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Rafflesia

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30.12.2018
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Rafflesia

Er ließ oft ein Stück Honigbrot auf dem Teller zurück.
»Für die Bienen«, sagte er dann. Nur er tat so etwas.

Ich öffne den schwarzen Müllbeutel und lasse Brotreste und Hühnchenknochen von den Tellern gleiten. Der eingetrocknete Honig glänzt wie Lack. Danach folgen Olivenkerne aus Tonschalen, Zahnstocher und Serviettenknäule. Mit der Hand fege ich die Zeit hinterher, die sich in den letzten zwei Wochen auf dem Fliesentisch angesammelt hat. Trockene Feigenblätter, ein paar tote Wespen, Staub.
Es ist warm im Gewächshaus, selbst jetzt noch. Ich ziehe mein Hemd aus und werfe es über die Stuhllehne. An den Pflanzen zeigt sich der frühe Herbst. Es sind Kleinigkeiten, die nicht jedem auffallen. Mir schon.

*​
»Die Aloe vera kriegt dunkle Spitzen«, sagte ich, brach ein Stück ab und rieb sein rotes Genick mit dem Gel ein. »Und der Johannisbrotbaum verliert mehr Früchte als sonst. Siehst du?« Ich hob einen der aufgebrochenen Fruchtkörper vom Boden auf. Weilvin lächelte als Antwort. Ein Honiglächeln.
Er hieß natürlich nicht Weilvin, aber als er sich mir vorstellte, hörte ich nicht richtig zu. Seine Lippen formten ein »w« und ein »n« und es lag etwas Süßes dazwischen, an das ich mich bis heute nicht erinnern kann. Ich mochte meinen Kosenamen für ihn. Weilvin, das klang wie Wind und Verweilen und beides schien angemessen. Ich lächelte immer, wenn ich daran dachte. Natürlich erfuhr er nichts davon. Er hätte es vermutlich nicht gut gefunden. Junge Menschen benutzen keine albernen Kosenamen. Es wird immer mein Geheimnis bleiben.
*​
Ich muss mich beeilen. In ein paar Stunden treffen die Gäste ein und es gibt viel zu tun.
Vor zwei Wochen ging Weilvin. Seither überließ ich Haus, Garten und sogar das Gewächshaus sich selbst. Nicht, dass ich mich zuvor penibel um alles gekümmert hätte, aber ich tat, was nötig war, um den Zustand der Dinge zu wahren. Ich kehrte den Hof, goss die Pflanzen, brannte das Unkraut zwischen den Fließen nieder und versorgte die Möbel mit Walnussöl. Ich tat, was Papa auch getan hätte, bevor er krank wurde.
Mit dem Gewächshaus war es komplizierter. Einfache Instandhaltung genügte nicht. Jede exotische Pflanze hatte ihre eigenen Bedürfnisse. Sie liebten Hitze, aber vor allem liebten sie es, wenn ich mich ihnen ausgiebig widmete. Also zupfte ich verdorrte Blätter aus dem Lebendigen heraus, schnitt Abgeblühtes zurück und düngte. Ich tauschte die Sprühköpfe der Beregnungsanlage aus, damit die Luftfeuchtigkeit stimmte. Auf Kalk reagierten sie mit Verachtung und gelben Blättern. Dann sahen sie aus wie Leberkranke und es dauerte, bis sie sich wieder davon erholten. Papa verstand, was ein solches Anwesen braucht, um zu gedeihen. Meine Mühen waren bislang nur ein Schatten dessen, was er damals tat. Aber die Pflanzen wuchsen.
*​
Die Disteln reihen sich entlang des Gewächshauses auf und strecken ihre Köpfe ins Sonnenlicht. Ich schneide sie nicht ab, sondern reiße gleich die Wurzeln mit aus. Die Fäden ihrer Samen schimmern wie Haare alter Menschen und verteilen sich mit dem Wind im Garten. Weiteres Unkraut folgt. Ich habe vergessen, die Gartenhandschuhe anzuziehen. Was soll’s. Ich ziehe Löwenzahn aus den Fugen, entferne lilafarbenen Klee und drahtige Blätter, die ich nicht kenne. Ihre Fasern schneiden in die Haut. Vermutlich sollte ich die Handschuhe holen, sonst habe ich heute Abend Ränder unter den Nägeln und braune Schnitte, die nicht mehr wegzuwaschen sind. Das wäre nicht angemessen. Nicht mir, nicht meinem Alter oder diesem Anwesen.
Später werde ich mich dem frisch gepflegten Garten anpassen. Duschen, die Haut versorgen, die Nägel kürzen, Zahnseide verwenden. Ich werde mit Schaumfestiger die kahlwerdende Stelle kaschieren. Auch die Kleidung liegt schon bereit: ein maßgeschneidertes Sakko in taillierter Passform und mit schmalem Reviers. Ein gestärktes Hemd, weiche Leinenhosen und Budapester. Dieselben Schuhe, die neben dem Pool lagen, als Weilvin sich hat hineinfallen lassen und ich ihm nachstürzte, wie so oft.
*​
»Er ist nicht gereinigt!«, rief ich, aber er lachte nur, breitete die Arme aus wie ein Heiliger. Sein Körper durchschlug die breiige Oberfläche aus Johannisbrotbaumfrüchten und den nachtblauen Blüten der Anagallis, die seit einiger Zeit im Pool gärten. Das Wasser widerte mich an. Warum war ich ihm überhaupt nachgesprungen? Der süßliche Gestank ließ mich würgen. Ich sah Weilvin zufrieden im Wasser treiben, mit geschlossenen Augen als wäre es das Meer. Ich schwamm zu ihm und strich ihm den braunen Schleim aus dem Gesicht.
»Hast du extra die Schuhe ausgezogen?«, fragte er. Sein Blick glitt über meine Haare, ich strich sie zurück und wusste, dass er die Kopfhaut darunter sehen konnte.
»Sie sind aus Leder, sie wären jetzt sonst kaputt.«
»Oh. Okay«, sagte er. Ich küsste ihn. Alles an ihm schimmerte, seine dunklen Haare, das glatte Gesicht, seine Zähne. Später lagen wir auf den warmen Fließen vor dem Gewächshaus und ließen uns von der Abendsonne trocknen. Ich öffnete sein Hemd und verband in Gedanken die Leberflecken zu Sternenkonstellationen. Er lag da, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, sanft brummend im Halbschlaf.
*​
Die Poolfilteranlage dröhnt und spuckt schwarzes Wasser über meine Hose. Ich springe einen Schritt zurück, verärgert über diesen Eingriff in meine Gedanken. Mit einer Hand taste ich nach der Rohrzange, während ich mit der anderen das abgesprungene Rohr in die Fassung drücke. Ich schließe die Augen, versuche zurückzukehren zu den langen Junitagen, an denen ich selbstgemachtes Himbeereis von seinen Lippen küssen konnte. Zu dem Moment, an dem ich ihn das erste Mal sah.
*​
Es klingelte länger als sonst. Da war er auf einmal, trank Limonade mit Minze aus dem Garten, neben ihm die Ledertasche voller eingerollter Zeitungen. Er war auf diese besondere Weise unfertig, wie es nur Zwanzigjährige sein können. Beigefarbene Tennissocken und eine fleckige Jeans, die er hochkrempelte, damit man die Neon-Applikationen auf seinen Turnschuhen sehen konnte. Ein T-Shirt von einer Band, die ich nicht kannte. Eine zitronengelbe Armbanduhr aus Plastik. Alles an ihm passte nicht hierher. Er ließ sich tiefer in den Brokatsessel sinken und stützte seinen Kopf auf. Ich konnte den Staub der Polster im Sonnenlicht aufsteigen sehen. Er sah mich an.
»Was für eine Band ist das?«, fragte ich. »Joy Division?«
Er nickte und lächelte, aber antwortete nicht. Alles wurde still. Nicht einmal der Wind in den Bäumen oder die üblichen Kinderrufe waren zu hören. Er sah sich die Möbel an, den Stuck an der Decke und die aufgereihten Gläser in der Vitrine. Ich folgte seinem Blick.
»Das Haus gehörte meinem Vater. Ich wohne hier nur seit er ...«
Weilvin nickte.
»Du hast einen Wintergarten hinterm Haus, oder? Man kann ihn von der Querstraße aus sehen.«
»Ja, eigentlich ist es ein Gewächshaus«, sagte ich.
Weilvin lächelte. Cremefarbene Zähne blitzten auf. Ein Eckzahn schief. Er stand auf.
»Zeigst du ihn mir?«
Ich nickte nur. Mein Herzschlag ließ mich nichts mehr sagen.
*​
Noch zwei Stunden. Ich muss noch den Bart trimmen. Das kostet mich weitere fünfzehn Minuten.
Ich hole alle Schüsseln aus dem Kühlschrank, damit die Cremes zum Abendessen angenehm temperiert sind. Unter der Frischhaltefolie schimmern Tautropfen. Fischrogen, Pastinake, Guacamole. Frischkäse mit Safran und Dijonsenf. Thunfisch. Glücklicherweise ist der Teig für die Fladenbrote schnell gemacht. Wasser, Mehl, Salz. Eine weitere Zutat war es noch, aber welche? Ich kann mich nicht erinnern. Die Gedanken an seine braune Haut lassen keinen Platz für etwas anderes. War es Kümmel? Die Schwere von nasser Erde in der Luft. Gescheckte Schulterblätter. Weilvins Lippen, die nach Vanille schmecken. Aas.
*​
»Hier riecht’s komisch«, sagte er und hob erwartungsvoll seine dunklen Brauen.
»Das liegt an der Rafflesia.«
Ich zeigte auf eine riesige Blüte, die zwischen der Aloe Vera und den lianenartigen Auswüchsen einer Kletterpflanze thronte. Sie besaß den Durchmesser einer Radkappe und ihre dicken Blätter glänzten wie roher Speck.
»Wow«, sagte Weilvin.
»Sie stinkt nach Verwesung, um Fliegen anzuziehen. Jetzt ist sie schön, aber in ein paar Tagen ist nur noch schwarzer Matsch übrig.«
Er fuhr mit den Fingerspitzen über eines der Blätter und ich stellte mir vor, dass er auf diese Weise meinen Nacken streichelte. Ich wollte seine Hand nehmen, ihm alles zeigen, das Haus, den Hof, die Orte, die ich am liebsten mochte. Ich sah nur noch ihn.
Der Sommer verdichtete sich um uns. Wir fotografieren uns gegenseitig mit einer alten Polaroidkamera, suchten besondere Stellen an unseren Körpern. Ich sammelte Bilder seines fischförmigen Muttermals am Unterarm und seiner braunen Augen. Er las mir Studienlektüre vor, den Kopf in meinem Schoß gebettet, während ich ihn nach jedem Absatz mit Himbeereis und Macarons fütterte. Der alte Mann und das Meer.
»Einmal stand er da und urinierte über die Seite des Boots und sah zu den Sternen auf und kontrollierte seinen Kurs.«
Zitronen-Macaron.
»Niemand sollte im Alter allein sein.«
Eiscremelöffel.
Er las auch aus Sternstunden der Menschheit und aus Schachnovelle, während ich mit den Augen den Schatten der Schwalben folgte, die über dem Gewächshaus nach Insekten jagten. Abends zündeten wir Kerzen an und aßen, was wir in der Feinkostabteilung eingekauft hatten. Eingelegte Artischocken. Schafskäse in Salzlake. Gefüllte Weinblätter. Weilvin probierte alles, was ich ihm hinhielt und öffnete den Mund wie ein Vogelküken.
»Du bist unerschrocken«, lachte ich. Er lachte auch, während ihm Öl das Kinn hinunterlief. Nie war ein Sommer für mich lebendiger. Vibrierend und warm wie Weilvins Körper, wenn wir uns auf der Sonnenliege aneinanderdrängten, während das rote Licht des Sonnenuntergangs alle Farben zu schlucken schien.
*​
Der Spiegel ist beschlagen. Ich lasse ihn, wie er ist und reibe die Hände aneinander, um den Duft der Gesichtscreme einzuatmen. Sandelholz, Rose und Limettenöl. Gegen Falten. Ich weiß nicht, ob die Creme etwas für mich tun kann, außer zu duften. Viele Dinge erfüllen ihren Zweck nur, wenn man sie nicht hinterfragt. Wie Krawatten, Serviettenringe oder Kerzenlöscher.
*​
»Es tut gut, mit dir zusammenzusein«, sagte ich. Die Luft duftete nach trockenem Gras und dem Rauch eines nahen Lagerfeuers, das jemand entzündet hatte.
Wir lagen auf dem Rücken, Kopf an Kopf, und sahen uns die wenigen Sterne an, die nicht im Lichternebel der Stadt untergingen. Die Grillen schienen ihre bekannte Sommermusik an den frühen Herbst anzupassen und klangen dunkler als sonst.
»Wieso?«, fragte er. Er sah mich an und ich starrte auf seinen Wangenknochen, auf das Kerzenlicht, dass sich darin spiegelte wie auf den Steinfliesen im Gewächshaus.
»Ich mag es, dir zuzusehen. Alles versetzt dich ins Staunen. Ich erinnere mich, wie es war, die Welt so zu sehen.«
Weilvin schwieg, schien nachzudenken.
»Wie siehst du denn die Welt?«, fragte er. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Wind kam auf und schüttelte die Birken. Nur zwischen uns bewegte sich nichts. Später stand er auf und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
»Danke«, sagte er und ging nach Hause. Am nächsten Morgen kam er nicht wieder.
*​
Es klingelt. Ich ziehe ein letztes Mal die Fusselrolle über das Jackett. Ein rötlicher Fleck auf der Hose. Zu spät, um sie zu wechseln.
»Ich komme«, rufe ich und befeuchte die Finger. Auf dem Weg zur Tür reibe ich über die schmutzige Stelle in der Hoffnung, dass der Stoff schnell genug trocknet. Ein großes Hallo. Umarmungen und Körbe voller Rauchfleisch, Delikatessen in goldfarbenen Dosen, Wein und noch mehr Wein. Das wäre doch nicht nötig gewesen. Zwei Sitzplätze bleiben leer, neun Freunde sind gekommen. Sie lächeln mich an, ihre Haut glänzt durch die angestaute Wärme unter dem Dach des Gewächshauses.
In der Küche duftet es nach Muscheln und Kaffee. Ich öffne eine Schublade nach der anderen.
»Hey, alles gut?« Isabell legt die Hand in meinen Nacken, wie sie es schon früher tat, wenn sie glaubte, ihren Bruder beruhigen zu müssen.
»Ja, ich kann bloß den Korkenzieher nicht finden.«
»Du bist dünn geworden. Wo warst du die letzten Wochen?«
»Hier.«
Neben den Öl- und Essigflaschen steht der Korkenzieher.
»Es war seltsam, nichts von dir zu hören.«
Sie keucht überrascht, als ich sie umarme. Zunächst scheint sie in meinen Armen unterzugehen, aber dann spüre ich ihre Hände auf meinem Rücken. Eine Weile stehen wir so da. Ich atme ihr pudriges Parfum ein. Draußen klirren Gläser.
»So wird’s gemacht!«, ruft Lèon laut. Vermutlich zeigt er den anderen, wie Bodenseefelchen richtig entgrätet werden.
»Kannst du ein bisschen bei mir bleiben?«, frage ich. Ein Blick in ihre Augen genügt, um zu wissen, dass es nicht geht.
»Du weißt, dass das nicht geht. Wegen der Kleinen.«
Für einen Moment verlieren die Fußbodenkacheln ihre Kanten und werden weich. Weilvin wie er Löwenzahn in Streifen zieht, um dabei zuzusehen, wie sie im Poolwasser zu Locken werden. Weilvin, der mich auf den rechten Wangenknochen küsste, weil er glaubte, das sei meine schönste Stelle. Weilvin, der das Wort Dragonfly liebte und mir, jedes Mal wenn er eine entdeckte, erzählte, dass man Libellen so in England nennt.
»Kein Problem«, sage ich. Sie küsst mich ein Stück unterhalb meiner schönsten Stelle. Dann kehrt sie zurück zur Feier, zu ihrem Stuhl, zu ihrem Leben. Ich ziehe ein zerknülltes Taschentuch aus der Hose und wische mir die Träne ab, die sich am Kinn gesammelt hat. Es wird ein langer Abend werden. Ich bin noch nicht bereit dazu, wieder zurückzukehren. Ich will bleiben. In der Sonne. Ein wenig von meiner Zeit mit ihm teilen. Er hat genug davon. Es kann noch nicht vorbei sein.
Neben den Geschenkkörben liegt ein cremefarbener Stapel Briefumschläge, aus deren Gleichförmigkeit eine bunte Ecke hervorsticht. Ich ziehe sie hervor. Auf der Karte ist ein pinkfarbenes Eis am Stiel zu sehen, umrandet von Sonnenstrahlen. Auf der Rückseite stehen nur wenige Worte. Blaue Gelschrift.
»Der alte Mann oben in seiner Hütte schlief wieder. Er schlief immer noch auf seinem Gesicht und der Junge saß neben ihm und gab auf ihn acht.«
Ich stürze zum Telefon und tippe zweimal die falsche Zahl, bevor ich meine zitternden Finger kontrollieren kann.
»Was ist los?«, fragt Isabell. Sie steht als Silhouette in der Tür, die zum Gewächshaus führt, beleuchtet vom warmen Licht der Kerzen.
»Er hat mir geschrieben.«
»Wer?« Sie nimmt mir die Karte aus der Hand. Ich lache über ihre großen Augen.
»Weilvin natürlich. Das ist aus der alte Mann und das Meer.«
Es läutet.
Dreimal.
Viermal.
Mein Herz schlägt, wie es im Juni schlug.
»Würdest du noch einen weiteren Teller decken? Er hat sicher Hunger und probiert gern von allem etwas.«
Ich lächle meiner Schwester zu, damit sie weiß, dass alles gut ist.

 

Hallo lieber @Bas

da ist ja dein Kommentar! :)

Tut mir sehr leid, es kam zeitgleich mit dem von Friedel und ich habe es auch gelesen und mich sogar noch gefreut, weil es so ein schönes Kommentar war! :)

und hab dich hier häufig als Kommentierer wahrgenommen, was ich cool finde.

Haha, vielen Dank, ich bring mich gern hier ein. Es macht mir mindestens genauso viel Spaß, andere Stories zu kritisieren, wie selbst welche zu schreiben. Ich merke auch, dass ich dabei ebenso dazulerne, weil man ja gut formulieren muss, warum etwas stört bzw. nicht passt. Und dann merkt man es sich schon selbst fürs nächste Mal. ;)

Und es geht auch interessant weiter, also keine Ahnung, warum ich nicht einfach weitergelesen habe ... Na ja, jetzt tu ich's ja.

Ist manchmal eben so. ;) Es gab auch schon Geschichten, die ich oft angelesen und nie zuende gelesen habe. Am Ende fragt man sich dann manchmal: warum? Aber vielleicht denkt man zu Beginn, das einem das Thema eventuell nicht liegt, so geht's mir immer.

aber ich finde, hier könntest du bei der Sprache noch mal ein bisschen Feintuning betreiben.

Definitiv. Bei manchen Stellen bin ich dann hin und hergerissen, ob die etwas naivere Formulierung besser funktioniert, da sie weniger konstruiert wirkt, zum Beispiel hier:

"Meine Mühen waren bislang nur ein Schatten dessen, was er damals geleistet hatte."

Ich mochte eigentlich das schlichte "tat", da es ja alles mögliche an Aktionen beinhaltet, die der Prota ja nicht unbedingt kennen kann. Aber deine Idee finde ich auch gut, klingt eleganter. ;)

"sondern reiße gleich die Wurzeln mit aus", "Ich schneide sie nicht ab, sondern reiße sie mitsamt der Wurzeln aus der Erde" oder ähnliches gefiele mir da besser.

Das stimmt, da finde ich deine Formulierung auch eleganter.

wahrscheinlich ist sie gerade im Puppenstadium, nur noch ein bisschen, bis der hübsche Schmetterling sich vollkommen entfalten und die Geschichte auf seinen Flügeln mit sich tragen kann.

Das freut mich sehr, ich danke dir. Du hast ja schöne Metaphern fürs Schreiben, auch der Part mit den Muscheln hat mich echt glücklich gemacht, da ich tatsächlich gern nach besonderen Wörtern suche für die Stories. Ich finde, sie erschaffen schnell eine Welt und wirken echt. Aber ich beschäftige mich auch gern mit Flora und Fauna, das heißt, es kann gut sein, dass du noch einige Tier- und Pflanzen-Metaphern in meinen Geschichten finden wirst. ;)

Hier will ich dann doch noch noch mal den Zeigefinger heben - die "dass das nicht geht"-Dopplung

Komplett recht! Ich hatte den Dialog an der Stelle nochmal überarbeitet und mir ist nicht mal aufgefallen, dass es sich jetzt so plump doppelt. :(

Alles in allem: Tausend Dank! Dein Kommentar hat mich echt gefreut, auch wenn ich diese Woche erst jetzt zum Antworten gekommen bin.

Sehnsucht, Wehmut, Hoffnung; Staub, der in den Sonnenstrahlen umherschwebt, die durch die Gewächshausscheibe scheinen ... Ich habe bisher noch keine Gewächshausgeschichte gelesen und die erste gefällt mir sehr gut. Danke dafür!

Freut mich richtig, dass dir meine erste Geschichte so gut gefallen hat, das stärkt den Rücken ungemein. Puh, auf zur nächsten Story, stimmt's? ;)

Viele liebe Grüße, PP

 

Hey PlaceboParadise,

Er ließ oft ein Stück Honigbrot auf dem Teller zurück.
»Für die Bienen«, sagte er dann. Nur er tat so etwas.
Ich hatte das Gefühl, ich komme da am Anfang irgendwie an das Honigbrot und das klebte für die restliche Lektüre an mir dran. Meine Herren, ist das süß und klebrig. Und am Ende hat man dann gleich ein ganzes Glas Honig auf dem Tisch verteilt :D. Klebt ja eh alles. Honig, Eis, die beiden aneinander, Rafflesia. Ich denke, dafür gibt es sicher eine Zielgruppe, die gar nicht mal so klein ist, auch für das Ende und das liest sich auch recht gut weg, dieser morbide Charme des Umfeldes vs. der Jugend und Frische hat auf jeden Fall was.
Aber, ich schätze mal, auch die Leute, die triefendes Liebeszeug gern lesen, mögen es ganz gern spannend. Und die Geschichte lebt hier ausschließlich von der Stimmung. Am Anfang schon sagst Du, es ist aus, dann kommen die Rückblenden, die sind nun aber nur happy und Leser weiß eh, es ist vorbei (Rückblenden können nur selten wirklich spannend sein, weil man eben imer um deren Ausgang weiß), Konflikte gibt es auch nicht ... das daddelt da alles so gemächlich dahin, dazu ein paar Häppchen und Düfte, und am Ende kommt der Brief wie Kasper aus der Kiste, tada, rosa ist die Welt wieder. Das ist wirklich sehr lieb von dir gegenüber deinem Prot. und deinen Lesern, aber ich weiß jetzt nicht so recht, warum es dazu kommt. Das die Jugend weiterzieht von einem Tag auf den anderen, wie sie auch gekommen ist, das glaube ich gern, kaufe es ohne zu fragen, aber warum sie zurückkommt? Wird kalt draußen, sucht sie ein Winterquartier? Die Frage müsste sich aus dem Charakter von Weilvin beantworten und den lerne ich eigentlich kaum kennen. Der wird gefüttert und geherzt, irgendwie kommt der mir vor wie ein niedliches Haustier zum Kuscheln. Mal ohne Scheiß. Über was anderes erzählt der Text ja kaum. Okay, die beiden lesen. Lesen ist schön. Aber deswegen lässt man auch nicht wen sitzen und kommt dann wieder. Mir fehlt hier irgendwie was handgreifliches, was individuelles. Deinen Prot. hast du schön eingefangen, der ist wie so ne Mutti, der kümmert sich so liebevoll um alle und alles. Ich mag den, auch wie er sich gegen Ende jemanden wünscht, der ihn in den Arm nimmt, der sich jetzt um ihn kümmert, sein Leid teilt und die Schwester hat eben gar keine Zeit dafür und lässt ihn da stehen. Und am nächsten Tag werden alle Gäste wieder weg sein und er bleibt zurück mit seinen Herbstpflanzen und verwelkt ein bisschen mit ihnen.
Was mir echt fehlt, ist ein Kontrapunkt. Der müsste/sollte Weilvin sein. Mir fehlt Reibung. Der Text erzählt ja unterm Strich - da ist ein schöner Liebessommer, der Sommer geht, die Liebe geht, das ist traurig, fertig. Und damit bleibst du so an der Oberfläche, alles hübsch verpackt, keine Frage, kann man gut lesen, aber ich bin (heute) nicht die Zielgruppe. In einer anderen Stimmung aber vielleicht :D.

Klingt jetzt nicht so super, aber ich bin echt gespannt auf weitere Texte von Dir. Darauf habe ich nach dem hier auf jeden Fall Lust.
Beste Grüße, Fliege

 

Hallöle @Fliege

wie cool, dass du auch noch was über meine Geschichte teilst! :) Was soll ich sagen, dein Kommentar zu meiner Geschichte hat mich echt amüsiert. :rotfl:

Und ich kann's auch nachvollziehen. Was ich tatsächlich wollte, war eine Stimmung heraufzubeschwören. Mir ist klar, dass da nicht viel passiert, ich wollte ihn eben in dieser nachdenklich-traurigen Stimmung darstellen, in einer schweren Melancholie. Interessant, dass du auch den Text so romantisch gelesen hast, ich dachte, er wäre eigentlich relativ traurig, da ja allen romantischen Aspekten immer das Negative der Einsamkeit anhaftet.

und am Ende kommt der Brief wie Kasper aus der Kiste, tada, rosa ist die Welt wieder. Das ist wirklich sehr lieb von dir gegenüber deinem Prot.

Haha, wie spannend, dass du das Ende hier als etwas durchweg positives liest. :D Vielleicht hätte ich das noch etwas mehr ausbalancieren sollen, ich wollte es nämlich offen gestalten. Im Prinzip sieht er eine Karte mit Zitat und die große Frage ist: Macht er sich jetzt aus Einsamkeit etwas vor?

Ich mag den, auch wie er sich gegen Ende jemanden wünscht, der ihn in den Arm nimmt, der sich jetzt um ihn kümmert, sein Leid teilt und die Schwester hat eben gar keine Zeit dafür und lässt ihn da stehen. Und am nächsten Tag werden alle Gäste wieder weg sein und er bleibt zurück mit seinen Herbstpflanzen und verwelkt ein bisschen mit ihnen.

Das hier hast du ja absolut richtig erkannt! :) Genau darum ging es mir: Der Herbst als Metapher für Verfall, die Rafflesia, er selbst, nicht mehr der Jüngste, dazu Weilvin im Kontrast, so jung und unbedarft.

Wie dem auch sei, ich rede mich da nicht raus, falls es so wirkt. ;) Wollte mir nur noch etwas erklären, aber ich kann absolut verstehen, dass du da mehr Handlung willst und es deckt sich auch mit dem, was bereits andere Wortkrieger schon angemerkt haben. Ich mag es, mit Melancholie und dem Motiv der Einsamkeit zu spielen, weil das die Themen sind, die mich am meisten bewegen und interessieren, aber das nächste Mal passiert da mehr, versprochen. ;)

Danke dir für deinen Input, dass hat mir noch einmal sehr für meine nächste Geschichte geholfen!! :herz:

Viele liebe Grüße, PP

 

Wollte mir nur noch etwas erklären, aber ich kann absolut verstehen, dass du da mehr Handlung willst
Ich will nicht mehr Handlung, ich will mehr Reibung. :teach: Das kann auch ganz ohne Handlung abgehen.

Ich mag es, mit Melancholie und dem Motiv der Einsamkeit zu spielen, weil das die Themen sind, die mich am meisten bewegen
Gefahr bei solchen Texten, stell Dir vor, Du sitzt mit deinem Prot. in der Kneipe und hörst dem beim Leiden und melancholieren (geiles Wort) zu. So ähnlich fühlt es sich auch für den Leser an. Ist halt jetzt nicht so spannend und eben auch sehr leidend. Aber okay, manche brauchen ja das Unglück der anderen, um sich selbst besser zu fühlen, ach je, diese Welt. Diese Menschen :herz:

 

stell Dir vor, Du sitzt mit deinem Prot. in der Kneipe und hörst dem beim Leiden und melancholieren (geiles Wort) zu. So ähnlich fühlt es sich auch für den Leser an.

Haha, ich stimm doch schon zu! :lol: Alles richtig. Hab mir grad überlegt wie es wäre, meinem Stiefvater endlos beim sinnieren zuzuhören ... und ja, das will keiner hören! Das ist, wie die Träume von jemandem erzählt zu bekommen, auch schwierig. :sick:

manche brauchen ja das Unglück der anderen, um sich selbst besser zu fühlen

Na hör mal! Da denkt ja noch wer, ich bin ein Unmensch! :lol:

 
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Wie ich gestern Flieges Kommentar lese, ist mir wieder eingefallen – möglicherweise auch, weil ich darin über den Begriff Zielgruppe gestolpert bin – dass ich mir schon vor Wochen ein paar Gedanken zu deiner Geschichte notiert habe, Placebo P., um genau zu sein, schon am 2. Jänner. Ein halbherziger Kommentarentwurf quasi, der sich dann allerdings, frag mich nicht wie, in die Nichtexistenz verabschiedet hat, bzw. der, wenn schon nicht unwiederbringlich verloren, so zumindest zwischen unzähligen anderen Textfragmenten verschütt gegangen ist*). Na egal, wohin oder wo. Jedenfalls ist er unauffindbar.
Was insofern jetzt nicht so wahnsinnig schlimm ist, weil ich mich darin vorwiegend an der Zielgruppen-Thematik abgearbeitet habe, dergestalt zum Beispiel, dass ich mich fragte, wer um Himmels Willen an dieser melancholischen Spätsommeridylle Gefallen finden, wer um Himmels Willen in deinem Protagonisten, diesem alternden Schöngeist, auch nur die Spur einer Identifikationsfigur entdecken sollte. Jetzt wird zwar nirgends explizit das Alter dieses Mannes erwähnt und möglicherweise soll ich ihn mir ohnehin als Rentner vorstellen, als einen Mann, der auf ein ungemein arbeitsreiches Leben zurückblickt als, was weiß ich, als brillanter Gehirnchirurg meinetwegen oder als Schweißer auf einer Bohrinsel oder gar als erfolgreicher Schriftsteller wie dieser Dings ... genau, der Gustav von Aschenbach in Thomas Manns Tod in Venedig, wer weiß? Aber so wirkt er halt eher nicht auf mich, vielmehr wie ein hedonistischer, dekadenter Privatier, dessen einzige Heldentat im bisherigen Leben es war, das Anwesen und das Vermögen seines Vaters geerbt zu haben und dessen Tagwerk sich nun darin erschöpft, kontemplativ zu gärtnern, da einen Rosentrieb zu beschneiden und dort eine Bougainvillea hochzubinden und der darüber hinaus allerhöchstens noch im Delikatessenladen vorbeischaut, um sauteure Jahrgangsweine zu verkosten oder ein paar Dutzend Jakobsmuscheln einzukaufen. Ein bourgeoiser Müßiggänger wie aus dem Buche sozusagen, um nicht zu sagen, das Feindbild schlechthin jedes aufrechten Werktätigen. Also nicht unbedingt eine Figur, deren Schicksal mir jetzt sonderlich nahegehen könnte. Wie überhaupt mich das ganze Setting, dieses weichgezeichnete, geschönte, sepiagetönte Ambiente ein bisschen an die heile-Welt-Kulisse von Groschenromanen erinnert, an diese unsäglichen Gutshof- und Landschlossszenarien (in denen die männlichen Helden prinzipiell immer Frank heißen), und deren erklärtes Ziel darin besteht, die Leser(innen?) ihr eigenes tristes Leben zumindest für die Zeit der Lektüre vergessen zu lassen. Lesen als Eskapismus quasi …
Wie gesagt, nicht wirklich schade um diese Gedanken und demgemäß völlig müßig, sie rekonstruieren zu wollen. Weil: Ausschließlich eine Frage der Zielgruppe, bzw. eine Frage ganz persönlicher Lesevorlieben, bzw. überhaupt ein literaturkritischer Kategoriefehler gewissermaßen, sich mit dermaßen subjektiven Vorurteilen zu einer fiktiven(!) Figur äußern zu wollen. Also kein Wort zum Protagonisten.
Leid tut’s mir eher um das, was ich dann noch anschließend zu deiner Sprache geschrieben habe, und zu der Art und Weise, wie du die Geschichte dramaturgisch gestaltet hast und dazu, wie ungemein sicher du mit winzigen Detail umgehst und damit Atmosphäre erschaffst. Kurz gesagt, wie souverän und so überhaupt nicht anfängerhaft ich den Text empfand ... usw. War jedenfalls ziemlich viel Lob, so viel weiß ich noch. Und an den letzten Satz meines Kommentarentwurfs kann ich mich auch noch erinnern und weil ich zu dem nach wie vor stehe, schreib ich ihn jetzt einfach noch einmal:
Keine Frage, das ist für mich eines der bemerkenswertesten Debüts hier in letzter Zeit.“

Willkommen hier, Placebo P.

offshore


*)Und ja, ich weiß, ich sollte mal wieder meinen Schreibtisch aufräumen

 

Lieber @ernst offshore

uff, das war ja jetzt ne Wucht von Kommentar. ;)

Ich danke dir für diese genaue Einschätzung des Inhalts und der Sprache, das hilft mir sehr! Du bist dir da ganz schön einig mit den Vorschreibern, ich brauche offenbar wesentlich mehr Substanz in meinen Geschichten, mehr Handlung, oder auch Reibung, wie es Fliege so schön beschrieben hat. :) Ich denke, dieses Geplätscher an Inhalt war vielleicht auch eine Art, mich an einen Schreibstil heranzutasten. Ich mag generell eher die ruhigeren Geschichten, in denen die Wahrheit zwischen den Zeilen liegt, aber auch da muss ja etwas passieren. :)

Wie überhaupt mich das ganze Setting, dieses weichgezeichnete, geschönte, sepiagetönte Ambiente ein bisschen an die heile-Welt-Kulisse von Groschenromanen erinnert

Interessant, dass du es so empfunden hast, bei all dem Staub, dem Dreck, dem Schleim, den eingetrockneten Dingen und der stinkenden Rafflesia. ;)

in denen die männlichen Helden prinzipiell immer Frank heißen

Kein Frank, versprochen. :D

Keine Frage, das ist für mich eines der bemerkenswertesten Debüts hier in letzter Zeit.“

Uff, danke dir vielmals! Das ist natürlich unheimlich toll und freut mich extrem! :)

Ja, insgesamt spüre ich schon deutlich, dass die Frage nach dem Inhalt die wichtige ist. Da hoffe ich, dass ich vielleicht mit meiner nächsten Geschichte überzeugen kann.

Ich danke dir jedenfalls sehr für dein Kommentar und freue mich, dass du mir deine Gedanken letztendlich doch noch mitgeteilt hast. Hat sich gelohnt. ;)

Danke dir und viele liebe Grüße, PP

 

Hallo @PlaceboParadise,

ich habe deinen Text schon vor längerem gelesen, konnte mich aber nie zum Kommentieren aufraffen. :shy: Nun schau ich doch noch vorbei, denn irgendwie gefällt mir deine blumig schwere Mélange aus Melancholie, Romantik und Dekadenz schon. Call me by your name goes Der Tod in Venedig, oder so.

Es sind Kleinigkeiten, die nicht jedem auffallen. Mir schon.
Gleich zu Beginn diese Selbstgefälligkeit. Da drückt er bei mir ja auf die roten Knöpfe! Unsympathisch. Aber weil die Sprache so schön ist, lese ich trotzdem weiter. :D

sonst habe ich heute Abend Ränder unter den Nägeln und braune Schnitte, die nicht mehr wegzuwaschen sind. Das wäre nicht angemessen.
Siehe oben. Wir repräsentieren, oder? :hmm:

brannte das Unkraut zwischen den Fließen nieder
Die schreiben sich mit S, kommt weiter unten nochmal.

Er nickte und lächelte, aber antwortete nicht.
Die Syntax klingt für mich ein bisschen schräg. Warum nicht:
Er nickte und lächelte, antwortete aber nicht.

und ich starrte auf seinen Wangenknochen, auf das Kerzenlicht, dass

Relativpronomen, also nur ein S

Sicher, dass der Akzent nicht andersherum gehört?

Bin gespannt auf weitere Texte von dir!

Liebe Grüße
Anne

 

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