Was ist neu

Rückkehr in die Heimat

Mitglied
Beitritt
29.06.2012
Beiträge
2

Rückkehr in die Heimat

Sie mussten im Morgengrauen gekommen sein. Sie brachen die Tür auf und nahmen Matthias mit. Celia hatte versucht, sie aufzuhalten. Sie lag im Flur, still. Ein Tropfen Blut hing noch in ihrem Mundwinkel.

Ab jetzt ist er alleine in dem großen Haus, sitzt alleine am alten Eichenholztisch, wenn es Mittagszeit ist und trinkt in der Bibliothek seine Tee. Ab und zu streicht die Katze um seine Beine, lässt sich kraulen und verlangt nach Futter. Wenn die Uhr halb zehn schlägt, klappt er sein Buch zu und knipst das Licht aus. Von montags bis freitags geht er wie gewohnt in die Firma, spricht mit seinen Mitarbeitern und Kollegen von der Börse. Gewissenhaft wie all die Jahre zuvor führt er ‚Oppermann International‘. Niemand weiß, dass er alleine ist. Aaron Oppermann hatte seine kleine Familie verloren, an dem Tag im September, im Morgengrauen. Hätte er sie aufhalten können, wenn er nicht auf Dienstreise gewesen wäre? Manchmal stellt er sich vor, was genau passiert sein mochte. Dann schließt er die Augen und sieht drei Männer mit Sonnenbrillen und muskulösen Oberarmen, wie sie schweigend die Treppe hoch gehen und den Flur entlang, vorbei an der Bibliothek und in Matthias‘ Zimmer. Er springt von seinem Stuhl auf, sie packen ihn und betäuben ihn mit Chloroform. Das letzte, was er sieht, ist die mit Stuck verzierte Decke. Engel lächeln ihn an aus ihren rundlichen Gesichtern. Sie schleppen ihn ins Erdgeschoss, da kommt ihnen Celia entgegen. Sie schreit auf, hilflos. Einer der Männer hat plötzlich eine Waffe und schießt auf sie. Während seine Schwester in sich zusammensinkt, gehen sie immer noch schweigend und ohne Hektik den Gartenweg entlang.

Von Zeit zu Zeit hat Aaron ein Stechen in seinem Herzen. Wenn es besonders schlimm ist, schluckt er eine Tablette, manchmal zwei. Während er auf ihre Wirkung wartet, sitzt er dann in seinem Sessel in der Bibliothek und blättert, begleitet vom schwachen Licht der einzigen Lampe, Matthias‘ Bücher durch. Längst kennt er sie auswendig. Alle Bilder studiert er genau, obwohl er sie jede Nacht im Schlaf vor sich sieht.

Die Frau wiegte ihr Baby und die Tränen flossen ihr über die sonnenverbrannten Wangen. „Bajar“, flüsterte sie, „verzeih mir. Du wirst es besser haben. Vielleicht kommst du nach Amerika oder sogar nach Europa.“ Sie vergrub ihren Kopf in den Decken, in die Bajar gehüllt war. Er betatschte glucksend ihre Haare.
Die letzten Monate trug sie weite Kleider, um die Schwangerschaft zu verdecken. Niemals sollte Bajar in einer Welt voller Korruption und Mord aufwachsen. Hoffentlich hatte keiner dieser Männer sie gesehen. Vorsichtig legte sie den Korb mit ihrem Sohn auf den Stufen ab, küsste ihn noch ein letztes Mal auf die Stirn und ging mit schweren Schritten davon. Es fühlte sich so falsch an, ihn einfach zur Adoption freizugeben. Es war, als könnte sie seine vorwurfsvollen Augen in ihrem Rücken spüren.
Sie war schon fast zuhause, als sie die beiden bemerkte. Das Gesicht wütend verzogen, traten sie vor. „Was hast du mit ihm gemacht?“, donnerte der Größere von beiden. Seine Haare klebten ihm in Gesicht und verdeckten einige seiner Narben. „Er gehört zu uns, das weißt du“, zischte der Kleinere. „Wir lassen unsere Mitglieder nicht einfach so gehen.“
Ohne lange nachzudenken rannte sie los. Durch die nächste Gasse. Staub wirbelte auf, rieb in ihren Augen und vermischte sich mit den Tränen. Bald hatte sie den Marktplatz erreicht. In Schlangenlinien lief sie zwischen den Ständen durch, vorbei an stinkenden Yaks mit zerzaustem Fell, vorbei an Menschen, die ihr Chuuschuur anpriesen. Trotz der Hektik nahm sie alles wahr. Aber die Männer waren dicht hinter ihr und schwangen ihre Schwerter. Sie rannte immer weiter, durch kleine Nebenstraßen, vorbei an Kindern, die im Sand spielten. Dann war sie raus aus der Stadt, zögerte kurz und lief weiter in die Wüste. Hier holten ihre Verfolger sie ein.

Frau Schmidt schüttelte den Kopf. „Ich kann Ihnen wirklich nicht helfen.“
Aaron sieht sie verständnislos an. „Natürlich können Sie das, Sie sind gut in ihrem Job.“
„Ich habe Informationen, aber sie ergeben keinen Sinn…“
Sie nippt an ihrem Tee, während Aaron sie erwartungsvoll ansieht.
„Meine Informanten… sie haben gesagt…“ Sie schluckt. Inzwischen trommelt ihr Gegenüber ungeduldig mit den Fingern auf den Tisch.
„Sie sagten, es waren Ausländer. Asiaten, wahrscheinlich aus der Mongolei.“
Seine Finger beenden den Rhythmus schlagartig und er senkt den Kopf. Frau Schmidt fährt fort.
„Sie gehören zu einer Organisation. Das ist so was wie die Mafia. Angeblich haben sie sehr viel Macht.“
Aaron beginnt leise zu schluchzen, aber es sind keine Tränen da. Sein Körper verkrampft sich.
„Matthias ist bloß adoptiert“, flüstert er.
Frau Schmidt ist empört. „Das sagen sie jetzt erst?“, meckert sie. „So kann ich doch nicht arbeiten!“
Aaron sieht sie an, fixiert ihre Augen mit seinen leuchtend grünen. „ Er war noch so jung, als er es herausfand. Er fand Dokumente, ich hatte vergessen, sie wieder in den Safe zu schließen. Können sie sich seine Enttäuschung vorstellen? Aber da war auch ein Leuchten in seinen Augen. Er begann, eine Sammlung über seine Heimat zusammen zu stellen.“ Er macht eine ausschweifende Bewegung mit seiner Hand und stößt dabei seine Tasse um. Es interessierte ihn nicht. „Das Regal dort, und noch die Hälfte von dem. Er verschlang sie wie ein Abhängiger seinen Alkohol und wurde ebenso unglücklich.“ Sein Tonfall wird immer verbitterter. Nervös rutscht Frau Schmidt auf ihrem Sessel herum.
„Also…“, beginnt sie.
„Also machen sie sich endlich an die Arbeit, für die sie jede Menge Geld bekommen“, schreit Aaron. „Und kein Wort zu irgendjemandem.“
Hastig packt sie ihre Handtasche, wirft ihrem Auftraggeber einen unsicheren Blick zu und verlässt den Raum. Ihre klackernden Absätze verursachen ein Echo, werden immer leiser und verhallen schließlich. Er vergräbt seinen Kopf in den Händen und jetzt erst laufen die Tränen.

Aaron blickt hinaus in den Garten. Es ist stürmisch, das Wasser in dem kleinen Teich wirft Wellen und die Gardine neben der geöffneten Tür bauscht sich auf. Überall liegen Blumentöpfe, Opfer des sich anbahnenden Gewitters. Die Kerze, die er für seine Schwester aufgestellt hatte, ist längst erloschen. Frau Schmidt hat die Suche aufgegeben. ‚Schalten sie die Polizei ein‘, hatte sie gesagt. ‚Die haben Sondereinheiten für so etwas.‘ Was das für eine Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit auslösen würde. Die ganze Organisation hochnehmen konnte man nicht einfach. Für seine Firma wäre das nur negative Presse. ‚Das Unternehmen geht über alles.‘ So hatte sein Vater ihn geprägt. Ohne seine Arbeit bliebe ihm gar nichts mehr. Das Risiko war so groß. Die meisten Leute würden es nicht verstehen. Der Schein muss gewahrt bleiben. Er sieht zu, wie die ersten Tropfen den Rasen durchnässen. Mit der zarten Hoffnung, sein Sohn könnte zurückkehren. Eines Tages.

Matthias lehnt sich in seinem Sitz zurück und lächelt. Noch drei Stunden Flug, dann wird er endlich dort sein, wo er hingehört. In dem Land, in dem er noch nie gewesen war, dass er aber Heimat nennt. Die, die sich für seine Familie ausgaben, hatten für all ihre Lügen bezahlt. Sein Plan war aufgegangen. Nun würde er das Leben haben, für das er bestimmt war. Sich bis ganz nach oben arbeiten. Er würde der Beste sein. Erwartungsvoll schloss er die Augen.

 

Hallo, Cumberbitch

und herzlich willkommen!


Ich komme nicht so ganz hinter die Geschichte. Der chronologische Ablauf der Geschehnisse ist noch einfach zu verstehen.
Eine Frau in der Mongolei legt ihren neugeboren Sohn anonym irgendwo ab. Vielleicht vor einem Krankenhaus, dem Rathaus, einer Kirche oder einem Kloster. Die Stufen müssen ja irgendwo hin führen.
Daraufhin wird sie von seltsamen und wütenden Männern verfolgt. Ihr Geheimnis, wo sich das Kind befindet, gibt sie nicht preis. Die Spur des Kindes ist für die Männer verloren, sonst hätte man es sofort zurückgeholt.

Das Kind (Bajar) wächst in Deutschland bei Aaron Oppermann unter dem Namen Matthias auf. Jedoch bereits in jungen Jahren (was auch immer diese Floskel bedeuten mag) fand er die Adoptionsunterlagen. Da Bajar anonym abgegeben wurde, kann dort lediglich das ungefähre Geburtsdatum und der Fundort verzeichnet sein.
Matthias interessiert sich für seinen Geburtsort. Das ist verständlich. Das er sich nicht vorher bereits für sein aus der Art geschlagenes Aussehen interessiert hat, ist nicht zu verstehen.

Irgendwann und aus Gründen, auf die nicht tiefer eingegangen wird, reift in Matthias ein Plan. Er will sich an Aaron und Celia (die demnach mindestens fünf Jahre älter als Matthias sein muss – so was muss man sich als Leser mühsam selbst zusammenreimen) rächen und in die Mongolei auswandern.
Dort will er sich hocharbeiten – wahrscheinlich den Aktienhandel in der Mongolei in Schwung bringen oder was auch immer. Er will dort das Leben führen, für das er sich auserwählt fühlt. Wie dieses Leben in seiner Fantasie aussieht, bleibt im Dunkel. Aber er will in irgendwas der Beste werden.

In einem unbestimmten Alter wird Matthias aktiv. Er nimmt Kontakt auf. Zu wem und wie er das macht (er kann ja schlecht einen Brief an die mongolische Maffia adressieren), bleibt das Geheimnis des Erzählers – später identifiziert eine Privatdetektivin diese Leute als Asiaten, wahrscheinlich Mongolischer Abstammung, jedoch sicher einer Organisation zugehörig, die Maffia ähnliche Strukturen aufweist und, wen überrascht es, selbstverständlich sehr mächtig ist.
Als sein Adoptivvater auf Dienstreise ist, erschießt Matthias dessen Tochter und täuscht (wahrscheinlich mit Hilfe einer Mongolischen Organisation, die Maffia ähnliche Strukturen hat und sehr mächtig ist) einen Einbruch vor.
Irgendwie muss er auch gewusst haben, dass Aaron nicht zur Polizei geht. Er kann sich also sorglos mit seinem Reisepass zum Flughafen begeben (vielleicht auch in Begleitung einiger Herren, die einer mongolischen Organisation angehören, die Maffia ähnliche Strukturen hat und die, wenn auch fürchterlich dumm, immerhin sehr mächtig ist) und in die Mongolei flüchten.

Derweil kehrt Aaron das Verschinden seiner Kinder wochenlang unter den Teppich. Wie stellt er das an? Die Antwort mag für die Geschichte nicht wichtig sein, aber für den Leser ist sie es. Der will zu anscheinend unmöglichen Sachverhalten, aus denen er sich keinen Reim machen kann, aufgeklärt werden.

Es ist mir nicht klar, wessen Geschichte hier erzählt wird. Es scheint eine Art Familien-Saga zu sein.
Ich meine, am interessantesten ist Matthias. Also würde ich ihm auch mehr Raum im Text gönnen. Sein Bild müsste deutlicher werden. Er ist die Triebfeder der Geschichte.

Gruß

Asterix

 

Hallo Asterix,
Vielen Dank für deine Kritik! Mir war klar, dass da noch sehr viel fehlt, auch zum Verständnis und um das irgendwie glaubhaft zu machen, aber ich wusste nicht wie- Krimis sind nicht mal mein Genre, aber ich wollte es dann doch mal versuchen :) ich mach mich gleich an die Überarbeitung, mal sehen, ob die Story sich noch irgendwie retten lässt.
Liebe Grüße

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom