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Rafflesia

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30.12.2018
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Rafflesia

Er ließ oft ein Stück Honigbrot auf dem Teller zurück.
»Für die Bienen«, sagte er dann. Nur er tat so etwas.

Ich öffne den schwarzen Müllbeutel und lasse Brotreste und Hühnchenknochen von den Tellern gleiten. Der eingetrocknete Honig glänzt wie Lack. Danach folgen Olivenkerne aus Tonschalen, Zahnstocher und Serviettenknäule. Mit der Hand fege ich die Zeit hinterher, die sich in den letzten zwei Wochen auf dem Fliesentisch angesammelt hat. Trockene Feigenblätter, ein paar tote Wespen, Staub.
Es ist warm im Gewächshaus, selbst jetzt noch. Ich ziehe mein Hemd aus und werfe es über die Stuhllehne. An den Pflanzen zeigt sich der frühe Herbst. Es sind Kleinigkeiten, die nicht jedem auffallen. Mir schon.

*​
»Die Aloe vera kriegt dunkle Spitzen«, sagte ich, brach ein Stück ab und rieb sein rotes Genick mit dem Gel ein. »Und der Johannisbrotbaum verliert mehr Früchte als sonst. Siehst du?« Ich hob einen der aufgebrochenen Fruchtkörper vom Boden auf. Weilvin lächelte als Antwort. Ein Honiglächeln.
Er hieß natürlich nicht Weilvin, aber als er sich mir vorstellte, hörte ich nicht richtig zu. Seine Lippen formten ein »w« und ein »n« und es lag etwas Süßes dazwischen, an das ich mich bis heute nicht erinnern kann. Ich mochte meinen Kosenamen für ihn. Weilvin, das klang wie Wind und Verweilen und beides schien angemessen. Ich lächelte immer, wenn ich daran dachte. Natürlich erfuhr er nichts davon. Er hätte es vermutlich nicht gut gefunden. Junge Menschen benutzen keine albernen Kosenamen. Es wird immer mein Geheimnis bleiben.
*​
Ich muss mich beeilen. In ein paar Stunden treffen die Gäste ein und es gibt viel zu tun.
Vor zwei Wochen ging Weilvin. Seither überließ ich Haus, Garten und sogar das Gewächshaus sich selbst. Nicht, dass ich mich zuvor penibel um alles gekümmert hätte, aber ich tat, was nötig war, um den Zustand der Dinge zu wahren. Ich kehrte den Hof, goss die Pflanzen, brannte das Unkraut zwischen den Fließen nieder und versorgte die Möbel mit Walnussöl. Ich tat, was Papa auch getan hätte, bevor er krank wurde.
Mit dem Gewächshaus war es komplizierter. Einfache Instandhaltung genügte nicht. Jede exotische Pflanze hatte ihre eigenen Bedürfnisse. Sie liebten Hitze, aber vor allem liebten sie es, wenn ich mich ihnen ausgiebig widmete. Also zupfte ich verdorrte Blätter aus dem Lebendigen heraus, schnitt Abgeblühtes zurück und düngte. Ich tauschte die Sprühköpfe der Beregnungsanlage aus, damit die Luftfeuchtigkeit stimmte. Auf Kalk reagierten sie mit Verachtung und gelben Blättern. Dann sahen sie aus wie Leberkranke und es dauerte, bis sie sich wieder davon erholten. Papa verstand, was ein solches Anwesen braucht, um zu gedeihen. Meine Mühen waren bislang nur ein Schatten dessen, was er damals tat. Aber die Pflanzen wuchsen.
*​
Die Disteln reihen sich entlang des Gewächshauses auf und strecken ihre Köpfe ins Sonnenlicht. Ich schneide sie nicht ab, sondern reiße gleich die Wurzeln mit aus. Die Fäden ihrer Samen schimmern wie Haare alter Menschen und verteilen sich mit dem Wind im Garten. Weiteres Unkraut folgt. Ich habe vergessen, die Gartenhandschuhe anzuziehen. Was soll’s. Ich ziehe Löwenzahn aus den Fugen, entferne lilafarbenen Klee und drahtige Blätter, die ich nicht kenne. Ihre Fasern schneiden in die Haut. Vermutlich sollte ich die Handschuhe holen, sonst habe ich heute Abend Ränder unter den Nägeln und braune Schnitte, die nicht mehr wegzuwaschen sind. Das wäre nicht angemessen. Nicht mir, nicht meinem Alter oder diesem Anwesen.
Später werde ich mich dem frisch gepflegten Garten anpassen. Duschen, die Haut versorgen, die Nägel kürzen, Zahnseide verwenden. Ich werde mit Schaumfestiger die kahlwerdende Stelle kaschieren. Auch die Kleidung liegt schon bereit: ein maßgeschneidertes Sakko in taillierter Passform und mit schmalem Reviers. Ein gestärktes Hemd, weiche Leinenhosen und Budapester. Dieselben Schuhe, die neben dem Pool lagen, als Weilvin sich hat hineinfallen lassen und ich ihm nachstürzte, wie so oft.
*​
»Er ist nicht gereinigt!«, rief ich, aber er lachte nur, breitete die Arme aus wie ein Heiliger. Sein Körper durchschlug die breiige Oberfläche aus Johannisbrotbaumfrüchten und den nachtblauen Blüten der Anagallis, die seit einiger Zeit im Pool gärten. Das Wasser widerte mich an. Warum war ich ihm überhaupt nachgesprungen? Der süßliche Gestank ließ mich würgen. Ich sah Weilvin zufrieden im Wasser treiben, mit geschlossenen Augen als wäre es das Meer. Ich schwamm zu ihm und strich ihm den braunen Schleim aus dem Gesicht.
»Hast du extra die Schuhe ausgezogen?«, fragte er. Sein Blick glitt über meine Haare, ich strich sie zurück und wusste, dass er die Kopfhaut darunter sehen konnte.
»Sie sind aus Leder, sie wären jetzt sonst kaputt.«
»Oh. Okay«, sagte er. Ich küsste ihn. Alles an ihm schimmerte, seine dunklen Haare, das glatte Gesicht, seine Zähne. Später lagen wir auf den warmen Fließen vor dem Gewächshaus und ließen uns von der Abendsonne trocknen. Ich öffnete sein Hemd und verband in Gedanken die Leberflecken zu Sternenkonstellationen. Er lag da, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, sanft brummend im Halbschlaf.
*​
Die Poolfilteranlage dröhnt und spuckt schwarzes Wasser über meine Hose. Ich springe einen Schritt zurück, verärgert über diesen Eingriff in meine Gedanken. Mit einer Hand taste ich nach der Rohrzange, während ich mit der anderen das abgesprungene Rohr in die Fassung drücke. Ich schließe die Augen, versuche zurückzukehren zu den langen Junitagen, an denen ich selbstgemachtes Himbeereis von seinen Lippen küssen konnte. Zu dem Moment, an dem ich ihn das erste Mal sah.
*​
Es klingelte länger als sonst. Da war er auf einmal, trank Limonade mit Minze aus dem Garten, neben ihm die Ledertasche voller eingerollter Zeitungen. Er war auf diese besondere Weise unfertig, wie es nur Zwanzigjährige sein können. Beigefarbene Tennissocken und eine fleckige Jeans, die er hochkrempelte, damit man die Neon-Applikationen auf seinen Turnschuhen sehen konnte. Ein T-Shirt von einer Band, die ich nicht kannte. Eine zitronengelbe Armbanduhr aus Plastik. Alles an ihm passte nicht hierher. Er ließ sich tiefer in den Brokatsessel sinken und stützte seinen Kopf auf. Ich konnte den Staub der Polster im Sonnenlicht aufsteigen sehen. Er sah mich an.
»Was für eine Band ist das?«, fragte ich. »Joy Division?«
Er nickte und lächelte, aber antwortete nicht. Alles wurde still. Nicht einmal der Wind in den Bäumen oder die üblichen Kinderrufe waren zu hören. Er sah sich die Möbel an, den Stuck an der Decke und die aufgereihten Gläser in der Vitrine. Ich folgte seinem Blick.
»Das Haus gehörte meinem Vater. Ich wohne hier nur seit er ...«
Weilvin nickte.
»Du hast einen Wintergarten hinterm Haus, oder? Man kann ihn von der Querstraße aus sehen.«
»Ja, eigentlich ist es ein Gewächshaus«, sagte ich.
Weilvin lächelte. Cremefarbene Zähne blitzten auf. Ein Eckzahn schief. Er stand auf.
»Zeigst du ihn mir?«
Ich nickte nur. Mein Herzschlag ließ mich nichts mehr sagen.
*​
Noch zwei Stunden. Ich muss noch den Bart trimmen. Das kostet mich weitere fünfzehn Minuten.
Ich hole alle Schüsseln aus dem Kühlschrank, damit die Cremes zum Abendessen angenehm temperiert sind. Unter der Frischhaltefolie schimmern Tautropfen. Fischrogen, Pastinake, Guacamole. Frischkäse mit Safran und Dijonsenf. Thunfisch. Glücklicherweise ist der Teig für die Fladenbrote schnell gemacht. Wasser, Mehl, Salz. Eine weitere Zutat war es noch, aber welche? Ich kann mich nicht erinnern. Die Gedanken an seine braune Haut lassen keinen Platz für etwas anderes. War es Kümmel? Die Schwere von nasser Erde in der Luft. Gescheckte Schulterblätter. Weilvins Lippen, die nach Vanille schmecken. Aas.
*​
»Hier riecht’s komisch«, sagte er und hob erwartungsvoll seine dunklen Brauen.
»Das liegt an der Rafflesia.«
Ich zeigte auf eine riesige Blüte, die zwischen der Aloe Vera und den lianenartigen Auswüchsen einer Kletterpflanze thronte. Sie besaß den Durchmesser einer Radkappe und ihre dicken Blätter glänzten wie roher Speck.
»Wow«, sagte Weilvin.
»Sie stinkt nach Verwesung, um Fliegen anzuziehen. Jetzt ist sie schön, aber in ein paar Tagen ist nur noch schwarzer Matsch übrig.«
Er fuhr mit den Fingerspitzen über eines der Blätter und ich stellte mir vor, dass er auf diese Weise meinen Nacken streichelte. Ich wollte seine Hand nehmen, ihm alles zeigen, das Haus, den Hof, die Orte, die ich am liebsten mochte. Ich sah nur noch ihn.
Der Sommer verdichtete sich um uns. Wir fotografieren uns gegenseitig mit einer alten Polaroidkamera, suchten besondere Stellen an unseren Körpern. Ich sammelte Bilder seines fischförmigen Muttermals am Unterarm und seiner braunen Augen. Er las mir Studienlektüre vor, den Kopf in meinem Schoß gebettet, während ich ihn nach jedem Absatz mit Himbeereis und Macarons fütterte. Der alte Mann und das Meer.
»Einmal stand er da und urinierte über die Seite des Boots und sah zu den Sternen auf und kontrollierte seinen Kurs.«
Zitronen-Macaron.
»Niemand sollte im Alter allein sein.«
Eiscremelöffel.
Er las auch aus Sternstunden der Menschheit und aus Schachnovelle, während ich mit den Augen den Schatten der Schwalben folgte, die über dem Gewächshaus nach Insekten jagten. Abends zündeten wir Kerzen an und aßen, was wir in der Feinkostabteilung eingekauft hatten. Eingelegte Artischocken. Schafskäse in Salzlake. Gefüllte Weinblätter. Weilvin probierte alles, was ich ihm hinhielt und öffnete den Mund wie ein Vogelküken.
»Du bist unerschrocken«, lachte ich. Er lachte auch, während ihm Öl das Kinn hinunterlief. Nie war ein Sommer für mich lebendiger. Vibrierend und warm wie Weilvins Körper, wenn wir uns auf der Sonnenliege aneinanderdrängten, während das rote Licht des Sonnenuntergangs alle Farben zu schlucken schien.
*​
Der Spiegel ist beschlagen. Ich lasse ihn, wie er ist und reibe die Hände aneinander, um den Duft der Gesichtscreme einzuatmen. Sandelholz, Rose und Limettenöl. Gegen Falten. Ich weiß nicht, ob die Creme etwas für mich tun kann, außer zu duften. Viele Dinge erfüllen ihren Zweck nur, wenn man sie nicht hinterfragt. Wie Krawatten, Serviettenringe oder Kerzenlöscher.
*​
»Es tut gut, mit dir zusammenzusein«, sagte ich. Die Luft duftete nach trockenem Gras und dem Rauch eines nahen Lagerfeuers, das jemand entzündet hatte.
Wir lagen auf dem Rücken, Kopf an Kopf, und sahen uns die wenigen Sterne an, die nicht im Lichternebel der Stadt untergingen. Die Grillen schienen ihre bekannte Sommermusik an den frühen Herbst anzupassen und klangen dunkler als sonst.
»Wieso?«, fragte er. Er sah mich an und ich starrte auf seinen Wangenknochen, auf das Kerzenlicht, dass sich darin spiegelte wie auf den Steinfliesen im Gewächshaus.
»Ich mag es, dir zuzusehen. Alles versetzt dich ins Staunen. Ich erinnere mich, wie es war, die Welt so zu sehen.«
Weilvin schwieg, schien nachzudenken.
»Wie siehst du denn die Welt?«, fragte er. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Wind kam auf und schüttelte die Birken. Nur zwischen uns bewegte sich nichts. Später stand er auf und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
»Danke«, sagte er und ging nach Hause. Am nächsten Morgen kam er nicht wieder.
*​
Es klingelt. Ich ziehe ein letztes Mal die Fusselrolle über das Jackett. Ein rötlicher Fleck auf der Hose. Zu spät, um sie zu wechseln.
»Ich komme«, rufe ich und befeuchte die Finger. Auf dem Weg zur Tür reibe ich über die schmutzige Stelle in der Hoffnung, dass der Stoff schnell genug trocknet. Ein großes Hallo. Umarmungen und Körbe voller Rauchfleisch, Delikatessen in goldfarbenen Dosen, Wein und noch mehr Wein. Das wäre doch nicht nötig gewesen. Zwei Sitzplätze bleiben leer, neun Freunde sind gekommen. Sie lächeln mich an, ihre Haut glänzt durch die angestaute Wärme unter dem Dach des Gewächshauses.
In der Küche duftet es nach Muscheln und Kaffee. Ich öffne eine Schublade nach der anderen.
»Hey, alles gut?« Isabell legt die Hand in meinen Nacken, wie sie es schon früher tat, wenn sie glaubte, ihren Bruder beruhigen zu müssen.
»Ja, ich kann bloß den Korkenzieher nicht finden.«
»Du bist dünn geworden. Wo warst du die letzten Wochen?«
»Hier.«
Neben den Öl- und Essigflaschen steht der Korkenzieher.
»Es war seltsam, nichts von dir zu hören.«
Sie keucht überrascht, als ich sie umarme. Zunächst scheint sie in meinen Armen unterzugehen, aber dann spüre ich ihre Hände auf meinem Rücken. Eine Weile stehen wir so da. Ich atme ihr pudriges Parfum ein. Draußen klirren Gläser.
»So wird’s gemacht!«, ruft Lèon laut. Vermutlich zeigt er den anderen, wie Bodenseefelchen richtig entgrätet werden.
»Kannst du ein bisschen bei mir bleiben?«, frage ich. Ein Blick in ihre Augen genügt, um zu wissen, dass es nicht geht.
»Du weißt, dass das nicht geht. Wegen der Kleinen.«
Für einen Moment verlieren die Fußbodenkacheln ihre Kanten und werden weich. Weilvin wie er Löwenzahn in Streifen zieht, um dabei zuzusehen, wie sie im Poolwasser zu Locken werden. Weilvin, der mich auf den rechten Wangenknochen küsste, weil er glaubte, das sei meine schönste Stelle. Weilvin, der das Wort Dragonfly liebte und mir, jedes Mal wenn er eine entdeckte, erzählte, dass man Libellen so in England nennt.
»Kein Problem«, sage ich. Sie küsst mich ein Stück unterhalb meiner schönsten Stelle. Dann kehrt sie zurück zur Feier, zu ihrem Stuhl, zu ihrem Leben. Ich ziehe ein zerknülltes Taschentuch aus der Hose und wische mir die Träne ab, die sich am Kinn gesammelt hat. Es wird ein langer Abend werden. Ich bin noch nicht bereit dazu, wieder zurückzukehren. Ich will bleiben. In der Sonne. Ein wenig von meiner Zeit mit ihm teilen. Er hat genug davon. Es kann noch nicht vorbei sein.
Neben den Geschenkkörben liegt ein cremefarbener Stapel Briefumschläge, aus deren Gleichförmigkeit eine bunte Ecke hervorsticht. Ich ziehe sie hervor. Auf der Karte ist ein pinkfarbenes Eis am Stiel zu sehen, umrandet von Sonnenstrahlen. Auf der Rückseite stehen nur wenige Worte. Blaue Gelschrift.
»Der alte Mann oben in seiner Hütte schlief wieder. Er schlief immer noch auf seinem Gesicht und der Junge saß neben ihm und gab auf ihn acht.«
Ich stürze zum Telefon und tippe zweimal die falsche Zahl, bevor ich meine zitternden Finger kontrollieren kann.
»Was ist los?«, fragt Isabell. Sie steht als Silhouette in der Tür, die zum Gewächshaus führt, beleuchtet vom warmen Licht der Kerzen.
»Er hat mir geschrieben.«
»Wer?« Sie nimmt mir die Karte aus der Hand. Ich lache über ihre großen Augen.
»Weilvin natürlich. Das ist aus der alte Mann und das Meer.«
Es läutet.
Dreimal.
Viermal.
Mein Herz schlägt, wie es im Juni schlug.
»Würdest du noch einen weiteren Teller decken? Er hat sicher Hunger und probiert gern von allem etwas.«
Ich lächle meiner Schwester zu, damit sie weiß, dass alles gut ist.

 

Hallo PlaceboParadise
(ein sehr cooler nick), ich hoffe, du bist gut ins neue Jahr gekommen :)

Von mir nur ein ganz kurzes Statement zu deiner Geschichte.

Für die Bienen.«, hieß es dann.
Dein Einstiegssatz gefällt mir. Aber guck dir mal die wörtliche rede an. Das hast du mehrmals drin: Kein Punkt, wenn danach ein redebegleitsatz folgt.

Der Satz macht Lust auf mehr, man will diesen komischen Kauz besser kennenlernen.
Jaa und da sind wir schon beim Kern meines Problems mit der Kg. Ich lerne ihn nicht sonderlich gut kennen, am Ende bin ich so schlau wie vorher.
Getragen wird die Geschichte von einer tiefen Sehnsucht, einer Nostalgie deines Erzählers. Dass ich bis zum Bartrasieren dachte, die Figur sei weiblich, fällt nicht groß ins Gewicht. Das ist zum einen gut, zum anderen markiert es für mich den Punkt der Schwammigkeit. Was genau nun die Sehnsucht auslöst an diesem seltsamen Kerlchen, der kommt und geht wann er will, in Dreckwasser badet und Honig für Bienen übrig lässt ... Nein, das kommt bei mir nicht richtig an. Das muss ich einfach so kaufen. Ich habe mich erwischt, dass ich den Text irgendwann überflogen habe, weil ich hoffte, es würde irgendetwas passieren, etwas, dass die Länge und die gefühlte (über)Dramatik deines Prots rechtfertigt, aber wie gesagt, das kommt für mich in kein befriedigendes Gleichgewicht. Viel Geschmachte und Traurigkeit, wenige Szenen, die das Verhalten für mich nachvollziehbar machen.

schütte die Brotreste von seinem und die Hühnchenknochen von meinem Teller.
schütten, das ist für mich nicht das richtige Verb
auf dem Fließentisch
s (hast du noch mal drin)
ich strich sie zurück und wusste, dass er die Haut darunter sehen konnte.
hä?
Wir haben immer regelmäßig telefoniert, auch nachdem Papa gestorben ist. Ich hab dich oft angerufen, aber du bist nie rangegangen. Wo warst du die letzten Wochen?«
Infodump
Ich würde gern, aber kann Phillip momentan nicht lang mit der Kleinen allein lassen. Sie ist ja erst zwei Wochen alt.«
hier auch, das ist zu gezielte Info für den Leser.

Nun gut, so viel von mir. Bin da womöglich nicht der richtige Leser für, bei anderen drückst du vielleicht genau auf die richtigen Tasten.

Viel Freude noch im Forum
und ein gesundes neues Jahr :)

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo PlaceboParadise,

erstmal: Vielen Dank für diese sonnige Geschichte, die gerade rechtzeitig kommt, um den grauen Winter am Jahresanfang ein wenig zu erleuchten.
Die Unbeschwelichkeit des genießenden Sommerlebens ist angekommen.

Neben manchen sehr typischen Romantiksommerbildern habe ich in deinem Text so einige kleine Stellen gefunden, die mir sooo gut gefallen und es ganz nebenbei schaffen, mich die Umgebung verstehen zu lassen.
Eine kleine Auswahl:

Mit der Hand fege ich die Zeit hinterher, die sich in den letzten zwei Wochen auf dem Fließentisch angesammelt hat.

Ich öffnete sein Hemd und verband in Gedanken die Leberflecken zu Sternenkonstellationen.

Alles an ihm passte nicht hierher.

Der Sommer verdichtete sich um uns.

Für einen Moment verlieren die Fußbodenkacheln ihre Kanten und werden weich.

Auch die Gedichte/Texte, die Weilvin immer umgeben zu scheinen sind ganz wunderbar eingeflochten.

So, jetzt zum Ernsten;):
Mich verwirren die Zeitformen. Für mich ist ein bisschen spät deutlich geworden, warum dein Text in verschiedenen Zeiten spielen muss. Durch sie Absätze machst du das zwar deutlich, aber inhaltlich ist (für mich) erstmal schwer zu unterscheiden, was wo und mit welchen Figuren spielt.
Denkt er (wehmütig) an die Zeit mit Weilvin zurück oder sind das einfach nur Sequenzen, um die Vorgeschichte zu erklären?
Vielleicht liegt meine anfängliche Verwirrung auch daran, dass dein Protagonist so spät und nur partiell vorgestellt wird.
Da könntest du mit deinem wunderbaren Erzählstil noch mehr rausholen.
Das Selbe gilt auch für andere inhaltliche Stellen, wie z.B. der Tod des Vaters. Was genau spielt der für eine Rolle und was für Einflüsse hat er auf deinen Prota?
Wie stehen die anderen Familienmitglieder dazu?

Nicht mir, nicht meinem Alte
Wie alt ist er denn eigentlich? Sein Vater ist gestorben und er redet schon wehmütig von der Jugend, aber eine genauere Vorstellung habe ich nicht...

Sprachlich sind mir nur wenige Kleinigkeiten aufgefallen, wobei ich da beim Lesen auch nicht allzu penibel bin:

Es sind Kleinigkeiten, die nicht jedem auffallen würden.
Ist der Konjunktiv hier wirklich nötig?

Nicht das ich mich zuvor penibel um alles gekümmert hätte
Das dass muss hier mit doppel s stehen.

Deine Titelwahl verstehe ich noch nicht so ganz... Die Pflanze spielt doch keine so entscheidende Rolle? Warum ausgerechnet sie? (Wo du extra doch so einen schön-bizarren Figurennamen geschaffen hast.)
Oder geht es um die Analogie, dass etwas erst so hübsch aufblüht und doch dabei stinkt und in ein paar Tagen nur noch schwarzer Dreck übrig bleibt?

Hab ein ganz frohes neues Jahr!
Viele Grüße
Broodje

 

@weltenläufer

Hallo, danke für die Grüße. :) Das wünsche ich dir natürlich auch!

Zur Kritik, ich kann dich da nachvollziehen. Ich selbst liebe ruhige, etwas melancholische Erzählungen über Einsamkeit und andere schwermütige Gefühle, wie sie beispielsweise Maeve Brennan oder Lucia Berlin schrieben. Ich möchte auch auf diese Weise erzählen, aber mir ist klar, das die Kunst darin besteht, die richtigen Dinge wegzulassen, aber auch die Kurve innerhalb des Textes zu kriegen, damit die Leser nicht verwirrt sind. Da muss ich auf jeden Fall noch dran arbeiten, ich glaube, viel findet da immer in meinem Kopf statt und ich setze voraus, das die Leser genauso denken wie ich, was natürlich schlecht ist. Hier liegt die Kunst darin, die Balance zu finden.

Danke auch für deine Hinweise bzgl. Rechtschreibung und Infodump, da hast du recht, mit diesen Stellen war ich auch noch nicht ganz zufrieden, jetzt weiß ich, warum. Das werde ich definitiv noch einmal abändern!

Danke dir für dein Feedback! Hab einen schönen Jahresanfang. :)

Viele liebe Grüße, PP

@Broodje

Hallo, vielen Dank für dein Feedback, dein Lob und natürlich deine Kritik!

Erstmal freut es mich sehr, das du die Dinge hervorgehoben hast, die du magst, das stärkt das Schreiber-Kreuz ungemein. ;)

Das mit der Rafflesia hast du sehr gut erkannt, sie steht symbolisch für die Erkenntnis des Protagonisten, das seine kurzfristige Sommerliebschaft nichts gebracht hat, außer Kummer. Er hat sich von einem jungen Mann einwickeln lassen und für kurze Zeit von dieser Liebe gelebt, die dann aber wieder in sich zusammengefallen ist, wie die Rafflesia (die sogar eine Schmarotzerpflanze ist und keine echte Blume.)

Nach dem Tod des Vaters übernahm der Prota das Anwesen, das ihn eher irritiert als glücklich macht. Die Instanthaltung des Hauses steht auch für das Altern an sich, denn er kümmert sich um die antiken Möbel und das Gewächshaus und passt sich nach und nach dem antiken Gefühl des Hauses an. Daher fühlt er sich auch plötzlich alt und ungelenk, als der 20-jährige Weilvin bei ihm auftaucht.

Ich hatte auch gehofft, das Problem mit den Zeitformen über die Absätze lösen zu können, denn der Prota arbeitet ja an der Vorbereitung des Fests und driftet immer wieder ab in seine Gedanken, die sich um Weilvin kreisen. Aber danke, das du darauf hingewiesen hast, ich werde in Zukunft darauf achten, die Zeiten nicht zu verwirrend einzusetzen.

Vielen lieben Dank für deine Kritik und einen schönen Jahresanfang! :)

Gruß, PP

 

Hallo, @PlaceboParadise,

und da ist sie ja schon, deine erste Geschichte bei uns! :)
Da hast du eine feine, melancholische Szenerie geschaffen, angesiedelt in dieser schwülwarmen, feuchten, sinnlichen Gewächshausatmosphäre, innerhalb eines dekadenten Anwesens, und auch dein Protagonist scheint irgendwie aus der Zeit gefallen zu sein.

Er ließ oft ein Stück Honigbrot auf dem Teller zurück.
Das ist ein richtig guter Start, macht neugierig und ich bin sofort dabei.
Alles, was jetzt kommt, ist subjektiver Kleinkram und sind Vorschläge, mit denen du machen kannst, was du willst – aber das ist dir ja sowieso klar:
»Für die Bienen.«, hieß es dann. Wer würde so etwas tun? Nur er.
hieß es dann“ finde ich nicht ganz so gelungen, weil man annehmen könnte, jemand anderes sagt, dass es für die Bienen ist. Auch die Frage danach und die Antwort gefallen mir nicht so ganz. Ich fände es so in der Art stimmiger: „Für die Bienen“, sagte er dann. Nur er kam auf solche Ideen.
Ich öffne den schwarzen Müllbeutel und schütte die Brotreste von seinem und die Hühnchenknochen von meinem Teller.
Schiebe statt schütte würde eventuell besser passen. Im Nachhinein verstehe ich auch nicht ganz, warum du extra betonst, dass dein Prot Hühnchen, und Weilvin nur Brot gegessen hat – er wurde ja nicht explizit als Veggie dargestellt, sondern als einer, der alles ausprobiert. Nicht, dass Hühnchen jetzt exotisch wäre … :lol: Aber was ich eigentlich sagen wollte: Ich habe Schwierigkeiten, mich in der Zeit zurechtzufinden und fände es persönlich besser, wenn dieser Satz hier vorher käme:
Ich muss mich beeilen. Die Gäste kommen in fünf Stunden und es gibt viel zu tun.
Dann wüsste man, an welcher Stelle des Geschehens man sich befindet und würde die Rückblicke leichter einordnen können. Auch ein Hinweis auf Geschlecht und ungefähres Alter deines Prots wären hier schon schön. Vllt. könnte er ja hier schon ans Rasieren denken? Und irgendwas von ersten grauen Haaren murmeln oder so ...
Er hieß natürlich nicht Weilvin, aber als er sich mir vorstellte, hörte ich nicht richtig zu.
Gefällt mir gut! Dein Prot hatte wahrscheinlich einfach nur Augen für den jungen Kerl.:herz:
Zwei Wochen überließ ich Haus, Garten und sogar das Gewächshaus sich selbst.
Hier weiß ich auch nicht so recht, was das für zwei Wochen sind. Seitdem Weilvin gegangen ist, wahrscheinlich, oder?
Nicht das ich mich zuvor penibel um alles gekümmert hätte
Nicht, dass.
Ich tat, was Papa auch getan hätte, bevor er krank wurde.
Das Gewächshaus ist komplizierter.
Hier springst du zwischen den Zeiten, das ist ein wenig verwirrend. Vllt. auch besser: Mit dem Gewächshaus war es komplizierter.
Dann sehen sie aus wie Leberkranke und es dauert, bis sie sich wieder davon erholen.
Gefällt mir sehr! :thumbsup:
Papa verstand, was ein solches Anwesen braucht, um zu gedeihen. Meine Mühen waren bislang nur ein Schatten dessen, was er damals tat. Aber die Pflanzen wuchsen.
Ist etwas ungelenk formuliert, vllt. kannst du da noch etwas dran basteln.
Die Fäden ihrer Samen schimmern wie Haare alter Menschen und verteilen sich mit dem Wind im Garten.
Wunderbar!
sonst habe ich heute Abend Ränder unter den Nägeln und braune Schnitte, die nicht mehr wegzuwaschen sind. Das wäre nicht angemessen. Nicht mir, nicht meinem Alter oder diesem Anwesen.
Gibt es denn ein bestimmtes Alter, dem braune Schnitte angemessen sind? Nicht mir bezieht sich worauf genau? Dass er eigentlich einen Gärtner haben sollte? Aber Papa hat das doch auch alles selbst gemacht?
Später werde ich mich dem frisch gepflegten Garten anpassen. Eingecremte Hände, kurze Nägel. Maßgeschneidertes Sakko in taillierter Passform und mit schmalem Reviers. Schaumfestiger, um den Rest der braunen Locken über der kahlwerdenden Stelle aufzutürmen. Zahnseide und weiche Leinenhosen. Budapester. Dieselben Schuhe, die neben dem Pool lagen, als Weilvin sich hat hineinfallen lassen und ich ihm nachstürzte, wie so oft.
Hier würde ich auch noch etwas dran schrauben. Sinngemäß ist alles klar, aber so klingt es erstmal (für mich), als hätte der Garten eingecremte Hände etc. Vllt. doch ein paar Verben verwenden. Bei Zahnseide und weiche Leinenhosen sehe ich ihn direkt in diesen wunderbaren Hosen dastehen, aber im hängt noch ein Stück Faden aus dem Gebiss …:lol:
»Er ist nicht gereinigt!«, rief ich, aber er lachte nur, breitete die Arme aus wie ein Heiliger.
Schön!
»Hast du dir vorher noch die Schuhe ausgezogen?«, fragte er.
Hast du extra die Schuhe ausgezogen fände ich persönlich flüssiger.
Ich öffnete sein Hemd und verband in Gedanken die Leberflecken zu Sternenkonstellationen.
Wunderbar!
Es klingelte länger als sonst. Weilvin.
Hier taucht er doch das erste Mal auf, oder? Da würde ich ihn noch nicht Weilvin nennen, denn dein Prot weiß es doch noch nicht.
Ich weiß nicht, wie er in mein Leben kam, aber plötzlich war er da. Trank Limonade mit Minze aus dem Garten, neben ihm die Ledertasche voller eingerollter Zeitungen.
Ein kleiner Hinweis, warum Weilvin eigentlich geklingelt hat, wäre auch schön. Habe ich vielleicht einfach nicht verstanden. Haben die eingerollten Zeitungen damit zu tun? Ist er von einer Drückerkolonne?
Er war auf diese besondere Weise unfertig, wie es nur Zwanzigjährige sein können. Beigefarbene Tennissocken und eine fleckige Jeans, die er hochkrempelte, damit man die Neon-Applikationen auf seinen Turnschuhen sehen konnte.
Gefällt mir sehr gut und ich kann ihn mir vorstellen, und den Kontrast, den er bieten muss in diesem verstaubten, aber stilvollen Ambiente. Du sagst es:
Alles an ihm passte nicht hierher.
Ich muss duschen. Und den Bart trimmen. Das kostet mich weitere zwanzig Minuten. Ich hole alle Schüsseln aus dem Kühlschrank, damit die Cremes zum Abendessen angenehm temperiert sind.
Wieder ein persönliches Mißverständnis: Weil du vorher von Körperfpflege sprichst, habe ich zunächst kurz angenommen, bei den Cremes handelt es sich um selbstgemachtes Peelinggedöns etc. – vllt. einfach in Dips ändern?
Eine weitere Zutat für den Geschmack, aber welche?
Klingt ungelenk, für den Geschmack ist ja letztlich alles. Vllt.: Irgendetwas fehlt noch
Weilvins Lippenpflege mit Vanillegeschmack.
Für mich zu genau, vllt.: Weilvins Lippen, die nach Vanille schmecken
Weilvins Lippenpflege mit Vanillegeschmack. Aas.
»Hier riecht’s komisch.«,
Das ist ein toller Kontrast und Übergang.
»Sie stinkt nach Verwesung, um Fliegen anzuziehen. Jetzt ist sie schön, aber in ein paar Tagen ist nur noch schwarzer Matsch übrig.«
Das klingt nach einer interessante Pflanze und passt natürlich zum ganzen Setting der Geschichte und eignet sich eben auch wunderbar als Titel. Schade finde ich, aber da kannst du nix dafür, sondern das liegt eben an der Pflanze: Dass sie stinken muss, um attraktiv für ein anderes Lebewesen zu sein. Passt aber andererseits auch gut, dieser Geruch nach Verwesung. Egal, habe nur mal laut vor mich hin gedacht...
Der Sommer verdichtete sich um uns. Wir fotografieren uns mit einer alten Polaroidkamera,
Er las auch aus Sternstunden der Menschheit und aus die Schachnovelle
die vor Schachnovelle weg
während ich den Schatten der Schwalben folgte, die über dem Gewächshaus nach Insekten jagten
Generell sehr schön, aber besser, während ich mit den Augen den Schatten folgte
Abends zündeten wir Kerzen an und aßen, was wir tagsüber in der Feinkostabteilung eingekauft hatten.
Boah, das klingt nach schwerem, schweißtreibendem Schaffen: tagsüber in der Feinkostabteilung einkaufen … ;)Vllt. einfach: und aßen, was wir in der Feinkostabteilung gekauft hatten. Oder einfach nur aufzählen, was sie essen …
Weilvin probierte alles, was ich ihm hinhielt und öffnete den Mund wie ein Vogelküken.
Ich kann ihn mir vorstellen.
Nie war ein Sommer für mich lebendiger.
Ich fände besser: Nie gab es einen Sommer, in dem ich mich lebendiger fühlte. Und den Satz würde ich, wenn es meine Geschichte wäre, auch als letzten stehen lassen in diesem Absatz, und den hier unbedingt streichen:
Wir wurden eins, mein Junifeuer und ich.
Nee, das ist nix für mich, das ist mir zu dick aufgetragen, das ist zu nahm am Kitsch. Vielleicht hängst du sehr an dem Wort Junifeuer, was an sich ja auch sehr schön ist, vllt. findest du eine Möglichkeit, es irgendwo subtiler unterzubringen.
Viele Dinge erfüllen ihren Zweck nur, wenn man sie nicht hinterfragt. Wie Krawatten, Serviettenringe oder Kerzenlöscher.
Sehr schön!
sahen uns die wenigen Sterne an, die nicht im Lichternebel der Stadt untergingen.
Auch das hier ist klasse!
Zwei Sitzplätze bleiben leer, neun Freunde sind gekommen.
Hier weiß ich nicht genau, wie es gemeint ist. Einer der Plätze ist für Weilvin vorgesehen, schätze ich, und warum bleibt der andere leer? Damit wir Leser, wenn es am Ende klingelt, nicht genau wissen können, ob es Weilvin ist?
Sie lächeln mich an, ihre Haut glänzt vor Begeisterung
Bei neun Freunden glänzt die Haut vor Begeisterung?
In der Küche duftet es nach Muscheln und Kaffee.
Interssante Kombination!
»Du bist dünn geworden, seit dem letzten Mal. Wir haben immer regelmäßig telefoniert, auch nachdem Papa gestorben ist. Ich hab dich oft angerufen, aber du bist nie rangegangen. Wo warst du die letzten Wochen?«
Da musst du was machen, dass klingt unecht. Ich weiß auch nicht, wie wichtig es ist, dass die Schwester vor zwei Wochen erst Mutter geworden ist? Wahrscheinlich hast du dir etwas dabei gedacht, was ich nicht ganz blicke.
Weilvin, der das Wort Dragonfly liebte und mir jedes Mal neu erzählte, das man Libellen so in England nennt.
Jedes Mal wenn was genau passiert ist? Wenn sie eine Libelle gesehen haben? Dann vllt. besser: der mir immer wieder erzählte, dass man Libellen ….
ein cremefarbener Stapel Briefumschläge, aus deren Gleichförmigkeit eine bunte Ecke hervorsticht. Ich ziehe sie hervor. Sie zeigt ein pinkfarbenes Eis am Stiel, umrandet von Sonnenstrahlen. Auf der Rückseite steht nicht viel.
Zeigt die Ecke das Eis, oder eine Karte?
Ich stürze zum Telefon und tippe hastig, mache zwei Fehler, bevor ich die zitternden Finger kontrollieren kann.
vllt. schöner: drücke zweimal daneben ...
Mein Herz schlägt, wie es im Juni schlug. Ich lächle meiner Schwester zu, damit sie weiß, dass alles gut ist.
»Würdest du noch einen weiteren Teller decken? Er hat sicher Hunger und probiert gern von allem etwas.«
Wenn ich so überlege, mir würde es mich noch mehr berühren, wenn du beim letzten Absatz die wörtliche Rede vorziehst und deine Geschichte mit dass alles gut ist enden lässt.

Aber auch so habe ich deine Geschichte sehr gern gelesen. Da sind wunderbare Stellen drin, die Atmosphäre kommt echt rüber und man merkt, welchen Spaß du am Schreiben hast!
Ich wünsche dir ein gutes neues Jahr mit ganz viel Zeit für neue Geschichten.

Liebe Grüße von Raindog

 

@Raindog

Hey, haha, ich war sehr gespannt, was du zu meiner Geschichte sagst! :) Danke für deine sehr ausführliche Kritik, dass ist super!

Und danke erstmal dafür, dass du mir die Stellen genannt hast, die du gut findest! Es freut mich, wenn da sprachlich etwas rüberkommt und ich die Atmosphäre erschaffen konnte, die ich im Kopf habe.

Ich glaube, mein großes Problem ist, dass ich noch sehr verkopft ans Schreiben rangehe. Man merkt, das ich noch nicht viel Feedback für meine Prosa erhalten habe. Ich schreibe gern für mich im stillen Kämmerlein und da wickelt man sich mal schnell in seine eigenen Gedankenfäden ein. Ich glaube, das ich zu viel aussagen will, zu viele Gedanken rüberbringen will. Und ich schätze, ich setze auch zu viel beim Leser voraus. Ich dachte, wenn der Prota sagt: "Ich ziehe mein Hemd aus." ist das ein Indiz aufs Geschlecht, aber es ist gut, wenn ihr mir das sagt, solche Dinge sind eben wichtig. ;) Ich muss strukturierter werden und eine klarere Botschaft haben. Oder einen stärkeren roten Faden. Es ist so schwer die Balance zu halten zwischen Gesagtem und dem, was der Leser selbst dazupuzzeln soll.

Danke auch für deine anderen Anmerkungen zu Rechtschreibung und Stil. Das werde ich alles so umsetzen. Ich kann's kaum erwarten, die nächste Story zu schreiben und deine Tipps zu beherzigen. :)

Vielen Dank und einen schönen Tag noch! Wann kommt deine nächste Geschichte? ;)

Viele liebe Grüße,

PP

PS: Mit dem "Junifeuer" hast du recht, das klingt kitschig, da war ich mir auch nicht 100% sicher. Es ist eine Pflanze, ich dachte, das passt gut in die Atmosphäre, aber jetzt wo du es sagst ... :D

 

Hallo @PlaceboParadise,

Ich dachte, wenn der Prota sagt: "Ich ziehe mein Hemd aus." ist das ein Indiz aufs Geschlecht
Vollkommen Recht hast du da! Das Hemd ist mir buchstäblich durch die Lappen gegangen, das reicht natürlich als Indiz.
Zum Junifeuer:
Es ist eine Pflanze, ich dachte, das passt gut in die Atmosphäre
Passt schon gut zur Atmosphäre, gerade, wenn es eine Pflanze ist, aber vllt. eben etwas dezenter plaziert.
Es ist so schwer die Balance zu halten zwischen Gesagtem und dem, was der Leser selbst dazupuzzeln soll.
Das sagst du was! Geht uns aber allen hier so, und das Feedback von anderen ist dabei sehr hilfreich. Obwohl man auch völlig hin- und hergerissen sein kann, wenn es ganz unterschiedlich ausfällt. Das ist dann auch nicht einfach, und dannam besten auf den eigenen Bauch hören! ;)
Wann kommt deine nächste Geschichte? ;)
Oh, ich denke, jetzt brauche ich erstmal eine große Pause!

Viele Grüße

 

Hallo PlaceboParadise,

du bist mir positiv aufgefallen, weil du als Neumitglied fleißig bei den anderen mitkommentierst. Das ist schön und macht neugierig auf das, was du uns zum Lesen offerierst.
Ich muss gestehen, dass ich erstmal zum Kühlschrank musste, um mir was zum Schnabulieren zu holen, weil die feinen Dinge zum Schlemmen, die im Text angesprochen worden sind, meine Lust auf was Leckeres geweckt haben. :D

Mit der Hand fege ich die Zeit hinterher, die sich in den letzten zwei Wochen auf dem Fliesentisch angesammelt hat. Trockene Feigenblätter, ein paar tote Wespen, Staub.
Schön!

Ich ziehe mein Hemd aus und werfe es über die Stuhllehne. Ich sehe den Pflanzen den frühen Herbst an.
Gleicher Satzanfang und hier im Präsens ...
»Die Aloe vera kriegt dunkle Spitzen«, sagte ich, brach ein Stück ab und rieb sein rotes Genick mit dem Gelee ein.
es ist Gel - nicht Gelee
... und hier das Präterium?


Er hieß natürlich nicht Weilvin, aber als er sich mir vorstellte, hörte ich nicht richtig zu. Seine Lippen formten ein »w« und ein »n« und es lag etwas Süßes dazwischen, an das ich mich bis heute nicht erinnern kann. Ich mochte meinen Kosenamen für ihn. Weilvin, das klang wie Wind und Verweilen und beides schienen angemessen.
Schöne Stelle.
das s ist zuviel

Ich muss mich beeilen. Die Gäste kommen in fünf Stunden und es gibt viel zu tun. Vor zwei Wochen ging er. Seither überließ ich Haus, Garten und sogar das Gewächshaus sich selbst.
Das ist eine komische Zusammenhäufung von den Gästen, die (wieso grade in fünf? Stunden - in ein paar gefiele mir besser) kommen, und dem Vater, der ging. Ach nee, oder ist der Weilvin, der ging, oder? Das kommt nicht klar rüber.


Tote Blätter entfernte. Zurückschnitt und düngte. Die Sprühköpfe der Beregnungsanlage austauschte, damit die Luftfeuchtigkeit stimmte.
Das liest sich holprig für mich. Am Zurückschnitt blieb ich zB hängen. Es passt auch nicht so recht zum restlichen Sound für mich.
Mir täten ausformulierte Sätze besser gefallen, hier mal ein Beispiel: Verdorrte Blätter zupfte ich aus dem Lebendigen heraus, schnitt Abgeblühtes zurück und düngte.


Vermutlich sollte ich die Handschuhe holen, sonst habe ich heute Abend Ränder unter den Nägeln und braune Schnitte, die nicht mehr wegzuwaschen sind
Dieser Satz fällt bei mir aus der Reihe. Das liest sich, als würden wir zwei gerade Gartenarbeit verrichten und du sagst das zu mir. Aber als Erzähler, der sich selbst betrachtet, kommt mir das nicht ganz stimmig vor.
Später werde ich mich dem frisch gepflegten Garten anpassen.
Es gibt gepflegte Gärten, aber wenn man darin arbeitet, sagt doch keiner, dass er den Garten pflegt, oder? Das finde ich etwas an den Haaren herbeigezogen, um auf die eigene Hygiene hinzuweisen.

Ich werde den Rest meiner braunen Locken mit Schaumfestiger über der kahlwerdenden Stelle auftürmen.
:D willst du den Protagonisten so selbstironisch darstellen? Ich stelle mir grade aufgetürmte Locken vor, das kann nur ulkig aussehen. Wenn es nicht deine Intension war, würde ich vielleicht kaschieren verwenden.

Dieselben Schuhe, die neben dem Pool lagen, als Weilvin sich hat hineinfallen lassen und ich ihm nachstürzte, wie so oft.
Logik - er stürzt ihm doch das erste Mal nach, so verstehe ich es jedenfalls, dann wäre das wie so oft hier nicht richtig am Platz

»Hast du extra die Schuhe ausgezogen?«, fragte er. Sein Blick glitt über meine Haare, ich strich sie zurück und wusste, dass er die Haut darunter sehen konnte.
Kopfhaut

Ich öffnete sein Hemd und verband in Gedanken die Leberflecken zu Sternenkonstellationen.
Schön.
Ich wollte seine Hand nehmen, ihm alles Zeigen, das Haus, den Hof, die Orte, die ich am liebsten mochte. Ich sah nur noch ihn.
zeigen
Wir fotografieren den jeweils anderen mit einer alten Polaroidkamera,
das liest sich nicht schön, vielleicht: Wir fotografierten uns gegenseitig mit ..
suchten die besonderen Stellen an unseren Körpern.
wenn man sucht, kennt man sie noch nicht, also würde ich den bestimmten Artikel weglassen:
suchten besondere Stellen


Ich hatte Bilder seines fischförmigen Muttermals am Unterarm und seiner braunen Augen.
Wie hattest du die? Und meintest du Fotos? Der Satz ist meiner Ansicht nach nicht komplett.
Gegen Falten. Ich weiß nicht, ob die Creme etwas für mich tun kann, außer zu duften. Viele Dinge erfüllen ihren Zweck nur, wenn man sie nicht hinterfragt. Wie Krawatten, Serviettenringe oder Kerzenlöscher.
:thumbsup:

Die Luft duftete nach trockenem Gras und den Resten warmer Sonnenmilch, die auf unserer Haut trocknete. Wir lagen auf dem Rücken, Kopf an Kopf, und sahen uns die wenigen Sterne an, die nicht im Lichternebel der Stadt untergingen.
Was für eine Tageszeit muss ich mir nun vorstellen? 1. Sterne = Nacht
2. Sonnenmilch, die gerade eingerieben wurde = Vor- oder Nachmittag

»Wieso?«, fragte er. Er sah mich an und ich starrte auf seinen Wangenknochen, auf das Kerzenlicht, dass sich darin spiegelte wie auf den Steinfließen im Gewächshaus.
Fliesen
Sie keucht überrascht, als ich sie umarme. Zunächst scheint sie in meinen Armen unterzugehen, aber dann spüre ich ihre Hände auf meinem Rücken. Eine Weile stehen wir so da. Ich atme ihr pudriges Parfum ein. Draußen klirren Gläser.
Später stellt sich heraus, dass es die Schwester ist. Fände ich besser, wenn es schon vor dieser Szene klar ist.


»So wird’s gemacht!«, ruft Lèon laut. Vermutlich zeigt er den Anderen, wie Bodenseefelchen richtig entgrätet werden.
andere (das ist ein Zahl-Adjektiv)

»Kannst du ein bisschen bei mir bleiben?«, frage ich. Ein Blick in ihre Augen genügt, um zu wissen, dass es nicht geht.
»Du weißt, dass das nicht geht. Wegen der Kleinen.«
Meine Interpretation: Sie ist lesbisch und meint mit der Kleinen ihre Freundin :Pfeif:
Oh, denke ich. Für einen Moment verlieren die Fußbodenkacheln ihre Kanten und werden weich. Weilvin KOMMA wie er Löwenzahn in Streifen zieht, um dabei zuzusehen, wie sie im Poolwasser zu Locken werden. [...]
Dieser Gedankeneinwurf kommt für mich komisch daher. Denkt man ein O? Das ruft man aus, aber denken? Ich würde den ersten Satz komplett streichen.

Dann kehrt sie zurück zur Feier, zu ihrem Stuhl, zu ihrem eigenen Leben.
Hat sie auch ein fremdes Leben? Falls nicht, eigenen streichen.

Ich ziehe ein zerknülltes Taschentuch aus der Hose und wische mir den Tropfen ab, der sich am Kinn gesammelt hat.
Hat er geheult oder gegeifert?

Die Karte zeigt ein pinkfarbenes Eis am Stiel, umrandet von Sonnenstrahlen.
Auf der Karte ist ... zu sehen ...

Auf der Rückseite steht nicht viel. Blaue Gelschrift.
stehen nur wenige Worte fände ich galanter.

Diese zeitlichen Sprünge haben mich erst irritiert, ich denke, es wäre gut, wenn du die Wechsel etwas besser herausheben könntest. Da ist erst das Brot, was auf dem Teller liegt. Dann wird es (im Nachhinein kapiert man es) erst zwei Wochen später entsorgt. Das ist meiner Ansicht nach eher irreführend. Erschwerend kommt dazu, dass das Setting am gleichen Ort ist.

Da reichen ein paar kleine Kniffe, um dem Leser das besser nahezubringen.
Wenn es inhaltlich nicht geht, dann würde ich evtl. sogar *** zwischen den Absätzen setzen. Wenn du es über das Geschriebene schaffst, wäre es natürlich eleganter.

Wenn jetzt meine Liste an Verbesserungen/Nachfragen doch etwas länger ist, so kannst du dir trotzdem gewiss sein, dass ich deine Schreibe sehr mag. Da sind einige Formulierungen drin, die mir sehr gut gefallen und das Gegenteil von abgedroschen sind.

Ich freu mich schon auf mehr von dir (aber auch darauf, dass wenigstens die formalen Fehler korrigiert werden).

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo liebe @bernadette

das freut mich sehr! :) Ich bin so froh, dieses Forum gefunden zu haben.

Die Qualität der Texte und das generelle Niveau sind wirklich hoch, das kannte ich zuvor von anderen Foren und Plattformen nicht. Daher möchte ich mich natürlich auch gut einbringen. Ich lese und kritisiere gern andere Texte, dass man mindestens genauso viel Spaß, wie selbst zu schreiben.

Ich danke dir für deine tolle ausführliche Kritik! Mich freut immer schon, wenn jemand schöne Stellen im Text findet oder im Großen und Ganzen Gefallen an meinem Stil findet! :) Ich glaube, ich war zu Beginn zu ambitioniert, was die Zeitsprünge und den generellen Aufbau der Geschichte angeht. Ich schätze mein Hin- und Her zwischen den Zeiten hat mehr Verwirrung gestiftet, als ich dachte.

Für meine nächste Story werde ich auf jeden Fall etwas stringenter schreiben und versuchen, erstmal in einer Zeit zu bleiben. ;)

Logik - er stürzt ihm doch das erste Mal nach,

Hier wollte ich nur anmerken, das das "Nachstürzen" metaphorisch gemeint war, im Sinne von: "Wie so oft verfiel ich seinem Charme und seiner jugendlichen Unbedarftheit" :) Da wollte ich nur nochmal nachhaken, weil ich persönlich die Stelle mochte. :P

Aber selbstverständlich werde ich mich um deine Korrekturen/ Verbesserungsvorschläge kümmern, bevor ich mein nächstes Geschreibsel hier unterbringe. Schließlich geht es ja genau darum. ;)

Mein größtes Fragezeichen ist generell noch, welche Dinge man beschreibt und welche man impliziert bzw. zwischen den Zeilen erwähnt. Hast du da einen Tipp oder eine Technik? Ich liebe es gerade bei Kurzgeschichten, das die eigentliche Bedeutung im Verborgenen liegt, aber wie man merkt, kann das auch schnell verwirren und zu Fehlinterpretationen führen. Da überlege ich hin und her. Vielleicht ist das auch eine Sache von Erfahrung und Fingerspitzengefühl.

Wie dem auch sei, vielen Dank, dass du dich meiner Geschichte gewidmet hast! Freut mich sehr! :bounce:

Bis bald und viele liebe Grüße,

PP

 

Mein größtes Fragezeichen ist generell noch, welche Dinge man beschreibt und welche man impliziert bzw. zwischen den Zeilen erwähnt. Hast du da einen Tipp oder eine Technik?
Das ist die Meisterklasse - bei jedem Text aufs Neue. Grade Fliege hat mit ihrer neuen KG auch so ein Problem (mit mir).

Letztendlich liest es ja auch jeder anders, der eine kapiert es gleich, der andere braucht länger, wie sonst auch mit allem im Leben ;)
Wenn du aber immer wieder auf Ungereimtheiten/Unklarheiten aufmerksam gemacht wirst, kannst du generell sicher daran schleifen und bekommst ein Feingefühl. Und trotzdem ist es jedesmal wieder aufs Neue ein Abenteuer.

 

Hallo liebe @bernadette

habe die Korrekturen umgesetzt, vor allem dein Satz

Verdorrte Blätter zupfte ich aus dem Lebendigen heraus, schnitt Abgeblühtes zurück und düngte.

gefiel mir so gut, dass ich ihn gleich direkt so eingesetzt habe! Danke für deine Kritik! :)

Ein Problem hatte ich mit den Zeiten, ich habe überlegt, wie ich über Formulierungen elegant klarmachen kann, in welcher Zeit man sich jetzt befindet, aber die Zeiten wechseln aufgrund seiner Gedankengänge so oft hin und her, dass es irgendwie überhand nahm. Ich habe mich daher in diesem Fall für die Sternchen entschieden, die ich auch gut finde. Beim nächsten Mal werde ich auf jeden Fall drauf achten, die Zeiten sauberer auszugestalten ... und vor allem vielleicht auch nicht mehr so oft zu wechseln. ;)

Ich wollte damit ja klar machen, dass er immer wieder in die Erinnerung zurückgerissen wird, aber vielleicht habe ich es etwas überdosiert.

Danke dir, freue mich sehr auch nächste Woche! :)

Viele liebe Grüße, PP

 

Lieber @PlaceboParadise ,

ich habe deine kleine Liebesgeschichte gerne gelesen. Du bettest sie ein in eine hedonistische Welt, legst den Fokus auf die Sinnlichkeit der Beziehung und den leiblichen Genuss. Diesem stellst du die Vergänglichkeit, das Gären der Pflanzen, den Aasgeruch, die Angst vor Alter und Vergänglichkeit gegenüber. Das ist kein neuer Gedanke, aber eine immer wieder interessante Idee für eine Geschichte. Allerdings finde ich, dass du - was den zweiten Aspekt angeht - zu vage bleibst, ihn beinahe versteckst.

Mir hätte es besser gefallen, wenn du diesen Gegensatz stärker ausgeführt und damit deiner Geschichte (für mein Empfinden) ein wenig mehr Tiefe verliehen hättest. So bleibt sie für mich am Ende die gut geschriebene Szene eines verlassenen nicht mehr ganz jungen Liebhabers mit einem überraschenden Happy End. Das Vergänglichkeits-Moment, das ja auch titelgebend ist, geht unter in der teilweise recht akribischen Beschreibung sinnlicher Genüsse. Die Erwähnung der nach Aas riechenden pflanzlichen Schönheit*) bleibt Attitüde, die als Metapher die von dir dargestellte Beziehung nicht wirklich erklärt.

Wie gesagt, habe ich deine Geschichte gerne gelesen und mich in dem von dir skizzierten Ambiente recht wohl gefühlt. Allerdings glaube ich zu spüren, dass du deinem Text nicht genug Zeit gegeben hast. Mir fallen einige redundante Stellen auf und auch sprachlich erscheint mir einiges unnötig manieriert. Doch das ist Geschmackssache.

Ich liste mal auf, was ich mir markiert habe:

»Für die Bienen«, sagte er dann. Nur er tat so etwas.
Du beschreibst doch vorher schon seine Eigenart, seine Besonderheit. Wozu das noch einmal betonen?

An den Pflanzen zeigt sich der frühe Herbst. Es sind Kleinigkeiten, die nicht jedem auffallen. Mir schon.
Wie auch an anderen Stellen fühle ich mich hier als Leser vom Autor zu sehr auf etwas gestoßen. Das Markierte erschließt sich mir doch aus dem vorherigen und den nachfolgenden Sätzen.

Weilvin lächelte als Antwort. Ein Honiglächeln.

Irgendwie schwächst du mit dieser Ergänzung den vorhergehenden Satz.

Ich tat, was Papa auch getan hätte, bevor er krank wurde.
Hier müsste wohl der Indikativ (hatte) stehen. Er hat es doch wirklich getan.

Seine Lippen formten ein »w« (W)und ein »n« (N) und es lag etwas Süßes dazwischen, an das ich mich bis heute nicht erinnern kann.
‚etwas Süßes‘ ist an dieser Stelle für mich recht nichtssagend.

Und dann wird es redundant.

Natürlich erfuhr er nichts davon. Er hätte es vermutlich nicht gut gefunden. Junge Menschen benutzen keine albernen Kosenamen. Es wird immer mein Geheimnis bleiben.
Der Konjunktiv ‚hätte‘ drückt doch schon aus, dass er es nicht weiß.

… aber ich tat, was nötig war, um den Zustand der Dinge zu wahren.
Dieser Ausdruck erscheint mir ein wenig überhöht, besonders, wenn man sich klar macht, um was es eigentlich geht.

So auch hier:

Auf Kalk reagierten sie mit Verachtung und gelben Blättern. Dann sahen sie aus wie Leberkranke und es dauerte, bis sie sich wieder davon erholten.
Zwei Metaphern, die im Grunde dasselbe auszudrücken, nehmen sich mMn gegenseitig die Kraft. Ich würde die Verachtung streichen (ist auch ein bisschen abgenutzt).

Vermutlich sollte ich die Handschuhe holen, sonst habe (hätte) ich heute Abend Ränder unter den Nägeln und braune Schnitte, die nicht mehr wegzuwaschen sind. (wären) .
Hier würde mir durchgängig der Konjunktiv besser gefallen. Bin aber nicht ganz sicher.

Das wäre nicht angemessen. Nicht mir, nicht meinem Alter oder diesem Anwesen.
Worum geht es eigentlich? Um Erde unter den Fingernägeln. Auch hier überhöhst du die Sache (mMn).

mit geschlossenen AugenK als wäre es das Meer.

Sein Blick glitt über meine Haare, ich strich sie zurück und wusste, dass er die Kopfhaut darunter sehen konnte.
Wenn die Haare zurückgestrichen wurden, sieht er die Kopfhaut, aber jetzt nicht mehr ‚unter‘ den Haaren.

Alles an ihm schimmerte, seine dunklen Haare, das glatte Gesicht, seine Zähne.
Gerade war er doch noch in dieser gärenden braunen Brühe?

Ich schließe die Augen, versuche zurückzukehren zu den langen Junitagen, an denen ich selbstgemachtes Himbeereis von seinen Lippen küssen konnte. (Und) Zu dem Moment, an dem ich ihn das erste Mal sah.
Das sind zwei Ereignisse. Ein ‚und‘ würde sie vielleicht klarer voneinander trennen.

Er nickte und lächelte, aber antwortete nicht. Alles wurde still. Nicht einmal der Wind in den Bäumen oder die üblichen Kinderrufe waren zu hören.
Hier bringst du für mein Empfinden zwei Wahrnehmungen durcheinander: ‚Alles wurde still‘ ist Einbildung, die sonst üblichen Kinderrufe sind dagegen vermutlich wirklich nicht zu hören.
Und eigentlich braucht 'Alles wurde still' die nachfolgende Erklärung nicht.

Wir fotografieren uns gegenseitig mit einer alten Polaroidkamera, suchten besondere Stellen an unseren Körpern. Ich sammelte Bilder seines fischförmigen Muttermals am Unterarm und seiner braunen Augen.

Bilder seiner braunen Augen?
Du bist manchmal recht detailverliebt. Ich hätte hier ‚am Unterarm‘ weggelassen.

So auch hier:

Abends zündeten wir Kerzen an und aßen, was wir in der Feinkostabteilung eingekauft hatten.
Wo sonst?

Weilvin, der das Wort Dragonfly liebte und mir, jedes Mal wenn er eine entdeckte, erzählte, dass man Libellen so in England nennt.
Diesen Satz empfinde ich als etwas verunglückt. Vielleicht so:
Weilvin liebte das Wort Dragonfly. Immer, wenn er eine Libelle entdeckte, erzählte er mir, dass man sie in England so nennt.

Auch das Ende deiner Geschichte leidet für mein Empfinden an einem erklärenden Zuviel. Deshalb würde ich streichen:

»Weilvin natürlich. Das ist aus der alte Mann und das Meer.«
Es läutet.
Dreimal.
Viermal.
Mein Herz schlägt, wie es im Juni schlug.
»Würdest du noch einen weiteren Teller decken? Er hat sicher Hunger und probiert gern von allem etwas.«
Ich lächle meiner Schwester zu, damit sie weiß, dass alles gut ist.

Aber es ist dein Text. Mach mit meinem Anmerkungen, was du möchtest.

Zum Schluss noch meine Lieblingsstelle:

Mit der Hand fege ich die Zeit hinterher, die sich in den letzten zwei Wochen auf dem Fliesentisch angesammelt hat. Trockene Feigenblätter, ein paar tote Wespen, Staub.

Lieber PlaciboParadise, ich freue mich, dass du in unser Forum gefunden hast und es bereicherst.

Liebe Grüße

barnhelm

*) Ich habe gelesen, dass es sich bei dieser Pflanze um eine endemische Art handelt und mich gefragt, wo deine Geschichte eigentlich spielen soll.

 
Zuletzt bearbeitet:

»Für die Bienen«, sagte er dann. Nur er tat so etwas.

Das würde ich kürzen. Wenn in einem Text etwas erwähnt wird, hat das einen Grund. Das hier ist etwas skurril, außergewöhnlich, es ist auch ein character reveal, da musst du den Leser nicht mit der Nase draufstoßen. Lass es zwischen den Zeilen verschwinden. Nur einen sanften Druck ausüben.

Mit der Hand fege ich die Zeit hinterher, die sich in den letzten zwei Wochen auf dem Fliesentisch angesammelt hat. Trockene Feigenblätter, ein paar tote Wespen, Staub.

Das klingt erstmal toll. Ein Satz, den man aber nur einmal und schnell lesen darf. Er fegt ja nicht die Zeit hinterher. Sondern er physische Dinge weg, die sich summiert haben, dann zählt er sie auf. Sagst du nur, was du tust, bleibst du konkret, dann wird der Leser merken - Moment! Staub, tote Wespen, abgefallene Blätter - da ist Zeit vergangen.

An den Pflanzen zeigt sich der frühe Herbst. Es sind Kleinigkeiten, die nicht jedem auffallen. Mir schon.

Mich würde jetzt brennend interessieren, was sind das für Kleinigkeiten. Der Leser muss das, was du ausschreibst, selbst denken. Er muss denken: Ah, sieh an, DEM fällt das auf! Da müsste etwas mehr Präzision hin, weil du sonst den Charakter offenbarst, ihn erklärst, und nicht erfahrbar machst für den Leser.

*
»Die Aloe vera kriegt dunkle Spitzen«, sagte ich, brach ein Stück ab und rieb sein rotes Genick mit dem Gel ein. »Und der Johannisbrotbaum verliert mehr Früchte als sonst. Siehst du?«

So wie hier. Das ist super. Nur: rotes Genick? Du meinst sicher, die Haut im Nacken.

Weilvin lächelte als Antwort.

Würd ich rausnehmen. Es ist klar, DAS ist seine Antwort.

Er hieß natürlich nicht Weilvin, aber als er sich mir vorstellte, hörte ich nicht richtig zu.

Ist etwas unsortiert. Du nennst ihn zuerst beim Namen und erklärst es den später. Du hast da zweimal in einem Absatz natürlich drin, das ist so eine orale Sache, das klingt intimer, macht auch klar, da spricht ein Erzähler, NATÜRLICH heißt er nicht so - man kann das machen, aber wenn, dann nur einmal. Und ich würde es auch andersherum machen: Er erklärt den Namen direkt, nicht ihn erst nennen. Das ist vom Gedankenstrom her sortierter, finde ich, und es wirkt dann nicht gleich so wie ein Effekt.

Er hätte es vermutlich nicht gut gefunden. Junge Menschen benutzen keine albernen Kosenamen. Es wird immer mein Geheimnis bleiben.

Ist ein Pauschalurteil. Hier auch ein Beispiel, wie toll man erlebte Rede anwenden könnte. Benutzen junge Menschen alberne Kosenamen? Weil: Du weißt nicht, ob sie es doch tun, dass ist Spekulation. Das sorgt im Übrigen auch für character reveal. Dein Prot wird mir unsympathischer, weil ich beginne, ihn für oberflächlich zu halten.

Komplett gelesen. Könnte die Vorlage zu einem französischen Arthousefilm sein. Daniel Auteuil in der Hauptrolle, Bretagne, Villa, Geld spielt keine Rolle. Ich finde das gut. Du hast dir hier Mühe gegeben, voll reingehauen, so ab der Hälfte dachte, okay, es reicht mit der Natur und den ganzen Sachen, Limettenöl etc, das muss man abspecken, sonst erschlägt es einen, ich mache das auch oft so, und geil, das noch rein und hier noch den Baum und das Kraut, aber es liest sich irgendwann wie ein Trick, und du willst in dieser Geschichte alles, nur keinen Trick. Du baust auch einen Atmosphäre auf, dieses ganze leicht Verranzte, mich erinnert das auch ein wenig an Southern Gothic, Eudora Welty, Faulkner, vom Setting her, das ist perfekt, aber dann löst der Text das nicht ein, du erzählst diesen Strang, wie sie sich verlieben und was sie erleben, das tritt in den Hintergrund, da hätte ich mir viel mehr gewünscht, da passieren ja auch außergewöhnliche Dinge, das Fotografieren etc, wie man damit hätte spielen können, zaghaft, langsam, zärtlich, das sind ja zwei Pole, alt und jung, erfahren und naiv, Sehnsucht, Verlangen, das wird alles nicht eingelöst, sondern nur erwähnt, und dann wird der Rest eben nur eine schöne Pose. Versteh mich nicht falsch, das ist schon gut, aber es ist viel zu viel, und auch zu sehr erklärend, du kannst dem Leser ruhig mehr zu trauen. Dann noch eins: Die Dialoge. Gestelzt und zu direkt. So funktioniert Sprache nicht, das ist zu Holzhammer, aber es ist auch sehr schwer, deswegen würde ich dir empfehlen, dich mal selber aufzunehmen, ein Zwiegespräch, das transkribierst du auf Papier, und komponierst dann, reduzierst alles, bis du den Kern hast. Hier ist es ja der Fall, dass ein Wissenungleichgewicht vorhanden ist, das kann man sehr gut verbinden mit der backstory des Prot, denn er kann hier über seine Vergangenheit sprechen, seine Erinnerung zu einer kollektiven neuen Erfahrung werden lassen, da kannst du alles etablieren, wenn du das einmal hast, du kannst auch alles erzählen, eine vollkommen neue Welt tut sich für den Leser auf, weil er die Vergangenheit des Prot, ebenso wie Weilvin, nicht kennt. Das ist ja ein Mittel der Narration, den Charakter nach und nach zu schälen, das kannst du hier toll benutzen.

Klingt vielleicht jetzt irgendwie negativ, aber ich finde, du kannst schreiben und solltest noch mal was investieren, weil das Setting ist gut, das hat was Dekadentes, Leidenschaftliches, finde ich gut, mach ruhig mehr Strecke, geh tiefer rein.

Gruss, Jimmy

 

Hallo lieber @barnhelm,

tausend Dank für deine Kritik! Es freut mich sehr, dass du meine Geschichte gern gelesen hast und vor allem, dass du sie auch richtig interpretiert hast!

Ich bin baff, wieviele Dinge dir noch aufgefallen sind, die man streichen könnte. Dabei dachte ich, dass ich bereits sehr dicht und kompakt geschrieben habe. ;) Wirklich top!

Allerdings glaube ich zu spüren, dass du deinem Text nicht genug Zeit gegeben hast.

Das kann ich definitiv verneinen! :D Ich schätze eher, dass das Gegenteil der Fall ist und ich mich in zu vielen bedeutungsvollen Details verfranzt habe. Ich finde es richtig schwer, die Waage zu halten zwischen dem, was man sagt und dem, was man impliziert. Ich habe das Gefühl, das manchen nicht genug zwischen den Zeilen steht ... und manche dann aber wiederum den Text nicht verstehen und ihn für oberflächlich halten. Gar nicht easy. ;) Aber ich stimme allem zu, was du sagst, ich bin auch ein Freund von "weniger ist mehr". Und ich liebe es, wenn man die entscheidenden Details selbst im Kopf kombiniert.

Wie gesagt, da muss ich noch recht viel üben, schätze ich. Gerade Kurzgeschichten leben ja davon, dass sich der größte Teil des Eisbergs unter Wasser befindet. Da muss man nur wissen, welche Ecke man oben rausschauen lässt. ;)

Ich danke dir vielmals! Liebe Grüße, PP

Hallo lieber @jimmysalaryman

wow, vielen Dank für dein Bomben-Kommentar. Das hat mich sehr gefreut, vor allem diesen analytischen Blick, denn du auf die Story geworfen hast.

ich mache das auch oft so, und geil, das noch rein und hier noch den Baum und das Kraut, aber es liest sich irgendwann wie ein Trick, und du willst in dieser Geschichte alles, nur keinen Trick.

Haha, das stimmt, man lässt sich da gerne zu verführen, vor allem im Dienste der Authentizität. Und man will seinen Lesern ja was bieten, da wird schnell aus jedem Baum oder jeden Pflanze eine Eiche, eine Trauerweide oder eine Distel. Aus diesem Blickwinkel hab ich das noch garnicht betrachtet, macht echt Sinn. Hier kommt's wohl auch wieder auf die Dosierung an. ;)

Du baust auch einen Atmosphäre auf, dieses ganze leicht Verranzte, mich erinnert das auch ein wenig an Southern Gothic, Eudora Welty, Faulkner, vom Setting her, das ist perfekt,

Das geht runter wie Öl. :schiel:

da hätte ich mir viel mehr gewünscht, da passieren ja auch außergewöhnliche Dinge,

Im Nachhinein denke ich, dass du da recht hast. Ich wollte mehr eine Zustandsbeschreibung formulieren, ich glaube ich habe in letzter Zeit viel von Autoren gelesen, die auf diese Art schreiben und wollte so etwas auch schaffen. Diese ruhige Beobachtung, weniger die Explosion beschreiben als die versprengten Teilchen danach ... und diese Resonanz nutzen. Aber klar, das Setting hätte Potenzial für mehr Action gehabt.

aber es ist viel zu viel, und auch zu sehr erklärend, du kannst dem Leser ruhig mehr zu trauen.

Haha, das ist mein Knackpunkt, wie auch schon barnhelm angemerkt hat. Ich denke, ich habe Angst, das mir die Leser nicht folgen können, wenn ich nicht hier und da etwas eindeutiger werde. Es ist so schwer, da die richtige Balance zu finden. Ich arbeite dran! Vielleicht sind meine Storys auch noch zu konstruiert, ich denke, ich sollte es mehr fließen lassen. Vielleicht ergibt sich so automatisch ein besserer Fluss und die Dinge werden klarer, ohne zu Holzhammermäßig zu sein.

Ich danke dir auf jeden Fall für deine Beobachtungen.

deswegen würde ich dir empfehlen, dich mal selber aufzunehmen, ein Zwiegespräch, das transkribierst du auf Papier, und komponierst dann, reduzierst alles, bis du den Kern hast.

Das ist top, dass werde ich definitiv machen! Man denkt immer, dass es jetzt natürlich klingt, aber ... hey. :D Man spricht wohl doch viel rauer, als man denkt. ;)

Tausend Dank, PP

 

Hey Placebo Paradise

Mir gefällt der Text grundsätzlich gut. Er ist stark in den Beschreibungen, in seiner Sinnlichkeit gewissermassen, der Honig, der glänzt etc. Ich finde auch, dass die Komposition an sich überzeugt. Vielleicht würde ich mit dem Wegwischen der Essensreste beginnen, und dann erst die Stelle mit dem Honigbrot für die Bienen platzieren, das hat mir den Einstieg etwas erschwert, aber danach funktionieren die Rückblenden sehr gut.

Ich frage mich allerdings, ob die Gewichtung von Gegenwart und Vergangenheit optimiert werden müsste. In der Gegenwart hast du ja sehr viele Beschreibungen drin, Gerüche, Essen, da geschieht nicht viel ausser Aufräumen und Gartenarbeit. Ich fand das gut, auch wenn das für mich etwas an der oberen Grenze war, all die satten Beschreibungen, das hat sich für mich angefühlt wie eine sehr langsame Kameraführung. Passt schon.
Das Problem ist aber meines Erachtens, dass du auch die Rückblenden relativ statisch hältst.
Ist nur so eine Idee, aber ich denke, es könnte dem Text gut tun, wenn du die Rückblenden etwas dynamischer gestalten würdest, psychologisch dynamischer, oder auch handlungstechnisch. Man kann ja eine schnelle Handlung unterbrechen durch eindringliche Bilder aus der Vergangenheit, oder man kann eine langsame Szenerie, ein Danach anreichern durch handlungsreiche Rückblenden. In diesem Text hier hast du für mein Empfinden eine eher unglückliche Kombination, was die gesamte Geschichte ein wenig träge macht. Mir ist schon klar, dass du diese langsamen sinnlich schweren Passagen brauchst, das bildet ja auch die Grundierung des Textes, die Grundstimmung.
Vielleicht könnte man aber dennoch die eine oder andere Entwicklung in der Beziehung andeuten, eine Spannung auch mal, eine psychologische Dynamik und nicht nur in schönen Bildern, die ja vor allem sinnlich-erotischer Natur sind, verweilen. Ja, insgesamt war mir der Text etwas zu statisch.

Du fragst nach der Dosierung und nach dem Verhältnis von Beschreibung und Implikation. Wie gesagt, die Rückblenden, die Zeitenwechsel haben für mich gut funktioniert. Und was den Rest betrifft, kannst du für mein Gefühl ruhig noch stärker in Richtung "Implikation" gehen. Ich nenne mal ein paar Passagen, bei denen das Fettmarkierte gestrichen werden könnte, weil es bereits impliziert ist. Es sind ein paar Sätze dabei, die auch schon andere angemerkt haben.

»Für die Bienen«, sagte er dann. Nur er tat so etwas.
An den Pflanzen zeigt sich der frühe Herbst. Es sind Kleinigkeiten, die nicht jedem auffallen. Mir schon.
Vor allem, weil diese Sätze ganz am Anfang stehen, schleicht sich der leise Verdacht ein, der Autor wolle seine Figuren als besondere Charaktere etablieren. Wenn du deinen Job gut machst, dann kannst du darauf vertrauen, dass dem Leser die Besonderheit deiner Figuren von alleine aufgeht, da musst du nicht darauf hinweisen.

»Wer?« Sie nimmt mir die Karte aus der Hand. Ich lache über ihre großen Augen.
»Weilvin natürlich. Das ist aus der alte Mann und das Meer.«
»Würdest du noch einen weiteren Teller decken? Er hat sicher Hunger und probiert gern von allem etwas.«
Ich lächle meiner Schwester zu, damit sie weiß, dass alles gut ist.
Auch der Schluss ist mir ein wenig zu übererklärt.

Du hast auch an einigen Stellen so Doppelungen drin, ein Thema oder Motiv, das du mehrfach aufgreifst:

Ich tat, was Papa auch getan hätte, bevor er krank wurde.
Und dann wenig später ...

Papa verstand, was ein solches Anwesen braucht, um zu gedeihen. Meine Mühen waren bislang nur ein Schatten dessen, was er damals tat.
Oder hier:

Ich habe vergessen, die Gartenhandschuhe anzuziehen. Was soll’s. Ich ziehe Löwenzahn aus den Fugen, entferne lilafarbenen Klee und drahtige Blätter, die ich nicht kenne. Ihre Fasern schneiden in die Haut. Vermutlich sollte ich die Handschuhe holen, sonst habe ich heute Abend Ränder unter den Nägeln und braune Schnitte, die nicht mehr wegzuwaschen sind. Das wäre nicht angemessen. Nicht mir, nicht meinem Alter oder diesem Anwesen.
Da ist mir dieses Handschuhe-oder-nicht? zu überstrapaziert, da würde ich ebenfalls darauf vertrauen, dass das Bild beim Leser ankommt.

Oder hier:

Ein T-Shirt von einer Band, die ich nicht kannte. Eine zitronengelbe Armbanduhr aus Plastik. Alles an ihm passte nicht hierher.
und wenig später ...

»Was für eine Band ist das?«, fragte ich. »Joy Division?«
Oder hier:

»Kannst du ein bisschen bei mir bleiben?«, frage ich. Ein Blick in ihre Augen genügt, um zu wissen, dass es nicht geht.
»Du weißt, dass das nicht geht. Wegen der Kleinen.«

Aber das sind Kleinigkeiten. Wie gesagt, hat mir der Text in Bezug auf seinen grundsätzlichen Zugang gut gefallen, du verstehst es ausgezeichnet, Atmosphäre zu schaffen, schreibst stillistisch sauber, das ist sehr angenehm zu lesen. Ich denke, da bist du bereits an dem Punkt, wo du aufs Ganze gehen kannst.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @PlaceboParadise ,

Er las auch aus Sternstunden der Menschheit und aus Schachnovelle, während ich mit den Augen den Schatten der Schwalben folgte, die über dem Gewächshaus nach Insekten jagten

deine Geschichte hat mich schon sehr überrascht. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich einen älteren, lebenserfahrenen Schreiber dahinter vermuten, schon allein deshalb, weil seine literarischen Zitate eher in der Lieblingslektüre meiner Generation veränkert sind.
Ich hatte ein ziemlich präzises Bild von deinem Protagonisten vor Augen. Ein alter Freund von mir hat mit seinem ( jungen) Lebensgefährten eine alte Villa im Elsass samt Rosengarten zu einem Paradies umgestaltet. Die Feste, die er von Zeit zu Zeit für einen kleinen Kreis veranstaltet, sind üppig und der Schönheit des Ambientes gewidmet. Wie dein Prota hat er den Blick aufs Detail, im Garten wie im Haus.

Die Melancholie deines Protas kommt natürlich in der Wahl des Titels zum Ausdruck. Schönheit, Vergänglichkeit und ja, auch Gefährlichkeit sind für mich sehr eindrücklich gestaltet. Wenn die Blüte der Titanenwurz (im botanischen Garten) zu erwarten ist, gibt es bei uns sogar in der Tagespresse eine Ankündigung.

Beeindruckend sind für mich auch die Details der Pflanzenpflege. Wer gerne im Garten arbeitet, kennt das Problem mit den Händen. Das sinnliche Vergnügen lässt einen schon die Handschuhe vergessen.

Zur sprachlichen Gestaltung ist ja schon einiges gesagt worden: wo der Text ausschweifend wird, wo Kürzungen sinnvoll werden, wo es nicht mehr notwendig ist, das schon Gezeigte noch einmal durch Erklärungen zu ergänzen. Das Augenmerk darauf lernt man im Forum ganz gut ...

Keine Probleme hatte ich mit den Rückblenden. Ich finde, durch die verschiedenen Zeitstufen sind sie deutlich markiert.

»Wie siehst du denn die Welt?«, fragte er. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Wind kam auf und schüttelte die Birken. Nur zwischen uns bewegte sich nichts. Später stand er auf und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
»Danke«, sagte er und ging nach Hause. Am nächsten Morgen kam er nicht wieder.
*​
Ich lächle meiner Schwester zu, damit sie weiß, dass alles gut ist.

Wenn ich die beiden Textstellen nebeneinanderstelle, interpretiere ich sie doch so: Beide, Schwester und Bruder, wissen, es ist nur eine Hoffnung, keine Gewissheit darüber, ob alles gut ist.

Hat mir sehr gut gefallen.

wieselmaus

 

Hallo @Peeperkorn,

cool das du dich meiner Geschichte auch noch annimmst. :)
Ich danke dir für deine Kritik. Vor allem der Part mit den vielen Wiederholungen, die eigentlich alle garnicht gebraucht werden, das ist ziemlich einleuchtend. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich da noch mehr Hinweise auf Charaktere etc. geben muss, aber offenbar darf man dem Leser wirklich mehr zutrauen, als man denkt. ;) Und ich dachte schon, dass ich fast zuviel weglasse und den roten faden verliere!

In der Gegenwart hast du ja sehr viele Beschreibungen drin, Gerüche, Essen, da geschieht nicht viel ausser Aufräumen und Gartenarbeit.
Vielleicht könnte man aber dennoch die eine oder andere Entwicklung in der Beziehung andeuten, eine Spannung auch mal, eine psychologische Dynamik

Richtig, hier wollte ich ihm eine alltägliche Tätigkeit geben, die er ausführen und dabei trotzdem in seine melancholische Gedankenwelt abdriften kann. In Kontrast dazu hätte ich wohl in der Vergangenheit mehr Aktion einbauen müssen, um die Geschichte lebendiger zu gestalten. Ich kann auf jeden Fall nachvollziehen, was du ansprichst.

In diesem Punkt stimmst du ja auch bereits mit anderen Wortkriegern überein, das werde ich definitiv beherzigen! Im Nachinein denke ich auch, dass ich noch mehr emotionale Spannung und Handlung hätte reinpacken können, vor allem im Hinblick auf die fragwürdige Beziehung der beiden.

Ich denke, da bist du bereits an dem Punkt, wo du aufs Ganze gehen kannst.

Uff, das freut mich ungemein! :) Vielen Dank dir! Ich werde die redundanten Textzeilen sofort beheben und auch die Story in ihrer Gesamtheit auf jeden Fall noch einmal überarbeiten.

Viele liebe Grüße und ein großes Danke! :)

PP

***


Hallo liebe @wieselmaus

ein großes Dankeschön auch an dich für die Kritik! :)

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich einen älteren, lebenserfahrenen Schreiber dahinter vermuten, schon allein deshalb, weil seine literarischen Zitate eher in der Lieblingslektüre meiner Generation veränkert sind.

Haha, das liegt daran, das ich eine tolle, alte Ausgabe von Der alte Mann und das Meer dabeim habe, durch Zufall. Da kommt man nicht umhin, dieses Werk zu lesen. ;) Die alten Geschichten eignen sich ja auch immer hervorragend, um sie in die eigenen, neuen Werke zu verweben.

Ich hatte ein ziemlich präzises Bild von deinem Protagonisten vor Augen. Ein alter Freund von mir hat mit seinem ( jungen) Lebensgefährten eine alte Villa im Elsass samt Rosengarten zu einem Paradies umgestaltet. Die Feste, die er von Zeit zu Zeit für einen kleinen Kreis veranstaltet, sind üppig und der Schönheit des Ambientes gewidmet. Wie dein Prota hat er den Blick aufs Detail, im Garten wie im Haus.

Das scheint ja ganz nach meinen Charakteren zu klingen, wie interessant! :) Jetzt würde ich zugern dieses Anwesen der beiden sehen.

es ist nur eine Hoffnung, keine Gewissheit darüber, ob alles gut ist.

Das ist richtig. Ich wollte den Ausgang offen halten, aber auch implizieren, dass er sich mitunter vor lauter Liebestollheit und Einsamkeit etwas vormacht. :)

Ich danke dir vielmals für deine Einschätzung und Kritik, freut mich sehr, wie gut die Geschichte bei dir angekommen ist!

Viele liebe Grüße, PP

 

Hallo @PlaceboParadise,

gut möglich, dass ich bereits Gesagtes wiederhole, das darfst du dann gerne überlesen.

Ich habe in den letzten Tagen ein paar Mal begonnen, deine Geschichte zu lesen, ich fand den Titel interessant und hab dich hier häufig als Kommentierer wahrgenommen, was ich cool finde. Und der Anfang gefiel mir dann auch, der weckt gleich Interesse, nicht nur, weil da einer Honigbrot für die Bienen auf dem Teller zurücklässt - was wie ... süß ist - sondern auch, weil da einer behauptet, dass nur "er" das tut. Das lässt mich auf einen Erzähler schließen, der den Honigtyp selbst so interessant und besonders findet, dass er ihn mir näherbringen will.

Und es geht auch interessant weiter, also keine Ahnung, warum ich nicht einfach weitergelesen habe ... Na ja, jetzt tu ich's ja.

Also zupfte ich verdorrte Blätter aus dem Lebendigen heraus, schnitt Abgeblühtes zurück und düngte. Ich tauschte die Sprühköpfe der Beregnungsanlage aus, damit die Luftfeuchtigkeit stimmte.

Das sind wirklich Kleinigkeiten, aber ich finde, hier könntest du bei der Sprache noch mal ein bisschen Feintuning betreiben. Die beiden "Hauptsätze" enden beide auf "aus", vielleicht könntest du im zweiten Satz "Ich wechselte die Sprühköpfe der Beregnungsanlage" schreiben, vielleicht fällt dir was Besseres ein, vielleicht ist es auch egal.
Die zweite Sache, die mich hier "stört", ist der letzte Teil - "damit die Luftfeuchtigkeit stimmte". Ich weiß nicht, aber in meinen Ohren hat das so einen leicht naiven Klang, "damit sie stimmte" ... Spontan habe ich da an "um die Luftfeuchtigkeit zu regulieren" gedacht, aber da gilt das gleiche wie eben schon, vielleicht fällt dir was Besseres ein, vielleicht ist es auch egal.

Meine Mühen waren bislang nur ein Schatten dessen, was er damals tat. Aber die Pflanzen wuchsen.

Hier habe ich wieder dieses "Naivitätsproblem" - "was er damals tat". Erstmal glaube ich, dass es "was er damals getan hatte" heißen müsste, fände ich jedenfalls passender. Aber so oder so finde ich "tun" hier ein bisschen schwach, mir gefiele da so was wie ... "Meine Mühen waren bislang nur ein Schatten dessen, was er damals geleistet hatte."

Ich schneide sie nicht ab, sondern reiße gleich die Wurzeln mit aus.

Ich finde die Geschichte bisher inhaltlich und insbesondere auf deine Wortwahl bezogen sehr interessant und lesenswert, du streust haufenweise Wörter ein, die mich in die Pflanzenwelt katapultieren sollen - und es funktioniert. Nur habe ich den Eindruck, dass die Schreibe stellenweise etwas unausgereift bzw. unreif wirkt, das sind nur so Minifitzelchen, die sich leicht beheben lassen, aber ja, fällt mir eben auf. Hier ist der Stolperer für mich das "sondern reiße gleich die Wurzeln mit aus", "Ich schneide sie nicht ab, sondern reiße sie mitsamt der Wurzeln aus der Erde" oder ähnliches gefiele mir da besser.

Ich ziehe da jetzt mal nicht jede einzelne Stelle raus, wo mir das aufgefallen ist, wollte dich das nur wissen lassen. Sie krepelt nicht larvenmäßig unbeholfen umher, deine Sprache, aber ... keine Ahnung, wahrscheinlich ist sie gerade im Puppenstadium, nur noch ein bisschen, bis der hübsche Schmetterling sich vollkommen entfalten und die Geschichte auf seinen Flügeln mit sich tragen kann.

Auch die Kleidung liegt schon bereit: ein maßgeschneidertes Sakko

Groß nach Doppelpunkt, denke ich

mit geschlossenen Augen als wäre es das Meer.

Komma vor als, denke ich

Ich wohne hier nur seit er ...«

Komma nach nur, denke ich

Auf dem Weg zur Tür reibe ich über die schmutzige Stelle in der Hoffnung, dass der Stoff schnell genug trocknet

Komma nach Stelle, denke ich

»Ja, ich kann bloß den Korkenzieher nicht finden.«
»Du bist dünn geworden. Wo warst du die letzten Wochen?«
»Hier.«
Neben den Öl- und Essigflaschen steht der Korkenzieher.

Etwas ungelenk, der doppelte Korkenzieher, wie ich finde. Vielleicht einfach:
"Hier."
Neben den Öl-und Essigflaschen liegt er.
oder so? (Habe mich auch kurz gewundert, warum der steht, der Korkenzieher)

»Kannst du ein bisschen bei mir bleiben?«, frage ich. Ein Blick in ihre Augen genügt, um zu wissen, dass es nicht geht.
»Du weißt, dass das nicht geht. Wegen der Kleinen.«

Hier will ich dann doch noch noch mal den Zeigefinger heben - die "dass das nicht geht"-Dopplung finde ich nicht schön, vielleicht: "Ein Blick in ihre Augen genügt, um die Antwort zu wissen." Das klingt auch nicht wirklich gut, finde ich, aber vielleicht fällt dir noch was ein.

Weilvin wie er Löwenzahn in Streifen zieht, um dabei zuzusehen, wie sie im Poolwasser zu Locken werden.

Komma nach Weilvin. Ein schönes Bild

... Und ein schönes Ende.

Ja, also ich finde wirklich, dass mit die größte Stärke des Textes hier die Wortwahl ist, nicht nur auf die Pflanzen bezogen, sondern ganz allgemein. Das ist, wie wenn man am Strand entlangläuft, und bevor man überhaupt auf den Gedanken kommt, dass Muschelsammeln langweilig ist, findet man wieder eine neue, die keiner der vorherigen gleicht. Eine Brokatsesselmuschel, eine Besprenklungsanlagenauster, eine Dijonsenfmuschel ... Hält einen bei Leine, gefällt mir.

Da passt dann auch der Titel ganz ausgezeichnet, ich hatte keine Ahnung, was so eine Rafflesia ist, also ja, doch, aber ich hatte keine Ahnung, wie die Dinger heißen. Gut, dass du offenbar mit einem Wörterbuch (oder zweien, eines für Botanik, eines für ... ein Kochbuch) unterm Kopfkissen schläfst, hab ich gleich was dazugelernt.

Auch die Atmosphäre ist toll, ich glaube, das hier beschreibt es ganz gut:

Der Sommer verdichtete sich um uns. Wir fotografieren uns gegenseitig mit einer alten Polaroidkamera

Sehnsucht, Wehmut, Hoffnung; Staub, der in den Sonnenstrahlen umherschwebt, die durch die Gewächshausscheibe scheinen ... Ich habe bisher noch keine Gewächshausgeschichte gelesen und die erste gefällt mir sehr gut. Danke dafür!

Viele Grüße und bis bald,

Bas

 
Zuletzt bearbeitet:

Mit der Hand fege ich die Zeit hinterher, die sich in den letzten zwei Wochen auf dem Fliesentisch angesammelt hat. Trockene Feigenblätter, ein paar tote Wespen, Staub.

Weilvin – einen Namen schöner als der andere,

@PlaceboParadise,

hastu da geschaffen, der mich an eine Schöpfung Gottfried Kellers erinnert, „Seldwyla bedeutet nach der älteren Sprache einen wonnigen und sonnigen Ort, und so ist auch in der Tat die kleine Stadt dieses Namens gelegen irgendwo in der Schweiz“, womit er seine Novellensammlung eröffnet. Zwar verwendet Keller bei der Namensgebung der Ortschaft den im alemannischen Gebiete der Schweiz häufig vorkommenden Typ „wyl“ = villa, ville/Weiler für die Endsilbe, es bezeichnet aber die erste Silbe die alte „saelde“ („Glück/Wonne/Segen“) und das Mittelhochdeutsche „wil(e)“ („Weile“ i. S. einer/s Zeitdauer/-raums), was den Ort ergibt, an dem das Glück eine Zeitlang wohnt, wie sich auch der Name Weilvins (weil = spätmittelhochdeutsch wīle = während, eigentlich Akkusativ Singular von Weile, aus mittelhochdeutsch die wīle, althochdeutsch dia wīla („so“) und in der Zeitspanne („als“) mit dem aus dem Lateinischen entlehnten „vinum“, was einen Biertrinker an sich weniger anmachen wird als den Genießer des Rebensaftes -

und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts und ein gutes, neues Jahr, das immerhin noch 336 Tage zählt (wenn ich richtig gerechnet hab)!

Es ist immer praktisch, nicht den ersten Kommentar abgegeben zu haben - die Namen verraten‘s vielleicht, dass sie mich mit dem ersten Erscheinen neugierig machten, bis ich auf ein Problem stieß, das ich bis heute nicht geknackt hab, selbst, wenn Du keine tiefere Absicht gehegt haben solltest, denn ich gehe davon aus, dass Titel wie zB „der alte Mann und das Meer“ nicht grundlos genannt werden und dass ich bis jetzt als einzigen Bezug darin sehe, dass die Beute des alten Santiago, ein Marlin, die Haie anzieht wie die titelgebende Rafflesia Fliegen, und wer in der Erzählung hier der ältere Mann ist, wird ja spätestens hiermit

Weilvin, das klang wie Wind und Verweilen und beides schien angemessen. Ich lächelte immer, wenn ich daran dachte. Natürlich erfuhr er nichts davon. Er hätte es vermutlich nicht gut gefunden. Junge Menschen benutzen keine albernen Kosenamen. Es wird immer mein Geheimnis bleiben.
verraten, wobei ich über die „schein“-Formulierung stolper.

Warum?
Der Deutschlehrer an der Realschule behauptete, nur die Sonne scheine, selbst der Mond habe sein Licht nur geliehen (eben von der Sonne). Darum wäre „scheinen“ in die Situation des „brauchen“ geraten, von dem der Volksmund richtigerweise sagt, wer brauchen ohne zu gebraucht, braucht brauchen gar nicht zu gebrauchen.
Und: Recht hat der Lehrer. (Selbstverständlich hätt‘ ich auch was im Duden- oder Wahrigdeutsch der Fachleute schreiben können, aber ich komm aus einer ganz anderen Grammatik und wer wollte bezweifeln, dass die Geschichte des Deutschlehrers nicht viel schöner ist als die Unterscheidung von Verben?)

Also besser „… und beides schien angemessen zu sein“, alternativ – Duden und Bertelsmann (Wahrig) setzen die Vorsilbe „er...“ vor, also alternativ „… und beides erschien angemessen.
(nur am Rande, i. d. R. klappt es ja, wie hier z. B.

..., während das rote Licht des Sonnenuntergangs alle Farben zu schlucken schien.)

Wie eine unterm Brennglas zusammengeschmolzene Erkenntnis über Wachstum, Stärke und Vergänglichkeit wirkt die Beschreibung
»Das liegt an der Rafflesia.«
Ich zeigte auf eine riesige Blüte, die zwischen der Aloe Vera und den lianenartigen Auswüchsen einer Kletterpflanze thronte. Sie besaß den Durchmesser einer Radkappe und ihre dicken Blätter glänzten wie roher Speck.
»Wow«, sagte Weilvin.
»Sie stinkt nach Verwesung, um Fliegen anzuziehen. Jetzt ist sie schön, aber in ein paar Tagen ist nur noch schwarzer Matsch übrig.«
Nebenbei, im
»Wow«, sagte Weilvin
seh ich mehr als eine bloße Aussage, sondern Staunen und Überraschung – warum also kein Ausrufezeichen?, womit wir bei den verblieben Flusen sind, wie hier
Danach folgen Olivenkerne aus Tonschalen, Zahnstocher und Serviettenknäule.
Im Dreher „...knäule“, die wahrscheinlich als „...knäuel“ angedacht sind (wenn‘s mundart- oder landschaftlich bedingt ist, würde mich jetzt wundern, dass kein Dialekt oder Soziolekt gesprochen/geschrieben wird ...

Ich kehrte den Hof, goss die Pflanzen, brannte das Unkraut zwischen den Fließen nieder und versorgte die Möbel mit Walnussöl. Ich tat, was Papa auch getan hätte, bevor er krank wurde.
Ich weiß, da wurd von Anfang an drauf hingewiesen, ich pack es mal anders an, dass „Fliesen“ eben nicht vom „Fluss“ kommen, sondern von der mittelniederdeutschen vlīse, einer Steinplatte und lt. Duden „vielleicht eigentlich ... die (Ab)gespaltene“ meint.

Ich wohne hier nurKOMMA seit er ...«
das Komma geht ja nicht dadurch verloren in der Schriftsprache, weil ein Satz abgebrochen wird ...

Ich lasse ihn, wie er istKOMMA und reibe die Hände aneinander, um …
Sätzen geht es wie dem richtigen Leben, haben Anfang und (finden) ein Ende, ob Haupt- oder Nebensatz – wie hier mit der vergleichenden Konjunktion „wie“ vorweg, die nachfolgende Konjunktion setzt nicht den Vergleich, sondern den Hauptsatz fort
„Ich lasse ihn … und reibe die Hände aneinander, um …“

WeilvinKOMMA wie er Löwenzahn in Streifen zieht, um …
Den Namen seh ich als Ellipse an, als Anrede ginge es auch – beides erzwingt aber ein Komma!, nicht erst, wenn ein Relativsatz folgt
Weilvin, der mich auf den rechten Wangenknochen küsste, weil…

Wie dem auch sei, gern gelesen vom

Friedel

 

Hallöle @Friedrichard

jetzt komme ich endlich mal dazu, auch deinen Kommentar zu beantworten, die restliche Woche war ganz schön wild für mich. :)

und damit erst einmal herzlich willkommen hierorts und ein gutes, neues Jahr, das immerhin noch 336 Tage zählt

Hierfür erst einmal vielen Dank und gleichfalls! :)

ich gehe davon aus, dass Titel wie zB „der alte Mann und das Meer“ nicht grundlos genannt werden und dass ich bis jetzt als einzigen Bezug darin sehe, dass die Beute des alten Santiago, ein Marlin, die Haie anzieht wie die titelgebende Rafflesia Fliegen

Richtig erkannt, das war ein Grund, aber auch, das Santiago versucht etwas festzuhalten, das ihm entgleitet. So geht es dem Protagonisten meiner Geschichte ja auch, er klammert sich an die Vergangenheit, an die kurze Zeit mit Weilvin, die ihm aber so schnell wieder entrissen wurde, wie sie gekommen war. Zurück bleibt: ein alter Mann. ;)

Also besser „… und beides schien angemessen zu sein“, alternativ – Duden und Bertelsmann (Wahrig) setzen die Vorsilbe „er...“ vor, also alternativ „… und beides erschien angemessen.

Vielen Dank auch für all die kleinen weiteren Anmerkungen, die verfeinern den Text, haha, aber ich bin erstaunt, wieviel sich dann doch immer noch finden lässt.

Ich danke dir für dieses schöne Kommentar!

Viele liebe Grüße, PP

 

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