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Raumtrauma

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14.09.2001
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Raumtrauma

Raumtrauma

Emanuel Schlomann war von Beruf Schnüffler und wenn er gerade in einem Fall nicht weiterkam, lief er durch die Stadt und hörte sich an einschlägigen Lokalitäten um. Momentan war seine Aufgabe lediglich einen vermissten Rentner aufzuspüren und er bekam dafür nicht gerade viel Geld. Also ging er abermals in die Stadt, was in diesem Fall sogar das Beste war, was er tun konnte. Es war noch früh am Morgen, gegen sechs Uhr, als er aus der U-Bahn stieg, es war noch nicht viel los um diese Zeit, da es Sonntag war. Er mochte aussehen wie ein Verbrecher, als er allein im langen grauen Trenchcoat über den dreckigen Kachelboden ging und zwischen den Leuchtstoffröhren im Halbschatten verschwand. Schatten, Licht, Schatten, Licht, Schatten... nachdem das fahle Kunstlicht mehrmals über ihn hinweggestrichen war, erreichte er den Gleitstreifen und stellte sich darauf. Er wurde stufenlos beschleunigt und erreichte kurz darauf die Oberfläche. Das Erste, was er wahrnahm, war die angenehm feuchte, kühle Morgenluft, die entfernte Dinge im Grau verschwinden ließ. Sie war ein Grund, weshalb er sich heute so früh auf die Suche machte, aber weitaus wichtiger war, daß er die gesuchte Person später in den Menschenmassen wohl kaum finden könnte. Wenn er eine Chance hatte den alten Knacker zu finden, dann war es zwischen 6 und 9 Uhr. Er befand sich auf einem weiten Platz, der im Schachbrettmuster mit hellgrauen und weißen Platten ausgelegt war. Links von ihm wurde der Platz von einer weißen Hochhausfront begrenzt. Es war eines der neueren Hochhäuser, gerade einmal hundertfünfzig Meter hoch, aber dafür lang und flach wie ein riesiger Bungalow. Er konnte noch nicht einmal das Ende dieser gewaltigen Hauswand erkennen. Die Hauswand war aus einem weißen, glatten und stets mattglänzenden Kunststoff - sie sah fast unwirklich aus im Morgendunst. Auch war die Hauswand nicht völlig eben sondern hatte - meist über Eingängen - Einbuchtungen, die sich von unten bis ganz zur Spitze erstreckten. Rechts von ihm konnte er in einiger Entfernung gerade noch eine zweite gigantische Häuserfront ausmachen (er schätzte, das sie etwa zweihundert Meter entfernt war), durch ihre ebenfalls mattweiße Farbe war sie selbst in diesem leichten Nebel kaum noch zu erkennen. Die wenigen Menschen, die um diese Zeit in der Stadt waren, wirkten verloren auf diesem riesigen Platz. Die Technik der 3,5D-Raumüberlagerung, die 2021 entdeckt wurde, erlaubte auch jetzt, wo die Weltbevölkerung bei 17 Milliarden lag (Androiden mitgerechnet), riesige Freiflächen in den Städten. Schlomann betrachtete die Menschen aufmerksam und verglich sie mit der Personenbeschreibung, die er hatte: klein und gebückt, lichtes graues Haar, grüner Pulli, Jeans. Er besah sich auch die weit entfernten Leute, die kaum mehr als graue Schemen waren, eine kleine, gebückt laufende Person würde ihm schon auffallen. Er konzentrierte sich so auf die Leute, daß ihm eine wesentliche Veränderung der Umgebung überraschend spät auffiel, später als es sich jemand, der sich Privatdetektiv nennt, erlauben kann: auf dem Platz, in recht großen Abständen standen gewaltige immobile Kräne, deren Betonsockel einen Durchmesser von etwa 10 Metern haben mussten. Er ließ seinen Blick vom Sockel eines Krans in seiner Nähe bis nach oben wandern. Ihm bot sich ein seltsamer Anblick: der Kran hatte nicht nur einen Arm, sondern mehrere, die sich wie Spinnenbeine ausstreckten, und an jedem dieser Arme hing ein riesiges Metallstück. Schlomann betrachtete die anderen Kräne. An ihren Armen hingen weitverzweigte Rohrnetze, busgroße Metalltonnen, Panzerplatten und unzählige andere Metallgegenstände, die so dicht beieinander waren, daß sie ein Dach über dem ganzen Platz bildeten und ihn merklich verdunkelten. Schlomann fröstelte, als er sich der Kälte und Düsternis bewußt wurde. Warum waren ihm diese Kräne nicht schon früher aufgefallen? Und wo kamen sie so plötzlich her? Sie wirkten völlig deplaziert in der Stadt, aber er wußte, daß solche Kräne an Großbaustellen eingesetzt wurden. Es war unheimlich. Und es war so verrückt, daß sein Verstand gar nicht erst den Versuch unternahm, es zu verstehen. Ein unangenehmes Gefühl breitete sich wie schweres Öl in seiner Magengrube aus. Schlomann hatte auf einmal das dringende Gefühl, von diesem unheimlichen Platz verschwinden zu müssen. Er ging in scharfem Tempo zu der Häuserfront neben ihm. Der türlose Eingang wirkte ungewöhnlich schmal und dieser Eindruck täuschte nicht. Die Tür war gerade breit genug für eine Person, aber lange nicht für die Menschenmassen, die normalerweise täglich in dieses Gebäude strömten. Auch der Gang, den Schlomann betrat, war deutlich schmaler als sonst, nicht so breit, wie eine gewöhnliche Passage in einem solchen Haus war. Noch etwas fiel ihm auf: die bunten Werbeschirme an der Wand wirkten seltsam verzerrt und zeigten allesamt nur Standbilder. Verwundert sah er sich um. Rechts von ihm führten einige Stufen durch einen schmalen niedrigen Türrahmen hinab in einen kleinen Raum, aus dem es golden funkelte. Neugierig wandte er sich dem Türrahmen zu, der ihm kaum bis an die Schultern reichte, zögerte aber noch einen Moment. Dann stieg er gebückt hinunter in den Lichterglanz. Seine Augen gewöhnten sich rasch an das strahlende Licht. Der Raum war allerhöchstens 4 Quadratmeter groß und an seinen Wänden standen gläserne Regale, in denen dicht an dicht die verschiedensten Uhren lagen.
"Guten Tag, was kann ich für sie tun?"
Schlomann fuhr herum und hätte dabei fast ein Regal abgeräumt. Verblüfft betrachtete er die Frau, die plötzlich aufgetaucht war. Verwirrt suchte er nach Worten.
"Äh, nichts... Ich wollte nur..."
War das die Inhaberin dieses seltsamen Ladens?
"Ja bitte, was wollen sie?"
"Ich wollte mich nur umschauen."
Momentan war Schlomann aber viel zu durcheinander, um die Uhren auch nur eines Blickes zu würdigen, so kunstvoll sie auch gearbeitet waren. Ihn beschäftigte die Frage, woher dieses Geschäft kam und wie diese Verkäuferin so plötzlich erscheinen konnte. Vielleicht hatte er sie einfach übersehen. Das grelle Licht mußte ihn anfangs geblendet haben. Aus irgendeinem Grund wagte er es nicht, sie zu fragen, sondern heuchelte höfliches Interesse an den Uhren (nur kurz, und er gab sich keine besondere Mühe dabei) und fuhr mit den Fingern über ein Regal. Es fühlte sich echt an. Nachdenklich verließ er das Geschäft. Die Verkäuferin sagte kein Abschiedswort, kein Besuchen sie uns bald wieder, kein Auf Wiedersehen, aber das fiel ihm gar nicht auf. Das ungute Gefühl in seiner Magengrube hatte sich noch etwas verstärkt, erst recht, nachdem er das Geschäft verlassen und nach rechts gesehen hatte. Der Gang. Er endete in absoluter Dunkelheit. Er führte noch ein paar Meter in samtener Helligkeit in das Gebäude, aber dann wurde er schwarz, obwohl vom Eingang her eigentlich genug Licht hätte hineinfallen müssen. Dieser Wechsel von hell zu dunkel vollzog sich innerhalb eines Meters. Fast wirkte es, als hätten Spinnen ein undurchdringliches Gespinst aus schwarzen, unendlich feinen Seidenfäden gewoben, die keine Insekten, sondern Licht fingen.
Schlomann näherte sich langsam der Dunkelheit, um vielleicht mehr zu erkennen. Langsam und sehr vorsichtig, denn fast befürchtete er, ein Schritt in die Finsternis (in das Netz der Spinnen) könnte ihn verschlingen. Nein, das war eine kindische Vorstellung. Aber er konnte sich nicht dagegen wehren. Ihm wurde plötzlich bewusst, wie kindisch, wie unmöglich diese ganze Situation war. Er musste wirklich mit allem rechnen. Er schrak auf. Für einen Moment hatten sich seine Augen in der dunklen Tiefe verloren, aber jetzt war er wieder wach, hellwach. Als er sich umsah, bemerkte er, dass er in den letzten Minuten (es mussten Minuten gewesen sein), kaum mehr als einen Meter gegangen war. Jedenfalls konnte er den Türrahmen des seltsamen Uhrengeschäftes, aus dem immer noch ein geisterhaftes Licht strömte, mit einem Schritt erreichen. Aber das wollte nichts heißen... Gerade wollte er sich einen Ruck geben und endlich zum düsteren Ende des Ganges gehen, als ein kleines Mädchen aus der Dunkelheit sprang.
"Kommen Sie mit mir! Ich muss ihnen was tolles zeigen!", rief es fröhlich.
Schlomann war baff von der plötzlichen Fröhlichkeit, die so gar nicht in diese Umgebung passte und schwieg.
"Hier ist ein Theater, so kommen Sie doch mit!"
"Meine Mutter hat, gesagt, ich soll nicht mit fremden Leuten weggehen", antwortete Schlomann und meinte es sogar halb ernst. Der Teufel wusste, in welch eine absurde Welt ihn dieses Mädchen führen würde, das, wie vielleicht alles hier, einem Alptraum entsprungen war. Aber seine Neugier siegte (er konnte sich verfluchen für seine Neugier). So folgte er dem Mädchen, das ohne merkliches Zögern die dunkle Wand durchschritt. Als er selber den Schritt durch die Dunkelheit tat, hörte er eine schreiende Stille, dann dachte er für einen Moment, er wäre tot, aber noch im selben Schritt erwachte er auf der anderen Seite. Die Umgebung war normaler als er erwartet hatte. Er befand sich in einer unterirdischen Einkaufspassage, die gut zu diesem Gebäude gehören konnte. Es war aber ziemlich dunkel hier drinnen, und das hatte er erwartet. Diese Einkaufspassage war nichts weiter als ein unendlich langer, kantiger Tunnel mit Schaufenstern an der linken Seite, die zwar schwach beleuchtet waren, aber kein Licht auf den Tunnel warfen. Seltsame Exponate lagen in den Schaufenstern... Schlomann sah hastig weg. Das Mädchen jedoch sprang unbeschwert wie eine verlorene Seele durch den kahlen Gang, mit einem Kichern, das auf fast schaurige Art von den Wänden hin und her geworfen wurde, bis es sich als fernes Echo verlor. Aber nur, um nach einiger Zeit wieder zurückzukehren. Schlomann konnte ein kurzes Schaudern nicht unterdrücken, als er diese Entdeckung machte. Er verdrängte seine furchterregenden Gedanken, steckte die Hände in die Taschen und zog den Kopf ein, als ob es regnete und beeilte sich, dem Mädchen zu folgen, das ihn anscheinend schon vergessen hatte. Nach einer Ewigkeit gewahrte er in der Ferne einen Lichtschein, der aus der linken Wand kam. Es dauerte eine zweite Ewigkeit, bis das fröhliche Kind und der nervöse Mann im Trenchcoat seine Quelle erreichten. Es war das Theater. Ungläubig riss er die Augen auf, aber nur, um sie dann wieder zu schließen und sich selbst zuzuflüstern, daß dies alles nicht wahr sein konnte. Theater...
er selbst hatte nur dunkle Kindheitserinnerungen an sie. Seit Jahrzehnten gab es keine Theater mehr, weil irgendwann niemand mehr hingegangen ist. Einige berühmte Theaterhäuser wurden eine Weile vom Staat geschützt, als Kulturgut, aber schließlich sah auch der letzte die Sinnlosigkeit dieser Sterbensverlängerung ein. Das letzte Theater, ehemals prunkvoll, verkam zum Geisterhaus mit griechischen Säulen. Wurde abgerissen. Ersetzt. Vergessen.
Er stand noch einen Moment schweigend im Eingang zum Theatersaal und betrachtete die Menschenmenge, die auf dem roten Teppichboden Platz genommen hatte und in freudiger Erwartung auf das kommende Stück vermischten sich ihre Stimmen zu einem Meer aus unverständlichen Worten. Dann gesellte er sich dazu, wobei er es nicht einmal unangenehm fand, daß in diesem Saal kein einziger Stuhl existierte. Er fühlte sich sogar wohl. Eine gewisse Abenteuerlust durchströmte ihn mit einem Mal, und er war gespannt, was für ein seltsames Stück ihm hier dargeboten werden würde. Er war allem Anschein nach in Sicherheit - zumindest vorläufig. Er sah sich um und er sah: hunderte Menschen, aber nicht tausende. Sie saßen meist im Schneidersitz, hatten ihre Taschen nicht vorschriftsmäßig an der Garderobe abgegeben, sondern alles, was sie bei sich führten neben sich auf den Boden gelegt. Und er war einer von ihnen. Er fiel nicht auf, war Bestandteil der Unmöglichkeit.
"Würden Sie mir bitte folgen?"
Schlomann sah auf. Neben ihm stand ein junger Offizier. So unauffällig hatte er sich wohl doch nicht in die Menge gefügt.
Es widerstrebte ihm, schon wieder einer unbekannten Person zu folgen, zumal sie diesmal nicht besonders vertrauenerweckend aussah. Links von ihm sah er an der Wand eine Reihe Soldaten stehen und eine hölzerne Treppe führte an der Wand entlang hinauf, um in etwa zwei Meter Höhe an einem türlosen Rahmen zu enden, hinter dem Schlomann die verwirrenden Schemen eines hölzernen Fachwerks zu erkennen glaubte.
"Folgen Sie mir! Das ist ein Befehl!"
Ein Befehl von einem Offizier. Jawohl, Herr Offizier, dachte er genervt, und obgleich er Trotz in sich aufwallen fühlte, zwang er sich dazu, es dem Uniformierten Recht zu machen, und stand auf. Mit einem Wink, ihm zu folgen, setzte sich der Offizier in Richtung Treppe in Bewegung. Schlomann ging widerwillig hinterdrein, an der Reihe Soldaten vorbei und kam sich dabei fast wie ein Deserteur vor, wie ein Kameradenschwein, das zur standrechtlichen Erschießung geführt wird. Er erklomm die knarrende Treppe und betrat das so verwirrende Gebälk hinter der Tür. Es war ein außerordentlich hohes Treppenhaus. Es erinnerte ihn an irgendetwas... an ein Gewirr aus Galgen... oder war es doch etwas anderes? Es pochte in seinem Kopf. Dem Offizier folgend stieg er immer höher in das gewachsene Treppenhaus, als würde er in einem Turm hinaufsteigen. Das Pochen in seinem Kopf verstärkte sich. Er konnte das obere Ende des Gestühls noch nicht erkennen. Es pochte immer unangenehmer in seinem Kopf, aber er biss die Zähne zusammen. Monoton hob er abwechselnd die Füße und setzte sie Stufe für Stufe höher. Endlich hörte er das leise Rauschen des Windes und die Luft, die er atmete, war frisch. Doch das regelmäßige Pochen in seinem Kopf war jetzt fast unerträglich. Er war sich sicher: er befand sich auf der Spitze eines Turms. Nur noch ein paar Stufen, dann eine Biegung nach rechts, die auf ein Plateau führte. Er ging um die Biegung. Über dem Plateau schwang eine gigantische Glocke (diese pochenden Kopfschmerzen!). Leute standen um sie herum, interessiert, neugierig, furchtlos, begeistert, fasziniert, leichtsinnig. Es gab keine Begrenzung des Plateaus und allzuleicht hätte einer der staunenden Gaffer hinabstürzen können und es wäre ein langer Fall geworden, ein sehr langer Fall. Die Glocke schwang, auf ihre Weise gewaltig wie ein Berg, und doch nur so groß wie ein Lastwagen. Ihr Schwung näherte sich ihrem äußersten Punkt und der tonnenschwere Klöppel näherte sich ihrer Innenwand, schwang...

dagegen.

Schlomanns Kopf explodierte. Schwarze Schatten tanzten vor seinen Augen, während die Glocke noch dröhnte. Er presste sich beide Hände auf die Ohren, aber er konnte sich nicht schützen. Wie konnten diese Menschen dort bei der Glocke stehen, nur Zentimeter von ihr entfernt? Er musste hier weg. In Panik, in Angst vor dem nächsten Glockenschlag stürzte er die Treppe hinunter, der Offizier bemerkte es nicht. Mit einem entrückten Strahlen im Gesicht betrachtete er die Glocke. Schlomann rannte die Treppe so schnell er konnte hinab, doch der nächste Glockenschlag erreichte ihn noch heftig genug, um ihn fast stolpern zu lassen, was wohl seinem Todesurteil gleichgekommen wäre. Bald hatte er nicht mehr das Gefühl, die Treppe hinunterzurennen, er flog sie fast hinab, die grobholzigen Verstrebungen verschwammen am Rande seines Gesichtsfeldes. Sein Trenchcoat flatterte lang hinter ihm, war eine graue Flamme, die aus seinem Rücken züngelte. Schließlich erreichte er den Durchgang zum Theatersaal, und eilte die letzte Treppe hinab. Die Soldaten sahen ihn verständnislos an. Er scherte sich nicht um sie, nicht um die Leute im Theater, er war auf rücksichtsloser Flucht, gejagt, gehetzt und gequält vom geistigen Nachhall der Glocke, stürmte er auf den Ausgang des Theaters zu und viele Leute sahen ihm nach. Alleine rannte er durch den dunklen Gang, ohne das Gefühl zu haben, vorwärtszukommen. Er stolperte. Einen Moment dachte er, er würde gegen die Wand fallen, doch er fiel hindurch. Er fühlte, wie die Wand vorne und hintem an ihm entlangglitt, unmittelbar seinen Körper berührend. Auf der anderen Seite fiel er unsanft hin. Ächzend stand er auf und konnte nicht glauben, was er sah. Er stand außerhalb der Welt im schwarzen Nichts. Die Wand, durch die er gefallen war, erschien von dieser Seite unsichtbar, so daß er in den Gang hineinsehen konnte. Etwa hundert Meter links von sich konnte er den Theatersaal sehen, auch in ihn konnte er hineinsehen. Doch wo war er? Er stand in vollkommener Schwärze, es gab keinen Boden und keine Wände in diesem Nichts. Natürlich versuchte er, wieder in den Gang zurückzukommen, doch er schaffte es nicht. Er rannte zum Theatersaal und schrie, doch niemand hörte ihn. Er befand sich außerhalb.

67 Jahre später
Weihnachten. Jonathan hatte endlich einen Holoprojektor bekommen und spielte mit ihm auf seinem Zimmer. Er probierte gerade alle Frequenzen aus, hatte bisher aber noch nichts entdeckt. Da! Ganz kurz war ein Bild entstanden. Langsam und vorsichtig, soweit es sein kindliches Geschick erlaubte, drehte er den Tuner zurück. Das Bild manifestierte sich flackernd aus der Luft, halb transparent. Es war ein großer Mann in einem grauen Trenchcoat. Jonathan schätzte ihn auf etwa vierzig. Der Mann sah traurig aus, kurz erschien es Johnny, als würde er ihn direkt ansehen. Dann schrie der Mann einige Male mutlos um Hilfe.
Jonathan verstand diese Sendung nicht, sie machte ihn traurig. Er stellte den Holoprojektor ins Regal und ging in den Speisesaal um das Weihnachtsmahl zu essen.

 

Geht es euch eigentlich auch so, dass ihr die letzten beiden Drittel der Story wesentlich besser als das letzte findet?
Es ist übrigens eine Qual, für das UBB alle kursiven Stellen nachzubearbeiten. Lässt sich wohl nicht vermeiden...

 

Original erstellt von Leif:
Geht es euch eigentlich auch so, dass ihr die letzten beiden Drittel der Story wesentlich besser als das letzte findet?
Es ist übrigens eine Qual, für das UBB alle kursiven Stellen nachzubearbeiten. Lässt sich wohl nicht vermeiden...

Sorry, hab sie noch nicht gelesen, zu lang für jetzt.
Aber ich gebe dir einen kleinen Tip:
Gewöhne dir an, nicht im Wordtext kursiv zu schreiben, sondern gleich immer
{i}*text*{/i} zu setzen. (Die "{}" müssen [] sein)
Das erspart langes nachkorrigieren.

 

Hallo Leif!

Alles Gute zum Geburtstag! :)

Diese Geschichte hätte natürlich zweifelsfrei in die Null-Antworten-Liste gehört :rolleyes:, aber wenn ich die Geschichten mit zwei Beiträgen auch noch durchschaue, ob die Beiträge tatsächlich Kommentare zur Geschichte sind (wie ich es bei denen mit einem Beitrag meistens mache), bin ich arm… – Gut, daß ich sie jetzt gefunden habe. ;)

Außerdem verleih ich Dir das goldene Häferl für geduldiges Warten – da kann sich manch einer ein Beispiel nehmen … :thumbsup:

Aber nun erstmal zu Deiner Frage:

Geht es euch eigentlich auch so, dass ihr die letzten beiden Drittel der Story wesentlich besser als das letzte findet?
Ähm, Du meintest sicher, „als das erste“…;-)
Nein, ist bei mir eigentlich nicht so… Hier zum Beispiel finde ich das erste und das letzte Viertel am gelungsten. Aber vielleicht liegt das auch daran, daß im ersten Viertel noch alles halbwegs normal klingt, ich mich dann in die seltsame Welt einlesen mußte, was mir im letzten Viertel schon wieder leichter fiel? Vielleicht liegt es aber auch daran, daß vorm Bahnhof in Amsterdam ein Fahrrad umgefallen ist? :D

Also, interessant fand ich auf jeden Fall die Idee, das Problem der Überbevölkerung zu lösen:

Die Technik der 3,5D-Raumüberlagerung, die 2021 entdeckt wurde, erlaubte auch jetzt, wo die Weltbevölkerung bei 17 Milliarden lag (Androiden mitgerechnet), riesige Freiflächen in den Städten.
Aber eigentlich ist die ganze Geschichte interessant – wenn man sich in den Protagonisten hineinversetzt, nimmt man ja ein richtig grausames Ende…

Hat mir jedenfalls für zwischendurch ganz gut gefallen (und nachdem „Seltsam“ nicht ganz so mein Revier ist, ist das auf jeden Fall als Lob zu verstehen). :)

Aber jetzt zu meinen Anmerkungen:

Stellenweise könnte könnte die Geschichte noch ein paar Beistriche vertragen, zum Beispiel hier:
»Momentan war seine Aufgabe lediglich, einen vermissten Rentner aufzuspüren«
»Wenn er eine Chance hatte, den alten Knacker zu finden«
»Er stellte den Holoprojektor ins Regal und ging in den Speisesaal, um …«

»Also ging er abermals in die Stadt, was in diesem Fall sogar das Beste war, was er tun konnte.«
– zwei unschöne „was“

»dann war es zwischen 6 und 9 Uhr«
– schöner „zwischen sechs und neun Uhr“ (sowie die noch folgenden Zahlen siebzehn, zehn und vier)

»er schätzte, das sie etwa zweihundert Meter entfernt war«
– dass (irgendwo hast Du mal „daß“ stehen, aber sonst ist neue RS …)

»später als es sich jemand, der sich Privatdetektiv nennt, erlauben kann: auf dem Platz, in recht großen Abständen standen gewaltige immobile Kräne«
– würde statt „erlauben kann“ „erlauben durfte“ schreiben (ansonsten heißt es „erlauben konnte“)
– der Teil nach dem Doppelpunkt scheint etwas durcheinandergeraten zu sein, besser: Auf dem Platz standen in recht großen Abständen gewaltige immobile Kräne.

»Und wo kamen sie so plötzlich her? … Und es war so verrückt …«
– ich würde zumindest eins der beiden „Und“ einsparen ;-)

»Noch etwas fiel ihm auf: die bunten Werbeschirme …«
Die

»Guten Tag, was kann ich für sie tun?«
»Ja bitte, was wollen sie?«
»kein Besuchen sie uns bald wieder«
Sie

»heuchelte höfliches Interesse an den Uhren (nur kurz, und er gab sich keine besondere Mühe dabei) und fuhr mit den Fingern über ein Regal.«
– fände ich schöner, wenn Du den und die folgenden Klammersätze ohne Klammern in den Text einbauen könntest

»bemerkte er, dass er in den letzten Minuten (es mussten Minuten gewesen sein), …«
– würde hier eher „mussten“ betonen: es mussten Minuten gewesen sein, außer Du sprichst vorher noch nicht von Minuten

»Ich muss ihnen was tolles zeigen!«
Ihnen was Tolles

»Meine Mutter hat, gesagt, ich soll nicht mit fremden Leuten weggehen«
– kein Beistrich nach „gesagt“
– würde mitgehen statt weggehen schreiben

»einem Kichern, das auf fast schaurige Art von den Wänden hin und her geworfen wurde, bis es sich als fernes Echo verlor. Aber nur, um nach einiger Zeit wieder zurückzukehren.«
– fände besser „… verlor und nach einiger Zeit wieder zurückkehrte“, insbesondere, weil sich das „aber nur“ bei „Ungläubig riss er die Augen auf“ wiederholt

»Theater...
er selbst hatte nur dunkle Kindheitserinnerungen an sie.«
– Entweder in eine Zeile oder „er“ groß (neuer Satz)

»Er stand noch einen Moment schweigend im Eingang zum Theatersaal und betrachtete die Menschenmenge, die auf dem roten Teppichboden Platz genommen hatte und in freudiger Erwartung auf das kommende Stück vermischten sich ihre Stimmen zu einem Meer aus unverständlichen Worten.«
– ein ziemlich langer Satz, mit zwei „und“ – ich würde nach „genommen hatte“ einen Punkt machen

»Er sah sich um und er sah: hunderte Menschen, aber nicht tausende.«
– ähm, Vorschlag: Er sah sich um und erblickte hunderte Menschen.

»Dem Offizier folgend stieg er immer höher in das gewachsene Treppenhaus«
– ein „gewachsenes“ Treppenhaus? :shy:

»Er konnte das obere Ende des Gestühls noch nicht erkennen.«
– Gestühl sind die Bänke in der Kirche (bekannt z.B. das „Chorgestühl“), vermutlich hattest Du aber eher eine Assoziationen mit dem „Dachstuhl“. ;-) – Würdest Du von einer Wendeltreppe schreiben, könntest Du die „Spindel“ verwenden, aber mit einem Synonym für Treppenhaus siehts mager aus … evtl. noch einmal das „Gebälk“? Ich persönlich würde aber die Wendeltreppe nehmen. :-)

»Er war sich sicher: er befand sich auf der Spitze eines Turms. Nur noch ein paar Stufen, dann eine Biegung nach rechts, die auf ein Plateau führte. Er ging um die Biegung. Über dem Plateau …«
– bei „Nur noch ein paar Stufen …“ dachte ich erst, es würde sich noch auf „Er war sich sicher“ beziehen, vielleicht kannst Du das etwas klarer formulieren?

»und der tonnenschwere Klöppel näherte sich ihrer Innenwand, schwang...

dagegen.«
– das abgesetzte „dagegen“ wirkt seltsam

»nicht um die Leute im Theater, er war auf rücksichtsloser Flucht, gejagt, gehetzt und gequält vom geistigen Nachhall der Glocke, stürmte er …«
– würde nach „Theater“ einen Punkt machen

»Doch wo war er? Er stand in vollkommener Schwärze, es gab keinen Boden und keine Wände in diesem Nichts. Natürlich versuchte er, wieder in den Gang zurückzukommen, doch er schaffte es nicht. Er rannte zum Theatersaal und schrie, doch niemand hörte ihn.«
– dreimal „doch“

»Der Mann sah traurig aus, kurz erschien es Johnny«
– „Johnny“ als Abkürzung für „Jonathan“? *susp*


Liebe Grüße,
Susi :)

 
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Danke für die Kritik, Häferl!

Ich selber halte diese Story nicht für besonders gelungen, eher peinlich. Fast würde ich sie löschen. Da es sich hier nur um kleine und in meinen Augen nicht immer klare Fehler handelt, lasse ich diese von mir verlassene Geschichte unangetastet. Sie ist wirklich tot, wenn du verstehst, was ich meine. Sie hätte meinetwegen in den Tiefen des Forums liegenbleiben können.

Aber ich danke dir vielmals, du hast es gut gemeint. :)

P.S.: Ich bin kein gutes Vorbild, mein geistiges Kind einen solch unrühmlichen und langsamen Tod des Vergessens sterben zu lassen. Wenn dies ein Mod unverantwortlich oder grausam findet, so werde ich ihn nicht hindern, die notwendigen Schritte einzuleiten.

 

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