell,

Mensch, da führst du einen ja ganz schön an der Nase rum mit deiner Geschichte, und das nicht nur einmal. Gut gemacht. :thumbsup:

suchte die Trauernden nach bekannten Gesichtern ab
Wieso sollte er dort jemanden kennen?

hielt die Hände in den Hüften
Mhh, das kann ich mir nicht ganz vorstellen. Hat er die Hände in den Jackentaschen? Und müsste es nicht Einzahl sein? Hüfte statt Hüften.

Mutter hat es zerissen, ich hab’s aber aus dem Müll gefischt und mit Tesa zusammengeklebt. Mann! Wenn ich sie im Flur hörte ... Steckte es so was von schnell unter die Decke.« Ich zündete mir eine Kippe an, Rauch stieg auf, ich kniff ein Auge zusammen. »Mein Herz hämmerte dann wie verrückt. Ich hatte immer das Gefühl, was Falsches zu machen.«
Irgendwie passt es nicht ganz, dass er auf einmal so plappert. Grad war er noch so reserviert und dann erzählt er sowas und teilt direkt seine ganze Gefühle mit. Das ist mir etwas zu viel.

Klassisch in Schwarz – Ringelhemd, weiße Handschuhe und Barrett – heftete sich ein Pantomime draußen an die Fersen der Fußgänger. Einen Mittfünfziger im Businessmantel spiegelte er präzise wider. Der Imitierte blieb stehen, sah auf seine Armbanduhr und der Mime rempelte ihn von hinten an.
Ich verstehe, du willst immer wieder die Replika darstellen, ob im Museum oder als Pantomime.
Hier ist es mir aber zu plump. Beim Lesen habe ich mich gefragt, hää warum erzählst du mir das jetzt?

»Die Spinne«, sagte ich und nickte in die Richtung.
Harald traf sie exakt mit dem Zeigefinger und kniff kaum merklich das Auge zusammen. »Die? Sie erinnert mich an ein anderes Leben. Jedes mal, wenn ich in den Spiegel sehe.«
Die Bedeutung der Spinne habe ich nicht verstanden. Spielt sie eine Rolle? Du hast sie so oft erwähnt, irgendwie habe ich da noch etwas erwartet.

»Ich hab Zweitschlüssel von Thorstens Wohnung. Ich dachte ... Vielleicht willst du mal sehen, wie dein alter Herr so gehaust hat, bevor sie die Bude ausräumen.«
Okay ... das finde ich gruselig. Er hat seinen Vater nie gesehen und geht dann in seine Wohnung. Da käm ich mir ja wie ein Einbrecher vor.

»Ich hab’ deinen Namen gegoogelt. Spedition Bode. Bist du das?«
Hier war ich kurz verwirrt, wer was sagt.
Überhaupt die ganze Namenssache. Im Nachhinein ist es klar, Vater und Sohn heißen beide Bode mit Nachnamen, weshalb Jorma es auch merkwürdig fand seinen Namen an der Klingel zu sehen. Im ersten Moment war mir das aber nicht klar. Ich habe mich gefragt, ob Jorma den Namen Bode nicht kennt und ob Harald so mit Nachnamen heißt und die Wohnung irgendwie über ihn läuft. Hört sich jetzt im Nachhinein komisch an, ging mir nur beim Lesen so.
Aber macht es Sinn, dass beide den gleichen Namen haben? So wie es sich anhört waren Vater und Mutter nicht verheiratet, oder?

Der folgende Abschnitt hat mich ziemlich rausgehauen. Ich hab mich gefragt, warum du mir das alles erzählst und den Abschnitt nur überfolgen. Fand ich irgendwie langweilig. Nachher habe ich dann gemerkt, dass es wichtig war und den Abschnitt nachgeholt.

Der Abschnitt enthält nicht nur wichtige Informationen, sondern stellt einen Schnitt dar. Danach verändert sich Jorma, er wird zum Geschäftsmann. Er und Harald tauschen die Rollen, plötzlich ist Harald abhängig von Jorma.Das solltest du irgendwie besser mit dem text verknüpfen, fließender nicht so holzhammermäßig.

Er sprach über meinen Vater, wie ihn der Knast verändert, dass er nach der Entlassung Schwein und die Kurve gekriegt hatte. Aber eigentlich interessierte mich das nicht.
Versucht Harald hier Jorma zu bekehren, ihn auf den rechten Pfad zu bringen. Liegt ihm etwa auch etwas an Jorma?

»Eine Frage noch, Scheißkerl!« Ich trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Kanntest du meinen Vater überhaupt?«
Gute Frage! War das alles von Anfang an geplant? Oder arbeitet Harald eigentlich gar nicht für die Polizei, erst als er merkte, dass es nicht mit rechten Dingen zu geht, hat er sich bei der Polizei gemeldet und wurde zum Maulwurf?
Interessant, und regt zum Nachdenken an. :)

Der Judas erwiderte nichts, nur die Spinne regte sich.
Mann, was ist denn mit der Spinne? Verrätst du es mir? :shy:

Insgesamt ne coole Geschichte, vor allem mal etwas anderes, nicht zu rührselig, spannend und überraschend.
Ein paar Stellen könnten noch mit etwas mehr Feingefühl in die Geschichte geflochten werden.

Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo hell,
nette Geschichte, auch wenn ich von dir ein bisschen mehr erwartet hätte. Insgesamt finde ich den Plot zu seicht und sehr vorhersehbar, bei mir war da nichts mit überraschenden Wendungen. Einige Fehler sind außerdem drin. Jetzt im Detail:

Meine Hände spürte ich kaum mehr, pustete Atemwolken hinein

Worein? Der Satz ist etwas unglücklich konstruiert.

'Backdraft', der Film hatte mich damals gefesselt

Der Bezug auf den Film kommt zu rasch, nebenbei musst du das damals weglassen und Präteritum verwenden oder den ganzen Absatz im PP schreiben.

»Jorma?« Abrupt blieb ich stehen, drehte mich um.

Schöner Name, nur kündigst du den Anruf viel zu deutlich an, als dass er überraschend käme.

»Die kennen Sie auch?« »Du.« Ich stutzte.

Einer wie Jorma würde sich niemals so anquatschen lassen oder wenigestens wie selbstverständlich zurückduzen. Hier macht der den Eindruck eines schüchternden Teenagers.

Bierdermeier

Tippfehler

dass du so ein Kunstmensch bist, hätte ich ehrlich gesagt nicht vermutet.«
Sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, wieder schlug mich die Spinne in ihren Bann. »Tja, manchmal steckt eben mehr in Menschen, als man glaubt. Stimmt's?«

Wer ist jetzt der Kunstmensch? Werden die plötzlich Freunde fürs Leben? Die Anspielung ist im Nachhinein etwas seltsam.

Er hat meine Mutter geschwängert, hat einen umgelegt

Das zweite hat bitte weglassen.

War sogar lukrativer, als mit Drogen zu dealen

Die Masche mit dem vaterlosen Teenie, der auf die schiefe Bahn gerät, ist mir zu oberflächlich.

»Kann ich ... ähm ... Ärger bekommen?«, fragte er.

Bist du ... ähm ... ein Bulle? Ehrlich: Da platzt jede Überraschung.

Harald fuhr bald nicht mehr im Dreißigtonner, sondern neben mir im Benz.

Das war mir zu offensichtlich. Ein echter Geschäftsmann lässt niemanden im Benz mitfahren, er hält stets alle auf Abstand und ist unangreifbar.

»Ich will dein Scheiß-Geld nicht, okay!«

Verstehe ich nicht, ist doch Beweismaterial, außerdem warnt er Jorma auf diese Weise.

Ich erzählte Harald bald, wie ich mich von ganz unten hochgearbeitet

Dann verdient er es auch nicht anders! Welche Firmen soll der bitte geleitet haben?

»Kanntest du meinen Vater überhaupt?«

Da hätten wir wieder den einsamen Teenager. Kein guter Schluss, finde ich.
Da steckt noch ordentlich Arbeit drinne. Den ersten Entwurf hast du.

Viele Grüße,
Jonathan

 

Hey TeddyMaria,


Auch mir sind einige Flüchtigkeitsfehler aufgefallen. Da ich die Geschichte im ersten Schritt verschlungen (!) habe, muss ich jetzt nochmal suchen ...
Ja, die Flüchtigkeitsfehler, hm, ärgert mich natürlich.
Ich hab' den Text recht früh von der Platte genommen und hoffe nicht, dass er den Garpunkt verfehlt hat. Da du die Geschichte allerdings verschlungen hast, wie du schreibst, hat sie dir wohl dennoch schmecken können :) Das freut mich schon mal, Maria. Schön. Auch, dass du mir ein paar Flusen rausgesucht hast, ich hab' alle Vorschläge soweit übernommen, und ja, ich schaue bei Gelegenheit noch genauer rein, hast recht.

Wie gesagt, habe die Geschichte verschlungen, ließ sich sehr gut lesen, hatte für mich auch viele überraschende Wendungen. Der Prot war hervorragend in Szene gesetzt, baute sich langsam auf vom verletzten Jungen zum Gangster – cool.
Toll, dass das bei dir funktioniert hat, auch, was du zum Prota so schreibst :shy:.

Den streng geschnittenen Mann finde ich übrigens auch cool. Ich musste auch eine Weile darüber nachdenken, v.a., weil seine Haare wohl im Widerspruch dazu stehen, aber ich fand das dann doch sehr griffig, konnte mir viel darunter vorstellen. Ich an Deiner Stelle würde das so lassen.
Ganz ehrlich, ist auch ein kleines Darling von mir. Also dass das polarisieren wird, dachte ich mir schon, was ja auch nicht unbedingt verkehrt sein muss. Ich überdenke das trotzdem noch mal.

Lediglich dieser Absatz, ich weiß nicht, der hat mich etwas rausgebracht. Der hängt da so außerhalb der Handlung in der Schwebe, passt irgendwie vorne und hinten nicht rein. Andererseits sind das natürlich wichtige Informationen. Aber vielleicht fällt Dir etwas ein, um das besser zu integrieren.
Ich wollte da einen Schnitt, meine Befürchtung war und ist eher, dass die Passage allzu infodumpingmäßig rüberkommt. Mal sehen, was ich mir dazu noch überlegen werde, ob ich da auch geschmeidiger werden sollte - und how the hell ich das anstellen soll :).

Lediglich meine Leseeindrücke kann ich hier raushauen.
Und die sind doch goldwert. Genau um diese geht es ja letztendlich.

Am Ende habe ich irgendwie erwartet, dass man Jorma doch nichts kann, weil schließlich alles Wichtige in der Sauna besprochen wurde – und da war die Krawatte schließlich nicht dabei. Aber vielleicht habe ich das mit der Sauna überinterpretiert … Oder Du wolltest es offen lassen?
Ach, das kannst du sehen wie du möchtest. Ob das jetzt von langer Hand geplant war alles, ob nicht andere Beweise (in D) schon ausreichen - oder ob da ein Freispruch folgen wird ... Lassen wir den Richter ein Urteil fällen.

Aber wie gesagt, sehr gerne gelesen.
Das kopiere ich auch noch gerne mit rein :).


Liebe Maria, vielen Dank für deinen Besuch (gehörst auch zur ultraschnellen Truppe), hat mich wirklich sehr gefreut. Hast mir weitergeholfen, Zeit und Gedanken geschenkt. Super!


Sei ganz herzlich gegrüßt


hell

 

Hallo hell,

deine neue Geschichte ist so richtig nach meinem Geschmack - aber ist ja vielleicht auch gar nicht verwunderlich, da wir doch beide momentan das gleiche Buch lesen. :)
Also wirklich, ich bin auch ganz schnell durchgerauscht durch die Story, habe mich an der Erzählsprache gefreut, war überrascht von den Wendungen, habe nix vorhergesehen, auch wenn man im Nachhinein vielleicht denkt: ja, klar …

Der Titel finde ich übrigens auch gut!

Einige Kleinigkeiten, die mir aufgefallen sind, wurden von den Megaschnellen schon genannt – mal sehen, was mir (noch) aufgefallen ist.

Am Abend wollte sie eine weitere Flasche Wein aus dem Keller, da fand ich ein Polaroid in einer Schuhschachtel.
Vllt. besser „sollte ich ihr eine weitere Flasche Wein aus dem Keller holen“ – weil, nur weil sie das will, heißt das ja nicht, dass er im Keller ist. Und dann fängt er plötzlich beim Weinholen an, die Schuhkartons zu durchstöbern … Tsss, tssss …

Ein streng geschnittener Mann
Ich gehöre zu der Fraktion, die den streng geschnittenen Mann komisch findet …

Ich nickte. »Hab' es oft heimlich angesehen. Im Bett. Als ich noch klein war.« Meine Finger tasteten nach der Zigarettenschachtel in der Jackentasche. »Mutter hat es zerissen, ich hab’s aber aus dem Müll gefischt und mit Tesa zusammengeklebt. Mann! Wenn ich sie im Flur hörte ... steckte ich es so was von schnell unter die Decke.« Ich zündete mir eine Kippe an, Rauch stieg auf, ich kniff ein Auge zusammen. »Mein Herz hämmerte dann wie verrückt. Ich hatte immer das Gefühl, was Falsches zu machen.«
Dieser Dialog klingt für mich unecht, ich kann mir nicht vorstellen, dass Jorma so redet: hörte ... steckte ... hämmerte ...

Vor allem in Osteuropa, sogar China und zum Urlauben sonst wo war ich
Klingt ungelenk, finde ich. Vllt. eher so ähnlich: Ich bin viel rumgekommen: Osteurapa vor allem, China, und im Urlaub war ich sonst wo …

»Jorma?«
Der Teelöffel fiel mir aus der Hand und fiel klappernd auf die Untertasse.
Das habe ich gar nicht verstanden, warum er sich hier so erschreckt hat.

»Zahlen bitte.«
Komma dazwischen

dass sich da einer an mich rangemacht hatte, der irgendwie den Tod meines Alten dazu benutzt hatte.
2 mal hatte

Harald wuchs mir ans Herz, ja, hätte ich anders nicht sagen können.
Hier finde ich, machst du es dir ziemlich einfach. Da würde ich mir noch ein paar mehr Details wünschen, wie den Besuch bei der Mutter.

und seit Neuestem so eine lächerliche Texas-Krawatte, ein Bolotie, auf dessen Brosche ein silberfarbener Stern strahlte
Der Sheriff – wer hätte das hier schon geahnt … :eek:

Okay, insgesamt erscheint das schon ein bisschen unrealistisch, dass er diesem Harald so vertraut – aber gut - sei's drum.

ich mochte Saunen, schließlich nannte man mich ja auch ‘der Finne’.
Mir würde hier besser gefallen: schließlich war ich ja ‚der Finne‘. Nannte hattest du ja oben schon.

dann kreischten Bremsen und Blaulicht von draußen tauchte mein Büro in Discolicht.
Komma nach Bremsen? Ja, oder?

Der Judas erwiderte nichts, nur die Spinne regte sich.
Schöner letzter Satz!
Ich finde das mit der Spinne übrigens gut, gerade, dass es nicht weiter aufgelöst wird und so in der Schwebe bleibt. Vielleicht aber ein kleines bisschen zu oft erwähnt.

Jetzt noch ein ganz persönlicher 'Kritik'punkt: Du hast da eine Szene drin, die fast wörtlich so in der Geschichte vorkommt, an der ich gerade herummurkse. Da muss ich nun zusehen, was ich mache …
Menno!

Aber davon abgesehen hat es mir großen Spaß gemacht, deine Geschichte zu lesen.

Viele Grüße von Raindog

 

Hey hell ,

ich gehe den Text durch, ohne die vorherigen Kommentare wirklich gelesen zu haben.

Am Himmel zeichneten sich blassrote Schlieren wie Narben von Peitschenhieben ab.
Oha, oh wie schön. Hatte schon am Anfang Angst, dass der Satz zu kitschig wird.

nach Schnee und Moder.
Moder hört sich für mich so altmodisch an.

strahlte mit mir um die Wette
Dieser Absatz scheint aus der Sicht eines Kindes geschrieben zu sein, aber das ""um die Wette scheinen" erinnert mich eher an einen Teenie.

zerfetzte es und warf es in den Abfall.
Der Typ ist tot oder hat sie verlassen.

Mein Vater war darauf zu sehen. Ein streng geschnittener Mann, schwarzes Haar
Da finde ich den sprachlichen Wandel sehr heftig. Er sieht sich doch nur ein Bild von seinem Vater an, da wandelt sich doch nicht die Stimmung so sehr, dass alles "streng" und schwarz wirkt. Wäre nachvollziehbar, wenn er hier erwachsen wäre und sein Vater ihm etwas schreckliches angetan hat, aber hier ist er ja nur ein Kind.
Ist er überhaupt ein Kind? Bei Freizeitpark und Schuleschwänzen mit Erlaubnis der Mutter denke ich an ein Kind, aber beim Wein denke ich wieder an einen Teenager. Einem recht elitären Teenager, wenn er seinen Geburtstag mit Wein feiert.

Mit mir selbst hadernd
Wieder so ein altes Wort. Sind der Typ bei der Beerdigung und das Kind dieselbe Person? Wenn das so ist, dann wundere ich mich, warum der Mann als Kind oder Teenager nicht auch solche Wörter verwendet. Wenn heutzutage alte Leute verstaubte Wörter verwenden, dann bedeutet es doch, dass sie schon als Jugendliche so gesprochen haben, oder? Aber bei dem zweiten Absatz denke ich nicht an einen Jugendlichen, der in einer Zeit aufgewachsen ist, wo es ganz normal war, Wörter wie "Moder" zu verwenden. Ich denke eher an einen Jungen der Generation Instagram, der gleich mit der Sonne um die Wette scheinen will.

aber noch nie in Berlin.
Berlin als Metapher für Trennung und Entfremdung.

und ich fragte mich, welcher wohl in die Wohnungstür meines Vaters passte.
Uh, woher wohl? Mystery ...

aufgesprühte Schriftzüge am für Berlin typischen Gebäude.
Das ist doch erst sein erstes Mal in Berlin. Von weiß er denn schon, was "typisch Berlin" sein soll?

Hotelboy
Das finde ich zu modern, vor allem für jemanden, der auch Wörter wie "Moder" verwendet.

Der Flur war hell.
Was??

»Ich hab’s einfach nicht so mit Frauen, okay?«
Etwas gefror in Haralds Gesicht, er sah beinahe so ausdruckslos aus wie eine dieser Statuen im Museum. Dann verstand ich, lachte auf und schlug ihm aufs Knie; die Mädchen kicherten. »Nicht so wie du meinst, Mann! Ich bin kein Beziehungsmensch, wolllte ich sagen.«
Diese Stelle fand ich etwas eigenartig. Ist jetzt der Harald schwul? Und hatt er er eine Beziehung mit dem Vater?! Das würde erklären, warum er die Schlüssel hat.

Der Judas erwiderte nichts, nur die Spinne regte sich.
Aha, das war ein guter Plottwist. Echt ein schöner, mit dem ich nicht gerechnet hätte.

Jetzt habe ich ein paar andere Kommentare überflogen. Ich denke die Spinne ist einfach eine Metapher dafür, dass der Prot Harald von Anfang an nicht hätte trauen sollen.

Hat mir gefallen, die Geschichte.
LG,
alexei

 

Bonsoir mademoiselle Novak,


wie ich mich über deinen Besuch gefreut habe :).

... entweder war ich gebunden an meine Erwartungen oder es ist tatsächlich so, dass du das so unerwartet und wendungsreich hinkriegst. Mit den Entwicklungen in deiner Geschichte hab ich nicht gerechnet.
Ja, ich kenne das, ist komisch, wenn man eine Story, Idee oder ein Thema am verwursten ist/ war und man liest eine Geschichte, die ähnlich beginnt, verläuft.
Also ich kann dir das nicht beantworten, wenngleich es schon so ist, dass ich einen Plot Point wollte, einen Twist. Den Überraschungsmoment, den ja auch Jorma erlebt.
Und zwei Themen, die kohärent verlaufen, verflochten sind - einen Rahmen und einen Inhalt, der sich daraus ableitet ... Ach, keine Ahnung, ob ich das jetzt verständlich mache. Ich hab' mir halt einfach ein paar Aufgaben gestellt für den Text :).

Ich finde die Geschichte sehr spannend und hab mich heut früh wahnsinnig gefreut, hab ich mir doch erst kürzlich zum Geburtstag wieder eine Geschichte von dir gewünscht. Also das nenn ich doch mal Wunscherfüllung. Dafür ein dickes Dankeschön. Es hat richtig Spaß gemacht, sie zu lesen.
Sie gefällt mir gut, die Geschcihte. Spannend, wie gesagt, in den Charakteren gut vorstellbar und plastisch. Ich mochte die Idee mit dem Spinnentattoo sehr.
Wie schön, und tatsächlich habe ich daran gedacht! Also, dass du dir das ja gewünscht hast. Und ich hoffe, ich war nicht übereifrig, denn vielleicht hätte der Text noch etwas mehr Reifezeit benötigt. Hm. Ich war halt schon spät dran, Novak :).
Andererseits, wenn ich lese, was du da geschrieben hast, ne, ich bin schon froh, dass der Text raus ist. Ich hoffe, du hast auch das Schleifchen und die Karte gelesen.

Der Teil, wenn Harry bei ihm arbeitet, ist ja weitgehend getellt, während vorher fast nur (glaub ich) geshowt ist. Das find ich im Verhältnis recht viel. Ist wie gesagt, erst mal nur Eindruck, ich müsste selbst erst mal prüfen, ob der Eindruck wirklich stimmt.
Geht mir auch so, dass ich das überprüfen muss, meine ich. Wie bereits angeschnitten, dem Text hab' ich keine Reifezeit gegönnt. Vermutlich brauche ich aber erst mal etwas Abstand, um das wachen Auges abzuklopfen (Rückmeldungen können den Prozess natürlich beschleunigen).

... sehr abrupt, wenn ich auch finde, dass du das sehr geschickt und elegant gemacht hast mit Harrys Blick auf die Uhr am Handgelenk. Das funktioniert jedenfalls im Nachhinein einwandfrei, und ich habe nichts dagegen, mal kurz verblüfft zu werden als Leser, wenn es sich für mich danach logisch schlüssig anfühlt - und das tut es. Im Gegenteil, da freue ich mich, wie auch hier, über den raffinierten Autor, der mich an die Angel nimmt. Das ist toll.
Das ist schon mal prima. Ich weiß schon, der Schnitt ist hart und deutlich, aber so, wie du das schreibst, habe ich mir das in etwa erhofft.

Der Faden zum Vater, auf dessen Beerdigung er ja immerhin war, wo er irgendwie auf einer Art Spurensuche war, der ist damit so völlig gekappt. Mir kam der Protagonist selbst fast wie ein anderer Mensch vor, Jorma und dann der Finne, das ist sicherlich auch deine Absicht gewesen, aber so ist es als Bruch für meinen Geschmack zu hart.
Okay, das nehme ich so hin, war Absicht, ja, überdenke das aber auf jeden Fall, denn das Risiko dabei war mir schon auch bewusst. Er ist ja vielleicht einfach auch ein anderer Mensch, als auf der Beerdigung und so.

Der Grund außerdem, warum Harry sich so in seine Welt einnisten kann, der ist aus meiner Sicht nicht genügend betont. Der Grund ist da, wird von dir erzählt, klar, aber er wirkt formell im Moment. Wenn sich die beiden aber als Personen begegnen würden, eine Beziehung aufnehmen würden, das wäre was anderes. Du machst das zwar alles, aber aus irgendeinem Grund wirkt das auf mich wie gesagt formell. Vielleicht wäre es mir schlüssiger, wenn der Faden zum verstorbenen Vater stärker verknüpft würde. Harry, ein Zeitzeuge des verlorenen Vaters, der verlorenen Zeit, der Kindheit, genau der wird zum Vaterersatz und nur so kann er überhaupt so eine Gewalt über denn Finnen kriegen. Dann hätten die Narben und Schlieren am Himmel zu Beginn deiner Geschichte auch eine mehr als bloß dekorative symbolische Bedeutung. Wie gesagt, das ist zwar alles vom Ansatz her da, aber iwie finde ich es als zu wenig ausgearbeitet.
Natürlich triffst du immer die wichtigen Punkte, warum wundert mich das nicht? Novak eben. Damit gibst du mir jedenfalls die nächste Überdenkaufgabe mit auf den Weg. Ich hab' so manches in und zwischen die Zeilen gestreut, so manches angeschnitten, was ich auch bewusst nicht auserzählen wollte. Vielleicht war das zu wenig, darüber werde ich jetzt brüten müssen. Danke, dass du mich darauf aufmerksam machst. Das ist ein sehr wichtiger Punkt für mich!

Ansonsten finde ich die Geschichte von den Fährten her, von der Thematik, von der Hauptaussage her (also die Idee, Vaterersatz schleicht sich in Vertrauen eines Großdealers) sehr sehr gelungen. Und plastisch und schön schreiben tuste eh.
Vielen Dank!

Für mich ist Schnee halt immer so was Metallisches in der Luft, das passt gar nicht zu Moder. Deshalb würde ich den Moder nicht so hinknallen, sondern viel vorsichtiger einführen. Als Relativierung vielleicht.
Das ist schwierig, glaube ich. Mit Gerüchen ist das so eine Sache. Sehr individuell, meiner Erfahrung nach. Ist wie mit Petrichor (Bezeichnung für den Regengeruch), frag' mal ein paar Leute, wie die den beschreiben würden.
Für mich geht das so hier, die Mischung, das Gegensätzliche auch - so als Geruchspotpourri. Aber wie gesagt ... Falls da noch mehr Leute darüber stolpern, gehe ich da ran. Vorerst lasse ich das mal so stehen.

Also die "Narben von Peitschhieben" find ich klasse. Aber ich denke, du müsstest das ausprobieren, ich bin mir selbst nicht sicher, eventuell könnte man das "blassrosa" sparen.
Den Satz habe ich schon hin und her und hin und her gedreht. Der bleibt vorerst so :).

Meine Hände spürte ich kaum mehr, pustete Atemwolken hinein
Übergenau vielleicht, aber das finde ich ungenau, ich weiß genau, was du meinst, aber du schreibst es nicht. Wenn er in die Hände hineinbläst, muss er sie zu einer Kugel oder Kuppel oder einem Rund geformt haben, er bläst ja auch streng genommen nicht die Atemwolken hinein.
Nein, gut, dass du mich darauf aufmerksam machst - bist damit ja nicht alleine. Danke, Novak.

Ihre Zähne leuchteten beinahe so hell wie die Sonne über uns.
Na also, das will ich nicht hoffen. Den Vergleich finde ich ungeschickt, ja fast unfreiwillig komisch.
Ich würde ihn ... hm... kindlich übersteigert oder so nennen. Zudem erinnert Jorma sich daran, wie er das aus kindlicher Perspektive wahrgenommen hat. Ich denke aber darüber nach.

Ein streng geschnittener Mann, schwarzes Haar – offenkundig schwer zu bändigen – und rote Augen, als blickte er nicht auf das Objektiv der Kamera, sondern in ein glühendes Inferno.
Streng geschnitten - nee.
Oh je! Du weißt ja, wie das mit den Darlings ist - man trennt sich mitunter schwer von ihnen. Gib mir noch etwas Zeit, das Messer wetzte ich derweil schon mal.

Ein Firefighter in Amerika, der Buschbrände bekämpfte oder eben Feuersbrünste in New York. Wie einer der 'Männer, die durchs Feuer gehen'. 'Backdraft',
hübsch, die Wiederanknüpfung.
Danke.

Bis die Tage und Dankeschön für die Geschichte. Ich nehm die einfach als tolles Geschenk.
Ach komm! Du weißt genau, dass ich es bin, der zu danken hat, Novak! Der Beschenkte bin doch in Wahrheit ich :shy:.


In diesem Sinne: ein großes Dankeschön an dich! Ist einfach nur toll, wenn du unter meinen Texten auftauchst, hast mir mit deinen klugen Kommentaren immer ein Stückchen weitergeholfen - so wie mit diesem wieder.


Lieber Gruß


hell

 

Lieber hell,

schon gestern habe ich deine neue Geschichte gelesen und ich war angetan von der Idee, die du in ihr umgesetzt hast. Da ich aber immer wieder durch die eine oder andere Flüchtigkeit rausgehauen wurde, habe ich sie erst einmal zur Seite gelegt und nach deinen Korrekturen heute morgen noch einmal gelesen. Es ist eine interessante Story, die mich ein wenig an den ‚Schattenmann’ erinnert hat. Diese Thematik wird allerdings erst am Ende deutlich. Über weite Strecken lese ich deine Geschichte so, als ginge es um deinen Protagonisten, seine Auseinandersetzung mit seinem verstorbenen Vater und diesen etwas mysteriösen Harald, der Jorma mit dem Leben des Vaters konfrontiert. Dann wechselt die Thematik und der Handel des Protagonisten mit Repliken tritt in den Vordergrund. Und damit verändert sich in gewisser Weise auch der Stil deines Textes.

Er nahm es in die Hand, und ich respektierte das, mir war klar gewesen, dass sich da einer an mich ranmachte, der irgendwie den Tod meines Alten dazu benutzt hatte.

Harald wuchs mir ans Herz, ja, hätte ich anders nicht sagen können. Er hatte sogar meine Mutter besucht und sie zum Lachen gebracht. Meine Mutter und Lachen. …
Ich erzählte Harald bald, wie ich mich von ganz unten hochgearbeitet, …
Er sprach über meinen Vater, wie ihn der Knast verändert, dass er nach der Entlassung Schwein und die Kurve gekriegt hatte. Aber eigentlich interessierte mich das nicht.

Harald fuhr bald nicht mehr im Dreißigtonner, sondern neben mir im Benz.

Während du dir am Anfang sehr viel Zeit lässt mit den Gesprächen der beiden, raffst du jetzt stärker. Im Schnelldurchlauf zeigst du uns, wie Harald von Jorma in seine Firma aufgenommen und zum Vertrauten wird, der ihn am Ende verrät.

Diesen Wechsel in der Erzählweise fand ich ein wenig problematisch. Ich habe das Gefühl, dass hier etwas mit der Gewichtung deines Textes nicht ganz stimmt. Der erste Teil, in dem es um den Tod des Vaters und das Kennenlernen der beiden geht, nimmt in deiner Geschichte sehr viel mehr Raum ein als die Repliken-Geschichte. Ich glaube, mir hätte es besser gefallen, wenn nach der Kennenlern-Einleitung die Entwicklung des Verhältnisses der beiden zueinander stärker im Fokus deiner Geschichte gestanden hätte, um auch das Judas-Motiv am Ende zu rechtfertigen. Hier fehlt mir schon ein bisschen etwas Subtiles, ein bisschen mehr Innenschau des Protagonisten, vielleicht ein bisschen mehr Harald-Vater-Replik. Möglicherweise entspricht das aber auch nur meinen Lese-Vorlieben.

Zum Spinnen-Motiv:
Mir ist nicht ganz klar, was du mit ihm ausdrücken möchtest. Als Metapher fällt mir dazu das Spinnennetz ein, das die Spinne webt, damit sich ihr Opfer darin verfängt. Das ließe sich auf Haralds Tun beziehen. Ansonsten verwirren mich die verschiedenen Zustände des Spinnentatoos und ich kann konkret mit ihnen nicht so recht etwas anfangen.

Ich habe mir noch ein paar Aspekte notiert, die ich nun mal aufliste:

Am Himmel zeichneten sich blassrote Schlieren wie Narben von Peitschenhieben ab. Es roch nach Schnee und Moder.
Das ‚Peitschenhieb’-Bild kann ich leider nicht nachvollziehen. Und die Verknüpfung von Schnee und Moder leuchtet mir nicht ein.

Wenn ich in der Achterbahn an ihr vorbeisauste – Tränen vom Fahrtwind in den Augen –, flog sie an mir vorbei
Ein streng geschnittener Mann,
Worte sollten ja eine Assoziation auslösen. ‚streng geschnitten’ tut das bei mir leider nicht.

trat durchs rostzerfressene Tor
’rostzerfressen’ empfinde ich als zu stark. ‚rostig’ tut es mMn auch.

»Die selbe Statur wie dein Vater.«
dieselbe

»Richtig Herzrasen hatte ich. Und immer das Gefühl, was falsch gemacht zu haben.«
Diese und ähnliche Äußerungen sollen wohl zeigen, wie sehr sich dein Protagonist nach seinem Vater sehnte. Wenn du diese Sehnsucht als Begründung für die spätere Zuwendung zu Harald einbringst, so hätte ich es gut gefunden, wenn sich ein solcher Gedanke auch im zweiten Teil gefunden hätte.

Vor allem in Osteuropa, sogar China und zum Urlauben sonst wo war ich, aber noch nie in Berlin.
Diese Aussage halte ich syntaktisch für nicht gelungen.

Der Name ‘Bode’ neben dem Klingelknopf irritierte mich.
Diesen Satz verstehe ich nicht. (Vielleicht hast du es ja schon erklärt, aber ich habe die anderen Kommentare noch nicht gelesen.) Entweder waren Mutter und Vater verheiratet, dann gibt es keinen Grund irritiert zu sein. Oder die ‚Konstrukteure’ haben sich bei der Wahl des Namens geirrt, dann müsste das doch irgendwie thematisiert werden.

Der Flur war hell. Abgeschliffene, geölte Dielen, hohe Decke, Stuckrosette und Industrielampe.
Wenn es nur eine Decke gibt, kann es mMn auch nur eine Diele geben oder es handelt sich um Dielenbretter.

Eine noch kinderlose Frau strahlte in die Kamera.
Hier scheint mir ein Gedanke, den Jorma hat, sehr verkürzt dargestellt worden zu sein. Diese Frau ist alles mögliche noch nicht: noch nicht grauhaarig, noch nicht dick usw.

Er sprach über meinen Vater, wie ihn der Knast verändert, dass er nach der Entlassung Schwein und die Kurve gekriegt hatte.
Du möchtest hier die ‚hatte’-Wiederholung vermeiden. Aber so ist das wirklich ein sehr unschöner Satz.

Ich bin kein Beziehungsmensch, wolllte ich sagen.«
Hatte ich erwähnt, dass meine Gewinnmarge im Schnitt bei etwa zweihundert Prozent lag?
Diese Bemerkung fällt für mein Empfinden aus dem bisherigen Rahmen. Das ist, wenn ich es richtig sehe, die einzige Stelle, an der die Geschichte so tut, als handle es sich um ein Gespräch oder ein Protokoll.

als könnte ich die Filmszenen aus den Augen einen Sohnes oder einer Tochter mitansehen.
mit ansehen

Lieber hell, du hast eine gute Idee so umgesetzt, dass man deiner Geschichte gerne folgt. Probleme hatte ich lediglich mit der Gewichtung und dem unterschiedlichen Stil der beiden Erzählteile.

Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Nichtgeburtstagskind,


Mensch, da führst du einen ja ganz schön an der Nase rum mit deiner Geschichte, und das nicht nur einmal. Gut gemacht.
Das freut mich natürlich, dass das bei dir funktioniert hat.

suchte die Trauernden nach bekannten Gesichtern ab
Wieso sollte er dort jemanden kennen?
Du hast natürlich recht, andererseits ... er macht es eben. Auch wenn er seinen Vater nicht gekannt hat, so ist er es aber. Und Jorma schaut halt, ob jemand da ist, der eine Schnittmenge zu ihm bildet ... Ich hoffe, das kommt nicht allzu sehr wie eine Ausrede rüber :). Wie gesagt, hast schon recht, bleibt aber vorerst noch drin.

hielt die Hände in den Hüften
Mhh, das kann ich mir nicht ganz vorstellen. Hat er die Hände in den Jackentaschen? Und müsste es nicht Einzahl sein? Hüfte statt Hüften.
Kennst du das nicht? Das geht schon so, denke ich. Kannst du gerne goggeln.

Mutter hat es zerissen, ich hab’s aber aus dem Müll gefischt und mit Tesa zusammengeklebt. Mann! Wenn ich sie im Flur hörte ... Steckte es so was von schnell unter die Decke.« Ich zündete mir eine Kippe an, Rauch stieg auf, ich kniff ein Auge zusammen. »Mein Herz hämmerte dann wie verrückt. Ich hatte immer das Gefühl, was Falsches zu machen.«
Irgendwie passt es nicht ganz, dass er auf einmal so plappert. Grad war er noch so reserviert und dann erzählt er sowas und teilt direkt seine ganze Gefühle mit. Das ist mir etwas zu viel.
Ja, verstehe ich. Da er jedoch gerade der Beerdigung seines Erzeugers beigewohnt hat, ihn Kindheitserinnerungen überfluten und so ... Manchmal plappert man (so mancher) doch gerade Menschen emotional zu, zu denen man erst mal gar keine Beziehung hat und pflegt, nicht?

Klassisch in Schwarz – Ringelhemd, weiße Handschuhe und Barrett – heftete sich ein Pantomime draußen an die Fersen der Fußgänger. Einen Mittfünfziger im Businessmantel spiegelte er präzise wider. Der Imitierte blieb stehen, sah auf seine Armbanduhr und der Mime rempelte ihn von hinten an.
Ich verstehe, du willst immer wieder die Replika darstellen, ob im Museum oder als Pantomime.
Hier ist es mir aber zu plump. Beim Lesen habe ich mich gefragt, hää warum erzählst du mir das jetzt?
Wäre ein Streichkandidat, also diese Passage hier, da gebe ich dir recht. Ich mache das aber zuweilen mal ganz gerne. Ich wollte mir einfach mal mehr Räume geben (im ersten Teil der Geschichte). Ich denke, man merkt gleich zu Beginn, ob ein Text auf Reduktion getrimmt ist, oder nicht. Dieser Text eben eher nicht (im ersten Teil).
Aber ich werde das hier nochmals überdenken, Nichtgeburtstagskind, danke für den Hinweis.

»Die Spinne«, sagte ich und nickte in die Richtung.
Harald traf sie exakt mit dem Zeigefinger und kniff kaum merklich das Auge zusammen. »Die? Sie erinnert mich an ein anderes Leben. Jedes mal, wenn ich in den Spiegel sehe.«
Die Bedeutung der Spinne habe ich nicht verstanden. Spielt sie eine Rolle? Du hast sie so oft erwähnt, irgendwie habe ich da noch etwas erwartet.
Ich hab' mir natürlich was dabei gedacht. Vielleicht habe ich sie auch zu oft erwähnt - das muss ich mir noch mal ansehen. Ist natürlich blöd, wenn deine Erwartung nicht erfüllt wurde.

»Ich hab Zweitschlüssel von Thorstens Wohnung. Ich dachte ... Vielleicht willst du mal sehen, wie dein alter Herr so gehaust hat, bevor sie die Bude ausräumen.«
Okay ... das finde ich gruselig. Er hat seinen Vater nie gesehen und geht dann in seine Wohnung. Da käm ich mir ja wie ein Einbrecher vor.
Ja, wohl wird Jorma dabei auch nicht sein, aber neugierig ist er natürlich. Der hat so viel Fragezeichen im Kopf ... Ich denke auch nicht, dass es jetzt ein so großes Problem für ihn wäre, wenn er sich wie ein Einbrecher fühlen würde :).

»Ich hab’ deinen Namen gegoogelt. Spedition Bode. Bist du das?«
Hier war ich kurz verwirrt, wer was sagt.
...
Aber macht es Sinn, dass beide den gleichen Namen haben? So wie es sich anhört waren Vater und Mutter nicht verheiratet, oder?
Hm. Für mich ergab das absolut Sinn, ja. Aber jetzt, da du den Finger draufhälst ... Ich denke auch darüber nach, danke auch hierfür.

Der folgende Abschnitt hat mich ziemlich rausgehauen. Ich hab mich gefragt, warum du mir das alles erzählst und den Abschnitt nur überfolgen. Fand ich irgendwie langweilig. Nachher habe ich dann gemerkt, dass es wichtig war und den Abschnitt nachgeholt.

Der Abschnitt enthält nicht nur wichtige Informationen, sondern stellt einen Schnitt dar. Danach verändert sich Jorma, er wird zum Geschäftsmann. Er und Harald tauschen die Rollen, plötzlich ist Harald abhängig von Jorma.Das solltest du irgendwie besser mit dem text verknüpfen, fließender nicht so holzhammermäßig.

Diesen Schnitt wollte ich tatsächlich. Ob ich das fließender verknüpfen sollte? Wäre es dann noch ein Schnitt? Da werde ich noch darüber brüten müssen - wird wohl etwas dauern, bis ich das klar entscheiden werde. Ist aber auch ein guter Punkt, Nichtgeburtstagskind. Merci.

Er sprach über meinen Vater, wie ihn der Knast verändert, dass er nach der Entlassung Schwein und die Kurve gekriegt hatte. Aber eigentlich interessierte mich das nicht.
Versucht Harald hier Jorma zu bekehren, ihn auf den rechten Pfad zu bringen. Liegt ihm etwa auch etwas an Jorma?
Das freut mich sehr! Dass du das so rausgelesen hast. Bekehren ist vielleicht zu stark, aber ja, diese Richtung wollte ich andeuten.

»Eine Frage noch, Scheißkerl!« Ich trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Kanntest du meinen Vater überhaupt?«
Gute Frage! War das alles von Anfang an geplant? Oder arbeitet Harald eigentlich gar nicht für die Polizei, erst als er merkte, dass es nicht mit rechten Dingen zu geht, hat er sich bei der Polizei gemeldet und wurde zum Maulwurf?
Interessant, und regt zum Nachdenken an.
Gefällt mir natürlich, dass dich das spekulieren lässt.

Der Judas erwiderte nichts, nur die Spinne regte sich.
Mann, was ist denn mit der Spinne? Verrätst du es mir?
Nein :baddevil:.

Insgesamt ne coole Geschichte, vor allem mal etwas anderes, nicht zu rührselig, spannend und überraschend.
Mit diesem Fazit kann ich sehr gut leben, danke.


Nichtgeburtstagskind, dein Komm gibt mir zu denken - was gut ist -, dein Urteil freut mich - was auch gut ist.
Ganz herzlichen Dank für all die Gedanken, Verbesserungsvorschläge, deine Zeit und so. Toll!


Lieber Gruß


hell


Hallo Rappi,


... nette Geschichte, auch wenn ich von dir ein bisschen mehr erwartet hätte.
Fängt doch nett an, aber ja, ist natürlich blöd, wenn du mehr erwartet hast.

Insgesamt finde ich den Plot zu seicht und sehr vorhersehbar, bei mir war da nichts mit überraschenden Wendungen.
Schade. Ich kenne das auch, egal ob Film oder Buch, jemand sagt mir, Mensch!, echt überraschende Wendung und so und ich kann nur achselzuckend erwidern: Mja, ich hab's so kommen sehen.
Ist dann halt so.

Meine Hände spürte ich kaum mehr, pustete Atemwolken hinein
Worein? Der Satz ist etwas unglücklich konstruiert.
Danke, ist nicht nur dir aufgefallen, ich hab da was verändert.

Backdraft', der Film hatte mich damals gefesselt
Der Bezug auf den Film kommt zu rasch, nebenbei musst du das damals weglassen und Präteritum verwenden oder den ganzen Absatz im PP schreiben.
Für mich passt das so. Etwaige Unsauberkeit hinsichtlich PP nehme ich auch mal billigend in Kauf.

»Jorma?« Abrupt blieb ich stehen, drehte mich um.
Schöner Name, nur kündigst du den Anruf viel zu deutlich an, als dass er überraschend käme.
Der Überraschungsmoment ist mir da nicht wichtig.

»Die kennen Sie auch?« »Du.« Ich stutzte.
Einer wie Jorma würde sich niemals so anquatschen lassen oder wenigestens wie selbstverständlich zurückduzen. Hier macht der den Eindruck eines schüchternden Teenagers.
Einer wie Jorma? Also ich hab' ein deutliches Bild von ihm im Kopf - der ist so und so zeige ich ihn auch.

Bierdermeier
Tippfehler
Ha ha, immerhin hat mich meine Nachlässigkeit auch mal zum Lachen bringen können. Danke, Rappi.

... dass du so ein Kunstmensch bist, hätte ich ehrlich gesagt nicht vermutet.«
Sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln, wieder schlug mich die Spinne in ihren Bann. »Tja, manchmal steckt eben mehr in Menschen, als man glaubt. Stimmt's?«

Wer ist jetzt der Kunstmensch? Werden die plötzlich Freunde fürs Leben? Die Anspielung ist im Nachhinein etwas seltsam.
Weiß jetzt ehrlich gesagt gar nicht, was ich darauf antworten soll. Ich glaube du hast halt ein völlig anderes Bild von Jorma als ich.

Er hat meine Mutter geschwängert, hat einen umgelegt
Das zweite hat bitte weglassen.
Aufgrund der wörtlichen Rede - und dem Rhythmus, den hier ich will -, lasse ich das mal so.

War sogar lukrativer, als mit Drogen zu dealen
Die Masche mit dem vaterlosen Teenie, der auf die schiefe Bahn gerät, ist mir zu oberflächlich.
Leider ist das weder Masche, noch oberflächlich.
Aus vaterlosen Familien stammen (in den USA):

63 Prozent der jugendlichen Selbstmörder
71 Prozent der schwangeren Teenager
90 Prozent aller Ausreißer und obdachlosen Kinder
70 Prozent der Jugendlichen in staatlichen Einrichtungen
85 Prozent aller jugendlichen Häftlinge
71 Prozent aller Schulabbrecher
75 Prozent aller Heranwachsenden im Drogenentzugszentrum.

Das Thema Vaterlosigkeit in all seinen Facetten (und die Folgen) findet hierzulande m.E. noch eindeutig zu wenig Beachtung.

»Kann ich ... ähm ... Ärger bekommen?«, fragte er.
Bist du ... ähm ... ein Bulle? Ehrlich: Da platzt jede Überraschung.
Auch hier ging es mir weniger um eine Überraschung.

Harald fuhr bald nicht mehr im Dreißigtonner, sondern neben mir im Benz.
Das war mir zu offensichtlich. Ein echter Geschäftsmann lässt niemanden im Benz mitfahren, er hält stets alle auf Abstand und ist unangreifbar.
Also, es gibt solche und solche Geschäftsmänner, nicht?

»Ich will dein Scheiß-Geld nicht, okay!«
Verstehe ich nicht, ist doch Beweismaterial, außerdem warnt er Jorma auf diese Weise.
Ja, okay, für mich ist die Beweisaufnahme nun mal bereits abgeschlossen, und die Kavallerie ist ja schon unterwegs, eine Fluchtmöglichkeit ist von daher nicht mehr gegeben.

Ich erzählte Harald bald, wie ich mich von ganz unten hochgearbeitet
Dann verdient er es auch nicht anders! Welche Firmen soll der bitte geleitet haben?
Na, die beschriebenen.

»Kanntest du meinen Vater überhaupt?«
Da hätten wir wieder den einsamen Teenager. Kein guter Schluss, finde ich.
Gefällt mir eigentlich, zumindest das mit dem Teenager :).
Schade, dass dir der Schluss nicht gefällt, aber der bleibt so.


Jonathan, du hast mir einiges zum Überdenken gegeben. Und auch wenn wir in so manchen Dingen andere Auffassungen haben, ist/ war das dennoch sehr hilfreich für mich. Um mir selbst noch mal Klarheit zu verschaffen vor allem.
Vielen Dank fürs Lesen, Kommentieren und für die Zeit, die du meinem Text gewidmet hast. Hat mich sehr gefreut.


Gruß


hell


Hey Raindog,


... deine neue Geschichte ist so richtig nach meinem Geschmack - aber ist ja vielleicht auch gar nicht verwunderlich, da wir doch beide momentan das gleiche Buch lesen.
Prima! Und stimmt, wir lesen ja dasselbe. Okay, eigentlich bin ich schon durch. Muss mein Profil mal updaten :). Gefällt dir der Boyle?

Also wirklich, ich bin auch ganz schnell durchgerauscht durch die Story, habe mich an der Erzählsprache gefreut, war überrascht von den Wendungen, habe nix vorhergesehen, auch wenn man im Nachhinein vielleicht denkt: ja, klar …
Das freut mich! Dass man im Nachhinein denkt: ja klar ..., ist doch auch super - so soll das :).

Der Titel finde ich übrigens auch gut!
Sehr schön.

Am Abend wollte sie eine weitere Flasche Wein aus dem Keller, da fand ich ein Polaroid in einer Schuhschachtel.
Vllt. besser „sollte ich ihr eine weitere Flasche Wein aus dem Keller holen“
Hast recht, danke.

Ein streng geschnittener Mann
Ich gehöre zu der Fraktion, die den streng geschnittenen Mann komisch findet …
Ich werde ihn wohl auch beerdigen.

Ich nickte. »Hab' es oft heimlich angesehen. Im Bett. Als ich noch klein war.
...
Dieser Dialog klingt für mich unecht, ich kann mir nicht vorstellen, dass Jorma so redet: hörte ... steckte ... hämmerte ...
Stimmt. Ich hab' ihn mir noch mal vorgenommen.

Vor allem in Osteuropa, sogar China und zum Urlauben sonst wo war ich
Klingt ungelenk, finde ich. Vllt. eher so ähnlich: Ich bin viel rumgekommen: Osteurapa vor allem, China, und im Urlaub war ich sonst wo …
Merci.

»Jorma?«
Der Teelöffel fiel mir aus der Hand und fiel klappernd auf die Untertasse.
Das habe ich gar nicht verstanden, warum er sich hier so erschreckt hat.
Der ist so in der Beobachtung der Straßenszene drin, dass er Harald nicht gleich wahrnimmt. Mal sehen, ich behalte das im Hinterkopf und mache es vllt. noch deutlicher.

Harald wuchs mir ans Herz, ja, hätte ich anders nicht sagen können.
Hier finde ich, machst du es dir ziemlich einfach. Da würde ich mir noch ein paar mehr Details wünschen, wie den Besuch bei der Mutter.
Ist schon 'ne Abkürzung, ja. Mal sehen, vielleicht baue ich das showstylemäßig noch weiter aus.

Okay, insgesamt erscheint das schon ein bisschen unrealistisch, dass er diesem Harald so vertraut – aber gut - sei's drum.
Hm ja, dem Text würde es sicher nicht schaden, wenn ich das Verhältnis der beiden plausibler machen, wenn ich das ausbauen würde. Ich denke darüber nach.

Der Judas erwiderte nichts, nur die Spinne regte sich.
Schöner letzter Satz!
Ich finde das mit der Spinne übrigens gut, gerade, dass es nicht weiter aufgelöst wird und so in der Schwebe bleibt.
Das freut mich natürlich! Übrigens: zumindest eine Spinne habe ich vorerst ausradiert.

Jetzt noch ein ganz persönlicher 'Kritik'punkt: Du hast da eine Szene drin, die fast wörtlich so in der Geschichte vorkommt, an der ich gerade herummurkse. Da muss ich nun zusehen, was ich mache …
Menno!
Oh je, aber hey, ich bin mir sicher, dir fällt was ein :).

Aber davon abgesehen hat es mir großen Spaß gemacht, deine Geschichte zu lesen.
Und mir erst, deinen Kommentar zu lesen.


Liebe Raindog, toll!, dass und wie du dich mit meinem Text auseinandergesetzt hast. Dein Lob hat mich gefreut, die kritischen Punkte waren sehr hilfreich!


Herzlichen Dank für deinen Besuch!


hell

 

Hey barnhelm,


... ich war angetan von der Idee, die du in ihr umgesetzt hast.
Das fängt ja gut an :). Freut mich schon mal, barnhelm.

Es ist eine interessante Story, die mich ein wenig an den ‚Schattenmann’ erinnert hat. Diese Thematik wird allerdings erst am Ende deutlich. Über weite Strecken lese ich deine Geschichte so, als ginge es um deinen Protagonisten, seine Auseinandersetzung mit seinem verstorbenen Vater und diesen etwas mysteriösen Harald, der Jorma mit dem Leben des Vaters konfrontiert. Dann wechselt die Thematik und der Handel des Protagonisten mit Repliken tritt in den Vordergrund. Und damit verändert sich in gewisser Weise auch der Stil deines Textes.
Gefällt mir, die Lesart, und ja, der Text änderst sich auch stilistisch.

Der erste Teil, in dem es um den Tod des Vaters und das Kennenlernen der beiden geht, nimmt in deiner Geschichte sehr viel mehr Raum ein als die Repliken-Geschichte. Ich glaube, mir hätte es besser gefallen, wenn nach der Kennenlern-Einleitung die Entwicklung des Verhältnisses der beiden zueinander stärker im Fokus deiner Geschichte gestanden hätte, um auch das Judas-Motiv am Ende zu rechtfertigen. Hier fehlt mir schon ein bisschen etwas Subtiles, ein bisschen mehr Innenschau des Protagonisten, vielleicht ein bisschen mehr Harald-Vater-Replik. Möglicherweise entspricht das aber auch nur meinen Lese-Vorlieben.
Ich verstehe deinen Einwand. So oder ähnlich lese ich das auch aus anderen Komms heraus - zumindest werden Bedenken angemeldet, machst du ja auch. Ich muss darüber nachdenken, ob ich da mehr Fluss will, ob ich "beide Teile" besser ineinanderfließen lassen sollte. Und ob ich näher in die Harald-Jorma-Beziehung gehen sollte. Mal sehen ... Ich bin da noch unschlüssig.

Mir ist nicht ganz klar, was du mit ihm ausdrücken möchtest. Als Metapher fällt mir dazu das Spinnennetz ein, das die Spinne webt, damit sich ihr Opfer darin verfängt. Das ließe sich auf Haralds Tun beziehen. Ansonsten verwirren mich die verschiedenen Zustände des Spinnentatoos und ich kann konkret mit ihnen nicht so recht etwas anfangen.
Hm. Ja. Ich hab' mal ein/ zwei Spinnen rausgeworfen. Ansonsten wird sich da vorerst nicht mehr viel ändern, denke ich. Ist vielleicht auch eine Geschmacksfrage.

Am Himmel zeichneten sich blassrote Schlieren wie Narben von Peitschenhieben ab. Es roch nach Schnee und Moder.
Das ‚Peitschenhieb’-Bild kann ich leider nicht nachvollziehen. Und die Verknüpfung von Schnee und Moder leuchtet mir nicht ein.
Zumindest mit dem Moder gehe ich (mittlerweile) konform. Das Bild will ich nicht verändern.

Ein streng geschnittener Mann,
Worte sollten ja eine Assoziation auslösen. ‚streng geschnitten’ tut das bei mir leider nicht.
Da stolpern die meisten darüber. Ich überlege mir was.

trat durchs rostzerfressene Tor
’rostzerfressen’ empfinde ich als zu stark. ‚rostig’ tut es mMn auch.
Rostig gefällt mir vom Klang her irgendwie nicht, zudem würde das den Satzrhythmus verändern. Aber ich überdenke das noch mal.

»Richtig Herzrasen hatte ich. Und immer das Gefühl, was falsch gemacht zu haben.«
Diese und ähnliche Äußerungen sollen wohl zeigen, wie sehr sich dein Protagonist nach seinem Vater sehnte. Wenn du diese Sehnsucht als Begründung für die spätere Zuwendung zu Harald einbringst, so hätte ich es gut gefunden, wenn sich ein solcher Gedanke auch im zweiten Teil gefunden hätte.
Vermutlich ist Sehnsucht zu stark - vielleicht eine unterbewusste; ist wohl eher was Diffuses.
Ich hab' es weiter oben schon geschrieben, vielleicht gehe ich noch tiefer auf die Harald-Jorma-Beziehung ein und baue sie aus. Guter Gedanke, barnhelm.

Der Name ‘Bode’ neben dem Klingelknopf irritierte mich.
Diesen Satz verstehe ich nicht. (Vielleicht hast du es ja schon erklärt, aber ich habe die anderen Kommentare noch nicht gelesen.) Entweder waren Mutter und Vater verheiratet, dann gibt es keinen Grund irritiert zu sein. Oder die ‚Konstrukteure’ haben sich bei der Wahl des Namens geirrt, dann müsste das doch irgendwie thematisiert werden.
Ich hab' den Satz mal etwas unterfüttert.

D
er Flur war hell. Abgeschliffene, geölte Dielen, hohe Decke, Stuckrosette und Industrielampe.
Wenn es nur eine Decke gibt, kann es mMn auch nur eine Diele geben oder es handelt sich um Dielenbretter.
Dielen wurden zum Dielenboden. Danke.

Eine noch kinderlose Frau strahlte in die Kamera.
Hier scheint mir ein Gedanke, den Jorma hat, sehr verkürzt dargestellt worden zu sein. Diese Frau ist alles mögliche noch nicht: noch nicht grauhaarig, noch nicht dick usw.
Ja, verkürzt, passend aber auch (in meinem Kopf), dass er sie als noch kinderlose Frau wahrnimmt.

Hatte ich erwähnt, dass meine Gewinnmarge im Schnitt bei etwa zweihundert Prozent lag?
Diese Bemerkung fällt für mein Empfinden aus dem bisherigen Rahmen.
Du meinst vom Stil her, nicht? Ich hab' das jetzt als Aussage - nicht mehr als Frage im Text.

Lieber hell, du hast eine gute Idee so umgesetzt, dass man deiner Geschichte gerne folgt. Probleme hatte ich lediglich mit der Gewichtung und dem unterschiedlichen Stil der beiden Erzählteile.
Freut mich, deine Bedenken nehme ich nicht nur zur Kenntnis, die werden mich noch etwas länger beschäftigen.


Liebe barnhelm, wie immer ein sehr hilfreicher Komm von dir, der mich noch weiter beschäftigen wird.
Ich möchte mich ganz herzlich dafür bedanken, dass und wie du dich mit meinem Text auseinandergesetzt hast. Für all die Zeit und Weiteres. Du weißt schon :).


Lieber Gruß


hell

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Manlio,


Ich stand etwas abseits
Die Prolepse ("abseits" ist ein Fakt, der sich erst aus Nachfolgendem erklärt) sehe ich als sinnvolles Stilmittel, um anzudeuten, dass sich Dinge in der Geschichte spät aufklären.
Schön. Freut mich.

Die Grabrede des Pfarrers war kaum zu hören
Scheint mir nicht ideal. Vorschlag: "Ich verstand die Grabrede des Pfarrers kaum"
Weiter oben habe ich: Ich stand. Ich verstand ... Hm. Ich finde, das geht hier schon so.

Die Sonne war gut gelaunt
Hier fände ich einen Tempuswechsel wirklich schön, um die Rückblende noch mehr abzuheben - dann müsstest du allerdings ansonsten im Präsens erzählen.
Ja, gute Idee. Ich denke mal darüber nach, Manlio, danke.

was sollte das auch bringen!
Passt nicht so richtig zu einer Beerdigung
Hm. Vielleicht. Ist aber ja auch keine klassische Beerdigung, zumindest was Jorma anbelangt. Der denkt eben so geschäftsmäßig, könnte ich jetzt schreiben, wenn es nicht so nach billiger Ausrede klingen würde :).

entpuppte sich nun – bei näherem Hinsehen – als eintätowierte Spinne.
schönes Symbol - Jorma ist bereits in Haralds Netz
Gefällt mir, dass du das so liest.

Weißt du, das hier war eine der Stammkneipen deines Vaters.
Auch nach mehrfachem Lesen habe ich nicht kapiert, wo der Vater nun gelebt hat. War er nicht Feuerwehrmann in den USA?
Okay, ist blöd, wenn das nicht verstanden wird. Ich wollte andeuten, dass das Kind "Jorma" dieses Polaroid findet und in seiner Fantasie die roten Augen mit diesem Film verquickt - sich einen (aus kindlicher Sicht) heldenhaften Vater wünscht. Muss ich mal sehen, ob ich das klarer herausarbeiten will und muss. Danke für den Hinweis.
Mal so zum Hintergrund (meiner Intention): Vaterlose Kinder (Jungen!) tendieren dazu, sich idealisierten Vaterfiguren (Helden) zuzuwenden. In dem Zusammenhang erklärt sich vielleicht auch der Erfolg von Filmen wie Matrix oder so, wo das unwissende Kind (Neo) vom Ersatzvater (Morpheus) in die "böse" Realität katapultiert und darauf vorbereitet wird.
Vielleicht erklärt das sogar Erfolgskonzepte wie das der Heldenreise und Co. :).
"Vaterlos" muss übrigens nicht nur bedeuten, dass der Vater physisch nicht präsent ist. Gibt da interessante Studien, Artikel über das Thema.

– so wie die Gäste hier.
Ich finde den Nachsatz entbehrlich
Sagt halt auch was über den Prota aus. Aber ja, ich verstehe schon und überdenke das mal. Danke.

Mir war Osteuropa gut vertraut,
Das ist ein Infoblock. Der Prot. "bringt" Hintergrundinfos. Da bin ich selten glücklich, wenn ich das lese, auch wenn ich den Sinn verstehe. Kann man das einbauen, ohne dass es so wirkt - wie ein Infoblock?!
Ja, stimmt schon. Wenn das zu infodumpingmäßig rüberkommt, wäre das natürlich doof. Irgendwie brauche ich die Infos schon, könnte das auch anders machen, klar, dann wäre die Kiste halt gleich deutlich umfangreicher. Zu umfangreich wollte ich den Text halt nicht - hätte allerdings auch mindestens einen Kurzroman im Kopf. Aber ich verstehe den Einwand, damit habe ich auch gerechnet. Ich wollte den zweiten Teil unter anderem auch deswegen stilistisch ein wenig abheben, in der Hoffnung - nach dem ersten Stutzen - dann zu denken: Hm, ja, was soll das jetzt. Ach so, okay, und jetzt kommt der Harald wieder ins Spiel. Interessant, ich lass' mich mal darauf ein, bin mal gespannt, was das jetzt soll ...
Irgendwie so habe ich mir das erhofft :).

Der Imitierte blieb stehen, sah auf seine Armbanduhr und der Mime rempelte ihn von hinten an.
Für mich wieder eine symbolische Andeutung
Ich hab' ein paar davon einstreuen wollen, ja.

aber steh’ nicht so unbeholfen da
Ganz klar, der Tonfall ist ein Fremdkörper, sonst redet Harald anders. Passt nicht so gut.
Ist raus. Danke.

Harald wuchs mir ans Herz
Du raffst jetzt stark, beschleunigst die erzählte Zeit. Ich bin nicht 100% sicher, ob ich das mag, wiewohl der Sinn klar wird
Verstehe ich. Immerhin lehnst du das nicht gleich auf Anhieb ab - hätte ja auch sein können.

Toller Twist, wirklich. Hat mir gefallen.
Schöner Text!
Das freut mich natürlich!


Manlio, vielen Dank für deinen Kommentar, der hilft nicht nur, der freut mich ganz einfach auch. Und als Bonus gibst du mir noch ein paar Dinge zum Überdenken mit auf den Weg. Ganz ehrlich: So mag ich das!


Lieber Gruß


hell

 

Nabend hell,

hübscher Twist! Einerseits originell, andererseits schade, dass da nicht noch mehr zu Jormas Familiengeschichte kommt. Es fühlt sich für mich so an, als hättest du das Zeug dazu, darüber noch sehr Lesenswertes zu schreiben.

Diese Sehnsucht nach dem Vater, den er nie gekannt hat, die hast du mit kleinen Details schön eingefangen. (Ich hab übrigens mal gehört, dass die Polaroid-Sofortbilder zerliefen, wenn man die zerschnitt. Insofern weiß ich nicht, inwieweit das realistisch ist, was du da schreibst, oder ob es vielleicht doch lieber ein normal entwickeltes Foto sein sollte.)

Zum Text:

Die Grabrede des Pfarrers war kaum zu hören – ganz gleich, wie sehr ich mich auch darauf konzentrierte. Meine Hände spürte ich kaum mehr, ballte sie zu Fäusten

Also, wenn ich du wär, dann würde ich jetzt sagen, du weißt schon ...

Ein streng geschnittener Mann

Semantisch schwierig. Ich könnte glatt auf die Idee kommen, dass Deutsch nicht deine Muttersprache sei. Worum geht es? Strenge Gesichtszüge, kantige Kiefer? So in die Richtung, oder? Ist das ein Darling, den wir nicht loslassen können, hm? :D

Ich nahm noch einen Zug, schmiss dann die Kippe zu Boden, drückte sie mit dem Absatz aus.

Das „dann“ wäre für mich entbehrlich. Ich geh einfach davon aus, dass chronologisch erzählt wird, rhythmisch brauche ich das in dem Satz auch nicht.

Er streckte mir die lederbehandschuhte Hand entgegen.

Wie wäre es denn mit einer lederbehandschuhten Rechten?

der Laden war geschmackvoll aus- und eingerichtet

Der Autor hat sich hübsch aus- und eingeschrieben. Gnäää ...

Jedes mal, wenn ich in den Spiegel sehe.

Jedes Mal

Keine Hochglanzfassade – roter Backsteinklinker, aufgesprühte Schriftzüge am für Berlin wohl typischen Gebäude.

Hm, was soll das sein? In Berlin gibt es so viele Gebäude, auch Bürogebäude usw. Konkreter geht es wohl um ein Wohnhaus. Und da würde ich kein langatmiges Attribut davorsetzen. Lieber in die Richtung formulieren „ein Wohnhaus, wie es für Berlin wohl typisch ist“ oder so in der Art.

‘Finnische Ware’ bedeutete für meine Abnehmer: gute Qualität, unter falschem Label, zu einem fairen Preis. Die Hersteller saßen in Indien, Afrika und China. Ich bevorzugte die Chinesen. Die dachten so: Wer wenig Geld hatte, bekam Schrott. [...] Wer auf gefälschte Mode umstieg, veränderte sein ganzes Leben. Er musste nicht fürchten, bei Revierkämpfen eine Kugel einzufangen, und wenn man ihn erwischte, fuhr er höchstens für ein paar Jährchen ein.

Ist halt ein Schnitt (!) hier, so empfinde ich es zumindest, wie er auf einmal beginnt, vom Geschäft zu labern. Und ein länglicher Absatz. Ich hab mir die Augen gerieben, dass der Tonfall sich hier mit einem Mal so verändert, mich gefragt, worum geht es denn hier in der Geschichte, was erzählt er mir denn hier? Aber okay, ich denke, das ist dir bewusst und so gewollt.

Er sprach über meinen Vater, wie ihn der Knast verändert, dass er nach der Entlassung Schwein und die Kurve gekriegt hatte.

Hier holpert es, das ist mir zu sehr gerafft und nochmals gerafft. Ich kann verstehen, dass du nicht mehrmals „hatte“ schreiben willst, aber so ist dieses Vermeidungsverhalten halt deutlich erkennbar.
Hab jetzt auf die Schnelle keine Alternativformulierung. Ggf. reicht auch Kürzen

Details besprachen Chinesen jedenfalls stets in der Sauna, und mir gefiel das, ich mochte Saunen, schließlich war ich ja auch ‘der Finne’. Das passte also ganz gut zusammen.

Der letzte Satz ist mir zu selbstgefällig und geschwätzig.

in die Innentasche des Sackos

Hybscher Tippfehler. Sakko

dann kreischten Bremsen und Blaulicht von draußen tauchte mein Büro in Discolicht.

Ein Licht taucht das Büro in Licht?!
Evtl. die Disco weglassen und das Pulsieren durch ein Verb ausdrücken, etwa: „und Blaulicht flackerte durch mein Büro“.

Ja, hübsch hübsch, hat mir gefallen!
Such dir von meinem Textgemaule aus, was du gebrauchen kannst.

Liebe Grüße und eine schöne Woche!
Anne

 

Hey Anne49,


hübscher Twist! Einerseits originell, andererseits schade, dass da nicht noch mehr zu Jormas Familiengeschichte kommt. Es fühlt sich für mich so an, als hättest du das Zeug dazu, darüber noch sehr Lesenswertes zu schreiben.
Freut mich natürlich, gerade weil das eine der Aufgaben war, die ich mir hier gestellt hab' - also das mit dem Twist.
Andererseits, ja, verstehe ich, wäre halt 'ne andere Geschichte geworden, also nicht ganz, aber von der Gewichtung her.
Ob ich das Zeug dazu hätte, Erwähntes lesenswert weiter auszuarbeiten, weiß ich nicht. Aber das Rohmaterial habe ich im Kopf, ja. Ich könnte locker 10, 20 Seiten dranhängen, vielleicht sogar - ich erwähne das mit aller Vorsicht! - einen Roman, zumindest Kurzroman daraus machen, so mit der ganzen Auserzählerei, ein paar Nebenfiguren dazu und so ... du weißt schon. Also das Grundgerippe Stück für Stück weiter denken und ausbauen. Na ja. Ist halt 'ne Kurzgeschichte geworden. Aber wer weiß, irgendwann schaue ich mir das vielleicht noch mal an.

Diese Sehnsucht nach dem Vater, den er nie gekannt hat, die hast du mit kleinen Details schön eingefangen.
Danke.

Ich hab übrigens mal gehört, dass die Polaroid-Sofortbilder zerliefen, wenn man die zerschnitt. Insofern weiß ich nicht, inwieweit das realistisch ist, was du da schreibst, oder ob es vielleicht doch lieber ein normal entwickeltes Foto sein sollte.
Okay, wusste ich nicht. Ich recherchiere mal.

Die Grabrede des Pfarrers war kaum zu hören – ganz gleich, wie sehr ich mich auch darauf konzentrierte. Meine Hände spürte ich kaum mehr, ballte sie zu Fäusten
Also, wenn ich du wär, dann würde ich jetzt sagen, du weißt schon ...
Aber so was von! Du kennst mich schon ziemlich gut, hm ;)?
Hab ich natürlich geändert, danke.

Ein streng geschnittener Mann
Semantisch schwierig.
Okay, ihr habt mich überzeugt. Ein Darling irgendwie, ja, keine Ahnung weshalb. Ich fand das ganz pfiffig, so als Abwandlung von "scharf geschnitten", hatte da auch ein Bild vor Augen ... aber wie das nun mal so ist. Ist ja beinahe wie mit der Fremd- und Eigenwahrnehmung :).

Ich nahm noch einen Zug, schmiss dann die Kippe zu Boden, drückte sie mit dem Absatz aus.
Das „dann“ wäre für mich entbehrlich. Ich geh einfach davon aus, dass chronologisch erzählt wird, rhythmisch brauche ich das in dem Satz auch nicht.
Ja, entbehrlich, meinem Rhythmusgefühl nach, muss da aber was hin. Und wieder mit Konjunktion arbeiten will ich hier nicht. Das strapaziere ich schon ziemlich im Text, meine ich.

Er streckte mir die lederbehandschuhte Hand entgegen.
Wie wäre es denn mit einer lederbehandschuhten Rechten?
Kauf' ich! Danke.

K
eine Hochglanzfassade – roter Backsteinklinker, aufgesprühte Schriftzüge am für Berlin wohl typischen Gebäude.
Hm, was soll das sein? In Berlin gibt es so viele Gebäude, auch Bürogebäude usw. Konkreter geht es wohl um ein Wohnhaus. Und da würde ich kein langatmiges Attribut davorsetzen. Lieber in die Richtung formulieren „ein Wohnhaus, wie es für Berlin wohl typisch ist“ oder so in der Art.
Wollte mich schon wehren, dann habe ich deinen Vorschlag gelesen. Also, prima! Einfach nur: Danke, Anne.

Ist halt ein Schnitt (!) hier, so empfinde ich es zumindest, wie er auf einmal beginnt, vom Geschäft zu labern.
Stimmt. Auch bewusst, ja, was ja nix heißt. Ich brauche etwas Abstand zum Text, um da kritischer zu werden.

Er sprach über meinen Vater, wie ihn der Knast verändert, dass er nach der Entlassung Schwein und die Kurve gekriegt hatte.
Hier holpert es, das ist mir zu sehr gerafft und nochmals gerafft. Ich kann verstehen, dass du nicht mehrmals „hatte“ schreiben willst, aber so ist dieses Vermeidungsverhalten halt deutlich erkennbar.
Hab jetzt auf die Schnelle keine Alternativformulierung.
Ich glaube, barnhelm hat schon darauf hingewiesen. Bin da mal ran.

Details besprachen Chinesen jedenfalls stets in der Sauna, und mir gefiel das, ich mochte Saunen, schließlich war ich ja auch ‘der Finne’. Das passte also ganz gut zusammen.
Der letzte Satz ist mir zu selbstgefällig und geschwätzig.
Jetzt nicht mehr, danke.

in die Innentasche des Sackos
Hybscher Tippfehler. Sakko
Besser noch fand ich meinen Bierdermeier :D.

... dann kreischten Bremsen und Blaulicht von draußen tauchte mein Büro in Discolicht.
Ein Licht taucht das Büro in Licht?!
Evtl. die Disco weglassen und das Pulsieren durch ein Verb ausdrücken, etwa: „und Blaulicht flackerte durch mein Büro“.
Oh Mann! Betriebsblindheit ist ein außerordentlich interessantes Phänomen.
Den Vorschlag übernehme ich gerne 1:1, wenn ich darf. Merci!

Ja, hübsch hübsch, hat mir gefallen!
Such dir von meinem Textgemaule aus, was du gebrauchen kannst.
Freut mich ehrlich, vor allem dein Gemaule übrigens.


Liebe Anne50: Danke! Du weißt schon. Hat mich echt gefreut, dich unter meiner Geschichte lesen zu dürfen.


Es grüßt dich ganz herzlich


hell

 

Hej hell,


Ich schreib beim zweiten Lesen jetzt mal mit:

und musste an diesen Film denken: 'Fireman', nein, 'Backdraft – Männer, die durchs Feuer gehen'.
'Backdraft', der Film hatte mich damals gefesselt, und wir Jungs unterhielten uns oft in der Schule darüber.
Was mir ein bissl unlogisch erscheint ist Folgendes: wenn das einer seiner Lieblingsfilme war und er oft in der Schule darüber geredet hat, warum muss er dann über den Titel nachdenken?

Ihre Zähne glänzten nur für mich und beinahe so hell wie die Sonne über uns.
Finde ich unpassend, die Sonne glänzt nicht, sie blendet und niemand kann sie ungeschützt ansehen.

Ein Firefighter in Amerika, der Buschbrände bekämpfte oder eben Feuersbrünste in New York. Wie einer der 'Männer, die durchs Feuer gehen'.
Hier legst du eine verwirrende Fährte aus. Ich habe gedacht, der Vater ist tatsächlich ein Firefighter. Also was macht er dann in der Erde von Berlin? Hä? Da hüpft was.

Das Mobiliar sah aus, als sei es Stück für Stück zusammengetragen worden, vielleicht vom Sperrmüll – so wie die Gäste hier.
Oha, das finde ich bedenklich! Wie wär´s mit „Rest“ oder „Überrest“, würde auf Menschen und Möbel passen, ohne despektierlich zu sein.

Ich habe etwas Schwierigkeiten mit den Sprüngen in deiner Geschichte. Anfangs las ich den Prot mehr als Jugendlichen, der unsicher ist, raucht und Wasser trinkt, statt Bier.
Dann ist er auf einmal ein abgekochter Geschäftsmann? Und wie passt das Pergamonmuseum darein? Ich habe Probleme mit der Kongruenz der verschiedenen Beschreibungen deines Prots.

Eines will sich mir jedoch so gar nicht erschließen. Warum lässt sich der Prot so einfach in die Karten schauen? Was er tut ist schließlich höchst illegal. Entweder hält er sich für unangreifbar, dann ist er naiv, was zum smarten Selfmade-Typen mit Cartier-Uhr nicht passt.
Oder aber es ist ein persönliches Ding, er sieht Harald als Vaterersatz. Aber sorry, dennoch: Warum fasst er so schnell Vertrauen? Ein paar illegale Fahrten Haralds mit dem LKW und "die Mutter zum Lachen bringen" reichen mir nicht als Erklärung. Das ist zu lapidar.
Es gibt unzählige Filme zum Thema Undercover-Cop. Ich denke direkt an „Donnie Brasco“ und „Departed“. In den beiden Filmen geht es auch darum, wie der Cop das Vertrauen gewinnt und anschließend verrät. Vor allem steht aber eines ganz weit vorne: eklatantes Misstrauen. Der Cop muss das in ihn gesetzte Vertrauen stufenweise immer wieder rechtfertigen und ist nie safe.
Sorry, das geht mir bei Harald viel zu glatt. Es wird ihm zu leicht gemacht und ist so fast unglaubwürdig.

Ich denke, der Text kann noch eine Überarbeitung vertragen, mit der du die Schilderungen Jormas eindeutiger darstellst und es Harald weniger leicht machst.


So jetzt zum Positiven:

Es ist eine interessante Geschichte mit starkem Twist! Du hast mich voll gepackt und dann geleimt! Ich fand es lange nicht vorhersehbar.

Den Titel „Replika“ (minderwertige Nachahmung) finde ich sehr gelungen, weil er sich sowohl auf die gehandelte Ware als auch auf den scheinheiligen Vaterersatz beziehen kann.

Sehr gelungen finde ich die Spinne, die ihr Netzt spinnt, Jorma anködert, fängt und eingewickelt. Manchmal verrät sie mehr Eigenleben als Harald selbst, sehr schöner Sidekick.
Auch schön der gespitzte Mund, der fast zuviel verrät.

Sprachlich ist dein Text ausgereift und gut zu lesen. Rechtschreibefehler habe ich keine gefunden. Eine Seltenheit.


Peace, Linktofink.

 
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Hey hell

Am Himmel zeichneten sich blassrote Schlieren wie Narben von Peitschenhieben ab.

Gutes Bild, der Satz aber erscheint mir etwas umständlich. Schade auch, dass er mit „Am Himmel“ beginnt und mit „ab“ endet. Die Wörter, deren Aufgabe es ist, sich dem Leser einzubrennen, sollten idealerweise am Anfang und / oder am Ende eines Satzes stehen. Ist aber hier gar nicht so einfach. Vielleicht, wenn man den Satz nach hinten nimmt? „Ich stand abseits unter einer kahlen Eiche. Blassrote Schlieren am Himmel, wie Narben von Peitschenhieben. Es roch nach Schnee und nasser Erde.“ Keine Ahnung, ich habe den Eindruck, dass man den Einstieg noch optimieren könnte. Siehe übrigens hier:

Graue Gischt im Hintergrund, der Himmel wie aus Marmor.

Da machst du es nämlich genau so.

Ich stand etwas abseits, unter einer kahlen Eiche, deren Äste mit Raureif überzogen waren, und zuckte zusammen, als Krähen hinter mir in alle Richtungen davonstoben.

Ich bin mir nicht sicher, ob das gut ist, wenn du den Blick des Prota zweimal nach oben richtest und ihn dabei verschiedene Dinge sehen lässt – einerseits die Schlieren am Himmel, andererseits die Äste mit Raureif – ohne dass dazwischen was geschieht. Geht ja schon, dass man beides gleichzeitig sieht, den Himmel also zwischen den Ästen hindurch. Aber dennoch.
Und dann weiß ich nicht, ob es besser wäre, wenn du die Aufmerksamkeit des Lesers neu justierst, bevor du mit den Krähen kommst: „Ich stand etwas abseits, unter einer kahlen Eiche deren Äste mit Raureif überzogen waren. Hinter mir stoben Krähen in alle Richtungen davon und ich zuckte zusammen.“ Ich habe das Zusammenzucken nämlich für eine Millisekunde mit den Ästen in Verbindung gebracht.
Kommt natürlich auf den Kontext an, ich formuliere mal die These, dass man im Versuch, Atmosphäre aufzubauen, möglichst organisch arbeiten, keine Irritationen, die den Verstand kitzeln, einbauen sollte. Weiß aber nicht, ob das stimmt, ist nur ein Gedanke.
Du merkst, ich bin heute pingelig drauf. :)

Die Grabrede des Pfarrers war nicht zu hören – ganz gleich, wie sehr ich mich auch darauf konzentrierte.

Das „darauf“ kann sich nicht auf „Grabrede“ beziehen, denn die hört er ja nicht, also kann er sich auch nicht darauf konzentrieren. (Das ist die Konsequenz davon, dass du das „kaum“ gestrichen hast.) Man kann das jetzt schon so lesen, dass er sich darauf konzentriert, überhaupt etwas zu hören. Aber ginge es nicht eleganter ohne das „darauf“?

pustete Atemwolken in sie hinein

Ich glaube, ich würde zwei Bilder daraus machen, das hört sich irgendwie falsch an. Denn wenn ich in meine Hände puste, bildet genau nur der Atem Wolken, der nicht zwischen die Hände gerät.

hinein und suchte die Trauernden nach bekannten Gesichtern ab.

Müsste es nicht heißen: „die Trauergemeinde“? Denn so lese ich das so, als würde der Prota jeden einzelnen auf vertraute Gesichter absuchen, als gäbe es da mehrere Gesichter pro Person.

. Ihre Zähne glänzten nur für mich und beinahe so hell wie die Sonne über uns.

Hm. Ich muss an Zahnpastawerbung denken. :) Im Ernst, „beinahe so hell wie die Sonne über uns“ ist mir etwas too much, obwohl natürlich klar ist, dass du das Wort „hell“ irgendwo unterbringen musst, hast du dir ja zur Aufgabe gemacht.

Mein Vater war darauf zu sehen.

Weiß er das sofort? Das würde bedeuten, dass er schon ähnliche Fotos gesehen hat, oder nicht? Vielleicht könnte man das noch ein wenig hinauszögern. Da ist ein Mann drauf und dem Prot dämmert so langsam, dass das sein Vater sein muss. Nur so eine Idee.

Wie einer der 'Männer, die durchs Feuer gehen'. 'Backdraft', der Film hatte mich damals gefesselt, und wir Jungs unterhielten uns oft in der Schule darüber.

Unnötige und auch etwas schwerfällige Info. Ich würde hier beim Vater bleiben, im Moment, nicht abschweifen. Ich glaube, was du schreibst, ich glaube, dass er sich an den Film erinnert, da brauche ich keine Erklärung.

Als ich meiner Mutter das Foto zeigte, riss sie es mir aus der Hand, zerfetzte es und warf es in den Abfall.

Ich finde die ganze Erinnerungsszene gut. Ist sehr klassisch, dieser Blick auf ein altes Foto und auch das Zerreißen des Bildes ist eine typische Geste. Aber weil du hier sehr konzentriert arbeitest, mit sparsamen Mitteln, funktioniert das gut für mich. Du tust nicht so, als hättest du als Autor das Rad neu erfunden und du walzt diese Szene auch nicht aus. Passt.

Mir war nach einer Zigarette, ich hatte genug von all dem hier – was sollte das auch bringen! Mit mir selbst hadernd, bemerkte ich,

Hast du eben gerade gezeigt. Kann weg.

Abrupt blieb ich stehen, drehte mich um.

Jetzt wird’s oberpingelig. Für mich ist „abrupt“ kein Wort, mit dem ich meine eigenen Bewegungen beschreiben würde. Dass eine Bewegung abrupt endet, ist doch eher etwas, das man beobachtet, nicht etwas, das man spürt. Ach, vielleicht mag ich das Wort einfach nicht. Ich empfinde das hier auch so als Fülladverb, damit der Satz nicht mit „Ich“ beginnen muss. Dabei fände ich: „Ich blieb stehen, drehte mich um“ viel direkter und im Fluss.

Ich nahm noch einen Zug, schmiss dann die Kippe zu Boden, drückte sie mit dem Absatz aus.

Da willst du aus rhythmischen Gründen auf das dann nicht verzichten. Wie wäre es mit: „Ich nahm noch einen Zug, schmiss die Kippe zu Boden und drückte sie mit dem Absatz aus. Hast du wohl nicht gemacht, weil du diesen Satzbau oben schon hast. Aber dann musst du halt den Satz oben ändern. :)

Was ich erst für einen Leberfleck neben dem rechten Auge gehalten hatte, entpuppte sich nun – bei näherem Hinsehen – als eintätowierte Spinne.

Finde ich etwas suboptimal, das in einem Satz auszudrücken. Denn so kann der Leser das nicht wirklich miterleben. Könnte man nicht zunächst den Leberfleck einführen und den dann später sich entpuppen lassen?

Die Spinne begann zu tanzen, während sein Lächeln noch breiter wurde.

Schön!

Dann lächelte er. »Weißt du, das hier war eine der Stammkneipen deines Vaters.«

Ich habe selbst die Tendenz, in Dialogen ein „weisst du“ einzuschieben, damit es authentischer klingt. Aber nachdem ich es jeweils gestrichen habe, stelle ich fest, dass gar nichts fehlt. Das ist für mich so eine Leiter, die man wegwirft, nachdem man an ihr hochgestiegen ist. Also, ich verkneife mir das „weisst du“ nicht, das ist jeweils wichtig, um den Ton zu finden. Aber eben, ich glaube, es ist in den meisten Fällen entbehrlich.

Harald bestellte, ich sah mich um. Rauchschwaden hingen in der Luft, vergilbte Film- und Konzertplakate zierten die Wände.

Bewusst so gewählt? Beißt sich für mich mit den vergilbten Plakaten, bekommt einen ironischen Klang. Aber ansonsten erzählt der Prot doch relativ neutral, also könnten die Plakate doch einfach an der Wand hängen.

Mein Blick wanderte wieder zur Spinne, ich konnte mich einfach nicht dagegen wehren.

Würde ich streichen. Ich glaube, du hast das Wort zudem oben schon mal.

Mutter hat's zerissen

zerrissen

Klassisch in Schwarz – Ringelhemd, weiße Handschuhe und Barrett – heftete sich ein Pantomime draußen an die Fersen der Fußgänger. Einen Mittfünfziger im Businessmantel spiegelte er präzise wider. Der Imitierte blieb stehen, sah auf seine Armbanduhr und der Mime rempelte ihn von hinten an.

Gefällt mir. Das Motiv der Replika schön aufgegriffen! Obwohl diese Imitation hier ja gelingt.

Dennoch habe ich leise dramaturgische Bedenken bezüglich der Szene. Und zwar deshalb, weil du hier ein Dialog in einem Café unmittelbar auf einen Dialog in einer Kneipe anschließen lässt. Also, du lässt da einfach etwas Zeit vergehen und setzt dann an der genau derselben Stelle (psychologisch, dramaturgisch) wieder ein. Für mein Gefühl müsste zwischen diese beiden Szenen noch was rein. Du hast da zwei, drei Tell-Sätze als Überleitung, aber das reicht mir nicht. Was hat die Begegnung mit ihm gemacht, wie denkt er einen Tag später über die Beerdigung, wo übernachtet er? So eine Szene, in der der Prot mit sich alleine ist – und dann weiter zur nächsten Begegnung mit Harald. Das gäbe dem Text einen besseren Rhythmus, was das Setting anbelangt. Weißt du, was ich meine?

Keine Hochglanzfassade – roter Backsteinklinker, aufgesprühte Schriftzüge –, ein Wohnhaus, wie es für Berlin wohl typisch ist. Vaters ehemaliges Reich befand sich im zweiten Obergeschoss.

Vielleicht überpräzise? Eventuell könnte er einfach von Vaters Reich reden, so wie man von den Toten manchmal noch in der Gegenwart spricht.

. Der Name ‘Bode’ neben dem Klingelknopf irritierte mich. Er gehörte einfach zu mir. Das war schon immer eine Tatsache gewesen.

Damit komme ich nicht so recht klar. Er ist irritiert, weil andere Menschen so heißen wie er? Vor allem das „einfach“ verwirrt mich. Und dann dieses „schon immer eine Tatsache gewesen“. Warum nicht: „das war schon immer so (gewesen). Ich würde eh nach dem „irritierte mich“ aufhören, den Rest kann sich der Leser ja selbst denken (und Verschiedenes denken).

An der Wand hingen Banksy Kunstdrucke – ‘Follow your dreams’, ‘Don’t forget to eat your lunch’ und weitere.

Nullinformationsanhängsel. Kann weg.

»Hör zu, mir kommt das irgendwie nicht richtig vor, okay.

Streichen, vor allem auch, weil daraufhin eine ziemlich präzise Begründung folgt.

»Hast es zu was gebracht, hm?« Harald sah auf meine Cartier am Handgelenk.
»Mir geht’s ganz gut, ja.«

Gefühlsmässig würde ich den letzten Satz streichen. Schließ den Teil doch mit der Uhr am Handgelenk ab, das muss vom Prot nicht bestätigt werden. Würde in meinen Augen viel stärker wirken.

Man nannte mich 'der Finne', klar, wegen 'Jorma', und tatsächlich hatte ich einen finnischen Urgroßvater, der genauso hieß. Ich spreche allerdings weder die Sprache, noch habe ich das Land je besucht. Schon Mutter verstand kein Suomi mehr.

Bisher ein Text, wie ich von dir erwartet habe, das hat mir sehr gut gefallen. Ich finde, du hast solche Szenen gut drauf, auch die Dialoge, da schwingt viel mit, also bisher von mir großes Lob.
Und ich finde es cool, dass du hier was ausprobierst, diesen Bruch in der Erzählweise austestest. Das ergibt ja jetzt auch eine ganz andere Geschichte, das liest sich, als würdest du neu ansetzen. Fand ich spannend.
Wenn ich ehrlich bin, hätte ich die ganze Geschichte, wie du sie weiterspinnst am Ende aber doch lieber ohne diesen Bruch gelesen, also im selben Stil weitererzählt. Der Text würde dann sehr lange werden, aber, glaub mir, ich hätte den auf alle Fälle weitergelesen. Und dann könntest du natürlich ausarbeiten, wie das Vertrauen zwischen den beiden so langsam wächst, das auch mal in eine Krise führen etc. Damit würdest du vielleicht auch die Plausibilität des Geschehens erhöhen können. Aber wenn ich dich richtig verstehe, war die Kürze nicht der Grund, weshalb du hier den Erzählstil wechselst. Also, interessant auf alle Fälle.

Man nannte mich 'der Finne',

„Der Schwede. Das war in den Kriegsjahren, als ich noch …“ So fängt Philip Roths Amerikanisches Idyll an. Ist jetzt kein hilfreicher Kommentar, musste ich aber loswerden, einfach, weil ich Roth verehre.

Wer wenig Geld hatte, bekam Schrott. Wer mehr hinblätterte, bekam auch ordentliche Ware. Und die Chinesen liebten Geld ebenso wie ich.
Ich hatte Schrott auf Flohmärkten und Kleiderbörsen verkauft, einiges auf eBay.

Da bekam ich einen Knoten im Gehirn. Das doppelte Schrott. Die Chinesen lieben Geld so wie ich. Also, um das zu verstehen, muss man ja dazu denken, dass er mehr Geld verdient, wenn er teurer einkauft. Ist keine Kunst, aber ich brauchte einen Moment.

Wie hätte ich anders können, als ihn einzustellen.

Müsste da nicht ein Fragezeichen hin?

Er wollte neu anfangen, eine der rar gesäten Chancen nutzen, die das Leben zuzeiten bereithielt. Das nannte man wohl Schicksal. Er nahm es in die Hand

Selbst wenn ich diese Tell-Passagen als solche respektiere. Das hier ist mir zu oberflächlich, floskelhaft erzählt, rar gesäte Chancen, Schicksal in die Hand nehmen.

der irgendwie den Tod

Weg mit dem Unwort.

Harald wuchs mir ans Herz,

Floskel.

Er sprach über meinen Vater, wie ihn der Knast verändert hatte, dass er nach der Entlassung so was wie ein Geläuterter gewesen sei. Aber eigentlich interessierte mich das nicht.

Würde ich entweder weglassen oder dann ein „ich hörte geduldig zu“ voranstellen.

»Der Schwarzmarkt ist parasitär, ich muss da kotzen! Wissen Sie, wie viel Steuereinnahmen dadurch verloren gehen? Was das ihn«, der Scheiß-Beamte zeigte auf Harald, »und mich kostet? Abgesehen von den Qualitätsmängeln, scheißgefährlich kann das sein, sogar minderwertige Maschinenteile werden als Originale verhökert!«

Hm. Der Beamte, der dem Deliquenten erklärt, weshalb schlimm ist, was dieser getan hat. Ja, ich kann mich an die Polizisten erinnern, die mir erklärt haben, weshalb es gefährlich ist, des Nachts ohne Licht unterwegs zu sein, mit dem Rad. Die haben vielleicht so nen Drang. Aber hier? Ich glaube, ich würde das streichen, der einigermaßen informierte Leser weiß das ja alles.


Ja, lieber hell. Ich fand spannend, was du gemacht hast. Mitten im Text noch mal neu ansetzen, erzählerisch, auch inhaltlich, mal einfach eine andere Geschichte erzählen, als die, mit der du begonnen hast. Also, nicht wirklich, aber eben bezüglich Fokus, das ist schon was, das will ich würdigen. Aber eben, den ersten Teil fand ich halt so viel besser, dass ich am liebsten diese erste Geschichte zu Ende gelesen hätte, auch wenn mich der zweite Teil ebenfalls ganz gut unterhalten hat. Diesen ersten Teil fand ich sogar ausgesprochen gut, spannend, atmosphärisch gut, gute Dialoge, man wird neugierig, wie es weitergeht, welches Geheimnis dahinter verborgen liegt.

So wie du das jetzt gestaltet hast, wird der erste Teil ja auch ein wenig entwertet. Klar, die Erinnerung, das Foto, das alles kann und soll erklären, weshalb er Harald vertraut. Aber der Mühe, mit der du das entwickelst, aufbaust, ausschmückst, wird das nicht wirklich gerecht. Und zwar, weil du im ersten Teil auch emotional arbeitest, der Leser entwickelt Sympathie zum Prot, wird reingezogen und am Ende merkt er, dass er das eigentlich nur gelesen hat, damit er den Schluss der Geschichte psychologisch nachvollziehen - aber eben nicht mitvollziehen - kann. Insgesamt habe ich den Text aber sehr gerne gelesen, der regt auch an, übers Erzählen wieder mal neu und anders nachzudenken.

Lieber Gruss
Peepekorn

 
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Hey linktofink,


Was mir ein bissl unlogisch erscheint ist Folgendes: wenn das einer seiner Lieblingsfilme war und er oft in der Schule darüber geredet hat, warum muss er dann über den Titel nachdenken?
Na ja, er muss ja nicht groß darüber nachdenken, ist doch nur ein kleines Stolpern. Ich kenne das schon auch so.

Ihre Zähne glänzten nur für mich und beinahe so hell wie die Sonne über uns.
Finde ich unpassend, die Sonne glänzt nicht, sie blendet und niemand kann sie ungeschützt ansehen.
Ja, du hast schon recht, das stand auch schon anders im Text. Laut Duden ist ein Synonym für Glänzen auch Leuchten - aber streng nach Definition stimmt das nicht ganz. Ich wollte da so ein bisschen die kindliche, romantifizierte, verklärte Perspektive andeuten, aber gut. Ich hab' das mal geändert.

Ein Firefighter in Amerika, der Buschbrände bekämpfte oder eben Feuersbrünste in New York. Wie einer der 'Männer, die durchs Feuer gehen'.
Hier legst du eine verwirrende Fährte aus. Ich habe gedacht, der Vater ist tatsächlich ein Firefighter. Also was macht er dann in der Erde von Berlin? Hä? Da hüpft was.
Ist natürlich blöd, wenn das nicht gleich verstanden wird. Ich habe das vergleichende "Wie" mal nach vorne geholt - vielleicht reicht das schon.

Das Mobiliar sah aus, als sei es Stück für Stück zusammengetragen worden, vielleicht vom Sperrmüll – so wie die Gäste hier.
Oha, das finde ich bedenklich! Wie wär´s mit „Rest“ oder „Überrest“, würde auf Menschen und Möbel passen, ohne despektierlich zu sein.
Ehrlich gesagt - wenngleich es nach Ausrede klingen mag - wollte ich das auch. So einen charakterlichen Minibruch, der darauf hinweisen soll, dass Jorma jetzt nicht nur der arme Nice Guy ist, der auch noch seinen Vater verloren hat. Peeperkorn prangert die Zierde durch vergilbte Plakate an. Geht so in die selbe Richtung. Also "despektierlich", ja, "ironischer Klang", ja. Auch wenn der Prota da Sympathiepunkte einbüßt.

Ich habe etwas Schwierigkeiten mit den Sprüngen in deiner Geschichte. Anfangs las ich den Prot mehr als Jugendlichen, der unsicher ist, raucht und Wasser trinkt, statt Bier.
Dann ist er auf einmal ein abgekochter Geschäftsmann?
Irgendwie so habe ich mir das sogar vorgestellt. Für mich ist das kein Widerspruch. Nicht, dass der jetzt als Jugendlicher gesehen wird - dann hätte ich was falsch gemacht -, aber so die Gegenüberstellung: Geschäftsmann vs., nein, und Vaterloser, Suchender war schon so angelegt. Im ersten Teil will ich die eine Seite Jormas zeigen. Die verletzliche, unsichere, suchende - die Achillesferse, wenn man so will. Im zweiten Teil will ich den Fokus mehr Richtung geschäftigen Geschäftsmann legen, der smarte Chef irgendwie. Na ja, nur weil ich das will/ wollte muss es ja nicht gut und richtig sein. Heißt auch nicht, dass ich das gut gemacht habe. Ich denke auf jeden Fall weiter über deinen Einwand nach, linktofink, wird mich weiter beschäftigen, danke für den Hinweis!

Warum lässt sich der Prot so einfach in die Karten schauen? Was er tut ist schließlich höchst illegal. Entweder hält er sich für unangreifbar, dann ist er naiv, was zum smarten Selfmade-Typen mit Cartier-Uhr nicht passt.
Oder aber es ist ein persönliches Ding, er sieht Harald als Vaterersatz. Aber sorry, dennoch: Warum fasst er so schnell Vertrauen? Ein paar illegale Fahrten Haralds mit dem LKW und "die Mutter zum Lachen bringen" reichen mir nicht als Erklärung.
Damit kann ich viel anfangen. Ich sehe ein, dass ich, um den Text plausibler zu machen, da noch etwas auspolstern müsste. Ich glaube, hätte ich den Text länger abhängen, reifen lassen, wäre mir das vermutlich selbst störend aufgefallen. Ich brauche noch etwas mehr Abstand, dann nehme ich ihn mir diesbezüglich noch mal zur Brust.

Es gibt unzählige Filme zum Thema Undercover-Cop. Ich denke direkt an „Donnie Brasco“ und „Departed“. In den beiden Filmen geht es auch darum, wie der Cop das Vertrauen gewinnt und anschließend verrät.
...
Sorry, das geht mir bei Harald viel zu glatt.
Ja, stimmt schon - wie oben erwähnt -, wenngleich es ja hier nicht um Gewaltverbrechen geht (gibt im RL schon auch mafiöse Strukturen, das ist richtig), sondern in den Augen Jormas eher um ein Kavaliersdelikt - der "Infoblock": Großhändler und Spediteur, hatte seine Kohle mit Klamotten und Taschen gemacht, wenn man ihn erwischte, fuhr er höchstens für ein paar Jährchen ein sollte das etwas unterfüttern. Der sieht sich jetzt nicht als Don Corleone oder so, sondern als Geschäftsmann, vielleicht wie ein Steuersünder, okay. Ich dachte mir, so was erzählt man eher mal, und da Harald in seinen Augen Kontakt mit einem Schwerverbrecher gepflegt hat, wird das auch in Ordnung gehen. Aber wie gesagt, ich verstehe auch diesen Einwand von dir, linktofink.

Ich denke, der Text kann noch eine Überarbeitung vertragen, mit der du die Schilderungen Jormas eindeutiger darstellst und es Harald weniger leicht machst.
Falls ich noch mal ans Eingemachte gehe, versuche ich das zu beherzigen.

Es ist eine interessante Geschichte mit starkem Twist! Du hast mich voll gepackt und dann geleimt! Ich fand es lange nicht vorhersehbar.
Wunderbar! Damit hab' ich eine meiner Aufgaben jedenfalls erfüllt. Schön, dass das bei dir funktioniert hat.

Den Titel „Replika“ (minderwertige Nachahmung) finde ich sehr gelungen, weil er sich sowohl auf die gehandelte Ware als auch auf den scheinheiligen Vaterersatz beziehen kann.
Mir gefällt er auch :). Danke.

Sehr gelungen finde ich die Spinne, die ihr Netzt spinnt, Jorma anködert, fängt und eingewickelt. Manchmal verrät sie mehr Eigenleben als Harald selbst, sehr schöner Sidekick.
Auch schön der gespitzte Mund, der fast zuviel verrät.
Prima!

Sprachlich ist dein Text ausgereift und gut zu lesen.
Das freut mich.


Linktofink, prima Komm, ehrlich, der hilft mir weiter. Vielen Dank für die Auseinandersetzung mit meiner Geschichte, deine Zeit und Gedanken und überhaupt ... Hat mich sehr gefreut!


Gruß


hell

 

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